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Aokfor-emnge« -er Van-Virtschasr >t. spruch nehmen, die bei der deutschen Rentenbank zur Sanie rung ihrer eigenen Kvebitnot verfügbar gebliebenen geringen Mittel durch ihre eigenen Organe zu verwalten. Die außerordentliche Plenarversammlung des Deutschen Landwirtschaftsvates trat heute im Sitzungssaal des Reichswirtschafftsvates zusammen. Don Reichsministern waren anwesend dm: Minister für Landwirtschaft und Ernäh rung Graf Kanitz und Wirtschaftsminister Hamm. Graf Kanitz überbrachte die Grüße der Reichsregierung. Die schwere landwirtschaftliche Krise habe sich jetzt noch ver- schärft, da die Kroditkrisis hinzugekommen sei. Es lag eine Entschließung vor, in der es u. a. heißt: Zu den Lebensbedingungen der deutschen Landwirtschaft gehören zoll- und verkehrspolitische Maßnahmen gegen den Wettbewerb solcher Länder, die unserer einheimischen Produktion auf dem deutschen Markt durch günstigere Er- zeugungrbedingungen überlegen sind. Vorübergehenden Not ständen in der Deckung des Nahrungsbedarfs kann durch b e - sondere befristete Maßnahmen auf handelspoli tischem Gebiet gesteuert werden. Die landwirtschaftlichen Zölle müssen in angemessenem Verhältnis zu den Zöllen für indu- strislle Erzeugnisse stehen, welche der Landwirtschaft als Be triebsmittel dienen oder die Preis« von Betriebsmitteln be einflussen. Die Landwirtschaft lehnt es grundsätzlich ab, sich als Kompensationsobjekt bei Handelsver tragsverhandlungen mißbrauchen zu lassen. Die größte Zurückhaltung beim Abschluß neuer Handels- und Schiff, fahrtsvertväge wird gefordert. Bei allen Vorbereitungen handelspolitischer Bestimmungen, sowie bei Handelsvertrags- Verhandlungen sind Vertreter der Landwirtschaft maßgeblich -u beteiligen. In der weiteren Aussprache des Landwirtschaftsrates emp fahl Dr. Müller-Karlsruhe die Annahme einer Entschlie ßung, wonach der deutsche Landwirtschaftsrat dagegen Ein spruch erhöbt, daß durch den Abschluß des Handelsabkommens mit Spanien der deutsche Weinbau dem Ruin überliefert wird. Die Reichsregierung werde daher dringend ersucht, das spanische Abkommen sofort zu kündigen. Die Entschließung wurde angenommen. Weiter wurde eine Entschließung angenommen, welche die Beschränkung des Gesetzentwurfes auf die UmstelIung des Rentenwesens auf Goldmark und die Vertagung aller grundlegenden Reformen der Unfallversicherung bis zur Rückkehr normaler Zeiten verlangt. Ferner wurde gefordert, fürdieVermögenssteuer eine Anpassung an die tatsäch- lichen Er tragsw erte für die Einkommensteuer, der Erlaß der dritten und die Ermäßigung der vierten Steuerrate, die Herabsetzung der Um satz st e u e r u. a. verli«, 24. Oktober. Unter zahlreicher Beteiligung au» all« Seilen Deutschland» trat gestern der Deutsch« Land, wtrtschoftrvat zu sein« 54. cmßervrbenflichen Vollversamm lung zusammen. In der geschlossenen Sitzung beschäftigte man sich «solcher» mit der Frage der BtUümg der Renten- bunkkrebitanfiult. E» wuchs * folgender Beschluß gefaßt: Der Deutsche Landwirtschaftsvat mutz mit Bedauern fest- stellen- datz da» Gesetz über die Liquidation des Umlaufe» an Rentenbankschsinen infolge des Einsprüche» des Organisations- komitee» für die Goldnotenbank in einer Fassung verabschiedet woüben ist, welche die künftig« Gestaltung der notwem Kvedtthilfö für die deutsche Landwirtschaft offengelassen Die Regelung dieser Frage ist ein Gebot der Stunde. Der Dwttsche Landwirtschaftsvat fordert einstimmig, daß die in dsm Gesetz vorgesehene Errichtung einer landwirtschaftlichen Kreditanstalt unverzüglich und in engster Anlehnung an die erfolgte Umgestaltung der deutschen Rentenbank vorgenommen wich. Die deutsche Landwirtschaft, die