Volltext Seite (XML)
Nr. 2LL. 9. November 1924. So lustig Erst kürzlich war Frau Hanna bei ihr gewesen, hatte -ie Kleine geträllert: Männerlreu. Skizze von Marga Stiehler. Der Briefkasten klappte. Eine Verlobungsanzeige flatterte ins Haus. Frau Hanna hob sie auf. — Büttenpapier mit Golddruck. Ach — die kleine Grete Facius war es, das liebe junge Kind mit dem goldenen Gelock und den leuchtenden blauen Augen! Frau Hanna hatte wohl schon etwas gehört von der be vorstehenden Verlobung. Reich sollte ,^r" sein, unbändig reich. Man scherzte darüber: „Die Gretel wird sich das Laufen äbge- wöhnen und nur noch im Auto durch die Welt flitzen!" „'s mag freilich nicht so übel sein, zu wohnen in dem yoldnen Schloß, zu denken Haus und Hof sind mein und mir gehorcht der Diener Troß." Dann war sie der alten Freundin um den Hals gefallen und hatte unter Tränen gelacht: „'s ist ja alles Unsinn." Und nun war es doch Tatsache geworden. Sie war verlobt. Frau Hanna legte den Brief auf die Schreibtischplatte und stützte den Kopf in die Hand. * Sie gedachte des Tages, da sie selbst sich ihrem Manne versprach. Fast dreißig Jahre war es her ... Sie sah ihn vor sich, bittend — bettelnd: „Ich kann nicht ohne dich loben, wenn du mich von dir stößt, ist es mein Tod!" Dann war auch ihre Berlobungsanzeige in die Häuser der Freunde geflattert, so wie heute die der kleinen Grete. Um den Mund der alternden Frau legte sich ein bitterer Zug. Ihre Ghe war kein himnwlstüvmendes Glück gewesen. Drei Kinder hatten sich an ihre Brust geschmiegt — jetzt waren sie erwachsen und ausgefloaen. ÄÄlrdon u»ck LeMtcke rose. Ein Leben voll Mühe und Arbeit war es gewesen. Aber bei aller Not leuchtete Hr ein Heller Stern: der Glaube an die Treue ihres Mannes! Nun war auch dieser Stern erloschen, dunkel war es um sie her. Eine fremde minderwertige Person hatte sich in ihre Ehe gedrängt. Die Scheidung war eingeleitet, man würde ausein andevgehen, als hätte man einander nie gekannt. Sie seufzte und griff nach Tinte und Feder. Der kleinen Grete wollte sie Glück wünschen. Alles, — alles hatte das Schicksal der jungen Braut in den Schoß ge worfen, Schönheit, Liebe und Reichtum. Möchte ihr auch das Köstlichste boschieden sein, — die Treue! Schreiben, nein schreiben ließ sich das nicht. Frau Hanna stand auf. Hingehen wollte sie, das junge Ding in ihre Arme nohmen, gleich heute. Blumen wollte sie ihr bringen. Rosen? — Ach nein, Rosen blühten im Garten des Braut- Hauses so viele, Rosen brachte der Verlobt« täglich in Fülle. Männertreu wollte sie ihr schenken, dunkelblaue Männer treu . . . Kurze Zeit darauf stand Fran Hanna in einem Papiergeschäft, um sich den Blumentopf, den sie beim Gärtner arisgesucht, mit den vielen kleinen, Vlauen Blümchen, festlich schmücken zu lassen. Sie wählte unter dem bunten Kreppapier ein Helles Grün, so recht hoffnunipgrün! Da öffnete sich unter scharfem Klingeln die Ladentür. Frau Hanna stockte das Herzblut. Sie die Frau —, die jetzt die Genossin ihres Mannes war, in deren lustiger Gesellschaft er erst kürzlich seinen sech zigsten Geburtstag gefeiert hatte, trat herein. Weißblond — dick — dreist. Barhäuptig stand sie da in der angeschmutzten weißen Datistbluse, dein stillen, klaren Blick der Aolteren frech stand- haltend. „Wann wird sie wohl die Augen Niederschlagen?" dachte die Betrogene. Aber sie wartete vergebliche .Was schaun's mich denn so an?" fragte die Blonde keck< Frau Hanna raffte sich zusammen. Nur keine Erregung zeigen. So sagte sie ruhig und kühl, die andere mit den Blicken messend: „Sie sind Frau Kroschowsky!" „Jawohl, ich bin Frau Kroschowsky!" klang es siegessichev zurück und die wasserblauen Augen blitzten sie an. Die Blonde wußte genau, wen sie vor sich hatte. Der Verkäufer hatte inzwischen die Manschette zurecht gek schnitten. „Schöne Blumen sind das," meinte er und wand die licht, grüne Herrlichkeit nur den