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Nach Locarno. Die Ankunft -er deutschen Delegatton. BerN«, 18. Okt. Die deutsche Delegation ist heute nach- «Mag o>1eder in Berlin eingetroffen. Da die Zeit geheim zehoEn war, vollzog sich die Ankunft völlig unbemerkt von der «aßen Öffentlichkeit. Um 1,20 Uhr fuhr der Sonderzug aus Locarno in die Halle des Anhalter Bahnhofes ein. Zum kmpfang waren erschieiren Reichsminister Brauns, die Bot schafter Großbritanniens, Frankreichs und Italiens, der bei- lösche Gesandte, der tschechoslowakische Geschäftsträger, der Vittore der Nuntiatur und andere Mitglieder des diploma- Vschen Korps, ferner Vertreter der Reichskanzlei und des Aus- pärtigen Amtes. Der englische Botschafter richtete lolgerche Begrüßungsworte an den Reichskanzler und den fleichsaußenminister: Ich bin ausdrücklich von Hrn. Cham- serlain beauftragt, sie zum Erfolg der Konferenz von focarno zu beglückwünschen und zum Ausdruck zu bringen, laß Hr. Chamberlain immer mit Freude an die erstmalige Zu- sammenkunft in Locarno und an den Grist der Aufrichtigkeit mb Offenheit zurUckdenken wird, den die deutsche Delegation «an Verhandlungen ausgeprägt habe. Der deutschen Regierung wird immer die Ehre bleiben, die Initiative ergriffen zu haben, welche zum Vertrag von Locarno geführt hat. Lord d'A der- noon fügte hinzu, daß Hr. Chamberlain überzeugt fei, daß die in Locarno paraphierten Abmachungen den Wendepunkt der europäischen Geschichte bilden werden. Er gebe der Zu versicht Ausdruck, daß die persönlichen freundschaftlichen Be ziehungen, die zwischen der britischen und der deutschen De legation entstanden sind, sichere Zeichen neuer Beziehungen zwischen den beiden Nationen seien. Der Reichskanzler und der Außenminister sprachen ihren Dank für die freundlichen Worte der Begrüßung aus und baten, diesen Dank auch Hrn. Chamberlain zu übermitteln. — Einen» Vertreter der Äuslandspresse antwortete Dr. Luther auf die Frage, wie die deutsche Delegation das Ergebnis der Konferenz beurteile: „M ein Urteil kann ich Ihn ei» er st in etwa vier zehn Tagen sagen." . Paris, 18. Okt. Der deutsche Botschafter, Herr v. Hoesch, hat heute vormittag Paris verlassen, um sich nach Baselzu begeben, wo er mit der von Locarno zurückkehren- den deutschen Delegation znsammentrifft. Er wird sie nach Berlin begleiten. * Berlin, 18. Okt. Beim Verlassen des schweizerischen Ge bietes richtete der Reichskanzler an den Bundesprä sidenten der Schweiz, Dr. Musy, folgende Depesche: Beim Abschied von Ihrem schönen Lande ist es mir ein Be dürfnis, zugleich namens des Herrn Neichsaußenministers und oller Mitglieder der deutschen Delegation zur Konferenz von Locarno, Ihnen aufrichtigen Dank auszusprechen für die glän zende Vorbereitung dieser Konferenz, für die ausgezeichnete Aufnahme und die aufopfernde Mitwirkung aller in Betracht kommenden Behörden. Das musterhafte Zusammenspiel einer vorzüglichen Verwaltung mit einer liebenswürdigen Gast freundschaft und einer herzlichen srrundnachbarlichen Gesin nung des Schweizer Volkes ergab einen fruchtbaren Boden für «ine Arbeit, die dem Ziele einer wahren Befriedung Europas und der Welt zu strebt. Berich! Luthers an Äin-enburg. Berlin, 18. Okt. Reichskanzler Dr. Luther erstattete heute nachmittag dem Reichspräsidenten einen ersten Bericht über den Gang der Verhandlungen in Locarno und über das Ergebnis der Konferenz. Berlm, 19. Okt. Zu der Meldung über die gestrige Be richterstattung des Reichskanzlers beim Reichspräsidenten über das Ergebnis der Konferenz von Locarno hört der „Montag" (Sonderausgabe des Berliner Lokalanzeigers), daß es sich dabei lediglich um eine kurze In formation gehandelt habe, die der Kanzler dem Reichspräsi denten gegeben habe. Am heutigen Montag