ohne Mitverantwor tung staatlicher Organe zu zwei Dritteln die Last für Vie Wiederherstellung der deutschen Währung übernommen und getragen hat und nunmehr zur Tilgung der aus diesen, Anlaß bei der Rentenbank ausgenommenen Reichskredite verpflichtet «ochen ist, muß für sich da» Recht und die Fähigkeit in An- Neue Beamtenforderungen. Berlin, 24. Oktober. Die Vertreter der Spitzenovganisa- .tonen der Beamtenschaft beschäftigten sich gestern, dem „Vor wärts" zufolge, erneut mit der Frage einer Gehaltser höhung. Allseitig wurde betont, daß angesichts der fort- schreitenden Teuerung eine durchgreifende Gehaltserhöhung un aufschiebbar sei. Es wurde beschlossen, eine Deputation zum ReichssinonMinister zu entsenden, welche diesem die Forderung auf Anberaumung von Besoldungsverhandlungen unterbreiten syll. Gleichzeitig wurde beschlossen, diese Aktion nach Möglich keit in gemeinsamer Front mit -er Arbeiter- schäft durchzüflihren. Di« Sag- nach den Hochverrätern. Berlin, 24. Oktober. Nach neueren Mitteilungen hat der Untersuchungsrichter im Etaatsgerichtshof zum Schütze der Re- publik bisher Haftbefehle nur gegen fünf kommunistksche Abgeordnete erlassen, nämäich: Scholem, Florian, Katz, Golk« gen. Fischer und Grylewicz. Dagegen sind mehr- fach kommunistische Organisationen aufgehoben und dabet Parteigrößen verhaftet worden. So in Hannover ein gewisser Fraichen, den die Berliner Polizei suchte, und in Weimar zwei Redakteure, Oswald und Trownitz. Bei diesen wurde schwer- belastendes Material gefunden, nämlich ein Nachweis einer vollkommen fertigen militärischen Organisation, ein Aufruf, geheime Zeichnungen von Maschinengewehren, Handgranaten, geheim zu haltende militärische Instvuktions- bücher usw. Hamburg, 24. Oktober. Die ^Hamburger Volkszeitung",, das kommunistische Ovgan Hamburgs, wurde wogen dringenden Verdachtes der Vorbereitung und der Aufforderung zum Hoch- verrat beschlagnahmt. Wen« man die Wahrheit sagt! London, 24. Oktober. Die „Gvening Times" melden aus Neunork: Das Oberste Bundesgevicht hat gegen den Präsi dentschaftskandidaten La Fo leite «in Verfahren eingeleitet wegen seiner Rede in Boston am 8. Oktober. La Folette hatte gesagt, Amerikas Eintritt in den Weltkrieg sei ein Der- brechenWilsons gewesen. Er sei in den Krieg mit L ü ge und bösem Vorbedacht gegangen. Auch hätte er mit der Unterschrift unter den Versailler Vertrag den Namen der Union geschändet. Frankreichs militärische Rüstungen. Paris, 24. Oktober. Die Finanzkommission hat den Antrag der Regierung genehmigt, daß in diesem Jahre die Reser- visten wieder zu einem 21tätigen Kursus einberufen werden, wie vor dem Kriege. Sie bewilligte ferner 1,8 Millionen Fran- ken für die Vorarbeiten zur Schaffung einer Luftflotte für Frankreich. Segen die Zerschlagung de» dänischen Heeres. Kopenhagen, 24. Oktober. Hier und im ganzen Lande fan- den Demonstrationen für die Beibehaltung von Heer und Flotte statt. In Kopenhagen kam es zu Zusammen stößen mit Sozialisten und Pazifisten. Rechtssieg in Norwegen. London, 24. Oktober. Die „Morning Post" meldet aus Christiani«: Das Gesamtergebnis der norwegischen Stortingwahlen ist der Gewinn von 29 Mandaten für dis Rechte, die damit die absolute Mehrheit in der neuen Kammer erreicht hat. Staatsstreich in Peking. London, 24. Oktober. Die gestern abend in London einge troffene Nachricht, wonach Peking von der Außenwelt ab geschnitten sei, hat eine übervascheiGe Aufklärung gsfunden. Die Division „christlicher Eisenfresser" des Generals Teng hat die Tore von Peking besetzt und die Abdankung des Präsidenten des Kabinetts verlangt sowie die sofortige Einstellung des Kampfes. Diöse Wandlung ist in Peking in dem Augenblick eingetreten, als