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Die 26 Prozent. London, 4. De». „Manchester Gruwdian" schreibt: Das Haupthindernis des Handelsvertrages sei die 26» prozentige Abgabe gewesen. Dies« Schwierigkeit sei nun Uberwmrden; jedenfalls hätte» die Deutschen nicht mit einer Abgabe Uberetnstimmen können, di« jeden Augenblick auf Grund der Entscheidungen des Reparationsagenten zu einer verhängnisvollen Zollpflicht hätte werden können. Auf der andern Seite habe sich die englische Regierung einem Ver zicht auf diese Abgabe widersetzt. Nunmehr bestehe ein Plan, der zwischen der deutschen Regierung und dem General agenten besprochen werde. Deutschland werde dadurch von dem Risiko befreit, daß die Abgabe ihm nicht gutgoschrieben würde, und England werde von der Gefahr befreit, daß Deutschland diese Abgabenstvuer umgehen könne. London, 4. Dez. Der Generalagent für Reparationen, Gilbert, erklärte, es sei nicht seine Sache, ob die Engländer und Franzosen die 26-prozenttge Abgabe einziehen oder nicht. Er fuhr fort: „Was ich jedoch weiß, ist, daß dos so eingesam- melte Gel- unter unserer Kontrolle stehen müßte. Jetzt wird das Geld an das britische Schatzamt gezahlt, wäh rend es nach meiner Ansicht in das Konto auf unseren Namen in die Dank von England gezahlt werden müßte. Es würde dann unsere Sache sein, es zu transferieren." Der Lohn der Franzosensöldlinge. Essen, 4. Dez. Die Deutsche Reichsbahn hat 3620 in den Diensten der alliierten Regie tätig gewesene Eisen bahner in den Neichsbah »betrieb übernommen. Berlin, 4. Dez. Der Neichsrat hat in seiner'heutigen öffentlichen Sitzung der Vorlage der Neichsregierung über das Außerkrafttreten der Börscnsteuerverord- nung zugestimmt. Frankenthal, 4. Dezember. Vor dem Schwurgericht wurde gegen die Tagelöhner Oeffler, Roos und Schröder aus Ludwigshafen verhandelt, die wegen Körperverletzung mit Todeserfolg angeklagt waren. Anfang September d. I. hat Oeffler zwei französische Soldaten in Ludwigshafen auf der Straße angerempelt. 2» dem darauf entstandenen Streit erstach Oeffler einen :nit dein "Messer und verletzte den zweiten Franzosen schwer und einen dazu kommenden Zivi listen leicht. Nach der Tat begab sich Oeffler in eine Wirt schaft, wo er die beiden anderen Angeklagten traf. Nach kurzer Zeit kamen die Angeklagten mit dem ebenfalls anwesenden Fleischer Fecls aus Ludwigslmfen in Streit, in dem Fels drei Stiche erhielt. Schon die Leiden ersten müssen nach der Aus sage der ärztlichen Sachverständigen unbedingt tödlich gewesen sein. Oeffler erhielt gemäß dem Anträge des Staatsanwalts 15 Jahre Zuchthaus und 10 Jahve Ehrverlust, Roos acht Jahre Zuchthaus und fünf Jahre Ehrverlust, Schröder vier Jahre Zuchthaus mrd fünf Jahre Ehr verlust. Bern, 4. Dezember. Gegenüber der vor einigen Monaten dem Bundesrat zur Kenntnis gelangten Behauptung, Hitler sei in der Schweiz längere Zeit bei einer bekannten Persönlich keit zu Gaste gewesen, habe von ihr beträchtliche Geldbe träge erhalten und mit ihr über Vorbereitungen zu einem bewaffneten Aufstande in Tirol verhandelt, hat die Bundesanwaltschaft festgestellt, daß ein strafrechtlich ver folgbarer Tatbestand nicht vorliegt. Da einer der angeblich Beteiligten ein Kommando in der Armee bekleidet, hat der Bundesrat das Militärdepartement beauftragt, den Sachver halt festzustellen. In einer von den: betreffenden Offizier selbst beantragten Untersuchung ist festgestellt worden, daß die gegen ihn erhobenen Dorwürfe unbegründet sind. Paris, 4. Dez. Der Ministernt hat beschlossen, General Degoutte zum Kommandanten Ler 6. Armee zu ernennen. London, 4. Dezember. Wie aus Han kau gemeldet wird, haben die Anhänger Wuweifus die Eisenbahnbrücke zwischen Hankau und Peking, die die längste Brücke in