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Erzgebirgischer Volksfreund : 11.10.1924
- Erscheinungsdatum
- 1924-10-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1735709689-192410114
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1735709689-19241011
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1735709689-19241011
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Erzgebirgischer Volksfreund
-
Jahr
1924
-
Monat
1924-10
- Tag 1924-10-11
-
Monat
1924-10
-
Jahr
1924
- Titel
- Erzgebirgischer Volksfreund : 11.10.1924
- Autor
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IM so mehr werden ihre Deftchren eingeschränkt werden und >te Ziffern -er durch den elektrischen Strom verursachten Un- tlUÄMe «eiter sinken. * Sächsischer Lebe»»balt«»g»index. Nach dm Preisfeststel lungen vom 8. Oktober 1924 sim vom Statistischm Landesamte folgende Indexziffern der Lebmshaltungskosten (1918/14 - 1) devechnet worden: Gesamtindex (für Ernährung, Heizung, Be- ieuchtung, Wohnung und Bekleidung) 1,24- Billionen. Se samrindex cchne Bekleidung 1,223 Billionen. Am 1. Oktober 1924 betrug der Gesamtindex mit Bekleidungskopen 1,222 Bil lionen und ohne Bekleidungskosten 1,199 Billionm. Dom 1. Oktober bis 8. Oktober 1924 sind mithin die Preise der bei der Teuerungsstatistik berücksichtigten Güter um 1,9 bez. 2,0 v. H. gestiegen. * Der Saatenstand. Die Grnte der Halmfrüchte ist laut Mitteilung des Statistischen Landesamtes nach Eintritt besserer Witterung im September beendet worben. Die nasse Witte- rung vom August bis Mitte September hatte aber zur Folge, baß viele Getrelbekörner ausgewachsen und durch häufiges Wenden auf dem Felde ausgefallen sind und daß das Stroh mitunter zu Futterzwecken kaum mehr verwendet werden kann. Am meisten haben in den höberen Lagen die ungünstigen Witterungsverhältnisse geschadet, während in der Niederung bei Beginn der Regenperiobe schon ein großer Teil der Halm- flüchte unter Dach und Fach war. Ebenso ist dieGrummet - ernte durch dm anhaltenden Regen sehr beeinträchtigt wor den und hat starke Verluste gebracht. In den Flußniederungen ist durch Hochwasser ein Teil des abgebauten Futters weg- geschwemmt worden, und der anstehende Teil hat längere Zeit unter Wasser gestanden und dadurch an Wert verloren. In der zweiten Hälfte des September ist immerhin noch ein großer Teil des Grummets in befriedigendem Zustande geerntet wor den. Die Kartoffelernte ist im vollen Gange. Der Er- trag an Knollen, der im allgemeinen gut ist, wird durch starke Fäulnis bei weniger widerstandsfähigen Sorten sehr herabge- drückt. Auch steht zu befürchten, daß die Knollen sich in den Aufbewahrungsräumen nicht recht halten werden. Der Stand derZucker-undRunkelrübenist verschieden. In der Lausitz sind die Rübenfelder schon zum dritten Male von der Made der Rüdenblattwespe heimgesucht worden. Auch durch Engerlinge, die in diesem Jahre massenhaft auftreten, find die Knollen der Hackfrüchte verschiedentlich angefressen worden. Der Stoppelklee steht gut und gibt vielerorts noch einen Ertrag. Ebenso günstig ist die Entwicklung der üb rigen Herbstfutterpflanzen. Die späte Ernte hat die Be stellung der Wintersaaten etwas verzögert, und es sind infolgedessen noch wenig grüne Saaten zu sehen. Die Felder waren auch teilweise so naß, daß sie noch