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Lr. 222. 21. September 1S24. Erzgebtrgischer Dolksfreund. «m»-»«,« Ueber dem Alltag. Man redet gern vom ,Laushalt der Natur*; man meint damit, daß Frau Statur fein-ordentlich zu wirtschaften vevstehe. Und tatsächlich verhält sich'« auch so. E« geht nichts verloren im großen Weltenvaume; in dem unaufhörlichen Berwandlungs- prozeß der Erde und der anderen Sterne hat olles, was da ist, ,feine Stelle, seine Bedeutung. Nicht ein einziger von den un gezählten Sonnenstrahlen verliert sich wirkungslos im Weltall; der leiseste Lufthauch webt mit an der Gottheit lebendigem Kleid; auch das Blatt, das vom herbstlich-bunten Baume fällt, welkt nur, um den Erdboden mit neuer Kraft zu speisen. Freilich im einzelnen können wir Menschenkinder es nicht immer nochvechnen, baß jedes Ding in der Welt einen Sinn hat, daß alles in einen großen Plan eingeordnet ist. Es wird viel wertvolles Gut vernichtet, ohne daß man einsehen könnte, za welchem Zwecke. In Friedrich Nietzsches Nachlaß findet sich das ergreifende Wort: „Mir ist, als ob die kostbarsten Weine Ed Salben ins Meer gegossen würden.* Wenn Hagelschlog den kSrnevschwersn Weizen trifft, wenn Ueberschwvmmung die lieblich« Landschaft in ein Trümmerfeld wandelt, wenn Erd beben die Grundfesten des Daseins erschüttert — dann ist auch -er Satz «m der „Erhaltung des Stoffes und der Kraft* nicht die letzte Lösung ernster Rätselfragen. Gewiß, naturwissen schaftlich, physikalisch und chemisch bleibt's unantastbare Wahr- Heft: es geht nichts verloren im Haushalt der Natur; auch die ^Zerstörung der herrlichsten Werte ist nur Umwandlung von Stoff und Kraft; und nmg ein ganzer Weltkörper zertrümmert welchen, verloren geht nichts, kein Stäubchen und kein Fünk chen. So sogt man und ist zufrieden, wenn man eine Formel hat, — aber was ist das für ein Haushalt, der mit solchen Mitteln arbeitet, der mit solchen Kräften zu rechnen vermag! Was ist das für ein Meister, der in seiner Welt-Werkstatt mit Hagelschlag und Ueberschwemmung und Erdbeben ebenso gut umgeht wie mit linder Frühlingsluft und segnender Sommer- sonne! Müssen nicht alle menschlichen Begriffe von Zweckmäßig- keit und Sparsam leit viel zu eng, zu klein erscheinen? Wahr lich: Ler Gott, der — nach bekanntem Bibelwort — Winde zu seinen Boten und Feuerflammen zu seinen Dienern macht, ist kein kleinlicher Rechner. Ein wenig sonderbar, aber durchaus richtig hat ein frommer Denker gesagt: „Gott handelt immer en gros.* Das ist's: Er, der wunderbare Er schafft im Großen. Ex ist Ler Künstler, Ler aus dem unerschöpflichen Born seiner Schöpferkraft die Fülle der Formen und Farben verschwen- derisch hervorgehen heißt. Das erfahren wir wieder greifbar in Liesen Tagen üppigen Reifens. Die Aeste brechen schier unter der Last Ler rotbackigen und goldgelben Früchte. Uniterm rotbraunen WeinLaub drängen die Trauben hervor — ein Bild quellender Fülle. Boller kräftig duftender Garben schwankt der Erntewagen ins Hoftor hinein. Fleißige Hände klauben den Kartoffelsegen in die Körbe. Wort« aus uralter Zeit kommen einem auf die Lippen: »Herr, dein« Gilt« reicht, soweit der Himmel ist, und deine Wichrheit, soweit die Wolken gehen. Wie teuer ist deine Güte, Sott, daß Menschenkinder unter dem Schatten deiner Flügel Zuflucht haben! Sie werden trunken von den reichen Gütern deine« Hauses, und du tränkest sie mit Wonne als mit einem