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Erzgebirgischer Volksfreund : 25.12.1924
- Erscheinungsdatum
- 1924-12-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1735709689-192412255
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1735709689-19241225
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1735709689-19241225
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Erzgebirgischer Volksfreund
-
Jahr
1924
-
Monat
1924-12
- Tag 1924-12-25
-
Monat
1924-12
-
Jahr
1924
- Titel
- Erzgebirgischer Volksfreund : 25.12.1924
- Autor
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Ünb das ist die Festtracht der Seele: unser« Bereitschaft, für die Dauer des Feste» einmal nur der Gemeinsamkeit -u jsben, nur „wir" zu sein, nicht „ich" — all sein Besondere», fein Eigentümliches, soweit es in den andern, den Fest-Genossen, nicht wenigstens verwandt« Saiten anklingen läßt — schweigen zu lassen. Am Festtag bat die Gemeinschaft Anspruch auf uns — gehören wir nicht uns selber, gehören wir einem größeren Kreise — der am Weihnachtsfeste wohl zumeist dl« engere oder weitere Familie ist. Wer zu solchem Fest in der Tracht seine« Alltags kommt — wer all den Kleinkram seines besonderen Leben» mit in den ffestraum schleppt und dort vor den erstaunten und verstimmten Augen und Ohren der Fekerfröhlichen ausbveitet, der bringt in di« Feststimmung über kurz oder lang den berühmten „Miß- ton" . . . Feste feiern ist eine hohe Kunst. Der Stümper kann sich und den andern das lieblichste, strahlendste Fest verpfuschen. Feststimmung, Einklang der Seelen — das sind zarte, schonung- bedürftige, ein wenig künstliche, ein wenig zerbrechliche Ge bilde. Man darf an sie nicht mit plumpem Finger tappen. Wie Köstliches aber, wie Ewig-Gültiges erlebt unser Herz, wenn ein Kreis von Menschen beisammen ist, dem nur Künstler des Erlebens angehöven — Menschen, die wissen, was Ein- klang, Gemeinsamkeit, Zusammengehörigkeitsgefühl wert sind! Die freudig bereit sind, für kurze Stunden eimnal die Be sonderheit ihres Wesens, ihre Schrullen wie ihre heiligsten Ueberzeugungen, den ärgerlichen Kleinkram ihres Alltags wie Ihre höchsten politischen, weltanschaulichen, religiösen Sonder- Meinungen zum Schweigen zu bringen, zu opfern um des Ge- meinschaftserlebnisses willen! Solche Lebenskünstlerseelen allein sind wert und fähig, mit den Seelen ihrer Mitmenschen für Stunden zusammenzu rinnen in dem Gefühl der großen Liebesverbundenheit, die trotz alles Trennenden uns alle mit lichtem Band umschlingt und Uns befähigt, gemeinsam in den Wsihnachtskerzenschimmer zu schauen, auf der Lebenshöhe, wie wir's einst als ahnungslose Kinder konnten: großäugig, dankbar, gläubig, selig. In diesem Sinne: Fröhliche Feiertage! * Der neue Leiter der Ephorie Schneeberg. Am ver- gangenen Sonntag trat nach altsächsischem Brauche der neu- ernannte Superintendent der Ephorie Schneeberg, Pfarrer Nikolai, bisher in Beucha bei Lommatzsch, in feierlichem Gottesdienst vor die Hofkirchgemvinde in Dresden und wurde am folgenden Tage für sein neues Amt verpflichtet. Pfarrer Nikolai entstammt dem Pfarrhause in Mittweida und steht im 46. Lebensjahre. Sein schlichter Lebensgang im Schuldienst und dann im Dienste der Gemeinden Rodewisch, Lutherkirche in Chemnitz und Beucha ist gekennzeichnet durch tatkräftige