nicht bestellt werden konnten. Die beständigere Witterung läßt aber nun mehr die Bestellungsarbeiten schnell von statten gehen. Die jungen Saaten scheinen durch Ackerschnecken bedroht, die sich bei der nassen Witterung sehr vermehrt haben. Augen- blicklich hält die Trockenheit sie zurück, größeren Schaden zu ver ursachen. Aus vielen Bezirken kommen Klagen über das starke Ueberhandnehmen der Mäuse. O Schneeberg, 10. Oktober. Die Ortsgruppe Schneeberg des Landesverbandes der Kriegsbeschädigten und Kriegerhinterblie benen des Sächsischen Militärvereinsbundes hält am Dienstag, den 14. Oktober, abend» S Uhr im Gasthaus »Zur Dost' eine Versammlung ab, in -er Alfred Paul au» Dresden über »Die Neuordnung des Dersorgungs- un- Fürsoraerechtes für die Mtlitärversorgungsberechttgten" sprechen wird. Schneeberg, 10. Oktober. Der hiesige Militärverein Kavallerie, Artillerie, Pioniere, Verkehrstruppen und Train hält morgen, Sonnabend, im Ratskeller seine 22. Hauptver sammlung ab. Die Tagesordnung umfaßt IahreÄ>ericht, Kas senbericht, Wahlen, Neufestsetzung der Steuern, .Anträge und Verschiedenes. Schneeberg, 10. Oktober. Der Kveisausschuß der Kreis- Hauptmannschaft Zwickau hat den Beschluß des Wohnungsaus- schusses zu Schneeberg vom 8. 7. 1924 wegen Ausschließung eines Stadtverordneten von Sitzungen von aufsichtswegen auf- gehoben. Neustäbtel, 10. Oktober. Die Dogelstellevei mit Lockvögeln und Leimruten steht gegenwärtig wieder in voller Blüte. Durch eine Streife durch die Gendarmerie un- Polizei am Donners tag wurden einer Anzahl Vogelstellern aus Zschorlau und Schneeberg insgesamt sieben Lockvögel abgenommen, die -wi schen Leimruten ausgestellt waren. Reustädtel, 10. Oktober. Gestern vormittag nahm sich die Ehefrau eines hiesigen Einwohners aus noch nicht bekannter Ursache das Leben durch Erhängen. Lößnitz, 10. Oktober. Auf die morgen, Sonnabend, abend 8 Uhr, stattfindende Versammlung des Vereins ,Ki«derkvanz" wird besonders hingewiesen. Lößnitz, 10. Ott. Musikalische Klange kündeten am Mon- tag früh den Einwohnern unserer Stadt, daß die priv. Schützen- gejellschast ihren Einzug hielt. Nach einem kurzen Umzug nachmittags 2 Uhr mit voller Musik und Spielmannszug nach dem Schützenhaus hinaus, wurde dort bas am Sonntag be gonnene Preisschießen fortgesetzt. Wieder waren reichliche und wertvolle Preise gestiftet; dieser Umstand veranlaßte auch zu schärfster Konkurrenz. Die Würde des Scheibenkönigs erwarb sich Fabrikant E. Emil Müller. Nach einem gemütlichen Bei- sammensein im Schützenhaus fand dann die übliche Einbrin gung des Königs und eine schöne harmonische Schlußfeier im Sächsischen Hof statt. Ende gut, alles gut! darf die Schützen- gesellschaft auch vom verflossenen Sommerhalbjahr sagen und zufrieden auf all die Geschehnisse in dieser Zeit zurückblicken. Wohl gab es harte Nüsse zu knacken, aber die Opferfreudig, leit der MitgliÄer hat immer durchgcholfen. In der Michaelis- quartalsversammlung, die den Uebergang in das Winterhalb jahr bildet, wird manches Wichtige besprochen werden müssen, das Arbeit für den Winter in der Gesellschaft bringen, wird. Die priv. Schützengesellschaft hat sich rächt nur durch alle Zeiten hindurchgesetzt, sie hat auch erfreulichen Aufschwung genom- men. Sie steht heute so gefestigt da, daß -er Ausblick in die Zukunft zu den