Blumentopf. „Ja" — sagte die Käuferin und blickte wieder der anderen fest in die Augen, „'s ist Männertreu, ein seltenes Kraut, -ö wenn die Gemeinheit drüber kommt, dann geht sie ein!" Meta Kroschowsky wurde unruhig. Der Verkäufer sah fragend von einer zur anderen. Die schlanke Frau in dem dunkelgrünen Tuchmantel mA dem schwarzen Seidenhut auf dem leicht angegrauten Haar wendete jetzt der Blonden den Rücken. Ihr feines stilles Erficht war mit zartem Rot überhaucht, das sie jung und lieblich er- scheinen ließ. „Wie iMbsch haben sie dos gemacht," sagte sie freundlich» zahlte — und ging, bebenden Herzens — im Arme die blühend« Männertreu. Im Brauthause wurde sie mit Jubel empfangen. „Frau Doktorchen muß immer wo» Besonder« hoben! Alle -ringen sie Rosen, und sie dringt Männertreu. — Die W ja auch viel schöner", lachte bas glückstrahlende Bräutchen. „Diese herrlichen Rosen," sie zeigte auf die kristoMnen Basen und Schaileir, in denen Rosen in ollen Farben leucht teten, „schon morgen hängen sie die Köpft, ober -ft» BK««» töpfchen, das kann ich pflegen, das soll noch lange bltrhn." ,Immer soll sie blüh'n in Ihrem Leben," sagte Fratz Hanna und schloß das junge Mädchen an ihr Herz, »imme« soll sie Ihnen blüh'n — die Münnvvftvui" eislrtr. Arakiiifea kür veberx»»^" dslruos, xerlaeer 8vom- vsibisuci» tta« L Hatzi, Kus. OerMche Angelegenheiten. Sta-tveror-netensttzung in Ane vom 7. November 1924. In unserem Gaswerk wird wieder gebaut. Gin Stadtverordneter meinte in der gestrigen Sitzung mit einem Anflug von Humor, daß man mit dem Bauen im Gaswerk überhaupt nie fertig werde. Wenn man alles das in Betracht ziehe, was seit Jahr und Tag zur Verbilligung der Produktion des Gaswerkes schon getan worden ist, müßten die Konsumenten eigentlich das Gas umsonst bekommen. Diesmal handelt es sich um die Beschaffung eines Steilrohrkessels für die Benzolgewinnungsanlage. Durch den Anschluß dieses Kessels an die Kammeröfen will man die heißen Abgase nicht nur für die Benzolanlage, son- dern auch für die Kessel nutzbar machen. Aus Platzerspar- nisgründen hat man sich für den Steilrohrkessel entschieden. Der Preis beträgt 17 500 M., außerdem kommen noch unge- fähr 3000 M. für Montage hinzu. Um den Stadtvatern die Pille etwas schmackhafter zu machen, hat der Gasausschuß beschlossen, den Gaspreis von 22 Pfg. auf 20 Pfg. für den Kubikmeter ab Septemberablesung horabzusetzen. Nach län- gerer Aussprache gab das Kollegium seine Zustimmung. Das Geld soll aus RUcklagemitteln genommen werden. Im übrigen herrschte gestern im Kollegium eine große Bewilligungsfreudigkeit. Zum Bau einer Ufermauer am Gaswerksgrundstück bewilligte man 11758 M. Die Ar beiten wurden der Bauhütte übertragen. Für die Rohrleg ung der Blauenthaler Wasserleitung wird ein Berechnungsgeld von 120 000 M. bewilligt. Die Arbeiten sollen in drei Losen an auswärtige Firmen vergeben und so beschleunigt werden, daß bis Ende des Jahres die Legung der Leitungsrohre beendigt ist. Das Geld soll vorläufig den zur Verfügung stehenden Mitteln (Tilgungsfonds usw.) entnom men und später durch eine Anleihe aufgebracht werden. Die elektrische Freileitung in der Stadt will man allmühlig durch Kabelleitung ersetzen. Zunächst soll damit in der Bahn- Hof-, Post- und Schillerstraße der Anfang gemacht werden. Cs sind hierzu 26 000 M. erforderlich, die aus den Rücklagen des Elektrizitätswerks entnommen werden sollen. Der Be trag wird bewilligt. Ein Stadtverordneter regte an, mit der Zeit auch auf die elektrische Straßenbeleuchtung zuzukommen. Durch den starken Verkehr hat die Beschaffenheit der Schil ler- und Poststraße arg gelitten. Die beiden Straßen sollen nun neu gepflastert werden. Kostenpunkt: 23 000 M., die demnächst in den außerordentlichen Haushaltplan einge- stellt werden sollen. Vorläufig wird man das Geld wohl aus laufenden Mitteln nehmen müssen. Beim Ausscheiden der Stadt Aue aus dem