Wirksamkeit, zumal in der Jugend- und Pressearbeit. Auch unter den besonderen Verhältnissen der Lommatzscher Pflege hat er seine Gemeinde zu entschlossener Mitarbeit mitgerissen und sich des planmäßigen Aufbaues der kirchlichen Wohl- fahrtsarbeit angenommen. Als Lazarettpfarrer und Feld- geistlicher der 53. Res. Div. hat er die schweren Eindrücke mit erleben können, die heute bestimmend für die innere Haltung unserer Männerwelt sind. Die Ephorie Schneeberg, einer der vom christlichen Geiste besonders stark durchwehten Kreise un seres Vaterlandes, schaut voll Vertrauen auf ihren neuen Führer. Aue, 23. Dez. Es ist leider noch weiten Kreisen unseres deutschen Volkes nicht genügend bekannt, daß wir durch die schändlichen Satzungen des Völkerbundes ausdrücklich aus der Reihe derjenigen Nationen, die Kolonien besitzen und ver walten dürfen, ausgeschlossen sind. Diese Bestimmungen müssen abgeändert werden. Auch die koloniale Frage muß In einer für ein Kulturvolk von 7S Million«» strebsamen Deutschen gerechten Weise geregelt «erden. Da» verlangt di« Gerechtigkeit, das fordert die schwer darnieder- liegende deutsche Voltewirtschaft, die ohne Kolontalarbeit nicht lebensfähig ist, und die Berechtigung zu dieser immer uno überall wieder neu zu erhebenden Forderung geben uns die Erfolge der Leistungen, die in vierzigjähriger unermüd licher Arbeit unter schwierigsten Verhältnissen von tausenden deutscher Kolonialpionier« vollbracht worden sind. Es ist dem Vorstand der deutschen Kolonialgesellschast, Abteilung Aue, ge lungen, einen der bedeutendsten oeutschen Kolonialhelden, Hrn. Major a. D. h. e. Herm. Detzner, der die deutsche Flagge bis zum Friedensschluß unbesiegt in den Wilndtssen Neu-Guineas mit hartnäckigster Zähigkeit verteidigt«, zu einem Vortrag am 14. Januar 1S2S mit Lichtbildern über „4 Jahre unter Kanni- balen in Neu-Guinea" zu gewinnen. Wir möchten schon heute auf diesen interessanten Dortrag aufmerksam machen. Schneeberg, 24. Dez. Die Ortsgruppe Schneeberg und Umg. vom Frauendanr hat am 4. Advent 31 armen Kinsern aus besonders bedürftigen kinderreichen Familien aus Schneeberg, Neustädtel und Oberschlema unter dem bren nenden Lichterbaum einen reich bedeckten Gabentisch decken dürfen und hat damit hoffentlich in manches besorgte Mutter- oder sehnsüchtige Kinderherz einen Strahl weihnachtlicher Liebe getragen. Ein jedes Kind erhielt: ein Paar feste Winterstiefel, irgend ein praktisches Bekleidungsstück wie Hemd, Schürze, Strümpfe oder devgl., und ein« Stolle nebst Aepfeln und Pfefferkuchen. — Da die Ortsgruppe seit den Tagen der schlimmsten Inflation die Einkassierung ihrer Mitgliederbsi- träge eingestellt hatte und sie im alten Jahre auch nicht erst wieder aufnehmen wollte, so war noch Anfang Dezember die Deveinskasse völlig leer. Aber der schöne Erfolg der wohl gelungenen Wohltätigkeitsveranstaltung in der Sonne und namhafte Spenden zu diesem Abend selbst sowie für die Be scherung, ermöglichten es dem Fvauendonk, noch für Weih nachten ein Liebeswerk in Angriff zu nehmen. Leider konnte die Vorsitzende der Ortsgruppe, Frau Prof. Dr. Strüver, die die eigentliche treibende Kraft bech« Veranstaltungen gewesen war, wegen Familientrausr beiden Veranstaltungen nicht per- sönlich beiwohnen; die stellvertretende Vorsitzende, Frau Dr. Vruntsch gedachte zu Beginn der