Marschall Wupeifu, der die Regierungstrup pen, zu denen auch die Division Tengs gehörte, führt, den christlichen General aufforderte, seine Truppen in Bewegung zu setzen, um die Linie der Regievungstruppen zu verstärken. — In Londoner politischen Kreisen nimmt man an, daß bei diesem Staatsstreich des christlichen Generals japanisches und fran zösisches Geld die ausschlaggebende Rolle gespielt haben. Mukden, 24. Oktober. Nach einer amtlichen Meldung hat sich Präsident Tsaokun in das Gesandtschaftsviertel von Peking geflüchtet. Wupeifu befindet sich in voller Flucht. Der Rückzug der Truppen der Zentralregierung ist bei Schanhaik- won abgeschnitten worden. Mukden, 24. Oktober. Eine amtliche Meldung aus dem Hauptquartier Tschangtsolins verkündet das Ende des Krieges mit der chinesischen Zentralregierung. Tokio, 24. Oktober. Die javanische Regierung hat btt Absendung von 2 Zerstörern aus Tientsin und von 200 Mann Truppen nach Schanhaikwan beschlossen. Leipzig, 24. Oktober. In dem Lochverratsprozetz vor dem vierten Strafsenat gegen Görler und Genossen wurde heute nach 12-stündiger Verhandlung folgendes Urteil gefällt. Wegen Vergehens nach 8 17 des Republik-Schutzgesetzes und schweren Diebstahls gegen Görke vier Jahre sechs Monate Zuchthaus und fünf Jahre Ehrenrechtsverlust. Sechs Monate Untersuchungshaft werden angerechnet. Gegen Lenkott drei Jahre Zuchthaus, 200 Mark Geldstrafe, fünf Jahre Ehrenrechts. Verlust; fünf Monate Untersuchungshaft werden angerechnet. Gegen Debelt zwei Jahre sechs Monate Zuchthaus, fünf Jahre Ehrenrechtsverlust, 200 Mark Geldstrafe; sechs Monate Unter- suchungshaft werden angerechnet. Schluf erhielt fünf Monate- Gefängnis und 100 Mark Geldstraft. Drei Monate Unter- suchungshaft werden angerechnet. Geiß wird wegen unbefugten Waffenbesitzes zu 800 Mark Geldstrafe verurteilt. Amsterdam, 24. Oktober. Zwischen der Rotterdam-Süd- amerikanischen DampfschiffahrtsgesMschaft und dem Königlich Holländischen Lloyd einerseits und mehreren deutschen Reede reien andererseits ist ein Abkommen Uber das Anlaufen nieder ländischer Häfen durch deutsche Schifft und deutscher Häfen durch niederländische Schiffe geschlossen worden. Brüssel, 24. Oktober. „Libre Belgique" zufolge wird an- gesichts der großen Kohlenvorräte die Frage erörtert, ob man nicht einen Tag Feierschicht in der Woche in den Gruben des Beckens von Charleroi einführen solle. London, 24. Oktober. Der Führer der irischen republi- konischen Partei de Valero wurde in der Vorhalle des Rathauses in Newry (Ulster) verhaftet, als er eine Wahloer. sammlung besuchen wollte, um für einen republikanischen Kan didaten eine Rede zu halten. Paris, 24. Oktober. Der Ministervat hat dem Iustizminister den Auftrag erteilt, gegen die Camelots du roi Strafantrag zu stellen, die dieser Tage anläßlich einer Versammlung der Liga für Menschenrechte, in der Uber die Propagandareisen fran- zösischer Politiker in Deutschland berichtet wurde, einige Per- sonen angegriffen hatten. Madrid, 24. Oktober. Die Blätter kundigen die Auflösung des Sekretariates des Generals River« an. Wie die Zeitung „El Sol" darlegt, ist «ine solche Maßnahme ent sprechend dem Wunsch des Regierungschefs getroffen worden, der vorerst bis zur vollständigen Wiederherstellung normaler Zustände in Spanisch-Marokko zu bleiben beabsichtigt. OerMche Angelsgenheilen. * Die Reichsindexziffer fiir die Lebenshaltungskosten (Er- nährung, Wohnung, Heizung, Beleuchtung und Bekleidung) fUr Mittwoch, den 22. Oktober, ist nach den Feststellungen, des Statistischen Reichsamts gegenüber der Vorwoche unverändert geblieben. Sie beträgt das 1,23fache der Vorkriegszeit. Aue, 25. Okt. Durch die Ordnungspolizei wurde in ver gangener