Suche löschen...
Erzgebirgischer Volksfreund : 17.12.1924
- Erscheinungsdatum
- 1924-12-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1735709689-192412172
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1735709689-19241217
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1735709689-19241217
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Erzgebirgischer Volksfreund
-
Jahr
1924
-
Monat
1924-12
- Tag 1924-12-17
-
Monat
1924-12
-
Jahr
1924
- Titel
- Erzgebirgischer Volksfreund : 17.12.1924
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Ehrung für Admiral Scheer. Berlin, 1k. Dez. Die „Kreuz-Zeitung" berichtet aus Stockholm: Am Freitag hielt auf Einladung des Schwe- disch-Deutschen Verein» Admiral Scheer vor einer zahl reichen Zuhörerschaft einen Dortrag über seine Erfahrungen während de» Weltkrieges. Unter den Anwesenden be, mde» sich Prinz Wilhelm, die Mitglieder der deutschen Gesandt schaft, der Univrrsitätskanzler und eine Meng« Angehörige der Offiziers, und Deamtenwelt. Der schon bei seinem Ein- treten mit warmem Beifall begrüßte Admiral erfuhr auch nach Schluß seines Vortrages groß« Huldigungen. Die Schauspielerin Djurbcrg trug ein Huldigungsgedicht „Admi- ral Scheer, dem Held vom Skagerrak gewidmet von schwedi schen Frauen am 11. Dezember 1924" vor. Sodann ' über reichte sie dem Admiral einen großen Lorbeerkranz, gewidmet von schwedischen Damen. Auf dem blaugelben Band stand der letzte Vers des Huldigungsgedichtes: „Von den Töchtern Schwedens Deutschlands Sohn gegeben, Ehre sei den Edlen, die als Helden leben." Nachdem der Admiral seinen Dank für die unerwartete Huldigung ausgesprochen hatte, hielt Direktor Sven Palme eine Rede auf den Vortragenden und die Skagerrakleute. England und Aegypten. London, 18. Dez. In seiner Rede im Unterhaus führte Chamberlain aus, gegenwärtig sei in Aegypten eine Re gierung am Ruder, die zur britischen Regierung in freund schaftlichen Beziehungen stehe. Wenn die Erörterungen auch noch nicht beendet seien, so glaube er doch, daß eine für beide Seiten befriedigende Regelung zustande kommen werde. Chamberlain lehnte sodann den Gedanken ob, vom Völkerbund ein Mandat über den Sudan zu erlangen. Selbstverständlich beabsichtige die Regierung nicht, Aegypten durch Wassermangel zur Unterwerfung zu zwingen. Die britische Regierung würde die Bildung einer ägyptisch-sudanesischen Kommission Vor schlägen unter Vorsitz einer von neutraler Seite ernannten Persönlichkeit. Berlin, 1ö. Dez. Die Vereinigten Vaterländischen Ver bände Deutschlands teilen mit, daß Fritz Geisler, der ge schäftsführende Vorsitzende der Vaterländischen Verbände, infolge von Krankheit einen mehrwöchentlichen Urlaub an treten wird. Generalmajor a. D. Graf v. d. Goltz hat ver- tretungsweise die Führung der Geschäfte übernommen. Prag, 15. Dez. Gemäß einer Verordnung des Finanz ministeriums hören mit Ablauf dieses Jahres die tschechoflova- kischen Einkronennoten, datiert vom 15. April 1919, und die 50-Kronennoten, datiert vom selben Tage, auf, gesetzliches Zahlungsmittel zu sein. Wien, 15. Dez. Budapester Blätter melden, daß in Agram sich die Zusammenstöße zwischen Kroaten und Serben wiederholten. Die Unruhen forderten acht Opfer. In Lettin je ist