Weihnachtsfeier der Äbwesen- den mit herzlichen Worten der DanNrarksit. — Möchten dem Verein Frauendank auch im neuen Jahre seine hilfsbereiten, opferwilligen Gönner und Mitglieder, denen auch an dieser Stelle der wärmste Dank des Vorstandes ausgesprochen sei, er halten bleiben; möchten auch Fernstehende durch einen kleinen Mitgliederbeitrag di« Bestrebungen des Vereins fördern helfen, der sich, wie ausdrücklich betont sei, mit allen seinen Mitteln in den Dienst der örtlichen Nothilfe stellt. Schneeberg, 23. Dez. Mit dem gestrigen vierten Glück- ausübend beschloß der Glückaufverein seine diesjährige öffent liche Dereinstätigkrit. Was nun noch kommt sind die Aus wirkungen des Bestehens des Vereins: Turmbeleuchtung an Len Festtagen, Turmsingen am 1. Feiertag früh, Ordnüngs- dienst in der Christmetten (in diesem Jahre zum ersten Male) und teilweise Beleuchtung der Kirche an den Mettengottes diensten. Dann ruht die Vereinstätigkeit wieder für ein Jahr. Das vergangene Jahr war für den Verein das 40. sei nes Bestehens. Der dritte Glückaufabend war deshalb der Erinnerung gewidmet. Zahlreich wie an allen anderen Aben den hotten sich die Glückauffreunde eingefunden. Der Vor steher Kaufmann Arthur Günther begrüßte in herzlichen, von tiefer Heimatliebe zeugenden Worten di« Erschienenen und erstattete einen interessanten Rückblick in die Dereinsgeschichte. Diese selbst ist eia Stück Geschichte unserer Stadt, unserer Kirche, kurz unserer Heimat. Wie di« Lhristmette alljährlich Hunderte von Menschen, auch von auswärts anlockt und in ihren geheimnisvollen Dann zieht, das alte historische Turm singen in jedem Jahre wieder gern gehört wird, so verdient auch die Geschichte des Glückaufversins in großen Umrissen der Allgemeinheit zugänglich gemacht zu eoevö«. Si« M daher mit näheren Angaben üb« die Entstehung de» Turm« singens und verschiedener alter heimischer Weihnachtsge bräuche gelegentlich in eine der Heimotbeilagen de» E. V. Auf» nähme finden. Eins muß jedoch heute festgehalten werden: Wir Schneeberger alle schulden den Männern Dank, die vor vier» zig und mehr Jahren sich die Erhaltung der alten Schneeber ger Weihnachtssttten und Gebräuche zur Aufgabe gemacht ha ben, und denen, die heute noch dafür sorgen, daß diese Zeichen aus Schneebergs großer Vergangenheit uns noch erbalten bleiben. Nach Erstattung de» Rückblicke« in die Äereinsge- schichte übergab Hr. Pastor Conrad im Auftrag des Gesamt vorstand« dem Verein al» Geschenk einen von Kirchenbuch- fllhver Hauck geschnitzten Bergmann. Im Verlauf d«s feier lich verlaufenen Abends kam Hr. Fortbildungsschullelter Kurt Dietzmonn-Reustädtel auf die Werbekraft de» Gedanken«, Glückaufabende zu veranstalten, zu sprechen. Don einem Mitglied wurde dem Verein ein Schneeberg« Weihnachts engel geschenkt. Nach der Jubiläumsfeier, di« einfach und schlicht, wie das ganz« Gepäge des Vereins war, fand die Hauptversammlung statt, die beschloß, den diesjährigen Iah- resbeitrag auf eine Mark (wie in Frisdenszeiten), festzusetzen. Und dann begann das eigentliche Glückausveroinsleben. Die alten erzgebirgtschen Erzählungen ernst« und heiter« Art, Schneeberger Berg- und Weihnachtslieder, „ls Heiligohmd- lied" und „de Dähmischen Musikanten", nicht zu vergessen der „Schurl« Dachwalz«" vom Osser vorgetragen, verfehlen nie ihre Wirkung, so oft man