werde Dr. Luther dem Reichspräsidenten einen cingehendn Dortrag halten. Am Nachmittag beabsichtigt der Reichskanzler vor den Vertretern der Presse über Locarno zu sprechen. Zum heutigen Kabinettsrat meldet der „Montag", daß es in dieser Sitzung zu irgendwelchen Beschlüssen nicht kommen werde, da die vorgesehenen ausführlichen Referate des Reichskanzlers und des Außenministers das Kabinett hinreichend beschäftigen würden. Reichstagspräsident Loebe hat nach Dekanntwerden des Abschlusses der Konferenz von Looarno mitgeteilt, daß er in den letzten Tagen des Oktober Amerika verlasse und in den ersten Tagen des November in Berlin eintreffen werde. Dann dürfte auch die Frage der etwaigen früheren Einberufung des Reichstages, der nach den jetzigen Bestimmungen am 15. No- vember wieder zusammentreten soll, akut werden. Glückwünsche. Berlin, 18. Okt. Der britische und französische Dotichafter haben der Reichsregierung anläßlich des Ab schlusses der Konferenz von Locarno ihre Glückwünsche ausgesprochen. Der Gesandte von Norwegen ist beauftragt worden, der Relchsrcgierung di« Glückwünsche der königlich norwegischen Regierung zu überbringen. Berlin, 18. Okt. Der amerikanische üüüschoster erschien heute am späten Nachmittag beim Reick-saußemnin'ister Dr. Stresemann, um ihm persönlich seinen Glück wunsch zu dem Ergebnis der Konferenz in Locarno auszu- sprechen. Die Unterzeichnung des Vertrags vo« Locarno. Paris, 18. Okt. Wie Havas aus London berichtet, ist das Malische Außenministerium von Locarno aus davon benach- richtigt worden, daß die offizielle Unterzeichnung des Sicher- heitspaktes in London zu Beginn des Monats Dezember statt- finden werde. Die offiziellen englischen Kreise sind der An sicht, daß wegen der Feierlichkeit dieser Handlung die alliierten und der deutsche Außenminister sich selbst nach London zur Unterzeichnung begeben werden. Eine Erklärung Stresemanns zur Kriegsschul-srage. Locarno, 19. Okt. Zu den Erörterung«: über dieKrieg s- schuldfrage erfährt man, daß die deutsche Delega- tion bereits in einer Vollsitzung am Schluß der vorigen Woche durch eine große Rede des R ei ch s a ußenmin i - sters den durch die Notifizierung vor der Konferenz eingelei teten Wib erruf der Kriegsschuldlüge offiziell durchgeführt hat. Mit dieser Zerreißung des Schuld paragraphen von Devsailles, die auf die Alliiert«: einen außer ordentlich starken Eindruck gemacht hat, hat Deutschland den entscheidenden Schritt zur Wiedererlangung seiner moralischen Freiheit getan, der die erste Voraussetzung des Werkes bildet, das in Locarno begonnen wurde. Siresemanu über die Rheinlandfrage. Köln, 18. Okt. Dor seiner Abreise von Locarno gab Dr. Stresemann dem Berichterstatter der „Köln. Ztg." fol- gende Erklärung über die R h e i n l a n d fra g e ab.- Unter den Fragen, die in Locarno behandelt worden sind, hat für die deutsche Abordnung die Nheinlandfrage an erster Stelle gestanden. Die Verhandlungen der Konferenz sind ver traulich gewesen, und aus den amtlichen Berichten mag über diese Frage um so weniger zu ersehen sein, als sie nicht der Gegenstand der allgemeinen Konferenzberatung, sondern vor altern Gegenstand lang andauernder '-Aussprachen zwischen den Staatsmännern der Besetzungsmächte und den deutschen Ver tretern gewesen sind. Denn gerade in den Tagen, als das Barometer der Hoffnungen auf einen glücklichen Ausgang der Besprechungen in Locarno schwankend geworden war, wo am Tage vor der Unterzeichnung eine Krise in den Verhandlungen ein'gctrcten war, derer: Ausgang mar: noch nicht ab scheu konnte, lag'uns an diesen Fragen. Sie haben den Mittelpunkt der Reden gebildet, die am Schluß der Konferenz gehalten worden sind. Man kann aus den Schlußreden der Zusammenkunft in Locarno das Auf und Ab