besten Hoffnungen berechtigt. Glück auf! Rittersgrün, 10. Oktober. Die von bürgerlicher Seite be antragte Abstimmung über Neuwahl der Gemeinde verordneten hat einen vollen Erfolg gehabt. Don 1631 Wahlberechtigten gaben 1081 ihre Stimme ab; 871 stimmten mit ja, 190 mit nein, 20 Stimmen waren ungültig. Durch die nun notwendig werdende Neuwahl der Gemeindeverordneten kann die jetzt ^bestehende kommunistisch-sozialistische Mehrheit in eine bürgerliche verwandelt werden. Neustäbtel, 10. Otkober. Der Gesangverein „Sänger klub" ist im Laufe der letzten Jahre wiederholt mit gediegenen Konzerten an die Oeffentlichkeit getreten; auch am Sonnabend war es ihm vergönnt, vor vollbesetztem Hause unter Leitung seines Liedermeisters Lehrer Schnädelbach Proben seiner künstlerischen Leistungen zur vollen Zufriedenheit zu geben und lauten Beifall zu ernten. Der Verein plant nun eine Wiederholung dieser Aufführung für Dienstag, den 14. Okto- ber als Wohltätigkeitskonzert zu Gunsten der hiesigen Alters speisung, wozu ihm im Hinblick auf den guten Zweck ein recht starker Besuch zu wünschen ist, zumal der Eintrittspreis sehr niedrig gestellt ist. I Äonzerle, Theater, Ders«vgu»gen. 1 Schneeberg, 10. Okt. Sächsische Landesbühne. »Die Schul- der Wera Mirzewa". Schauspiel in vier Akten von Lew Ue- wantzoff un- G. Spindler. Rußland ist der Schauplatz des Stlik- kes. Ein Erlebnis aus der russischen Gesellschaft. Allerdings ein Erlebnis von ganz besonderer Eigenart, sowohl hinsichtlich des Stoffes, -er in -en vier Akten bewältigt wirb, als auch hin sichtlich der handelnden Personm. Charaktere von ganz ver schiedener Veranlagung ziehen an uns vorüber. Zuerst ein Rechtsanwalt, der Liebesverhältnisse zu mehreren Frauen aus der Aristokratie unterhält, wobei es ihm in der Hauptsache da rum zu tun ist, Geld für große Finanztransaktionen zu er halten. Dann ein verkommener Freund dieses Rechtsanwaltes als dessen willenloses Werkzeug. Dieser macht den Eindruck eines geistig nicht normalen Menschen und ist voll Haß gegen sich selbst un- die Menschheit ob seines Schicksals. Weiter ein russischer Staatsanwalt, in seinen Kreisen als überragender Jurist geschätzt und gefürchtet, der es kaltblütig über sich bringt, seiner Frau, die ihn betrügt, einen Mor- zu verzeihen. Ueber diesen drei di« Frau Wera, die, nachdem sie ihren Liebhaber er schossen hat, es versteht, alle Beweise ihrer Schuld zu ver- wischen, aber schließlich ihrem Gatten ihre Tat eingesteht. Im Gegensatz zu dieser Rolle steht die der Frau Julia. So zeigen uns die verschiedenen Personen die Eigenart des russischen Tha. rakters. Frau Wera Nikolajew Mirzew war so veranlagt, wie sie die Verfasser brauchen, soll dem Stück ein Erfolg beschieden sein. Jede Phase verhaltener Leidenschaft wußte sie lebens- wahr darzustellen. Neben ihr stand in ebenso schwieriger Rolle der Topjarin des Otto Rubens, in Mimik und Ausdrucks- weise eine Bavourleistung. Daß ber Staatsanwalt Mirzew bei Direktor Rene in den allerbesten Händen lag, ist selbstver ständlich. Ueberraschend war die Iulia der Ria von Treusch. Man ist von ihr nur komische Rollen gewöhnt. Sicher traf sie den leichten, lebhaften Ton, den die Rolle erfordert. Kurt Thiele als Untersuchungsrichter Starobelsky bewies, daß er auch aus nüchternen Rollen etwas zu machen versteht. Ulrich