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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.02.1905
- Erscheinungsdatum
- 1905-02-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190502191
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19050219
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19050219
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1905
-
Monat
1905-02
- Tag 1905-02-19
-
Monat
1905-02
-
Jahr
1905
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.02.1905
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2. Beilage Sonntag, 19. Februar 1995. Leipziger Tageblatt. Seite 9. Nr. 91. 99. Jahrgang. veutrcber siricimag. (142. Sitzung.) O Berlin, 18. Februar. (Telegr.) Daß nach den anstrengenden Kommissionsverhanb- lungen über die Handelsverträge in den letzten Tagen die Koinmissionsmitglieder heute nicht viel Stimmung haben würden, die erste Beratung des Toleranz-Antrages des Zentrums fortzusetzen, war eben so klar, als daß viele nicht in der Kommission beschäftigte Abgeordnete die un verhofften Ferien gleich bis Montag ausdehnen würden. So waren denn nur Zentrum und Nationalliberale einigermaßen vertreten, die Situation war matt, und am Bundesratstisch hatte der sächsische Gesandte Graf Hohenthal nur zu dem Zweck Platz genommen, einige neulich von Herrn Groeber vorgebrachte „Fälle von Intoleranz" in Sachsen richtig zu stellen. Dr. H i e- ber von den Nationalliberalen hielt eine lange Rede vom evangelischen Standpunkt mit dem Refrain: die Jeremiade des Zentrums rührt uns nicht, denn es ist nicht halb so schlimm. Probst Dr. von Jazdzewski schwenkte das Panier des unterdrückten Polentums, und der Sozialdemokrat Stolle, Gastwirt und Gärt, ner in Gesau bei Glauchau, verbreitete sich über die Glaubens» und Gewissensfreiheit im allgemei- nen mit Illustrationen aus sächsischem Gebiet. Später brachte Herr Gröber einen lebhafteren Ton fall in die Unterhaltung und beschwerte sich iiber den leeren Ministertisch, zu früh, denn unmittelbar darauf erschien Graf Posadowsky. Recht herzliche Heiterkeit er. weckte der urwüchsige Zehn-Gebote -Hoffmann mit seinem gewaltigen Organ und seinem urberliner Dialekt. Er hält nichts von Katholiken und nichts von Protestan ten, denn es will ihn schier bedünken, daß er alle beide—. Und wenn das Zentrum Toleranz Predigt, so komme es ihm vor, als wenn der Fuchs für den Vegetarismus plaidiere. Er erinnert an die Ausweisung der Dissiden ten aus den Berliner Schulgebäuden: er hätte kein Ver trauen in die Rechtssprechung, hätte aber keine Furcht „vor das schwarze Gespenst". Er schnitt noch eine Reihe von Punkten an und fiel aus einer Konstruktion in die andere. Während Bachem das Schlußwort vortrug, füllte sich das Haus. Man hatte alles herangeholt, dessen' man habhaft werden konnte, denn Frhr. Hehl zu Herrnsheim, hatte namentliche Abstimmung ver langt. Die rosa und weißen Stimmzettel wurden herum- getragen, doch wurden nur 161 Stimmen gezählt. Das Haus war also immer noch beschlußunfähig. O Berlin. 18. Februar. (Telegr.) Am Bundesratstische Graf Hohenthal. Di« Generaldiskusiion des vom Zentrum eingebrachten Gesetzentwurfes betr. die Freiheit der Religions übungen (To «ranzantrag) wird fortgesetzt. Abg. Hieber lnatlib.): Der Abg. Groeber hat seine Ver wunderung darüber ausgesprochen, daß der Toleranzantrag seit seiner wiederholten Einbringung von der Bevölkerung, besonders in nationalliberalen Kresten, weit mehr Wider spruch hervorgerufen habe, als vorher. Er hat mit der Wahr nehmung recht. Wir betrachten das als eine sehr erfreuliche Tatsache. Der