in dieser Frage ersehen. Wenn der Vertrag vor: Locarno angenommen ist, so bedeutet das allerdings eine große praktische Erleichterung für das besetzte Gebiet. Ein Wunsch, der von allen gehegt war, der dahin ging, das Rheinlandabkommen unter der: Gedanke:: des Schiedsgerichts zu stellen, ist verwirklicht wor- dem Dabei ist an Stelle ein seither Entscheidung der große Gedanke der Anrufung einer unparteiischen Instanz getreten. Darüber hinaus hat der französischeMinister ) es A e u ßeren es wiederholt als selbstverständlich bezeich net, daß der Vertrag von Locarno sich auswirken müsse in einer wesentlichen Aenderung und Erleichte rung in dem Verhältnis zu dem besetzten Gebiet. Die Ini- native hierzu wird von den besetzenden Mächten ausgehem Es ist notwendig, für eine absehbare kurze Zeit die Ruhe zu wah ren, um abzuwarten, welche Folgen die Besprechungen von Locarno hab«: werden. Erst dann ist ein Urteil über die Auswirkungen möglich. Ich habe in meiner Schlußansprache ausgeführt, daß die tiefe Bedeutung der Wmachungen von Locarno darin liegt, daß sie nicht das Ende, sondern der An- äng einer neuen Entwicklung sein mögen und sein müssen. Ich bin überzeugt, daß dies auch der Wille der Staatsmänner :st, die mit uns verhandelt haben. Ich erwarte diesen Anfang einer neue:: Entwicklung vor allen Dingen für das besetzte Gebiet in mehr als einer Hinsicht. Auf die Frage über die Räumung der Kölner Zone erwiderte -der Minister, diese Frage stehe nicht im Zu- ämmenhang nrit den in Locarno geführten Verhandlungen. Wir glauben ein Recht auf die Räumung der ersten Rhein- ändzone zu haben und haben es deshalb abgelehnt, sie zu rgendeiner Art Tauschobjekt zu machen. Ich glaube, Ihnen )ie Versicherung geben zu können, daß in 'bezug auf die von Deutschland vorzunehmenden Entwaffnungsmaßnahmen eine Annäherung über das von Deutschland gegenwärtig zur Aus führung zu Dringende erreicht ist und die Festlegung eines bestimmten nahen Termins für die Räumung der ersten nördlichen RheinlaiGzone nicht mehr lange auf sich warten lassen wird. Die französische Presse über die Bilanz der Konferenz. Paris, 18. Okt. Die französische Presse beginnt nunmehr die Bilanz der Konferenz zu ziehen. „Avenir" schreibt: Tatsächlich ist in Locarno Deutschland mit gleichen Füßen in das Luropakonzert wieder hereingesprungen. Somit ist der 16. Oktober ein historischer Tag. Sechs Jahre nach Ab schluß des Fricdensvertrages von Versailles hat Deutschland seine Diplomatie und seine politische Lage wieder her gestellt. Es kämpft augenblicklich mit finanziellen Schwierigkeiten, aber die Kredite, die es jetzt von auswärts erhalten wird, werden ihm aus den Schwierigkeiten heraus helfen. Seine Währung ist stabilisiert, und es hat seine Han delsflotte ungefähr wiederhergestellt. Es steht im Begriff, seine Industrie nach einem nationalen Plan zu organisieren, um besser die internationale Konkurrenz bestehen zu können. Es hat die solidesten und modernsten Einrichtungen, und deshalb täuschen wir uns darüber nicht, Deutschland wird von nun ab bei allen Angelegenheiten Europas und der Welt ein Wort - mitreden, und es zeigt sich schon, daß der Germanismus aufs neue auf die Völker, die es umgeben, seine An ziehungskraft ausübt. Kann man das auch von Frank reich sagen? Gewiß, man wird schwören, daß die polnische und die tschechische Freundschaft durch Locarno nicht gelitten haben, aber erst in der Praxis wird sich zeigen, ob das richtig ist. Cs wäre also, so schließt der Verfasser, unsererseits unver nünftig, Weihrauch anzuzünden und ein Tedeum anzustimmcn. — „Le Peuple" sagt: Es versteht sich tatsächlich von selbst, daß die Unterschrift der Sicherheitspakte Deutschland Vorteile bringen wird, nicht nur die allgemeinen Vorteile, die