Strom. Denn bei dir ist die Quelle des Lebens* Reicher Gott, in Ueberfluß schüttest du dein« Gaben auf diese Erde ... laß uns Menschen deinen Segen mit solcher Gesinnung verwalten, daß olle satt werden an deinem Tische! Truckenbrodt- Lößnitz. Staülvervr-netensttzung in Schneeberg am 18. September 1924. Neben einer Anzahl mehr oder minder wichtiger De- ratungsgegenstände war es besonders einer, der der gestrigen Sitzung das Gepräge gab. Nach tz 186 Abs. 2 der neuen Ge- meindeordnung kann Ler Bürgermeister einer Stadt (auch dann, wenn er auf Lebenszeit gewählt ist, wie das bei uns der Falt ist) abberufen werden, wenn die Mehrzahl der Gemeindeverord neten es wünscht. Diese Abberufung hat innerhalb sechs Monaten nach dem Inkrafttreten der neuen Gemeindeordnung, das ist bis 36. September, zu erfolgen. Die kommunistische Fraktion brachte in Ler gestrigen Sitzung den Antrag auf Ab berufung ein. Die Sozialdemokraten schlossen sich dem Antrag nicht an und brachten ihrerseits ein Mißtrauensvotum für den Bürgermeister ein. Die Bürgerlichen wiederum konnten sich weder dem Antrag der K. P. D. auf Abberufung, noch den, Mißtrauensvotum der S. P. D. anschließen; sie gaben die Er klärung ab, daß sie zur Zeit, vor allem bis zur endgültigen Klarstellung der eingeleiteten Untersuchungen und Verfahren, weder ein Vertrauens-, noch ein Mißtrauensvotum aussprechen könnten. Mit dieser Stellungnahme konnten sich weder die Kommunisten noch die Sozialdemokraten abfinden. Die Kom munisten glaubten mit Rücksicht auf die in verschiedenen städti schen Verwaltungen zutage getretenen Unstimmigkeiten (in Frage kommen Lie Girokasse und die Sparkasse), Gründe für die sofortige Abberufung des Bürgermeisters zu sehen. Sie wol len Las Ergebnis des auf Antrag der Bürgerlichen eingesetzten Untersuchungsausschusses und die eingeleiteten weiteren Maß nahmen nicht erst abwarten. Für sie kommt es darauf an, den Bürgermeister zu beseitigen? Ueber finanzielle Bedenken, daß dem abberufenen Bürgermeister dann das volle Gehalt bis zum 65. Lebensjahre zu zahlen ist, daß weiter bei der Ab berufung natürlich ein weiterer Bürgermeister zu besolden ist, setzten sie sich hinweg. Sowohl die Kommunisten als auch die Sozialdemokraten bringen allerlei Material "egen Dr. Kleeberg vor. Während erstere auf ihren bekannten Paradepferden her umreiten (Reichswehraktion, Polizeimannschaften usw.), richten sich die Angriffe der Sozialdemokraten in der Hauptsache auf die Vorgänge in der Girokasse, auf die Nichtbeachtung der Besol- dungsvorschriften. Sie beklagen sich darüber, daß der Bürger- meister nicht mit der augenblicklichen Mehrheit arbeite, ver gessen dabei aber ganz, daß sie durch die einseitige Auslegung der neuen Gemeindeordnung dafür gesorgt haben, die Mit- arbeit des Bürgermeisters auszuschalten. Wie Lie Kommunisten die Sache ausschlachten, erhellt aus den unwahren Aeuße- backmikmkck« Secktsauvs krostevloss pßotogr. LppsiAtv (Ic«, Lrasmsnn, üoerr, 2ei«, sowie «Smkl. Ssüsrfssrtßksl in tadelloser Sesckslkea keit vmpNeklt krler L ko. Hsvkf. lob.: Karl Sommer 1Ä.14 Kus I. e ergab. «leNN». rungen d«s Stadt». Richter, „die Nebengehälter de« Bürger-/ metster» seien größer als das eigentliche Gehalt.