China ist, in die Luft gesprengt. Der Massenmörder Angerstein. Der Massenmörder Angerstein ist gestern nacht von Haiger nach Gießen gebracht worden, weil befürchtet wurde, daß die außerordentlich erregte Einwohnerschaft von Haiger gegen den Massenmörder gewalttätig vovgehen würde. Anger stein hat jahrelang ein Doppelleben geführt. Nach außen hin das eines braven Familienvaters, der für feine Familie alles tat, und auch ein Herz füx seine weitere Umgebung hatte; im geheimen das eines Verbrechers, der Täuschungen, Fälschungen und Unterschlagungen aufeinander häufte. Das Geständnis, Las er im Krankenhaus zu Haiger abiogte, erfolgte in Gegenwart feines Bruders. Nicht nur bei der Vorbereitung des Verbrechens, sondern auch bei dessen Ausführung ist Angerstein, wie man aus seinem Geständnis nunmehr genau feststellen kann, mit ungeheuerlichem Raffinement vorgegangen, es wäre sonst nicht möglich gewesen, daß seine Schwägerin sich am Mordtag aus den: Hause entfernt hätte, ohne zu ahnen, was in der Nacht vovgogangen war. Der Mörder hat jede Einzelheit Ler Tat genau und sorgsam überlegt und keine Vor sichtsmaßregel bei der Ausführung außer acht gelassen. - — Saarmann vor Gericht. In Hannover begann die Verhandlung gegen den wegen Mordes in 27 Füllen angeklagten Händler Haar mann und seinen Zutreiber Grans. Lin ungewöhnlich starkes Aufgebot von Schutzpolizei zur Bewachung des Ge richtsgebäudes wird damit begründet, daß es notwendig wer den könnte, die Verbrecher vor der Volkswut zu schützen. Die Verbrecher werden vorgefiihrt. Sie kommen aus einer Tür, hinter der in einem kleinen Zimmer das Bett des Haarmann steht. Es ist ein dürftiges eisernes Feldbettgcstell. Das Ge stänge ist verbogen, die breitgestreifte Matratze ist zerfetzt und verschmutzt. In diesem schmalen Bett hat Haarmann seine Opfer gewürgt. Einige aus einem Fußboden gebrochene Planken mit Blutspuren stammen aus des Massenmörders Zimmer. Eine kleine Fleischhackniaschine, wie man sie in Privatküchen gebraucht, und ein Gummiknüppel liegen dane ben. Bei Haarmann wurde schon 1895 in einer Irrenanstalt Schwachsinn festgestellt. Er ist nach einen: späteren ärztlichen Attest als zu 80 Prozent erwerbsunfähig bezeichnet worden. Der Arzt sprach damals seine Verwunderung darüber aus, daß Haarmann noch nicht entmündigt worden sei. Haarmann widerspricht dem. Er sei gesund und willgeköpftwer- den, wie er Lazwischenruft. Von seiner Erstorbenen Mutter spricht der Massenmörder mit Anhänglichkeit und Liebe. Don seinem gleichfalls toten Vater redet er in wilden Flüchen. Ge gen 200 Strafanträge habe der Vater gegen den Sohn erwirkt. Wie aus einer Mitteilung des Staatsanwalts hervorgeht, be trügt die Zahl der Morde Haarmanns 30, 2? Fälle sind ihn: nachgewiesen, bei dreien ist der Nachweis vielleicht noch mög lich. In 38 Füllen konnten die verschwunden gewesenen Jünglinge durch die Polizei den Eltern wieder zugeführt werden. Die in Umlauf gesetzten Gerüchte, daß Haarmann gegen 200 Menschen geschlachtet haben soll, sind also nicht richtig. Der erste Mord, den Lie Anklageschrift Haarniann zur Last legt, ist 1918 geschehen. Nun folgen die Morde, die durch alle folgenden Jahre bis in die gegenwärtige Zeit gehen. Bei den Morden kommt immer wieder die Berussbezeichnung Lehrling vor. Es bestärkt den Eindruck der Dummheit, daß Haarmann besonders wütend widerspricht, wenn aus - den Akten aus seinem Vorleben über die geistige Minderwertigkeit vorgelesen wird. 1 OerMche Angelegenheiten. * Ueber 4500 Reichstagskandidaten. In Ler vom Wolsf- bursau auf Grun- amtlichen Älaterials herausgegebenen Kan didatenliste für die Reichstagswahlen an: 7. Dezember sind nicht weniger als 4249 Kandidaten in den Kreiswahlvor- schlägen und 389 Kandidaten in Len