Grund liegt darin, daß das Volk aus der Narkose erwacht ist. in der cs sich über die wahre Natur des Klerikalismus und des Ultramontanismus befand. Das Zentrum hat sich immer unbefriedigt erklärt über die Nicht befriedigung der Ansprüche, insofern mit Recht, als das Zentrum immer mehr und immer neue Ansprüche stellt, welche ein moderner und seiner selbst bewußter Staat nicht erfüllen kann. Andererseits muß man doch immer wieder an das Wort des Kardinalsekretärs Rampolla denken, daß es den Katholiken nirgends in der Welt so gut ginge, wie im Deutschen Reich: nicht weniger an die anerkennenden Worte des Papstes, und die General Los über die Lage des Katho lizismus im Deutschen Reiche gesagt bat. Der Antrag ist ein Versuch, die konfessionelle Must im Deutschen Reiche zu er weitern und dabei manche Vorteile für die eigene Partei ein. zuhcimsen. Daß die Herren die dogmatische Toleranz nicht gewähren wollen, haben fie offen zugestanden. Alle diese Umstände erschweren die Stellungnahme zu dem Inhalt des Toleranzantrages. In den letzten Wochen hat der deutsche evangelische Kirchenausschuß ein Gutachten veröffentlicht, welches an allen Einzelheiten des Antrages eine wahrhaft vernichtende Kritik geübt hat. Was die Kompetenz des Reiches betrifft, so steht für mich außer Zweifel, daß der Reichstag nach dem Wortlaut der Verfassung auch die An regung zu Kompetenzerweiterungen des Reiches und seiner Gesetzgebung geben kann. Um so unerklärlicher ist es mir, wie Spahn erst vor kurzem, bei Gelegenheit der Erörterung der mecklenburgischen Verfassungsfrage, auSsühren konnte, daß die Möglichkeit einer Äompetcnzerweiterung des Reiches zwar gegeben sei, daß dadurch aber «in Initiativantrag dem Hause nicht genüge, vielmehr dazu ein Antrag der ver bündeten Regierungen erforderlich sei. Damit entzieht er dem Antrag rede staatsrechtliche Basis. Nach Paragraph 1 des Entwurfs steht jedem Reichsangehörigen volle Freiheit deS religiösen Bekenntnisses, die Vereinigung zu einer Re ligionsgemeinschaft, sowie zur gemeinsamen häuslichen und öffentlichen Religionsübung zu. Den bürgerlichen und staats bürgerlichen Pflichten darf durch die Ausübung der Reli gionsfreiheit kein Abbruch geschehen. Unberührt sollen bleiben die allgemeinen polizeilichen Vorschriften der Landes- gesetze über Versammlungswesen. Bachem sagt, das sei eine unveränderte Herübernahme des Art. 12 aus der preußischen Verfassung. Wenn 8 1 die Kirchenstaatshoheit beseitigen soll, kann er nicht andererseits harmlos jein. 8 1 des An trages hebt alle einzelstaatlichen Gesetze, die ihm eiuaegen- stehen, losort auf. Die religiöse Kindererziehung sollte im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt werden. Dieser Versuch scheiterte aber an dem Widerstand des Zentrums, es blieb bei der landesgesetzlichcn Regelung. Es ist nun auffallend, daß das Zentrum diese Frage jetzt in einem Reichsreligions gesetz regeln will. Wir tragen gegen die betreffende Be stimmung des Antrages schwere Bedenken und die zuständigen Organe der evangelischen Kirche teilen unsere Bedenken. Die Klage der Dissidenten halten wir für berechtigt. Im übrigen sind wir gern bereit, die Hand dazu zu bieten, namentlich was Mecklenburg betrifft, den polizeilichen Schikanen auf religiösem Gebiete ein Ende zu machen. Wie steht es denn im katholischen Bayern? Ten Altkatholiken ist immer noch nicht volle Gleichberechtigung gegeben worden. Das Zentrum hätte Gelegenheit, im bayerischen Landtage in dieser Be ziehung Schritte zu tun. fUnruhe im Zentrum.) Glocken geläute ist den Protestanten von der katholischen