von der Belgrader Negierung der Belagerungszustand erklärt. Zwei serbische Offiziere wurden von der erregten Volksmenge niedergeschlagen. Newqork, 15. Dez. Der Gewerkschaftsführer Gampers ist gestorben. Kaarmann-Prozetz. Hannover, 15. Dez. Heute bald nach Beginn des 10. Ver handlungstages gegen Haarmann gibt es eine Ueberraschung. Haarmann, der die neun Verhandlungstage so gut überstan den hat, immer recht guter Laune war, erklärt, als er zur Ver handlung geführt wurde, daß er nicht in der Lage sei, der Verhandlung folgen zu können. Man sah es ihm gleich an, als er hereinkam. Der sonst lächelnde Angeklagte, der sich die Zeugen immer sehr interssiert ansah, war heute ganz teil nahmslos. Er sitzt auf seinem Platze und stiert vor sich hin, sieht niemanden an, und es macht immer mehr den Anschein, gls ob er völlig teilnahmslos wäre. Der Vorsitzende fragt ihn ob er den Verhandlungen folgen könne. Haarmann erklärt: Es wird schon gehen. Es werden dann die Zeugen vernommen, die über den Fall Senger aussagen können. Senger war ein sehr großer und kräftiger Mensch gewesen, und dieser Fall ist einer der fünf Fälle, die Haarmann bestreitet. Der Vorsitzende fragt Haarmann, ob er nicht auch dieses Verbrechen zugeben wolle. Haarmann steht auf und sogt: Schreiben Sie es nur ruhig mir zu. Nachdem die Derneh- inung der Zeugen zu diesem Falle vorüber war — es handelte sich dabei namentlich darum, festzustellen, ob der gefundene Mantel auch dem verschwundenen Senger wirklich gehört hat — erhebt sich der Verteidiger: Ich bitte doch, noch einmal den Angeklagten zu fragen, ob er in der Lag« ist, der Verhand- lung zu folgen. Haarmann macht heute einen sehr merkwür digen Eindruck, er antwortet weder mir noch dem Medizinal rat Schackwitz auf unsere Fragen. Haarmann wird daraufhin noch einmal gefragt und er bittet um eine klein« Pause, er möchte einmal etwas rauchen und hoffe, -aß ihm dann besser würde. Es wird deshalb auch «ine Pause eingelegt, und Haarmann wird hinausgeführt. Die Situation Haarmanns hat sich seit Sonnabend verschlechtert. Die Angriffe gegen seine früheren Freunde Grans und Witkowski, die er beschul digte, den Hennis ermordet zu haben, die auf sein Schuld- konto geschrieben werden, sind zunichte geworden. Damit hat seine Verteidigung einen schweren Schlag erlitten. Nach der Pause fragt der Vorsitzende Haarmann noch mals: Können wir jetzt weitergehen?" Haarmann: Ja, jetzt geht es wieder. Es wird nun mit dem Fall Senger fortgefahren und der Zeug« Barkehof vernommen. Er erzählte, Senger habe ihm mehrmals mitgeteilt, daß er die Nächte bei Haarmann zu- gebracht habe. Haarmann: Darkehof und Senger kennen sich schon lange. Sie gehörten beide zu den Leuten, die gern an sprechen und nachdem gemeinsam ausplündern. Vor be'den habe ich immer Angst gehabt, weil sie so brutal auftratrn. Die Mutter des Senger ruft dazwischen: Er darf me'ncn Sohn nicht noch beschimpfen. Ich habe ihn anständig erzo- gen. Zeuge Varkehof: Es ist nicht wahr, was der Angeklagte sagt. Haarmann: Nein, das ist es nicht. Von mir aus können Sie mir den Fall zuschreiben, aber ich bestreite ihn. Dann wird zwischendurch eine Zengin Seemann vernommen, die ge hört haben will, daß ihr Dienstmädchen Menschenfleisch ge- gessen hat. Diese Aussage erweist sich aber als völlig belang- los. Den nächsten Fall Hogrewe gibt Haarmann zu, Dieser Lehrling ist, weil er die Schule geschwänzt hatte, aus Angst vor den Schlägen seiner Eltern fortgelaufen. Auch hier hat sich Haarmann als „Kriminaler" vorgestellt. Nach der Mittagspause kommt ein Fall Apel zur Verhandlung. Der Vater erzählt, w!