seine Rückkehr in das Konzert der Nationen nach sich zieht, sondern sofortige Entspannung. — Der Historiker der Sorbonne Prof. Paulard schreibt im „Quotidien": Deutschland gebührt der Ruhm, zuerst den Gedanken des Garantiepaktes aufgeworfen zu haben, und es hat den Vorteil davon, daß es bereits manche Erleichterung bei der Durchführung des Friedensvertrages er- zielt hat. Jede Nation, die in Locarno vertreten ist, hat das Gefühl, etwas gewonnen zu haben, und es ist in Locarno nie mand getäuscht worden. — Im „Eclair" heißt es: Deutsch land wird nun wie der Wolf in den Schafpferch in Genf ein- brechen und dort Schaden anrichten. Wir sind in Frankreich in der Presse nur wenige, das Land vor dem Sicherheitspakt zu warnen, der den Krieg gewissermaßen näher bringt, obzwar er ihn entfernen soll. * , * Der Eindruck von Locarno. In den Berliner politisch'«» Kreisen wird das Ergebnis von Loearno mit einer gewisse» Resignation ausgenommen. Das Ergebnis wird aber mlt Rücksicht auf seinen noch nicht definitiven Charakter als relativ günstig betrachtet, zumal es nach Lage der Dinge wohl kaum möglich war, mehr zu erreichen, und zumal man einsieht, welche Gefahr es bedeutet hätte, die Konferenz um gewisser Forderung«: zu sprengen, nachdem man sich einmal so wett in die Verhandlungen eingelassen hatte. Trotzdem fragt mm: sich mit Sovge, wo eigentlich die Vor teile des vorläufigen Abschlusses liegen, der uns neue Ver pflichtungen ohne Gegenleistungen aufbürden will. Die Re gierung wird zweifellos keinen leichten Stand gegenüber ihren eigenen Parteien haben. Am unzufriedensten zeigt man sich imZentru m, wo man den Hauptwert auf sofortige Zusicherungen hinsichtlich des Rheinlmüdes gelegt hatte und über die glatte Ablehnung einer Bindung in dieser Frage schwer enttäuscht ist. Nachrichten von der bevorstehenden frei willigen Räumung Kölns bringt man mit Recht das gleiche Mißtrauen entgegen wie der gleichgsarteten Stim mungsmache nach der Londoner Konferenz. Die Ententeregie verfängt überhaupt nicht mehr so ganz wie früher. Alan ist verstinnnt, weil inzwischen Nach richten eingetroffe» sind, die das polnisch-tschechische Verla» gen nach östlich«: Garantiepakten, das als Ueberfall mn letztes Konferenztage inszeniert wurde, als einen Bluff erkennen lassen, darauf berechnet, den Deutschen das Gefühl eines gro ßen Erfolges durch Abwehr dieses Angriffes zu geben und sie auf diese Weise über schmerzliche Dinge hinwegzutäuschen. Der Auswärtige Ausschuß wird entsprechend dem Wunsche der Negierung zu Donnerstag nächster Woche ein- berufen werden und den Parteien Gelegenheit geben, der Re gierung ihre Stellungnahme ausführlich zur Kenntnis zu bringen. Akan rechnet in parlamentarischen Kreis«: nunmehr auch mit einem früheren Zusammentritt des Neichstagsple- nums, und zwar unter Umstünden noch vor Anfang November. Die „ De u ts ch na ti o na le Korrespondenz" schreibt: Unsere Erklärung am 16. Oktober, wcnmch die Deutsch- nationale Volkspartei völlige Freiheit des Entschlusses gegen über dem hier noch immer unbekannten Inhalt aller der in Locarno getroffenen Abmachungen besitzt, hat den „Vorwärts" zu einem wilden Angriff veranlaßt. Er stützt sich dabei auf ebenso gehässige Verdrh ungen wie bewußte Unwahrheiten. Wir "teilen demgegenüber folgende Tatsachen fest: Die Paraphierung der Entwürfe in Locarno bedeutet nicht )ie Unabänderlichkeit. Diese Eigenschaft geht schon aus der Bezeichnung „Entwurf" hervor. Weder dem Kabinett noch den Parteiführern ist ihr zuletzt fertiggestellter Inhalt und Wort- aut bekannt. Die Freiheit der Beurteilung und des Ent- chlusses gegenüber diesen Entwürfen ist also eine Selbstver- tänd'lichkeit. Sie ist nicht nur eine rein formelle, sondern eine durchaus materielle. Wieviel von