Bezirksver band hat die Stadt die Verpflichtung übernommen, den Teil des N i ed ersch lem aer Weges, der auf Auer Gebiet liegt, chausseemäßig auszubauen. Cs handelt sich um die Strecke von der Arndtstraße bis zu den Geßner-Häusern. Die Kosten betragen ungefähr 30 000 M., die nach lebhafter Aus sprache bewilligt werden. Mehrere Stadtverordnete traten lebhaft dafür ein, daß nun endlich auch der vordere Teil des Niederschlemaer Weges von der Wehrstraße bis zur Arndt straße reguliert und ausgebaut und baldigst eine Vorlage des Rats erwartet wird. Zur Behebung der Wohnungsnot soll eine zweite Wohn- baracke zum Preis von 15 000 M. angeschafft und aufge stellt werden. Der Betrag wird bewilligt. Bei dieser Gelegen heit erfährt man, daß im Lause dieses Jahres in unserer Stadt 56 Wohnungen erstellt worden sind. Als die Stadt Aue bezirksfrei wurde, hat sie sich auch ver pflichten müssen, ihren Anteil an der Tilgung der Bezirks schuld für Kriegerfamilienunterstützungen zu übernehmen. Die ganze Bezirksschuld berechnet man heute mit etwa 660 000 M. Auf die Stadt Aue entfallen ungefähr 100000 M. Cs sollen jährlich 10000 M. in den Haushaltplan eingestellt werden, bis der Entschuldungsstock 100000 M. er reicht hat. An kleineren Posten werden noch bewilligt 400 M. zur Aufstellung neuer Wannen im Bade in der Ober realschule und 230 M. zur Verbesserung der Beleuchtung des Flügels und des Musikpodiums im Festsaale der Ober- realschule. Dein Abdeckereibesitzer Voigt in Pölbitz werden für die Beiseiteschaffung von Tierkadavern jährlich 100 M. zugebilligt. Summa Summarum haben die Stadtväter gestern groß- zügig und ohne Wimpernzucken Uber eine viertel Million, genau 256 988 Goldmark bewilligt. Hoffentlich hält der Stadtsäckel die Belastung aus. Außerhalb der Tagesordnung wird noch einem Nachtrag zu den ortsgesetzlichen Bestimmungen Uber das Anschlagwesen zugestimmt, der das unbefugte Abreißen von Plakaten mit Strafe bedroht. Die Stadtverordneten Friedrich und Brand werden in ihr Amt eingefiihrt und verpflichtet. * Eine Maßregelung ans politischen Gründe«. Der Mg. Grellmann hat folgende Anfrage gestellt: „Polizeioberleut nant Götze, der auf seinen dringenden Wunsch, unter Be rücksichtigung seiner wirtschaftlich schwierigen Verhältnisse von Leipzig nach Dresden versetzt wurde, ist am 25. Oktober nach Leipzig zurUckversetzt worden. Mess Versetzung, eine un- soziale Härte, die zudem für den Staat durch doppelte Häus- haltsentschädigung eine erhebliche Mehrbelastung darstellt, ist eine Maßregelung aus politischen Gründen. Oberleutnant Götze war Leiter der Stahlhelm-Ortsgruppe Bischofswerda,, wurde deswegen in unzuverlässiger Weise vom Polizeipräsi denten Kühn zur Rede gestellt und sein Austritt aus dem Verbände der Frontsoldaten in ultimativer Form gefordert. Ohne die erbetene Bedenkzeit abzuwarten, erfolgte die Ver setzung. Was sagt die Regierung zu diesem verfassungs- widrigen Vorgehen des Polizeipräsidenten? Ist ein Polizei- Präsident, der selbst gegen Wort und Geist der Verfassung verstößt, zum Hüter der Verfassung geeignet? Ist die Regie- rung bereit, gegen dieses rechtswidrige Vorgehen des Polizei- rpäsidentsn einzuschreiten und di« Versetzung rückgängig zu machen? Ist sie ferner bereit. Maßnahmen zu ergreifen, daß in Zukunft auch den Staatsbeamten, die Mitglieder vater ländischer Verbände sind, der verfassungsmäßigen Schutz ge währt wird?" * Saatenstand. Vorwiegend trockene und milde Witte rung im Oktober begünstigte das Einbringen der Hackfrüchte und des Grummets sowie die Bestellung der Wintersaa ten. Die Kartoffel, und RUbenernte ist in der Haupt sache beendet, und nur von letzterer war beim Eingang der Berichtskarten noch' ein kleiner Teil außenstehend. Auch die Bestellung der Wintersaaten, die teilweise wegen der Härte des Bodens ziemlich spät.begonnen hat, ist zum größten Teil beendet; einige Hackfruchtfelder, die