« er seinem Sohne eines abends das Zigarsttenrauchen verboten habe. Morgens da rauf hat sich der junge Mann, wie gewöhnlich entfernt, um seiner Arbeit nachzugehen, ist dann aber nicht wieder zurück- gekommen und seitdem verschollen. Der Lehrling ist 16 Jahre alt. Haarmann gibt die Tötung zu. Fran Engel, die Wirtin Haarmanns, hat auch in diesem Falle einen Teil der Sachen, s Anzeigen für «e j / nächste Sonntagsnummer > ? ----------------- I müssen S s allerspätestens bis Zrektag mittags in unserer Sauptgesthästssselle in ftue e!n- d gegangen fern, Sa sonst - aus technischen A Gründen - eine Gewähr für das Er scheinen in Ser am Sonnabend mittags K herauskommenSen Nummer nicht gegeben werden kann. Z vLMg W KWUMM MOSUM". I ein« Hose und ein Paar Stiefel, in HaarmannäAustvag »er kauft. Di« Stutzen hat sie von Haarmann geschenkt bekommen. ' Nun wird der Fall Bock erörtert. Hirmaun Dock, 22 Jahre alt, war zuletzt Handelsmann in Hannover, wird vermißt seit dem 8. April. Die Mutter wohnt i» Uelsen und bekundet, jhr Sohn habe sehr selten geschrieben, vls der Ver kehr auf dem Bahnhof durch eine Zeugin zur Sprache kommt, gerät Haarmann nach alter G«oohnhett wieder in Zorn und sagt zu dem Zeugen, er möge! dH-ntH sq schwindeln, dazu sei die Sache doch viel zu ernst./ Diese Tötung bestreitet dann Haarmann und behauptet, die Sachen Bock« gekauft zu haben, und zwar von Bock selber. Die Zeugin bezweifelt die Wahr heit dieser Aussage, da Dock bekannt gewesen sei als Kavalier und daher sein« guten Sachen zusammengehalten habe. Die weiteren Aussagen ergebirn nicht» von Bedeutung. » . Der Polizeipräsident von Hannover hat Hetzte vormittag vor Beginn der Verhandlungen eine offiziell« Dar stellung der Haltung der Polizeibehörden der Presse zugHen lassen: In der Schwurgerichtssitzung gegen Haarmann sind mehrere Anschuldigugen gegen die Polizei vorgebracht wor- den, die völlig« Aufklärung nicht erfahren haben. Die gegen einzelne Polizeibeamte erhobenen Anschuldigungen waren aus dem Vorverfahren bekannt und bilden den Gegenstand einer Disziplinaruntersuchung, deren Abschluß mit Rücksicht auf den Prozeß gegen Haarmann aufgeschoben wordxn ist. Zu einigen der gegen die Polizeibehörden allgemein evho- denen Beschuldigungen, besonders zu der Behauptung der kommunistischen Presse, die Polizei begünstige Haarmann, weil dieser Mitwisser polizeilicher Geheimnisse sei, werden als Ergebnis der bisherigen Ermittelungen folgende Feststellun gen mitgeteilt: 1. Haarmann hat niemals in einem Dienstver hältnis zum Polizeipräsidium gestanden und ist nur einem kleinen Teil der Kriminalbeamten bekannt gewesen. 2. Haar mann ist niemals alsPolizeiagent verwandt wor den und keinem Beamten des polizeilichen Nachrichtendienstes bekannt. 