Volltext Seite (XML)
206 haben sich 4400 Sänger aus 160 Orten angemeldct; unter letzter» findet man sehr entfernte, z. B. Kiel und Prcßburg. Also ein Fest nach schweizer Art, wobei die versammelte Menge auch singt. Württemberg. Stuttgart. Ein königliches Rescript, nach welchem das Concordat mit Nom von der Regierung fallen gelassen worden ist, wird in den Blättern allgemein besprochen. Allseitig wird dem königlichen Act, der den Kammcrbeschluß vom 16. März in ächt konstitu tioneller Weise rcspcctirt, aufrichtige Anerkennung gezollt. Ebenso allseitig hätte man aber auch gewünscht, daß der König in seiner konstitutionellen Gesinnung bis zu den letzten Conseguenzen gegangen wäre, daß er daö concor- datöfrcundliche Ministerium Linden entlassen und auf ge wisse Vorbehalts des Reskripts verzichtet hätte. Frankreich. Am 20. Juni Abends ereignete sich auf der Wcstbahn bei Aöniöres ein Eisenbahnunglück, das leicht zu einer der furchtbarsten Katastrophen dieser Art hätte werden können. Ein sehr langer Zug, in dem sich ungefähr 2000 Personen befanden, kam, als er den Bahnhof verließ, in ein unrechtes Schiencngeleise, das nur als Nothgeleis im Bahnhof selbst dient und dicht an der Seine mit einem Hügel endigt. An dem Hügel ange- kommen, stürzten die Lokomotive nebst Tender und einem Packwagen über denselben den Abhang hinab und die üb rigen Wagen wären wahrscheinlich alle mit hinuntcrgczogen worden, wenn nicht die Kette, welche den Packwagen mit den übrigen Wagen verband, gerissen wäre. Der Heizer wurde tödtlich verwundet und von den Passagieren crhiel- ten viele mehr oder minder schwere Verletzungen. Ein Glück war es, daß der Zug, da er direkt aus dem Bahn hof kam, noch nicht mit voller Dampskraft fuhr, denn sonst wären sämmtliche Wagen unfehlbar in die Seine hinabacstürzt. Italien. Aus N o m wird gemeldet, daß der Ge sundheitszustand Sr. Heiligkeit des Papstes sich noch nicht gebessert habe und zu Befürchtungen Anlaß gebe. — Man versichert, daß die italienische Negierung sich eines Individuums bemächtigt hat, welches sich erbot, Garibaldi auf Caprera zu ermorden. Rußland nnd Polen. Warschau. Die so lange ersehnte Bekanntmachung der Nesormgesctze ist am 18. Juni erfolgt. Den Neigen eröffnet der Ukas, betreffend die Organisation des Stäatsraihcs für daö Königreich Polen, <1. <1. Moskau, den 24. Mai (5. Juni). Dieses Gesetz enthält in vier Abschnitten unv 52 Artikeln die Bestimmungen über die Zusammensetzung des Staatsraths, seine Attributionen und die Geschäftsordnung für denselben. Im Nachstehenden folgt eine allgemeine Ucbersicht der wichtigsten Punkte dieses für Polen so bedeutungsvollen Gesetzes. Im Staatsrath führt der Statthalter des Königsreichs oder dessen Stellvertreter den Vorsitz. Er besteht u) aus den Mitgliedern des AdministrationsratHS, 6) auö den vom Kaiser ernannten, in den Staatsrath alö ständige Mitglieder berufenen Staatsrälhcn, e) aus Personen, welche dem Episkopat oder der höhcrn.Geist lichkeit, den Spitzen der Gubcrnialräthe, dem landwirth- schaftlichen Creditvereine angehörcn, oder durch allerhöchstes Vertrauen zu ständigen oder zeitweiligen Mitgliedern er nannt worden sind. Der Staatsrath wird entweder in Sektionen oder in einem ständigen Ausschuß als richterliche Behörde, oder im Plenum functioniren, und zwar in vier Abtheilungen, wovon die erste die Gesetzgebung, die zweite die streitigen Sachen, die dritte die fiskalisch-administrativen Angelegenheiten, die vierte endlich die Petitionen und Be schwerden umfassen wird. Jede Abteilung hat einen vom Kaiser berufenen Vorsitzenden und wenigstens zwei Mit glieder. Die Sektionen beschäftigen sich mit den Vorar beiten für das Plenum. — Die Attributiouen des Staats raths bestehen in der Begutachtung und Prüfung «) der Prosecte zu neuen Gesetzen und Verordnungen, welche die allgemeine Verwaltung