Reichswahlvorschlägen mit Namen, Stand und Wohnort verzeichnet. Die Wahlvorfchläge ftlr bl« Reichstagswahlen enthaften 51 verschiedene Partei- bezeichnungen. : * Nachforderungen I« den -aushaltplau. Dom Landtag tst u. a. ein Nachtrag zum Staatshaushaltplan für 1924 zu- gegangen. Es werden im ordentlichen Etat 6 896 060 und im außerordentlichen Etat 990000 Goldmark nachgefordert. Im außerordentlichen Etat befindet sich «in Betrag von 440 000 Mark Darlehen an die durch Hochwasser in der Oberlousttz Geschädigten und «in Betrag von 350 000 Mark Darlehen an Lie Stadtgemeinde Oelsuitz i. Erzgeb. zur Behebung der durch Lie plötzlich ausgetretenen Bergschäden entstandenen Woh- nungsnot. ' Aue, 5. Dez. Am Mittwoch nachmittag tagten die Land wirte in: „Blauen Engel". Die Sitzung, geleitet vom Vor- sitzenden Karl Neubert in Raschau, wurde mit einem Vortrag des Obevlandwirtschastsrates Dr. Marx vom Landeskulturrat Dresden über Schweinvaufzucht und Mast eröffnet. Der Vor tragende !betontv, daß er nicht als Theoretiker, sondern an Hand von Erfahrungen spreche. Dio Schweineaufzucht sei außer ordentlich wichtig für die Volksernähvung, sie muß aber in Lem Rahmen gehalten werden, soweit es die Eigenfüt^vung zuläßt. Der Redner ging auf die Pflege Ler alten und jungen Tiere ein. Ferner auf die Unterkunftsverhältnisse, die Aufzucht, die Ernährungsvevhältnisse und Pflege und auf ihre Erfolge« Dabei gab er wertvolle Anregungen. Die AbstammUngsvvr- hültnisse sollen auch beim Schwein genau geprüft werden, um ein gutes Tier heranzuziehen. Dem Redner wurde für feine lehrreichen Ausführungen Beifall gezollt. In der Aussprache gestellte Fragen beantwortete der Vortragende, wobei auch der Ruf irach einen: Körgesetz laut wurde. In: allgemeinen waren jedoch Lie Versammlung sowohl als auch der Redner nicht für dieses Gesetz. Als zweiter Redner trat Rittergutsbesitzer Palitzsch-Zwickau auf, um über Lie politische Lage zu sprechen. Er streifte Lie allgemeine Lage der Landwirtschaft im vorigen Jahre und die inzwischen emgetretenen Aenderungen. Er be rührte das Dawesgutachten und senre Bedeutung für die Land wirtschaft. Desgleichen wurde Lie Preisfrage der Lebensmittel besprochen. Nachdem der Redner die Stellung der einzelnen Parteien zur Landwirtschaft beleuchtet hatte, wies er darauf hin, daß die Stimmen der Landwirte bei Ler Reichstagswahl' nur den Doutschnationalen gegeben werden können. Auch diesem Redner wurde für seine Ausführungen lebhafter Beifall zu teil. Mittweida, 5. Dez. Sitzung der Gemeindeverordnetcn am 27. November. Anwesend: 7 Gemcindevcrordnete. Der Bürgermeister als Gemünderatsmitglied. Man nahm Kennt nis von einen: Schreiben des Ortskrankcnkassenverbandes Aus wegen der Einstellung des Gastwirtschaftsbetriebes im Gene- sungsheim Nitzschhammer, von einem Holzangebot Ler Firma Schneider in Lauter, ferner von einer Formänderung des Ortsgcsetzcs über die Rechtsverhältnisse der Beamten. Es wurde beschlossen, die Haftpflichtversicherung in der vom Finanzausschuß festgesetzten Höhe beim Gemeindeversiche rungsverband Leipzig zu tätigen. Als Beisitzer für das Mietgericht Schwarzenberg werden dieselben Personen in Vorschlag-gebracht, wie sie bereits am 8. November 1923 dem Gerichte bckanntgegebcn morden sind. Annahme finden die von der Amtshauptmannschnft vorgeschlagenen Gebührensätze für die Heimbürgin. Den: Gesuche des Fürsorgeverbandes für Taubstumme Westsachsen, entspricht man mit einer ein- " Unser Erzgebirgischer Landsmann, der ans Schnee« berg gebürtige bekannte Komponist Professor Hans Hermann sendet Lem „E. V." für die Wahl de» von ihm komponierten WMruf ' Text von Bogislaw von Selchow. Wir bringen die Komposition an anderer Stelle unserer Zeitung im Faksimile-Abdruck, in der