* Auch die! Behauptung der kommunistischen Redner, daß der Schaden, den! die Stadt infolge leichtfertiger Handhabung der Kreditgewäh-, runa in der Girokasse erleide, größer sei, wie das dem Bürger»^ meister zu zahlende Gehalt, ist natürlich phantastisch. Ueber» Haupt muß bei dieser Gelegenheit betont werden, daß die in der Stadt verbreiteten Gerüchte über die Vorgänge in der Girokasse weit übertrieben sinv. Es ist allerdings in einzel nen Fällen in der Gewährung von Krediten nicht gewissenhaft^ verfahren worden, ferner hat sicher in der Inflationszeit der Geschäftsbetrieb in der Girokasse zu wünschen übrig gelassen. Wie hoch der Schaden ist, kann jetzt noch nicht festgestellt wer den. Die Girokasse ist bis jetzt an zwei Konkursen beteiligt, im übrigen aber ist versucht worden, für die ausgeliehenen Gelder Sicherheiten zu beschaffen, was wohl auch gelungen ist. In der Girokassenangelegenheit ist bereits vor Wochen ein von der bürgerlichen Fraktion beantragter Untersuchungsausschuß ein gesetzt worben. Dieser war damit beschäftigt, einmal für die eingeräumten Kredite Sicherheiten zu beschaffen, und weiter ein Dienststrafverfahren gegen den verantwortlichen Kassen beamten einzuleiten. Gelegentlich der Besprechung dieser Dinge in der vorletzten nichtöffentlichen Stadtverordnetensitzung wur-k den dem Bürgermftr. wegen dieser Zustände Vorwürfe gemacht^ sodaß er sich gezwungen sah, gegen sich ein Dienststrafver», fahren bei der Kreishauptmannschaft zu beantragen. Die nach, mehrstündiger Aussprache erfolgende Abstimmung ergab Ab-' lehnung des kommunistischen Antrags und auch des sozial-" demokratischen Mißtrauensvotums. Ueber die Angelegenheit, betr. Girokasse wird an dieser Stelle nach Abschluß des Per- fahrens noch einiges zu sagen sein. Standen sich bei diesem. Punkte die Ansichten der K. P. D. und der S. P. D. gegen über, so war die Einigkeit beim nächsten Punkte wieder her-' gestellt. Die Kommunisten beantragten „das Arbeiterblatt*, (warum sagt man nicht richtiger das kommunistische Blatt) „Der Kämpfer" als behördliches Bekanntmachungsblatt zu bestim men. Die Bürgerlichen lehnten jedoch diesen Anttag, der debattelos zur Abstimmung kam, mit Stimmengleichheit — ein Abgeordneter der Linken fehlte — ab. Den Sozialdemokraten wird diese Abstimmung keine großen Schmerzen bereiten. Wenn man sieht, wie der Kämpfer täglich Kübel voll Schmutz über die , S. P. D. ausgießt, wenn man andererseits beobachtet, wie die« sozialistischen Zeitungen alle Hände voll zu tun haben, die! kommunistischen Angriffe abzuwehren und täglich viel kost»! baren Raum opfern müssen, um dem „Bruderblatt" zu! parieren, dann wundert man sich allerdings, wie die S. P. D.! Die ungleichen Sonnen. Originalroman von Leonore Pany. (Nachdruck verboten.) 1. „Papa, ich habe Hunger!* Mit einer Entschiedenheit, welche jeden Zweifel an der Echtheit ihrer Behauptung ausschloß, setzte sich das schlanke, blonde Mädchen auf eine abgebrochene pompejanische Säule und ließ die Beine herabbaumeln. Erschreckt wandte sich der Herr im grauen Reiseanzug nach ihr um. „Kind, Kind! Wie kann man bloß angesichts solcher Herr lichkeiten von Hunger sprechen! Wir sind übrigens ohnedies bald am Ende unserer Exkursion.* „Und ich bin bereits am Ende! Nein, Papa, ich geh« keinen Schritt weiter!" „Aber diese Venus dort.... diese göttliche Venus . .. .* „Würde, wenn sie lebte, dos richtige Verständnis für meine Schmerzen haben. Mir ist überhaupt schon ganz elend. Die Säulen drehen sich um mich ..." „Darf ich vielleicht helfend eingreifen?" Mit einer Verbeugung trat ein junger Mann, welcher dos Zwiegespräch aus der Ferne belauscht hatte, an das junge Mäd chen heran und hielt ihr eine Tüte mit Pralinen entgegen. Verlegen wehrte sie ab. „Mein Gott, ich kann doch nicht . . .