sie auch hört. Schwarzenberg, 24. Dezember. Die am ««gangenen Sonnabend im Ratskeller veranstaltete Weihnachtsaufführung der 1. Bürgerschule verlief in ideal schön« Weise. Das von Kindern verschiedenst« Altersstufen dargebotene Märchen von der Weihnachtswiese wird als Ganzes wie auch in den Einzelheiten feinsinniger Weise allen Bedingungen gerecht, di« bei einer wirklich kindertümlichen Weihnachtsfeier erfüllt sein möchten. Inhaltlich ist die Handlung selbst den Kleine ren leicht verständlich und infolge ihres heimatlichen Charak ters Kindern wie Erwachsenen lieb und vertraut. Die Traum- Schattenbilder, ganz dem Leben der kindlichen Darsteller ent nommen, sowie die prachtvolle echt erzgebirgische Weihnachts ecke lassen die zartesten Saiten des Gemütes erklingen. Durch die starke Betonung des Liedes, der rhythmischen Bewegung und des Färb- und Formfreudigen in der selbstgeschaffenen Szenerie und Gewandung ist versucht worden, die Darstellung zu einem künstlerischen harmonischen Gesamtsindruck zu ge stalten. Die pietätvoll abgetönte Zusammenstellung von Weiß und Blau am Umschlagtuch der Maria lösten eine Stim- mung aus, wie man sie ähnlich in Momenten höchsten religiö sen Ergriffenseins kennt. Welch' feiner Sinn liegt in dem Mo tiv, die Christ- und Erzgebirgsgestalten schlafend von Engel- buben und Engelmädeln hereinfuhren zu lassen! Wie duftig und zart wirkten di« kleinen rhythmischen Gebilde des Schnee flocken-, Sonnen- und Mondstrahlentanzes. Mit tief musika lischem Empfinden wußte Hr. Kantor Flsckeisen in seinen Improvisationen am Klavier jeder Stimmung sofort nachzu- gehen, wie er außerdem seinen Kinderchor fest in der Hand hatte, trotz schwieriger mehrstimmiger Gesänge, die fast alle auswendig gesungen wurden. Hrn. Fleckeisen, sowie ganz be sonders den Herren Friedrich und Auster, als Verfassern und Regisseuren des Stückes, sowie der gesamten Helferschar, sei für die Stunden der Erbauung herzlichst gedankt im Namen der Eltern und der Kind«. —e— kontinental-Mier- nnrl Kudtt.-^asodmen scbreibenck. ^suer-, »turr-, »Indruek- unck »eNmslrsieNsr« ksllkvlirSnkö, soms ^sevli.- u. SLvksnvkr- Vortreter: Kurt I-SNK, lauter. „Ach, Herr Senator," entgegnete ihm Elisabeth, die sich gesetzt hatte, in kühlem Tone, „könnten wir unsere Unter redung nicht auf morgen verschieben? Ich bin heute so gar nicht dazu aufgelegt." „Ich werLe Sie nicht lange behelligen, verehrte Frau," entgegnete er mit seinem verbindlichsten Lächeln. „Wenn ich bitten dürfte, nur einige Worte mit Ihnen allein — unter vi« Augen —" „Wozu denn so geheimnisvoll? Ich wüßte doch nicht, welche Ding« ich nicht mit Ihnen vor unserem Doktor hier verhandeln könnte." — „Es gibt doch deren," antwortete er mit überlegener Selbstfälligkeit. „Ich bitte nur um eine ganz kurze Privat- audienz," bat er dringend mit beweglich flehenden Augen. „Nun, wenn Sie darauf bestehen," fügte sich Elisabeth, anscheinend besiegt. Sein stolzes Lächeln wenigstens deutete es so. Und dann wandte sie sich Wilhelmy zu und sagte unbe fangen: „Zuvor gestatten Sie, Herr Senator, daß ich Ihnen Herrn Doktor Wilhelmy als meinen Verlobten vorstelle." Wilhelmy verneigte sich förmlich. Seohagen fuhr sichtlich zusammen. Lähmend fuhr ihm die sichtbare Enttäuschung in die Glieder. Aber nicht umsonst war er ein Meister der Der- stellungsrunst. Rasch