Hoffnung, daß Hans Hermanns Wahlruf zum Erfolg der nationalen Sache am Wahltage beiträgt. „Arbeiter" und „Bürger." Skizze von Karl Heinz Toburg. „Was bleibt nur denn anderes übrig, als Euch Bürger liche zu bekämpfen?" hatte Hans Berg, der tagsüber in einen: Rohproduktengeschäft Eisen und "Altpapier sortierte, fast schreiend ausgerufen. Sein einstiger Schulkamerad, der fast vierzigjährige Buch halter Hesse, schüttelte bedenklich nnt dem Kopfe. Er blickte versonnen in die kleine, an die Decke geheftete Lampe, deren Licht Las ärmliche, aber saubere Stübchen seines Iugendgc- fähcten spärlich erhellte. Endlich sagte er, jede:: Satz betonend: ,Lans, warum schreist du mich so an? Ich hab dir doch nicht weh getan! Bedenke doch: nach vier Jahren weile ich endlich einmal wieder in der alten Heimat, besuche auch dich, wir freuen uns auf unser Wiedersehen — und nun ver dirbst du alles durch das plötzlich begonnene Parteigezänk, das mir, offen gestanden, zuwider ist." „Natürlich ist es dir zuwider," stieß Berg, immer noch erregt hervor. „Ihr wollt eben die Wahrheit nicht missen und verkriecht euch lieber Hurter eure Schutztruppen!" „Aber Hans, unterlaß doch endlich diese Vorwürfe. Ich habe dir schon vorhin gesagt, daß gerade das, was du unter politischer Wahrheit verstehst, in meinen Augen nur Lügen deiner Derfiihrer sind, denn . . ." „Ausgeschlossen," unterbrach ihn Berg, „davon verstehst du nichts! Du bist eben ein Bürgerlicher und hast von den Nöten und Sorgen des Arbeiters keine Ahnung. Davon merkt Ihr Bourgeois erst dann was, wenn euch das Proletariat den Schädel einreibt." Walter Hesse war aufgesprungen. „Nun ist's genug!" rief er in sichtlicher Erregung. „Ich will es noch einmal versuchen, in dir nicht den Verblendeten, sondern den alten Iugenfreund zu sehen. Laß mich darum aussprechen und höre mir ruhig zu." Während Hans Berg ein verächtliches Gesicht machte, zog Hesse nochmals den Stuhl heran, setzte sich und erzählte in immer ruhiger werdendem Tone: „Du weißt, wer ich bin. Mein Vater starb, als ich noch in den Windeln lag, und meine Mutter mußte sich und uns fünf Kinder als Wr'ftau durch tageweisen Lohn kümmerlich ernähren. Du, Hans, hast als Einziger eines Schmiedegesellen eine bessere Jugend genossen als ich. Wenn ich also heute als Buchhalter einen Aufstieg erlebte, dann geschah es nicht meiner Abstammung wegen, sondern aus eigener Kraft. Wie kannst du es da wagen, mir gegenüber solche Unterschiede bervorzukehrenN" „Nein, Hans, ich blieb derselbe, nämlich das Kind einer ehrlich schaffenden Mutter: ein ehrlich handelnder Mensch!" „Erlaube mal," rief Hans Berg, „willst du vielleicht da mit sagen, ich sei nicht ebenso ehrlich? Meinst du, deine Arbeit wäre ehrlicher als meine?" „Laß mich aussprechen, Hans, sonst kommen wir nie zum Ziel. Unter Ehrlichkeit verstehe ich die Ehrlichkeit gegen sich selbst! Meine Mutter hat mir vor Jahren auf ihrem Sterbebette gesagt, daß sie allzeit arm, aber auch allzeit ehren haft gewesen sei. In Hunderten fremden Häusern hätte sie gearbeitet, aber nie Hütte sie sich durch Verlockungen verleiten oder durch Aeußerlichkeiten blenden lassen. Darrn:: wurde mir ihre Mahnung, nur durch Treue und "Arbeit vorwärts zu dringen, zu»: Leitsatz fürs ganze Leben. Ich kenne keinen Neid, Hans Berg! Ich verachte die Hetzer und Aufwiegler, weil sie' die niedrigsten Instinkte erwecken, nicht aber den Nuhn: ehrlichen Schaffens preisen! Ich habe es an mir selber erlebt, wie sie zu schmeicheln verstehen. Aber ich blieb standhaft, während so viele andere, die diesen Heuchlern nachliefen, zugrunde gingen." „Sie gingen nur deshalb zugrunde, weil ihnen keine Möglichkeit zu::: Aufstieg gegeben wurde," warf Hans Berg ein. „Laß uns erst :nal ans Ruder kommen, dann