Folkmar war der leidenschaftlich liebende Platunow. Fred Hoff als Rechtsanwalt war in der Aussprache gut, im übrigen der nüchterne Finanzmensch. Emil Berger gab den um seine sechs Kinder besorgten Arzt Dr. Siegel. Besonders erwähnt werden soll noch die glänzende Ausstattung und die Toiletten, vor allem auf dem Wohltätigkeitsfest. Die Aufführung war un bestreitbar ein Erlebnis. Die ungleichen Sonnen. , Originaltoman von Leonore PanY. (Nachdruck verboten.) <17. Korüehung.) Drei Tage spater bestieg Melanto im Hafen von Alexan drien das Schiff, welches sie mit ihrer traurigen Last nach der Heimat tragen sollte. Strathausen, der ihr bis zur letzten Minute mit Rat und Tat an die Hand gegangen, hatte es sich nicht nehmen lassen, ihr das Geleite zu geben. „Vielleicht sehen wir uns noch einmal," sagte er mit -roher Herzlichkeit. ,Hamburg und Rothenburg sind von ein- »nder nicht allzuweit entfernt." Ihr Blick klammerte sich mit heißem Dankesausdvuck an sein seines, ernstes Gesicht. „Ich weiß nicht, wie ich ihnen alle Liebenswürdigkeit, alle für mich aufgeopferte Zeit je vergelten soll, Herr Doktor! Aber wenn sie je nach Rothenburg kommen sollten, dann vergessen sie nicht, -aß ein gastliches Dach ihrer harrt." „Ich weide es nicht vergessen!" Noch einmal reichte sie ihm die schmale weiße Hand. Langsam rollten zwei große, schwere Tränen ihre Wangen herab. Auch er schien bewogt. Ihr Gruß, den sie ihm noch vom Landungsstege zurief, blieb unerwidert. Eine Stunde später trieb das gewaltige Schiff auf den Fluten des Meeres, un- drei Tage nach der Einschiffung lan dete man im Hafen von Triest, von wo aus Melanto mit dem Eilzug nach Berlin weiterfuhr. Stahl erwartete sie am Dahn- Hof. Wie ein Kind warf sie sich schluchzend an seine Brust. „Nun habe ich nichts mehr als dich! Nun mußt du mich doppelt lieb hgben!" Auf dem alten Rothenburger Friedhof fand Professor Helmdorf seine letzte Ruhestätte. Die Ueberführung -er Leichs hatte ein Vermögen verschlungen, und Melanto war gezwungen gewesen, das gesamte kostbare Mobiliar aus ihres Vaters Wohnung zu veräußern, um die Kosten zu -ecken. Stahl, obwohl innerlich gegen Melantos übertriebene Pietät protestieren-, verhielt sich schweigend. Die noch frische Wunde gebot Achtung. ' Unter wenigen Tagen waren die schönen Zimmer, welche Helmdorf mit seiner Tochter bewohnt hatte, geleert, nur der Raum, in welchem sich die historischen Merkwürdigkeiten be- fanden, war unangetastet geblieben. Eine unter Helmdorfs schriftlichem Nachlasse aufgefundene Verfügung stemmte sich gegen einen Verkauf oder ein Verschenken der Schätze, an denen er mit ganzer Seele gehangen. Sein Wunsch ging dahin, daß Melanto noch seinem Tode die wertvolle Sammlung weiter ver- walte und, so wie es seine Gepflogenheit gewesen, auch den sich dafür interessierenden Personen zugänglich mache. Erst ihr Tod sprach sie von dieser Verpflichtung frei. Aber Helmdorf hatte, als er seine diesbezüglichen Anordnungen zu Papier brachte, nicht im Entferntesten daran gedacht, daß Melanto sich einmal von ihm trennen könne. Nun stieß der Wunsch des Ver blichenen auf Schwierigkeiten, über deren Lösung man nicht so rasch etnia wurde. Stahl, den praktischen Standpunkt vertretend, erklärte den auf einer ganz unberechtigten Voraussetzung ruhenden Wunsch Helmdorfs für absolut