3. Haarmann hat niemals einen Polizei, lichen Ausweis, d. h. ein Papier, das ihn als Polizei gehilfen legitimierte, erhalten. Die Möglichkeit besteht aller- dings, daß Haarmann ein derartiges Papier gefälscht hat, er selbst bestreitet es und behauptet, nur den selbstgefertigten Ausweis des Detektivinstituts „Lasso" geführt zu haben. 4. In der hannoverschen Polizei werden Zuträger aus Verbrecher- kreisen sim Volksmunde Spitzel genannt) nur in dem in allen Großstädten üblichen und tatsächlich unentbehrlichen Umfang verwandt: sie stehen in keinem Dienst- oder Auftragsvrrhält- nis zur Behörde und gehen nur mit den einzelnen Beamten um. Im dienstlichen Verkehr der Kriminalbeamten mit den Vigilanten, der sich in Lokalen abspielt, in denen auch Ver brecher verkehren, ist es nicht zu vermeiden, daß die Beamten gelegentlich mit diesen zusammensitzen. Die Untersuchung hat jedenfalls ergeben, daß der Verkehr der Kriminalbeamten mit Haarmann über das unvermeidlich notwendige Maß nicht hinausgegangen ist. j OerMche Angelegenheiten. s * Schirmer abgebaut. Der linkssozialistisch« Amtshaupt« in-ann Schirmer, der eben wieder in den Reichstag.gewählt' worden ist, ist von -er sächsischen Regierung mit Wirkung von Ende 1924 ab in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden.. Die Negierung scheint demnach die Gründe, die der Freiberger Bezirkstag für seinen Antrag aus Abberufung Schirmers Ml* tend gemacht hat, als berechtigt anerkannt zu haben. * Dienstausfall am 27. Dezember. Nach einer Verordn nung des Gesamtministeriums ist aus Gründen der Heizstoff ersparnis der 27. Dezember bei allen staatlichen Behörden des Landes grundsätzlich dienstfrei zu lassen. Durch Einrichtung eines Sonderdienstes ist dafür Sorge zu tragen, daß dring liche Sachen erledigt werden können. * Sächsisches SSngersest. Die Vertreter der 16 Sächsischen Sängerbünde hielten am Sonntag in Dresden eine Sitzung ' zur Besprechung des für 1925 in Dresden geplanten Sächsi schen Sängerfesies ab. Den Vorsitz führte Oberbürgermeister Noth, Leipzig, 1. Vorsitzender des Leipziger Gausängerbun- des. Die zu der Sitzung geladenen Vertreter der Stadt Dresden, Stadtbaurat Wolf und Stadtrat Köppen, vermoch ten nicht die erwartete Zusage zur Errichtung einer großen Tiroler Reisetage. Dom Bergrat Barth, Neustädtel. H. Gerfaus liegt fast 600 Meter höher als KitzbUhel, und da es auch nach Süden zu geöffnet ist, ist vor altem sein Winterklima weit günstiger als das Kitzbüheler. Strahlend schöne Sonnentage sollen denn auch im Winter in Serfaus die Regel sein. Die weiten Hänge eignen sich vorzüglich zum Skilauf. Line alte Römerstraße soll in der Nähe von Serfaus oorbeiführen. Es wäre denkbar, daß zu den Römerzeiten der unten am Inn hinführende Weg'speziell im Winter infolge Lis und Lawinenschnee oft unpassierbar war und daß sich die Römer deshalb zur Anlage dieses Höhenweges entschlossen. Uebrigens sagt di« Chronik, daß Serfaus von den Römern als Sklavenkolonie gegründet worden sei und die Ethynwlogie des Namens Serfaus, aus den: lateinischen servus, liegt immerhin im Bereiche des Mvgliclzen. Die Verpflegung war in Serfaus sehr billig. Volle Pension Kr. 45 000, -. i. knapp 3 Mk. täg lich. Erstaunlich teuer fand ich auf den Almen, in den Senn- hüten, also sozusagen an der Quelle, die Milchpreise. Während man in München pro Liter 26 Pfg. zahlt, verlangt