Nacht ein Mann von außerhalb festgenommen, der im Verdacht steht, einen Diebstahl ausgeführt zu haben. Zur Anzeige kam ein nächtlicher Ruhestörer, der die Straßenpassan ten belästigte. Aue, 25. Okt. Auf der Polizeiwache ist ein Notständer mit Futteral als gefunden abgegeben worden. Schneeberg, 25. Oktober. Kaufmann Otto Heyde be- ging gestern sein öOjähviges Jubiläum als Bürger unserer Stadt. Der Verband der Landwirtschaftlichen Genossenschaften im vormaligen Königreiche Sachsen, E. V., überreichte durch Gutsbesitzer Oskar Mehlhorn (Siegelgut - Oberschlema) eins Ehrenurkunde. Die Handelskammer zu Plauen übermittelte dem Jubilar gleichfalls eine Glückwunschadresse. Und der Stadtrat zu Schneeberg? Er übersah das immerhin seltene Jubiläum eines seiner Bürger, weil er jedenfalls zu viel an deres zu tun hat. Herr Heyde ist ja auch ein Kviegsveteran von 1870/71 und ein bürgerlich gesinnter Mann. Lauter, 25. Oktober. Vom 13. bis 18. Oktober fand im hiesigen Militärerholungsheim die vom Rüstzsitausschuß der Bezirksgruppe SchneÄ>evg des Pfarrvereins veranstaltete Rüstzeit für Pfarrer und Pfarrfrauen unter geistlicher Leitung des evangelischen Landesbischofs von Sachsen - D. theol. Ihmels statt. Derartige Rüstzeiten sollen dazu dienen, den Geistlichen, die sich für diese Tage zu einem Kreise innerer Gemeinschaft zusanEnschließen, Gelegenheit zur An- regung und Vertiefung und damit zu rechter Zurüstung für ihre schweren und verontworiungsreichen ^lufgaben zu bieten. Der Landesbischof behandelte in seinen Hauptvorträgen dis Das Rosenblatt. Herbstskizze von DH. vonRommel. „Die letzten Rosen sind immer die schönsten," sagte Frau Maria, liebevoll über das dichte Gvün ihrer hochstämmigen Lieblinge streichelnd. ,Lhre Farben sind tiefer, ihr Duft be- täuibender . . . Der reiche, schnellwelkende Sommerflor ist dahin Alle drei: die schöne Frau in dem fließenden dunklen Kreppgewand, das junge blonde Mädchen im holden Reiz seiner achtzehn Jahre, und der sonnengebräunte kräftige Sportsmann Klickten nach den Laubengängen, die bisher von gelbroten Schlingrosen überwuchert wie ein Mävchenhain, jetzt traurig welkendes Laub, vertrocknende Blüten trugen. Die letzte Regen- wochv hatte bös in, Garten gehäuft, die Beete verheert, bunte Stauden geknickt und einen leisen Hevbsthauch über das Laub gefacht. Nur von den hochstämmigen Rosen leuchtete es pur purn, weich, trostvoll verheißend. „Die ersten Mitten sind noch schöner als die letzten!" lachte das junge Mädchen: „Das mutzt du zugeben, Tante Maria! Uebechaupt: der süße, frische, überquöllende Sommevflor — trotzdem er so bald welkt — ist wie dos Leiben selber, fo heiß, so bunt! Mich stimmen diese letzten Rosen traurig. In ihrer Schönheit liegt es wie eine Angst vor dem Winter . O schau! Da ist noch eine, eine von den entzückenden Sommervoftn!" Sie griff in das rankende Grün, pflückte eine zelbrote Blüte und wollte sie sich in das Blondhaar nesteln. Doch ein Wind lachte sie aus, nahm singend die leuchtenden Dlättlein zum Spiel: sie tanzten und freuten sich ein Weilchen und sanken dann irgendwo ins Gras. Ein einziges, das größte runde, fein- forbigste, hatte sich mit seinem etwas zerfasertem Rand in -en lichten Locken verfangen und spottete des Lufthauches. Frau Maria betrachtete es träumenden Blickes: holdes feines Rosen- blatt! Sommevgruß — Jugendgrutz ... Langsam, ganz langsam, wanderten ihre dunklen Augen von dem Rosenblatt zu dem Mann, der lässig an der Laubs lehnte, dsm Golfftock sacht gegen die weißen Schuhe schlagend, voll Wohlbehagen die frische rosige Jugend vor sich in alle Sinne trinkend. Ein wunderbarer Duft zog von dem Purpur der Nosenstämme zu ihm hin. Er hob den Kopf. . . lächelte die