unverbindlich und den Ver- kauf -er Sammlung als das einzig in Betracht kommen-e, Melanto jedoch klammerte sich an das Testament und warf alle Gegeneinwände über den Haufen. Mit dem feinen Instinkt des Weibes, welches selbst da noch einen Ausweg entdeckt, wo der Scharfsinn -es Mannes ver- sagt, wußte sie auch wegen Unterbringung des Materials Rat. Auf dem Korridor, der ihre Wohnung abschloß, befand sich ein einzelnes, ziemlich großes Zimmer, welches vom Hauswirt vor übergehend als Absteigequartier vermietet wurde. Dieses Zim- mer entsprach vollständig dem erforderlichen Zweck. Man konnte es, dem Wunsche -es Verstorbenen gemäß, an bestimmten Tagen und Stunden der Besichtigung offen halten, ohne dadurch wesentlich gestört zu werden. Widerstreben- gab Stahl endlich nach. Die historische Sammlung war Melantos ausschließliches Eigentum und das Rocht, darüber zu verfügen, auf ihrer Seite. So schwieg er. Nachdem man sich mit dem Hauswirt geeinigt, wurde der Transpott der Kisten in Angriff genommen. Melanto selbst legte jedes Stück genau so, wie es zu ihres Vaters Lebzeiten gelogen hatte. Dabei fand sie auch den goldenen Schuh, wel chen Helmdorf, wie in heimlicher Scham über seine Schwäche, unter einem Wust von Papieren un- Schriften in einem kleinen Kästchen verwahrt gehalten. Stahl kam gerade dazu, als sie mit feuchtschi-mmern-en Augen die zierliche Reliquie be trachtete. „Was hast du da?" fragte er. „Es ist der Tanzschuh meiner Mutter. Ich will ihn mit hinübernehmen. Nun derjenige, welcher hier zuweilen Zwie sprache mit ihm hielt, tot ist, gehört er nicht mehr hierher." „Wie du denkst! Laß' ihn dir zur Warnung sein, Me lanto!" „Warnung?" Mit ungeheurem Erstaunen blickte sie ihm ins Gesicht. „Wovor?" „Vor dem Fluch, -er jene trifft, welche an ihren Ehrbe griffen scheitern! In jeder übermäßigen Leidenschaft liegt der Keim zur Untreue." „Ich weiß gar nicht, was du damit sagen willst! Fürchtost du, daß ich dir die Treue brechen könnte? Wenn jemand die eheliche Treue hochhält, so bin ich es. Liebe ohne Treue ist un möglich!" „Es gibt auch eine gesetzliche Treue. Diese fällt unter das sogenannte Kantsche Pflichtgefühl." „Kann man den noch als ehrlich bezeichnen, der sich selbst verrät?" „Mein Kind, mit solchen Fragen stößt man die ehernen Gesetze der Moral nicht um." „Chern — ja —". Noch immer den Ausdruck grenzenlosen Staunens in den Zügen, bewegte sie wie in heftiger Abwehr die Rechte. „Ich erkenne nur ein Gesetz, und das ist die Liebe. Aus ihr schöpfe ich alles, was gut ist in mir. Sie ist der Talis- inan, -er mich über Leid un- Tod hinwegträgt, und wächst ins Riesenhafte, wenn ich Gefahr laufe, klein zu werden. In diesen warmen Mantel eingehiillt, trotze ich ollen Gefahren. Ist dir dies nicht genug?" „Wir wollen uns einmal endgültig aussprechen, Melanto, damit wir zu einem andauernden Frieden gelangen. Du weißt, daß ich nicht aus selbstsüchtigen Gründen, sondern aus Neioung um.