in letzter Zeit abgeerntet worden sind, sind nur noch zu bestellen. Hier und da wird über mangelhaften Aufgang der Roggen- und Weizensaaten geklagt. Man führt dies darauf zurück, daß die Saatkörner infolge der langanhaltenden Nässe zur Erntezeit etwas an Keimkraft verloren haben. Ein größerer Teil des Roggens und Weizens ist, weil er spät bestellt war, noch im Keimen; er konnte daher noch nicht beurteilt werden. Die früh bestellten Roggensaaten sind sehr verschieden bestanden. Ein Teil hat sich gut entwickelt, während ein anderer unter Mäuse- und Schneckenfraß schon sehr gelitten hat. Es machen sich daher bereits Neubestellungen nötig. Auch der Mangel an Kunst dünger, der bei der Bestellung wegen der Geldknappheit nicht immer angewendet werden konnte, macht sich im Aussehen der Saaten mitunter recht bemerkbar. Di« Mäuse vermehren sich in besorgniserregender Weise; sie haben durch ihre Wühlar beit dem schön bestandenen Klee schon großen Schaden zuge fügt, der aber noch größer wird, wenn nicht durch Vernichtung dem massenhaften Auftreten Einhalt geboten wird. Der Schneckenfvaß hat bet der Trockenheit etwas nachgelassen. Die Wiesen ergaben nach Abernten des Grummets vielfach noch ein« gute Weide; die Grasnarbe beginnt aber nunmehr abzu sterben. Ebenso wird der .üppig bestandene Stoppelklee vie lerorts noch abgehütet. Schneeberg, 8. Nov. Es sind sicherlich nicht die schlechte sten Schulen, denen die alten Schüler unverbrüchliche Treue bewahren. Jedenfalls verdienen solche Anstalten nicht, uner probten Neuerungen zum Opfer zu fallen. Der Verein ehe maliger Schüler des Gymnasiums zu Schneeberg beruft all jährlich im Herbst seine Mitglieder nach der alten Bergstadh um liebe Erinnerungen aufzufrischen und um seine Anhäng lichkeit an die frühere Bildungsstätte zu bezeugen. So har sich vor wenigen Wochen eine beträchtliche Anzahl alter Schneeberger Gymnasiasten hier zusammengefunden. Jetzt bereitet der Verein dem Gymnasium eine neue Freude: «t stiftet ihm 100 Exemplare des Liederbuches von Gast-Löb- mann; das ist um so dankbarer zu begrüßen, als bekanntlich die staatlichen Mittel für Bildungszwecke gegenwärtig recht be schränkt sind. Lößnitz, 8. Nov. Me man hört, bereitet der Derg« verein seine diesjährigen Weihnachtsausstellungen vor« Außer dem Aufbau des sog. Großen Berges, der auch in die-, sem Jahre wieder die guten alten Vorzüge mit neuen Idee»» vereinigen wird, ist am ersten Advent in der Herberg« zur Heimat eine besondere Sehenswürdigkeit geplant: di« Aus stellung von Pyramiden und Schnitzereien fit einer solchen Reichhaltigkeit und Schönheit, wie sie seit viele» Jahren nicht geboten werden konnte. Es ist dem Bvvgverei» zu danken, daß er seine Aufmerksamkeit wieder einmal dem Pyramidenbau rm Besonderen zuwendet. Ist doch di« Pyra mide von jeher ein Schmuckstück des erzgebirgischen Weih nachtsheimes. Daß sie es auch in Zukunft bleibe und immer mehr werde; dazu will diese Ausstellung mithelfen. Auch Nicht-Mitgliedern ist Gelegenheit gegeben, Pyramiden un- anderes Schnitzwerk auszustellen. Auf! . Ihr Freunde edle» Volkskunst holt eure Kostbarkeiten aus dem Versteck hervor^ stellt aus, damit sich viele andere daran freuen können! Eina einfache Anmeldung beim Bergverein verschafft euch das Recht mit auszustellen (letzter Termin 23. November). — Schon jetzt sei darauf hingewiesen, daß die beliebten Glückauf-Abend« am 6. Dezember im „Sächsischen Hof" ihren Anfang nehmen. Lößnitz, 8. Nov. Zur Freude der Gemeinde wird nach >em Druck der Inflationszeit wieder wie in früheren Zeiten ms Predigtlied vom Turme der Hauptkirche St. Johannis geblasen. Zum Kirchgemeindesonntag, den 9. November, wird m Gottesdienst vorm. 9 Uhr ein Solooortrag für Violine mit ra» ItisstskWdkeiss Io allen ^urkükniaxeo empkleklt kiler L ko. lisokf. Tel. 14. /tu» blmttS. Verlag L. M. Gärtner, Aue. 1. Beiblatt. Erzgebirgischer Dolksfreund.