Kirche ver weigert worden und dergleichen mehr. In der Frage der gemischten Ehe sind geradezu heillose Konfliktsfälle in Bayern vorgekommen. Im ersten Teile werden sämtliche Staats hoheitsrechte niedergerissen, im zweiten werden alle seine Pflichten wieder aufgerichtet. Der Staat wird zum Diener der Kirche degradiert. Die evangelischen Landeskirchen be- ruhen auf der Landeshoheit der einzelnen Bundesstaaten, aber die Paragraphen 9 bis 14 heben diese Institution ohne weiteres auf. Durch das Gesetz wird der Staat rechtlos ge macht; er soll andererseits verpflichtet werden, die katholische Kirche mit allen Rechten und Freiheiten auszustatten, welche sie verlangt. Der Toleranzantrag macht einen Strich durch die ganze Jahrhunderte lange Entwickelung. Können die ersten acht Paragraphen von dem doktrinären Liberalismus noch gebilligt werden, die Paragraphen 9 bis 14 werden außer dem Zentrum und den Welfen keine Freunde finden. zMit den Grundsätzen des Zentrums kann weder das Deutsche Reich, noch der preußische Staat auf die Dauer bestehen, das habe ich gelernt, sagte Fürst Bismarck. (Lachen im Zentrum.) Die Ablehnung des Toleranzantrages ist geboten, weil er ein revolutionärer Einbruch in das Kirchenrecht der modernen Staaten, eine Quelle endloser konfessioneller Streitigkeiten werden müßte. Die Not wendigkeit einer Kommissionsberatung kann ich nicht ein- sel>en. Lehnen wir den Antrag ab, wir tun damit ein Werk des konfessionellen Friedens. (Lebhafter Beifall bei den Nationalliberalen, große Unruhe im Zentrum.) Sächs. Bundesratsbevollmächtigter Graf Hohenthal: Ich kann dem Vorredner bestätigen^ daß die verbündeten Re gierungen heute noch auf dem Standpunkte stehen, den der Reichskanzler 1900 hier zur Kenntnis gebracht hat. Ich werde deshalb auf den materiellen Inhalt des sogenannten Toleranzantrages in keiner Weise eingehen. Lediglich der Umstand, daß Groeber heftige Angriffe gegen die sächsische Negierung gerichtet hat, veranlaßt mich zu einigen Be merkungen. Während Bachem zugegeben hat, daß es in der letzten Zeit in Sachsen auf dem hier in Frage stehenden Ge- biet zu Konflikten nicht gekommen und die sächsische Regierung bemüht gewesen sei, Härten hintanzuhalten, hat Groeber zwei angeblich neue Fälle von Intoleranz zum Vortrag gebracht. Es ist mir möglich gewesen, mich inzwischen über die Fälle einigermaßen zu orientieren. Es fehlt in beiden Fällen jedes Argument, das eine Beschwerde rechtfertigen könnte. Abg. Jadzcwski (Pole): Die Kulturkampsreden, wie sie heute Hieber und neulich Sattler und Müller-Meiningen gehalten haben, zu hören, muß mich doch einigermaßen wun- dcrnehmen. Ich' kann, als ein in der Seelsorge stehender Mann, der die TragweitederFordcrungdesToleranzantrages genau zu übersehen vermag, nur erklären, daß der Antrag auch nach der formalen Seite durchaus korrekt gefaßt ist. Stöcker hat dem Antrag gegenüber eine etwas freundlichere Stellung eingenommen, aber gemeint, er würde nur der ka tholischen Kirche zu gute kommen, da die evangelische zu sehr mit dem Staate verquickt sei. Der Antrag grecst nicht in die Staatsbefugnisse ein, sondern er verteidigt die Religions gemeinschaften gegen die Nebergrifse des Staates. Die Alt katholiken werden nur deshalb nicht anerkannt, weil sie den Anspruch erheben, die eigentlichen Vertreter des katholischen Glaubens zu sein. Was den zweiten Teil des Antrages be trifft. so erscheint er uns noch wichtiger als der erste, weil er aus dem ersten die praktischen Konsequenzen zieht. Je freier jede Religionsgescllichast gestellt wird, desto mehr werden Zwistigkeiten und