dem Programm der Re gierung erreicht oder vor der endgültigen Entscheidung noch erreichbar ist, bleibt abzuwarten. Heute kann nur nochmals 'estgestellt werden, daß für eine Preisgabe deutschen Landes und Volkes uich für ungenügende Sicherung gegen die Wir kungen des Artikels 16 die Deutsch-nationale Dolkspartei nicht zu haben sein wird. Ebenso wird die Deutschnationale Volks partei den: Dcrtragswerk nur zustimmen, wenn die bekannten Voraussetzungen der Regierung für den Eintritt in den Völker- mn-d gesichert und auch die für das deutsche Volk selbstver- ländlichen Voraussetzungen und Rückwirkungen auf die be- etzten Gebiete durch ausdrückliche vertragliche Abmachungen ichergestellt sind. Im übrigen dürfte als bekannt vorausgesetzt werden können, daß dieser Standpunkt auch derjenige der Neichsregierung und aller hinter ihr stehen den Parte ien ist. Chamberlain über Locarno. Paris, 18. Okt. Einem Berichterstatter des „Petit Jour- nal" erklärte Außenminister Chamberlain m a., es habe in: Verlauf der Verhandlungen schwierige Stunden gegeben, aber keine einzige Minute voll Bitterkeit uiü> Schürfe. Wenn irgend ein aus einem fern«: Land gekommener Beobachter unseren Be-mtungen beigewohnt hätte, würde er nur schwer haben glauben können, vor sich die Vertreter von Nattonen zu haben, die sich vor wenigen Jahren unerbittlich bekriegten. Er würde vielmehr gedacht haben, daß Geschäftsleute ein wenig heikle Fragen erörterten in voller Offenheit und mit dem Wunsch, sich zu verständigen. Diese Atmosphäre der Verhand lungen sei durch, den realistischen und versöhnlichen Geist sämt licher Verhandlungsteilnehmer möglich gemacht worden. Es ist sicher nicht die Konferenz des ewigen Friedens gewesen, und niemand denkt daran, sich einschläfern zu lassen. Aber es ist die Konferenz, die den Krieg schwierig ge stalten soll, und das ist schon viel. London, 18. Okt. Lord Cecil erklärte einem Ver treter der „Sunday Times", der Abschluß des Vertrages von Locarno bedeute den ersten wirklichen Schritt, der die Haupt- gegncr des letzten Krieges zusammenbringe. Es sei eine be merkenswerte und erfreuliche Vorstellung, daß Reichsprä sident von Hindenburg, dessen Name stets mit kriege rischen Operationen in Verbindung gebracht worden sei, seine Ermächtigung und Zustimmung zu dem Pakt erteilt habe. Rede Painleves in Nizza. Nizza, 18. Okt. Auf dem Kongreß der Radikalen hielt Painleve eine Rede, in der er u. a. ausführte: Von allen Problemen, die der Demokratie gestellt ieien, gebe es eines, das alle ander«: überrage, das sei das Problem des europäischen Friedens und der nationalen Sicherheit. Die Dinge dem Zu fall überlassen, sei ein Hasardspiel, sei eine Verleugnung der rechtschaffenen -Arbeit. Jeder Staatsmann, der nicht den aus gesprochenen Willen habe, an der Aufrechterhaltung des Frie dens mitzuarbeiten, sei ein gewissenloser Verbrecher. Dier volle Jahre haben wir die undankbare Aufgabe erfüllt, dem Lande Illus.s io nen zu verscheuchen und ihm klar zu maclsen, welche Möglichkeiten vorhanden sind. Weil wir den Frieden wollen, haben wir zu erkennen, welche Möglichkeiten Frankreich verpaßt hat. Wir haben es beklagt, daß man 1923 ohne Diskussion die Vorschläge eines Bonar Law zurückge wiesen hat. Das ist der Grund, warum wir, als im Nuhrge- biet der passive Widerstand ein Ende gefunden hatte, die Re gierung von damals beschworen haben, die Gelegenheit zu er greifen, die man ihr geboten hat, die Führung zum Wieder aufbau Europas zu übernehmen. Eine Politik, die die Repa rationsprobleme auf den normalen Austausch zweier Nachbar völker gestellt hätte, eine Politik, die in der Zukunft die Mög lichkeit der Aussöhnung gezeitigt hätte, das ist es, was wir niemals aufgehört haben, wahrend der letzten Parlaments-