-ich warb, und diese Neigung wird durch ein Ver schulden meinevseits nie verloren gehen. Cs ist ober ein großer Unterschied zwischen dem werbenden Manne un- -em besitzen den Gatten. Ist man einmal verheiratet, dann sollte man in dieser Tatsache sein Glück erkennen und nicht von -em einem Telle paradoxe Leidenschaftsausbrüche erwarten, denen -er nervus verum nicht mehr zugrunde liegen kann. Brautzeit ist Sturm — Ehe das ruhige Dahingleiten auf glatter Dahn! In jeder Ehe gibt es einen Augenblick gegenseitigen Erkennens. Dieser Augenblick muß überwunden werben. Man könnte dies" — er legte das Papiermesser wieder an seinen Platz — «juri stisch ausgedrückt einen Verzicht zugunsten des Besitzes nennen." Mit immer mehr und mehr anwachsendem Entsetzen hatte sie ihn angehött. Nun flutete wie ein roter Schleier die Scham über ihr Gesicht. Sie wies nach der Tür. „Geh!" hauchte sie heran. Er trat näher an sie heran. „Versteh mich recht, Melanto! Indem ich deine falschen Voraussetzungen korrigiere, lege ich -en Grund zu einem wah- ren, andauernden häuslichen Glück. Wir wollen uns daraufhin die Hand geben und alles ist gut!" Er streckte ihr die Han- hin. Doch erschauernd wandte sie sich ab. „Ich kann dir nur versprechen, daß meine Leidenschaftlich, keit dich nie mehr erschrecken soll! Mehr hat derjenige nicht zu geben, Ler im Ueberfluß " Ein Tränenstrom verschlang das letzte Wort. Stahl zuckte die Schulter. „Nun bist du wieder ganz töricht, Melanto. Aber ich bin überzeugt, daß du -ich dennoch im Stillen zu meiner Ansicht be kehrst. Reife Menschen genießen die Früchte des Lebens anders als balgende Kinder. Deshalb mußte das, was ich vorhin sagte, einmal zwischen uns ausgesprochen werden. Und nun lasse ich dich allein! Ich werde stets für dich zu finden sein, wenn du mich so aufsuchen willst, wie das friedliche Einver nehmen zweier Gatten es gebietet. Mit ruhigem Schritt wandte er sich nach der Tür. Miß tönend schlug die Klinke nieder, dann blieb es still. Minuten verstrichen. Immer noch starrte Melanto in regungsloser, vovgebeugter Haltung nach der Tür, welche zwei Welten haarscharf trennte. Und wie kreischende Trompeten schrillten ihr die Worte ihres Mannes ins Ohr: „. . . dieser Augenblick muß überwunden werden . ..' Was denn? Wie denn? Sie begriff es noch nicht völlig, nur der lähmenden Gewalt einer eisernen Faust, die ihren Nacken niederzwang, ward sie sich bewußt und des rasenden Schmerzes einer sich mehr un- mehr ausbreitenden Enttäuschung. Wessen klagte er sie an? Daß sie ihn vollkommener, inniger und leiden schaftlicher liebte, als er zu erwidern verstand? „Hetärenblut", hatte er einmal in halbem Scherze zu ihr gesagt. Besaß sie es? Ihre Hände falteten sich kindlich über -er wogenden Brust zusammen. Da drinnen im Herzen war alles so tiefrein, so erfüllt von verklärendem Licht. Die Selig keit des irdischen Besitzes durch eigenen seelischen Aufschwung täglich und stündlich zu mehren, nicht stille zu stehen wie tausend andere, das war ihr natürliches Bestreben gewesen. Un- war nicht Aphrodite selbst, die Göttin der Liebe, die reinste und herr lichste von allen? Nur der Grübler, der an sich irr« gewordene, nahte sich mit verhüllter Anbetung. Anstatt der leuchtenden Orionflamme der graue Marterpfahl der Pflicht... so -achte ihr Mann sich das fernere Zusammensein. Und ahnte wohl gar nicht, in welch grauenhafter Nüchternheit er dabei »ettank... Sie hatte sich am Tische niedergelassen und das blonde Haupt, auf welchem unsichtbar die Dornenkrone lag, in beide Hände gedrückt. Langsam Kürzte ber goldene Palast ihre» Träume zusammen. Und sie sann und sann... (Fortsetzuna solgt-!
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