* „Schnell, schnell, sonst verzehrt sie Lie glühend« Sonne, und der wollen wir sie lieber nicht gönnen, wie?" Lochend legte er die Tüte in Melantos Schoß. „Und nun gestatten Sie, Laß ich mich vorstelle: Hermann Stahl, Amtsrichter.* Eilfertig schoß Melantos Vater herzu. „Und ich bin Professor Helmdorf, Altertumsforscher. Das hungrige Mädel aber ist meine einzige Tochter Melanto." „Melanto — ein Name, um welchen die Bienen summen!" Der Professor hob sein Fernglas und stieß damit nach der Sonne. „Melantos Mutter war Griechin.* „Ja." Ganz knapp kam es von den Lippen Les jungen Mädchens, welches jetzt von seinem Ruhesitz herabsprang und mit -den schlanken, weißen Fingern die letzten Bonbons au« Ler Tüte angelte. Stahl blickte mit einem Ausdruck des Staunens von einem zum andern. Sin Gedankenstrich zog sich deutlich fühlbar zwischen Vater und Tochter. Offenbar war hier ein Gesprächs- thema berührt, welches man am besten nicht weiter ausspann. „Haben die Herrschaften schon viel von Pompeji gesehen?" wandte er sich an Helmdorf, welcher bedächtig sein Fernglas verschachtelte. „Mhezu alles. Morgen früh wollen wir fort. Und gerade jetzt, wo ich sozusagen meine Schlußbetrachtung anstelle, sinkt mir mein kleiner Reisegenosse zusammen. Ich kann Ihnen für Ihren Samaritevdienst nicht genug danken, Herr Doktor. Nicht wahr, Melanto, nun ld Lu oeltärLt wir können nach »in bißchen traben." Mit einem ergebenen Seufzer stimmte sie zu und alle drei fetzten sich in Bewegung. „Melanto ist in Altertümern schon ganz sattelfest," fuhr der Professor redselig fort. „Seit zehn Jahren reifen wir zu sammen, und meine liebe Sekretärin nimmt meine Diktate in ihr Maschinchen." „Sie haben wohl gar keine ständige Wohnung?" „Doch. Im Winter wohnen wir in Berlin. Dort halte ich dann Vorträge. Ich selbst besitze eine Altertumssammlung, welche sehenswert ist. Besuchen Sie uns doch mal! Doktor Stahl wird uns jederzeit ein lieber Gast sein, nicht wahr, Melanto?" Sie nickte ernsthaft. - „Und ich finde dann wenigstens Gelegenheit, die kostbaren Bonbons mit einer bescheidenen Tasse Tee zu quittieren." „Aber ich bitte Sie, gnädiges Fräulein, ein so selbstver ständlicher Ritterdienst . . ." „Hat Wunder gewirkt! Dor zehn Minuten hätte ich nicht mehr weiter gekonnt. Mein Gehirn war bereits so stumpf wie die Säule, auf der ich saß." „Ach, diese Säulen . . ." Begeistert fuhr sich Helmdorf durch Len ergrauten Bart. „Wollen wir nun diese Venus näher betrachten? Sie ist bemalt, eine Geschmacklosigkeit, welche ich den ansonst hoch schätzbaren Pompejanern nicht verzeihen kann." Melanto hatte Lei: Hut abgenommen und schlang mit einer scherzhaften Gebärde die Arme um die Statue. „Haben wir nicht fast Las gleiche Blond?" fragte sie. Stahl bejahte lebhaft. „Gewiß, warum sollen Schwestern einander nicht ähnlich sein?" ,D, Sie sind galant! Ich liebe dies« Göttin um der Ver heißung willen, welche auf ihren Lippen schwebt, und schätze an Ler Kunst das Loben, das sie verhüllt. Ob eine Säule aus dem fünften oder sechsten Jahrhundert vor Ehristi stammt, läßt mich ziemlich gleichgültig. Diejenigen aber, welche zwischen die- sen Säulen wandelten, sind mir wert. Verstünde ich es nicht, ihre Geschichte zu lesen, wäre mir di« Wissenschaft