Mißhelligkeiten zwischen den einzelnen Kon sessionen vermieden. Ich kann Ihnen nur die Annahme des ganzen Antrages empfehlen, nachdem er in der Kommission geprüft worden ist. (Beifall im Zentrum und bei den Polen.) Abg. Stolle (Soz.) führt auS, daß der Antrag des Zen trums in seinem zweiten Teile die religiöse Freiheit nicht ge währleiste, weil er die Möglichkeit offen lasse, einer Religions gesellschaft die Anerkennung zu versagen, wenn eS den Be hörden so gefalle. Der Redner exemplifiziert in dieser Be ziehung einige Beispiele in Sachten und Sachsen- Altenburg. Die letzten Paragraphen des Antrages heben die ersten in der Wirkung vollständig auf. Wolle der Antrag wirklich Religionsfreiheit, so müsse er hinsichtlich der Be nutzung der Friedhöfe die freien Religionsgeiellschasten an erkennen, da auch diese zu den Kosten des Friedhofes beitragen müssen. Abg. Gröber habe die Gründung von religiösen Ge nossenschaften empfohlen. Die Baptisten hätten in der Tal in Sachsen religiöse Vereine gründen wollen, man habe ihnen aber durch das Vercinsgesetz Schwierigkeiten gemacht. Seine Freunde würden trotz kleiner Bedenken tür den Antrag stimme». (Beifall bei den Sozialdemokraten.) Abg. Gröber (Zentr): Man hat den Antrag als über flüssig erklärt, weil der Papst anerkannt habe, daß nirgends die Katholiken sich so großer Freiheit erfreuen, wie in Deutsch land. In seiner zweiten Rede hat General Los aber seine erste Rede dahin eingeschränkt, der Papst habe nicht gesagt, daß die Katholiken sich allein in Deutschland in der besten Lage befänden. Außerdem habe der Papst nur von Preußen gesprochen. Das ist ganz etwas anderes, denn Preußen ist nicht Deutschland. Abg. Hieber bat also mit dem Lobe des Papstes kein Glück gehabt, seine Parteigenossen werden auch ganz still. Sachsen ist in religiösen Fragen der verständigste Staat. Ausfallend war die Antwort des Regierungsvertreters auf meine beiden Fragen. Diese Fragen waren schon in früheren Berichten behandelt worden; ich habe sie nur an geführt, weil sie besonders kraß waren. Uebrigens hat Graf Hohenthal den Tatbestand zugegeben. Hieber wirft uns vor, wir hätten uns beim Bürgerlichen Gesetzbuch derFrage der Regelung der religiösen Kindererziehung widersetzt und damit verschuldet, daß die Sache schon damals geordnet wurde. (Am Bundesratslischc erscheint Graf Posadowsky.) Hier befindet er sich im Irrtum. Wir haben damals Anträge gestellt, die aber abgelehnt wurden. Es hat sich herausgestellt, daß die Materie außerordentlich schwierig war, und um das Zustande kommen des Bürgerlichen Gesetzbuches nicht zu gefährden, wurde die Materie ausgeschieden. Dafür wollen wir ein treten, dafür sind wir verantwortlich, daß wenigstens die Intoleranz des Gesetzgebers aufhört, daß von oben herab gesetzgeberisch dekretiert wird: Ihr müßt euch vertragen! (Beifall im Zentrum.) Abg. Hoffmann-Berlin (Soz.): In Preußen geht es nicht so leicht mit der Eintragung von religiösen Vereinen auf Grund des Bürgerlichen Gesetzbuches; in Preußen werden religiöse Vereine nicht eingetragen. Es wurde dann auf die Möglichkeit der Gründung von Aktiengesellschaften oder Gesellschaften mit beschränkter Haftung hingewiesen. Auch dieser Versuch ist bereits von einer Berliner freireligiösen Gemeinde gemacht worden. Aber weil die Kosten zu hoch wurden, ist er aufgegeben worden. Wir haben mit der Ge sellschaft mit beschränkter Haftung versucht, da hat uns der Richter geantwortet: „Sie müssen eine bürgerliche Tätigkeit auSüben." Wir haben gesagt: „Dann wollen wir Versamm- lungs- und Verbrennungshauser bauen". Wir haben aller