des Königreichs betreffen und von den zuständigen Behörden auf Veranlassung des Kaisers oder des Statthalters entworfen worden sind. Dazu ge hören namentlich alle Gesetze, welche die Umänderung oder die Vervollständigung der in Gesetzbüchern des Königreichs vorhandenen Bestimmungen betreffen, und die Negulirung der ländlichen, der Gcwerbs- und Handelsverpältniffe, die Erhebung neuer Abgaben oder die Aufnahme neuer Anleihen, die Umänderung der Prinzipien für die Steuer erhebung, endlich die Organisation der öffentlichen VolkS- aufklärung, des Schulwesens, zum Zwecke haben; d) dcS jährlichen Einnahme- und Ausgabeetats für daö König reich; e) der Berichte über die Thätigkeit der verschiedenen Vcrwaltungszweige, sowie der Berichte der Obcrrechnungö- kammer und der Schnldentilgungscommission; ck) der An träge der Gubcrnialräthe und des Munizipalrathö der Stadt Warschau hinsichtlich der Bedürfnisse' und Wünsche der Negicrungöbezirke, Kreise und der Stadt Warschau; e) der beim Staatsrathe cingegangenen Gesuche und Be schwerden über Amtsüberschreitungen und Gesetzwidrigkeiten seitens der Beamten des Staates. Außerdem wird der Staatsrath sich auch über andere ihm durch den Kaiser oder den Statthalter des Königreichs vorgelegte Angelegen heiten gutachtlich äußern. Türkei. Auö Konstantinopel wird gemeldet, daß der Sultan dem Tode nahe ist, und seinen Bruder zu sich kommen ließ, dem er seinen Sohn und das Reich empfahl. Der Magenkrebs hat sich sehr verschlimmert. An eine Besserung ist nicht mehr zu denken. Doch läßt die Negierung in den Abendblättern daö auf der Börse verbreitete Gerücht von dem Ableben dcö Sultans mit dem Hiuzufügcn dcmcntiren, cö sei in seinem Zustand keine Verschlimmerung cingetretcn. Aus seiner Unterredung mit seinem Bruder wird geschlossen, daß an der Pforte und unter den einflußreichsten Staatsmännern Einigkeit in Be treff der Thronfolge dcö Brudcrö herrscht. Die dringendste Gefahr wäre damit beschworen. — Nach neueren Nach richten ist der Sultan gestorben und hat dessen Bruder sofort die Negierung angclreten. — Sultan Abdul-Mcd- schid-Khan war geb. 23. April 1823 und hinterläßt 14 Kinder, darunter 6 Söhne, deren ältester Mchemmcd-Mu- rad-Efendi im September d. I. das 21 Lebensjahr voll endet. Der neue Sultan, Abdul-Aziz, ist am 9. Febr. 1830 geboren. Vermischtes. — Ein Freiherr als Stellmacher. Am 13. Zuni wurde tu Gera der Stcllmachermeistcr Christian Freiherr v. Triller be graben. Er war der letzte männliche Nachkomme in dircctcr Abstammung von jenem Kohlenbrenner Schmidt, der sich durch die Gefangennahme Kunz v. Kauffungens beim sächsischen Prinzen raub eine» Namen in der Geschichte erworben und bekanntlich den Beinamen Triller erhielt. Der Verstorbene wurde, als auf ihn der Frciherrn-Titel überging und er Senior der Triller- Stiftung wurde, von den Herzögen von Altenburg, wie von dem Könige von Sachse» durch verschiedene Auszeichnungen erfreut. Sein Stcllmachcrhandwerk trieb er auch alö Freiherr ruhig fort. — Dem Chemiker Friedrich Hochstättcr in Darin stad t soll es gelungen sein, eine Schicßmasse, von ihm „Ncupulvcr" ge nannt, zu erfinden. Nach der „Allg. Mil.-Z." besteht dasselbe auö Pavicr, welches den erplobirenden Stoff enthält. Es wird auf nassem Wege (durch Eintauchen des Papiers in die Zünd- massc) innerhalb weniger Minuten und ohne jede Gefahr der Explosion bereitet. Die Fabrikation kann ohne Mühlen oder sonstige mechanische Apparate in jedem Locale vorgcnommen werden. Nach den vorliegenden Versuchen scheint die praktische Verwendbarkeit alö Sprengmittel bereits ganz außer Zweifel zu stehen; auch die Anwendung für Schießwaffcn ist bereits ermög licht, wenn auch in dieser Hinsicht noch einige Anstände zu be seitigen sind. Der Transport des neuen Stoffes ist gefahrlos, da die Entzündung nur durch den Contact des Feuers keineswegs