ein« tote Last." Der Professor zwinkerte. „Echt weibliche Auffassung, wie? Aber Melauto versteht es wenigstens, diese Schwäche würdig einzukleiden. Und sie kann auch tiefernst sein, wenn es nötig ist. Interessieren Sie sich für Altertümer, Herr Doktor?" Dieser schüttelte lachend Len Kopf. „Meine Unkenntnis in derlei Dingen bildet eine so große Lücke, daß die Thermen des Diokletian bequem darin Platz fänden." „Waren Sie schon in Rom?" „Ich komme von dort. Leider ist mein Urlaub äußerst knapp bemessen. In den acht,Tagen meines Aufenthaltes wird mir wohl viel Wissenswertes "entschlüpft fein.' „Vieles? Alles, wollen Sie sagen . . ." „Aber Papa ..." „Melanto, du weißt, wie ich über Liesen Punkt denke! Wenn man sich in Rom satt gesehen hat, dann soll man erst zu schauen anfangen. Begreifen Sie Doktor? Der eine staht Rom in dyr Peter-kirch«, der andere im Forum romanum, «in dritter im heiligen Vater, dem Papst. Das ist Laienart. Edv Lai« gehört überhaupt nicht nach Rom." Der Amtsrichter lächelte. „Das ist allerdings ein niederschmetterndes Urteil, welches Sie da fällen! Wären wir uns schon in Rom begegnet, dann hätte ich Sie gebeten, bei mir armem Sterblichen den Blinden führer zu machen. Nun ist es leider zu spät. Wollen wir wei- tergehcn?" Sie nahmen Abschied von der blaugekleideten Venus, deren goldenes Halsband in der Mittagssonne funkelte, wanderten auf dem aus polygonalen Lavablöcken gebildeten Pflaster an den Kaufläden und Gastwirtschaften vorüber, bewunderten das Peristyl eines Privathauses und ergötzten sich an den Wand malereien, in denen es von geflügelten Eroten wimmelte. Der Mosaikboden enthielt eine Warnung an den fremden Besucher: Lave canem! meldeten die bunten Steinchen. Hüte dich vor dem Hunde! Der Professor schwur sofort auf einen Doppelsinn. „Bei diesen temperamentvollen Menschen, denen der Dolch so locker in der Tasche saß wie dem Skorpion der Stachel, kein übler Willkomm," meinte er. „Besonders in Len unteren Volks schichten wurde, wie bei allen Südländern, der besondere Saft, Blut genannt, gerne verzapft. Melanto, mein Kind, weißt du noch, in welcher Mundart sich die niederen Klassen unterhiel ten?" „In der oskischen." Der Professor strahlte. / „Sie sehen, das Mädel ist orientiert. Hier haben wir übvl- gens «ine lateinische Inschrift vor uns, das Geständnis eines Liebhabers: Amans annnus meus — mein Herz ist voll Liebe! Ja, ja — immer und überall dieselbe Geschichte!" Stahl warf einen bedeutsamen Blick auf Melanto. „Hier haben wir die große Brücke, welche von einer Nation zur andern führt, nicht wahr, gnädiges Fräulein?" „Allerdings. Wenn es nach mir ginge, dann müßten in der Liebe die Menschen überhaupt nur eine einzige gemein sam« Sprache reden." HelmLorf räusperte sich. „Kind, Kind, du bist heute wieder einmal entsetzlich weib- lich. Aber das macht wohl deine Müdigkeit. Treten wir also in Gottesnamen an die Prosa des Lobens heran!" — Eine halbe Stunde später saß man zu dreien auf der Ter- rasse eines neapolitanischen Gasthauses und genoß zugleich mit dem nach deutschem Muster zubereiteten Mahl« die herrliche Fernsicht auf das Meer und den Vesuv. Gin ganz leichtes" Rauchwölkchen, die allerbeste Laune verratend, stieg aus Lem Riesenkrater kerzengerade in di« Höhe, blau und licht spielten die Wogen der See mit den unsichtbaren Göttern des Wassers., (Fortsetzung folgt.) „Dec Vc?o/?/gukkg ?r/wc/" von 27e/?/fs !