gewann «, äußerlich wenigstens, die Fassung wieder. „Gratuliere ergebenst," stammelte er, ein verzerrtes Lächeln um den bleichen Mund. „Und nun bitte," sagte Elisabeth, und ließ ihn in ein Nebenzimmer eintreten. „Ich wollte Ihnen nur kurz «öffnen," begann er, „daß ich es mir ferner versagen muß, die alten Beziehungen zu Ihrer Firma aufrecht zu «halten." „O, — das tut mir leid," entgegnete sie gelassen. „Mel leicht, weil Sie d« Meinung sind, daß mein« Handlungsweise gegen Alex nicht im Sinne meines verstorbenen Gatten wäre?" „Das ist allerdings meine Ansicht," antwortete er be- stimmt. „Unter solchen Umständen muß ich auch wohl annehmen," fuhr sie fort, „daß mein Kind sich nicht länger der Fürsorge seines bisherigen Vormundes erfreuen soll?" „Ihr künftiger Gatte wird dazu die berufenste Person sein, gnädige Frau." Sie sah ihn voll Mitleid an. „Dann lassen Sie uns we- nigstens ohne Groll scheiden," sagte sie und ergriff seine Hand. „Und vermeiden wir es möglichst, der Welt den Ab bruch unser« alten Beziehungen merken zu lassen." „Das ist ganz in meinem Sinne," erwiderte er. „Ich meinerseits werde der Welt keinen Anlaß zum Gerede geben. Wenn ss Ihr Stiefsohn nicht tut." „Für den bürge ich Ihnen. Also — soll es heißen: ver- geben und vergessen?" „So soll es sein. Und nun — meine ergebenste Empfeh lung." Er küßte ihr die Hand und schritt mit sein« graziö- Würde zurück in da» Zimm« der anderen Gäste. Nur einen wehmutsvollen Blick warf er auf die Tochter, die er Tochter nicht nennen durste, d!« ihren Vater nicht kennen wollte. Dann zog er sich stumm zurück. Draußen aber versagten ihm Kraft und Fassung. Schwer lehnte er sich an das Holzgetäfel des Vestibüls. Und nun kam sie über ihn, die ganze ohnmächtige Verzweiflung und Erbit terung über die jäh zusammengebrochenen Hoffnungen. Darum, darum hatte er sich gehetzt, gewunden, erniedrigt — darum, darum! Auf daß die Frucht der unendlichen Mühen, der Demütigungen, der heimlichen Intrigen, nun einem anderen kampflos in den Schoß falle? Was hatte es ihm geholfen, das Spiel, das er gespielt? Fester nur hatte er die Bande geknüpft, die « zerreißen wollte. Er hatte den Einsatz verloren bei dieser Frau und bei dem verhaßten Feinde. Umsonst, alles umsonst! Ausgestoßen, gemieden, verachtet, in der eigenen Schlinge gefangen — das war das Ende. Er ballte die Faust in wilder Wut. O, sich rächen zu können! Mit knirschendem Grimme vergegenwärtigte er sich noch einmal die glücklichen Gesichter drinnen, die seinen Fall be- jubeln würden. Und dann sah er auch noch ein anderes vor sich, eines, in dessen Ausdruck ein weicher« Ausdruck ge- wesen. — Lr dachte iHv«, er dachte Renatens, und etwas wie ein heißer, eifersüchtiger Neid auf diese ergriff ihn. Ihre schroffe, aber gerade, einfache Ehrlichkeit hatte erreicht, was all seiner raffinierten Kunst seiner Heuchelei zu finden nicht gelungen: einen sicheren Hafen, ein ungetrübtes, spätes Glück — bei ihr« Tochter. Gr ließ sie vollends fallen, nun endlich, die Maske, die ihm nichts mehr nützte, auch vor seinem eigenen, so lange ver leugneten geknechteten Gewissen. Die harte Kruste, die jahre lange systematische Verstellung und Heuchelei um sein Herz gelegt, es verknöchert und verdorrt, begann zu schmelzen vor der eindringlichen Selbsterkenntnis. Ein leises Zugeständnis wagte sich