dings diese Tätigkeit des Bauens noch nicht begonnen, weil uns weder aus kommunalen, noch staatlichen Kassen Mittel zufließen, wir auch keinen Mirbach haben, daher sind wir bis letzt noch nicht zu so imposanten Bauten gekommen. (Heiter keit.) Es ist interessant, wie der Richter stch im Kreise dreht. Ter freireligiösen Gemeinde ist der Unterricht der Kinder verboten, weil wir keine religiöse Gemeinschaft seien. Tas Kammergericht hat in dem Zivilprozeß um die Kirchhofs angelegenheit erkannt, wir feien eine religiöse Gemeinde. Nun wissen wir nicht, sind wir eine oder lind wir keine. (Heiterkeit.) Die Schwierigkeiten des Austritts aus der Landeskirche müßten erleichtert werden. Die Betreffenden glauben ausgeschieden zu sem, halten infolgedessen die gesetz liche Frist nicht ein und bekommen dann weiter nichts mehr zu sehen, als allenfalls eine Kostenrechnung. Was Groeber namens der Partei fordert, hätten Sie (Zentrum) bei der Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuches haben können, als von sozialdemokratucher Seite der Zusatz zum 8 1666 be antragt war, aber da war es gerade Groeber, der dagegen gesprochen hat: wir sollten doch Vertrauen auf die Richter haben und auf die Rechtsprechung. (Heiterkeit.) Wie es damit bestellt ist, wissen wir alle, ich brauche Za nur zu er innern an die Ausweisung aus den Berliner Schulgebäuden. (Heiterkeit.) Wenn jetzt das Zentrum wieder Für die Toleranz eintritt, nun ja, wir nehmens ja, auch wenn es vom Zentrum kommt. Denn wir die Freiheit für das Volk erringen können, fragen wir nicht, von wem sie kommt. Aber nehmen Sie es mir nicht übel, wenn vom Zentrum der Tole- ranzanlrag kommt, kommt es mir immer so vor, als wenn der Fuchs für den Vegetarismus plaidiert. (StürmlscheHeilerkeit.) Ich habe neulich schon einen Fall aus Küstrin mitgeteill, wo ein freireligiöser Vater dem Magistrat mitteilte, er würde seinen Sohn in den jüdischen Religionsunterricht schicken. Darum erhielt er die Nachricht, dieser Unterricht befreie seinen Sohn nicht von der Teilnahme an dem Religionsunterricht der Mittelschule. Der Junge muß also außer an dem jüdischen auch an dem evangelischen Religionsunterrichte leilnehmen, na, meinetwegen auch an dem karholischen und dann an allen dreien. (Heiterkeit.) Die Regierung, die solche Zustände duldet, beuchen läßt oder sogar pflegt, ist schuld daran, daß der letzte Rest von Rechrsbewußtsein im Volke verloren gehl. (Lebhafter Beifall links.) Tamit schließt die erste Beratung. Auf Antrag Hehl wird die Abstimmung über die Frage, ob der Gesetzentwurf einer Kommission überwiesen werden soll, namentlich sein. Das Schlußwort erhält Abg Bachem (Zentr.): Der Zweck unseres Antrages ist der konsemonelle Friede und die Parität aus bürgerlichem Gebiet. Ter religiöie Streit gehört nicht hierher, notwendig ist, daß die zahlreichen veralteten Gesetze mit ihren Uebelständen in den Einzelstaaten beseitigt werden, sie sind überlebt und passen nicht in unsere Zeil. Hieber meinte allerdings, die Gegensätze könnten nicht durch die Relchsgesetzgebung abgesclzastt werden. Nur die ReichSgcsetz- gebung könne das tun. Die Kompetenzfrage ist für uns er ledigt; wenn sie für den ersten Teil des Antrages gilt, gilt sie auch für den zweiten, der nur eine Konsequenz des ersten ist. Wir wollen die Freiheit des einzelnen und die Freiheit der Religionsgemeinschaften. Ist denn Freiheit nur auf po litischem Gebiete von Wert, nicht auch auf religiösem? (Sehr richtig! im Zentrum.) Auf die Landesgesetzgebung können wi? lange warten. (Erneute Zustimmung im Zentrum.) Ich bitte den Präsidenten, über