man in der Sennhütte Kr. 8000, d. i. 48 Pfg! Ueberhaupt scheinen die Tiroler Bauern recht gern dem Grundsatz zu huldigen: Rupfe den Fremdlingl Spottbillig ist, da es fast allenthalben brausende Bergbäche, Wasserfalle und schirellfließende Ge wässer gibt, dir elektrische Kraft. Ein Wiener Herr, der schon seit Jahr und Tag nach Serfaus sich zurückgezogen hat, sagte mir, daß er für 6 Glühlampen, einen elektrischen Kochherd und einen elektrischen Heizofen, den er während der Winter monate überhaupt nicht ausgehen läßt, für 3 Monate insge samt Kr. 145 000, etwa 9 Mk., bezahle! Als ich Serfaus verließ, gaben mir die 3 Kinder noch ein Stück Wegs das Geleit. Dann trat ich über Nied und Prutz den Weg ins Kaunzertal zur Gepatschhütte und von da zu Hochtouren in den Oetztaler Alpen an. Das Kaunzertal gehört unzweifelhaft zu den schönsten Hochalpentälern Tirols. Bei schönstem Wetter wanderte ich an mnn infolge vorhergehender Regengüsse hochangeschwollenen tosenden Faggenbach, der an mehreren Stellen die seinem schäumenden Lauf unbequemen Uferecken abgerissen und so den Derkehrsnwg gefährdet hatte, das Tal hinauf. An einigen starkabfallenden Punkten war das ungestüm« Toben des Saoaenbacke» so gewaltig, daß der Lärm der brausenden Wasser, die einen starken Luftstrom mit sich rissen, alles über tönte und der Boden von der Wucht ihres Anpralls zu beben schien. Mit diesen Bergflüssen und -Bächen ist nicht zu spaßen. Erst wenige Tage vorher war im Ober-Inn bei Ried ein Tourist tödlich verunglückt. Der Fluß ist dort zwar etwas vreiter und tiefer, aber lange nicht so reißend, wie der Faggenbach. Der Tourist durchschwamm den etwas mehr als metertiefen Fluß. Beim Zurückschwimmen indessen wurde er von der Strömung erfaßt und gegen einen Fels geworfen; er verlor das Bewußtsein und ertrank. Erst die letzten paar hundert Meter von dem Gepatschhaus (1928 Meter) führt der bis dahin mäßig ansteigende Weg steiler bergan und ziemlich unvermittelt tritt man aus der mit schlanken Zirbelkiefern bestandenen Umgebung zwischen der' Kapell« „Maria im Schnee" und dem Gepatschhaus auf den Platz, auf dem die Schutzhütte liegt, Henns. Der Rundblick ist bei schönem Wetter einzig schön. Hoch oben zwischen den ragenden Gipfeln der Oelgruben Wonnet, Weißsee und Karls spitze streckt sich der gewaltige im Sonnenlicht glänzende Ge- patschfcrner, nach dem Pasterzengletscher, der größte der deutschen Alpen. Dort oben alles Schnee, Eis und nackter Fels, während im reizvollen Gegensatz dazu rund um das Gepatschhaus eine üppige Alpenflora grünt und blüht und die Glocken und Glöckchen der dicht dabei weidenden Kühe und Ziegen ihr munteres Geläut erklingen lassen. Da es noch nicht mittag war und das Mttn sonnig und klar, beschloß ich, nach kurzer Rast und Stärkung weiter nach der Rauhenkopf- Hütte (2731 Meter) zu gehen. Unterwegs holte ich einen Träger ein, der für einen Touristen, Herrn F., einen schwerbe- packten Ruclmck voll Proviant nach der Rauhenkopfhütte trug. Dieser Hr. F., anscheinend etwas Sonderling, den wir einige Stu: den später noch vor der Rauhenkopfhütte erreichten, pflegt alljährlich seinen Urlaub in den Hochalpen und möglichst unter Benutzung unbewirtschastetcr Hütten, zu denen er als