herauf aus der Tiefe seines Innern. „Sie hat es verdient," flüsterte « vernehmlich, „du nicht." Er stöhnte auf. Da war es ihm, als wäre unhörbar feniand hinter ihn ge- treten, und wie er sich umwandte, stand dort seine Tochter. Ueb« der Stirn flimmerte, von einem durch das Bogen fenster sich hereinstehlenden Sonnenstrahl umwoben, die blonde Pracht ihrer Haares. Und in den feuchten Augen lag ein schüchternes Flehen. — Sie näherte sich zaghaft und legte dem finster Brütenden leise die Hand auf den Arm. „Wenn es möglich wäre, daß Versöhnung — daß Sie Frieden finden," flüsterte sie bewegt. „Ich wünschte es Ihnen so sehnlich — lassen Sie mich hoffen —- ich — ich bitte Sie —- ich bitte Sie so herzlich darum —" Er starrte sie wortlos an. Gift und Galle schwanden vor diesen innigen, zärtlichen Augen. Wieder stieg jene Ergrif fenheit die er empfunden, als er sie als Tochter damals zum erstenmal wiedergesehen, in sein« Seele auf. Mit fast scheuer Hand strich er üb« ihr gesenktes Köpf chen, und murmelte stockend: „Ich wills versuchen, Kind — um deinetwillen." Und dann ging er rasch, wie in reuiger Scham über seine Weichheit. Man setzte sich schon zu Tische, als Ada zurückkehrte. Alex empfing sie mit einem ungeduldigen: „Wo warst du denn?" Wo bleib t du?" „Jetzt bin ich «st glücklich, Alex, ganz, ganz glücklich." Er ahnte den Zusammenhang, schüttelte den Kopf und brummte etwas von übermäßiger Sentimentalität; aber ihren Augen gegenüber hielt « nicht lange stand. Nun, mochte sie doch, wenn sie durchaus so wollte — sie war ja nicht er — und jener war ja, trotz allem und allem ihr Dat«. In dem lebhaften Geplauder und Geräusch der Tisch- Unterhaltung, bei der sich Fräulein Wally ganz besonders her- oortat, war dies kleine Intermezzo der jungen Gatten nicht sonderlich aufgefallen. Nach dem Braten, als man den herrlichen Champagner in silbernen Eiskühlern auftrug, rief Wally übermütig: „Springen lassen die Pfropfen, alle springen bis zur Decke. Ich will eine Rede hallen, und dazu brauche ich gehörigen Knalleffekt." „Wally," drohte Elisabeth der Ausgelassenen, „du bist wieder außer Rand und Band." Aber diese ließ sich nicht stören. „Ich komme ja nun bald in die Presse," rief sie lustig mit einem Blick auf ihren Verlobten, „die wird schon, was bei mir aus den Fugen ist, wied« ordentlich zusammenleimen/ Kaum blinkte der feurige, schäumende Wein in den Glä sern, so «hob sie sich: „Als^ meine verehrten Herrschaften von der Presse. Do meine Schwester Elisabeth, ich und unsere liebe Freundt« Frau Ada, nun alle drei das Glück haben, durch unsere gegen wärtigen respektive zukünftigen Gatten Ihrer geschätzte« Zunft gleichfalls anzugehören, was ich, nebenbeigesagt, mir weder in FUrstenburg noch vor kurzem hier träumen ließ — der Mensch ahnt eben imm« nicht, wozu « noch berufen — so gestatten Sie mir wohl, mein Glas zu «heben und jubelnd zu leeren auf die Journalisten im allgemeinen, auf diese drei hier im besonderen und nicht zuletzt auf die ganz« Stolzen- burg'sche Redaktton. Sie sollen leben hoch, hoch, hoch!" „Hoch soll sie leben, hoch soll si« leben —" stimmte Dr. Wilhelmy mit kräftigem Daß an; di« anderen Herren fiele« munter ein, und mit ihnen mischten sich harmonisch, bei Helle« LläserklanL. die melodischen Stimm»» b— —
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