schöne reift Frau, die so seltsam blickfrogte, etwas verlogen an. „Ja, die letzten Rosen! Herrlich!" murmelte er zerstreut. „Ihr Reiz lastet ordentlich schwer — voll Güte und Vollkom- menheit. Sonderbar, daß vor dem Welken jede Blume sich be müht, am süßesten zu duften!" Frau Maria ließ die Hand sinken und wandte sich ins Haus. Und hörte noch, wie die junge Nichte sagte: „Entzückend ist Tante, nicht wahr? So wunderschön! Zu schade, daß sie so alt ist. . . Nicht richtig alt, aber wissen Sie, sie ähnelt diesen letzten Rosen, so schwer von Duft und Farbe, weil der Winter kommt . . ." Sie sann ein bißchen. ,/Oder nein, wie ein pracht volles Seidenkleid, kostbar, herrlich ... nur von der Mode vom Jahr vorher . . ." Sie wiegte bedauernd das süße blonde Köpfchen, in dessen Kraushaar das leichte Rosenblatt des Sommers leuchtete, und fühlte sich stolz und froh ob ihrer Jugend und ihres neuesten modernsten Gewandes. Als sie einige Stunden später vom Golfspiel zurückkamen, stand Frau Mana wieder bei ihren Rosen. Sie hatte alle, olle Blüten abgeschnitten und hielt sie in der Hand wie ein Bündel blutroter Empfindungen. Und sie sah ruhig in das von innerer Erregung gerötete Gesichtchen der jungen Nichte und in die schuldvoll unruhige Miene des Mannes. „Sie begleiten Helga wohl nach Haufe, lieber Freund," sagte sie und ihre Stimme bebte nicht, aber sie war klanglos, spröde: „Nehmen Sie ihr die Rosen hier mit. Da ich morgen verreise, habe ich sie abgeschnitten, damit sie nicht welken, ohne jemanden zu erfreuen .. ." „Du reifest morgen schon, Tante Maria ?" „Maria —" stammelte der Mann leise, „ich — ich —" Frau Maria sah ihn an — mit der ganzen samtnen Güte, die an den tiefen Rosendust gemahnte. ,Zch reift, ja. Sagte ich Ihnen nicht, lieber Freund, datz ich — wenn der Herbst komme — weit, weit fort wolle, um das, was ich hinter mir lasse, erst in der Entfernung wicderzufinden? Sie wollten immer nicht an den Herbst glauben .. Aber nun —" sie nahm mit weichen Fingern von der aufgevauhten Wolle seiner Sport- weste das leuchtende zerfaserte Rosenblatt, an' dem noch ein blondes Kraushaar glänzte — „ist es Herbst geworden —" Wilhelm Dusch. Eine wahrhaftige Begebenheit. Von Otto Anthes. Eine Gesellschaft kunstbeflissener junger «Leute kam ' einer Wanderung in das Dörfchen Mechtshausen im Hann» verschen, wo Wilhelm Busch gestorben ist. Sie suchten de« Kirchhof auf und besahen mit Andacht die einfach würdig» Grabstätte des großen Humoristen, sprachen nachher auch den Pfarrer des Ortes, der, ein Neffe des Verstorbenen, sein« letzten Lebensjahre betreut hatte, und setzten dann, ganz er füllt von den süßen Schauern der Erinnerung an einen be deutsamen Toten, ihren Weg fort. Auf einer Höhe vor dem Dorfe trafen sie einen eisgrauen Schäfer. Sie ließen sich in ein Gespräch mit ihm ein, ein Wort gab das andere, und zu letzt fiel auch der Name Wilhelm Busch. „Ja", sagte der Schäfer in tiefen, schier grollenden Tönen und wiegte das greise Haupt — „der Mann ist uns zu früh genommen worden." Die jungen Leute überlief es beiß, daß das Andenken des schwermütigen Spötters selbst in diesem einfachen Manne so lebendig war. „Sie haben ihn lieb gehabt?" fragte einer. Der Schäfer hörte nicht. S»in Blick ging ins Weite, dorr hinüber, wo im Duft das Dörflein versank, und mit Grabes stimme sagte er: „Der Mann hätte uns länger erhalten blei« ven müssen." Eine ergriffene Stille trat ein. Dann wagte noch einmal einer das Wort: „Sie fühlten, daß er etwas Großes war?" Der Schäfer sah den Sprecher verständnislos an. Dann aber, bas Auge wieder fernhin gerichtet, nickte er ein paarmal und sagte: „Er war unser bester Steuerzahler, So eins» Vie« gen wir nicht wieder in» Dort,"