beide Teile deS Antrages getrennt abstimmcn zu lassen. Am besten wäre eS, den ganzen An trag an die Kommission zu verweisen. Wir haben aber auch nichts dagegen, wenn der zweite Teil zurückgewiesen wird. Ich bin überzeugt, daß es uns gelingen wird, die noch be stehenden Vorurteile zu beseitigen. Im Namen der wirk lichen Religionsfreiheit bitte ich Sie, unserem Anträge statt zugeben. (Beifall im Zentrum.) Abg. Stockmann (Rp.j: Ich möchte bezweifeln, ob es über haupt möglich ist, einen solchen Gesetzentwurf in zwei Teile zu zerreißen und einen Teil an die Kommission zu verweisen. Präsident Graf Ballestrem: Diese Auffassung widerspricht der Geschäftsordnung. Abg. Hcyl zu Herrnsheim (natl.) glaubt, daß unter diesen Umständen zwei namentliche Abstimmungen not wendig werden würden. Abg. Bachem (Zentr.) zieht hieraus seinen Eventualantrag zurück. Er bleibt also bei seinem Anträge stehen, den ganzen Antrag einer Kommission von 28 Mitgliedern zu überweisen. Die namentliche Abstimmung über den Antrag ergibt die Beschlußunfähigkeit des Hauses, und die Ver- Handlung muß abgebrochen werden. Schluß 6^4 Uhr. Nächste Sitzung Montag 1 Uhr. Zweite Beratung der Handelsverträge. preussisches Landtag. Abgeordnetenhaus. G Berlin, 18. Februar. (Tel.) Das Haus setzt die zweite Lesung deS Etats des Innern beim Kapitel Landgendarmerie fort. Auf die Ausführungen einer Anzahl Redner, die für Aufbesserung der Einkommenverhältnisse der Landgendarmen eingetreten sind, erwidert Minister Freiherr v. Hammer st ein, er könne sich dem von den Vorrednern den Gendarmen gezollten Lobe durchaus anschließen. Daß die schwere Krisis im Ruhrgebiet ohne große Unruhe überwunden sei, sei zum großen Teile aus das ruhige, verständige Wirken der Gendarmen zurückzuführen. Viele der vorgebrachten Wünsche würden durch die vom Finanzminister für 1906 vorgeschlagene allgemeine Erhöhung der Mietsentschüdigung der unteren Beamten erfüllt werden. Hierauf wird dar Kapitel bewilligt. Ohne erhebliche Debatte wird sodann der Rest deS Ordinariums uns das Extraordinarium bewilligt. Beim Kapitel Strafanstalts verwaltung bemerkt ein Regierungskommissar, daß die Direktoren- siellen der Gefängnisse nicht nur mit ausgedienten Militärs, sondern auch mit Verwaltungsbeamten besetzt würden. Auch sei bereits da für gesorgt, daß bei denienigcn Entlassenen der Slrafgefängnisse, die unter dem Zentralverein für entlassene Strafgefangene ständen, die Polizeiaufsicht sortfalle. Nächste Sitzung Montag 1 Uhr: Etat des Finanzministeriums. ÄM MM, — LmgZMg nnck 8.00 MK. 12.00 «Nl. 16.80 Mil. 1.00 dis 2.80 Mil. 1.00 dis 3.00 Md. 2.78 dls 4.00 Md. 0.80 dis 8.00 Md. 2.28 dis 2.28 Md. 1.80 dis 2.80 Md. DlllSS^IlllO^Sdistll >,^i«»il> I>.', »us ^tallcrepp io scdvsrs vätzr rveiss 21.00 llld. illioss^ltokl^sdisill „Hvtr»", roiok m. rre»sollt>««»tr m 3Voi»»ts xstoioit 26.80 IVld, ckctodsk LtllZi» »us Oorksure« mit Putter ....... 2tlsds1 seirieovr 3»ut»clie, .»»« »uk Putter . ckqodsl reicp xoroiert uock xcstcppt....... USmÜSkl ill rersciricteoeu ^errueu ........... mit Lpjtre» rräei sticperm oodo. rerek mit Hoplssum versete» ...... Vtlsodsltillodslk mit Spitt«» »3er Stickoreis» in m«i»s uock irrsu ülLysHrllcksvbllds LiU'" "°^ vtrü. LU sckvv. cbeviot 22.00 aus sckv. XamwAurn-Obeviob.... 28,00 841^, „Xorkvrt" aur scbiv. Lkimmzarn vorrtlxlieke tziialität mit kuttor mit leinen Liosätren aus xutem IVärebetueb in allen mockernon Normen «ekvLrre in versedieckonen Normen elastisch unä ÜLuerbLkt . *I*8»80ll6ü1Ü0llbI*, reinleinen, xesilumt, 4Ü/45 em .... 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