Alpenvereinsmitglied die Schlüssel hat, zu verbringen. Daher die Proviantlasten, die sein Träger heraufschleppte. Er ver- meidet nach Kräften die Touristenschwärme, macht mit seinem Träger wenig besuchte Ersitzen und Grate und führt da oben einige Wochen lang ein seiner Eigenart anscheinend sehr zu sagendes Höhenleben. Noch früh am Nachmittag erreichten wir nach Passieren des stark zerklüfftetn Gepatschgletschers die hoch über demselben gelegene Raul)ekopfhUtte. Wir waren an diesem Tage die ersten und konnten daher, nachdem Hr. F. die Hütte mit seinen: Schlüssel aufgeschlossen hatte, uns in Ruh» ein uns zusaaendes Nachtlager aussuchen. Später kamen noch eine Menge Touristen, Männlein und Weiblein, so daß di« Hütte sich schließlich bis unters Dach füllte. Gin reger Abkochbetrieb entwickelte sich, an dem ich mich leider nicht beteiligen konnte, da ich in dem Glauben, die Hütte sei bewirtschaftet, mich mit Proviant nicht versehen hatte. So legte ich mich schließlich, da ich geringe Lust hatte, mir mit den verführerischen Düften die Geruchsnerven kitzeln zu lassen, mit knurrendem Magen früh zu Bett, mit der Absicht- ach nächsten Morgen als einer der ersten wieder aufzubrechen. Leider war die Nachtruhe keine reine Freude. Meinen Schlafraum teilten zwei weibliche Wesen und zwei Herren au» Wien. Der eine der beiden letzteren, ein wohlbeleibter Herr, erwies sich, kaum daß er sich auf sein in allen Fasern krachendes Lager gewälzt hatte, als ein Schnarcher von hohen Graden. Alle Nüancen seiner wirklich ungewöhnlichen Schnarchkünst« probierte er in dieser Nacht durch. Die meisten Leute schnar chen bloß, wenn sie auf dem Rücken liegen. Aber bei ihm funktionierte es ebensogut in jeder beliebigen Körperlage- Selbst die Nachbarräume bekamen noch ihr Teil von diesem Höllenkonzert ab. An Schlaf war ,bei mir und den meisten anderen in dieser Nacht kaum zu denken. Dafür aber schlief er natürlich ausgezeichnet und tat höchlich erstaunt, als er^ am Morgen von der allgemeinen Schlaflosigkeit hörte un giftige Blicke und anzügliche Redensarten bekam. Ich tauft« den Dicken den „Hüttenschreck" und glaube, diesen Namen hat er sich redlich verdient. Einige Tage später traf ich ihn wieder auf der Dernagthütte. Als ich hörte, daß er da übernachten wolle, inachte ich mich trotz schlechten Wetters schleunigst auf den Meg zur Taschachhütte. Ich hatte an der Nacht auf der Rauhenkopfhütte, die mir noch frisch im Gedächtnis war, mehr als genug. Frühzeitig am nächsten Morgen brach ich von der Rauhen- kopfhütte zum Brandenburger Haus (3264 Meter) auf. Zu nächst gab's im festgefrorenen Schnee einige Hundert Meter steilen Aufstieg, dann aber ging's im flotten Tempo in süd licher Richtung bei mäßiger Steigung über den harten Schnee des viele Kilometer sich ausdehnendcn Gepatschferners. Lang sam kamen auch von Osten her Uber die nackten Felsblöcke de» großen Rauhenkovfs die ersten Sonnenstrahlen und über fluteten mit blendender Helle die aufblinkenden glitzernden Schneeflächen. Zahlreiche, offenbar vom Sturm hier herauf verschlagene Kohlweißlinge und Zitronenfalter, auch Nachtfal^r und Libellen sah ich erstarrt im GletschersckMe liegen. (Fortsetzung fplstz)
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)