wirst du sehen, welche Kraft in uns steckt und wie rasch wir empor dringen werden." „Aber Hans," rief Hesse schier verzweifelt aus, „mach doch die Äugen auf! Klammere dich doch nicht immer nur an das, was dein Parteiblatt schreibt! Was dir da vor gegaukelt wird, ist in: Grunde genommen das Gleiche, wie die Redensarten vor 20 oder 30 Jahren. Wir haben doch sah re la na die sogenannten Arbcitcrregierungcn erlebt. Ist's denn besser geworden? Werde doch mal nachdenklich und sage mir oanz offen: War deine Lage vor den: Kriege besser als heute?" „Besser ist sie nicht geworden." „Nun also! Uns allen ergeht's heute schlechter, seit die sozialistischen Parteilinge uns wehr- und machtlos gemacht und unser Volksvermögen preisgegcben haben. Das sei keine Parteipolitik, sondern die Feststellung einer nie zu bestreuen den Tatsache! Man kann eben mit Theorien und Klassen kampf kein Volk in Not retten, sondern nur durch Arbeit und Zusammenfassung der Kräfte. Gelingt das nicht, dann gehen wir genau so zugrunde, wie Rußland, dessen Niedergang seit sieben Jahren unaufhörlich ist, weshalb die einzige Hoffnung der Moskauer Nutznießer die Zertrümmerung Deutschlands blieb, um dann auch bei uns anfangen zu können." „Ja, aber was sollen wir denn machen? Wir Arbeiter können doch nicht mit euch Bürgerlichen gehen!" „Erlaube mal, Hans, so einseitig darfst du nicht urteilen. Ich zu»: Beispiel muß täglich neun Stunden lang rechnen und kalkulieren; ebenso oder noch anstrengender arbeiten Millionen andere, die du als „Bürgerliche" bezeichnest, die aber genau so gut Arbeiter sind wie du. Der Klassen unterschied wurde dir erst von deinen Parteilingen einge hämmert! Erst wenn du diese Derführungskünste überhörst, kommst auch du zur Erkenntnis, nämlich zu Ler gleichen, dis ich vertrete: Ehrlich schaffen ünd nur dadurch vorwärts kommen! Dein Vater hat als Schmied den Hammer geführt. Du aber bist Amboß geworden, weil du dich von Mengenum schmeichlern mißbrauchen läßt. So lange du nicht zu dir selber Vertrauen hast, wirst du natürlich denen, die dir ein Himmelreich auf Erden versprechen, nachlaufen. Aber wenn du erst einmal erkannt haben wirst, was andere mit deinen Arbeitergroschen anfangen und wie niemals Fremde dir bei stehen, sondern nur du allein dir helfen kannst, dann lieber Hans, wirst du kuriert sein. — Doch nun laß mich gehen, denn nicht durch Worte, sondern nur durch Selbst erkenntnis kannst du zur Umkehr gelangen." „Aber Walter, so bleib doch noch etwas. Gleich muß mich meine Frau heimkchren, die sich sicher freuen wird, dich wiederzusehen." — Walter Hesse stand jedoch schon am Zimmerausgang; und indem er mit der Linken die Türklinke niederdrücktc, umfaßte seine Rechte herzhaft des alten Freundes Hand: „Ein ander Mal, Hans. Ick, komme, bevor ich wieder abreise, nochmals zu euch. Bis dahin wird auch die Wahl vorüber sein und hoffentlich eine andere Stimmung bei dir vorherrschen als heute." „Aber Walter," beschwichtigte Hans Derg, „so bös war's doch nicht gemeint!" „Böse? Nein, aber töricht! Ich bin Deinesgleichen und obendrein dein Freund. Ich meine es ehrlicher als fremde, selbstsüchtige Schmeichler. Erst wenn du das bedenkst, weißt du, daß gerade Ler „Bürgerliche" jene Wege ebnen wird, die durch Klassenkampf aufgewühlt und ungangbar gemacht worden sind. Begreife, was es heißt, ein Deutscher z« sein!. Dann sehen wir uns einmal sicher wieder als Volks« genossen. Und die sind für uns alle wichtiger und aufrichtiger, alsPartei genossen. Leb wohl, Hans!" ... — — Die Tür war ins Schloß gefallen. Hans Derg war allein. In ihn: tobte kein Kampf mehr: aber um sa größer wurde seine Erkenntnis, Laß alles und Jeder abhängig bleiben würde von dein Begriff des einen Wortes; Volks genösse! . , f