Suche löschen...
Erzgebirgischer Volksfreund : 19.09.1924
- Erscheinungsdatum
- 1924-09-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1735709689-192409195
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1735709689-19240919
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1735709689-19240919
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Erzgebirgischer Volksfreund
-
Jahr
1924
-
Monat
1924-09
- Tag 1924-09-19
-
Monat
1924-09
-
Jahr
1924
- Titel
- Erzgebirgischer Volksfreund : 19.09.1924
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
* Der Arbeitsmarkt. In den verschiedensten Industrie- und Berufszweigen machte sich eine regere Nachfrage nach Ar- »ektskräften bemerkbar. Insbesondere kam es in der Textil-, Süßwaren, und Zigarettenindustrie, im Kürschnergewerbe und n der Wäschebranche sowie im Baugewerbe zu zahlreichen Neu- cinstellungen. Aber auch die Lederindustrie zeigte Bedarf an Arbeitskräften, und zwar insbesondere an Sattlern, Tapezie rern und Klubmöbelarbeitern. Ms aufnahmefähig erwiesen sich meiter^die chemische, die Kartonnagen- und die Luxuspapierin- dm'triL. während die Beschäktiaunasmöalichkeiten im Buchbin« Aufstand in Brasilien. Buenos Aires, 17. September. Brasilianische Aufständische bemächtigten sich Guayaras am oberen Paranaflusse im südlichen Brasilien, wobei sie alle Bundestruppentöteten öden gefangen nahmen, mit Ausnahme des Kommandanten und 14 Soldaten, denen es gelang, auf argentinisches Gebiet zu ent nommen. Flüchtlinge berichten, daß der westliche Teil des Staates, Parana, sich unter der Herrschaft der Aufständischen befindet. bergewerbe und in der Briefumschlagbranche noch zu wünschen übrig ließen. Lebhafter gestaltete sich auch die Nachfrage noch Fabrikschuhnrachern. Für Herren- und Damenschneider boten sich dagegen noch immer wenig Arbeitsgelegenheiten. Hausan gestellte, insbesondere solche mit langjährigen, guten Zeugnissen blieben gesucht, für die Angestellten im Gast» und Schankwirts« gewerbe hat sich die Lage verschlechtert. Unterbringungsmöglich, reiten in nennenswertem Umfange bestanden auch für landwirt schaftliche Arbeitskräfte und für Ungelernte in jüngeren Lebens jahren. Uneinheitlich war die Lage im Holzgewerbe. In man chen Bezirken war der Geschäftsgang als gut anzusprechen, in anderen Bezirken konnten die Arbeiter trotz längst beendeter Aussperrung wegen Mangel an Aufträgen noch immer nicht sämtlich wieder eingestellt werden. Ungünstig blieben die Ver hältnisse in der Metallindustrie. Wohl erfolgen auch hier Ein- stellungen von Arbeitskräften, doch vermögen diese die Gesamr- lage nicht wesentlich zu beeinflussen. : * Die Ernte im oberen Erzgebirge bietet ein erschütterndes Bild. Während schon im Juli durch das große Unwetter ein großer Teil vernichtet wurde, haben die spärlichen Reste nun mehr auch noch unter dem Regen stark gelitten. Teilweise sind die Aehren schwarz und taub, zum Teile treibt das Getreide bereits an der Aehre neue Keime. , * Der Sächsische Gemeindebeamtenbund, in dem über 24 000 der sächsischen Gemeindebeamten, Anwärter und dauernd Angestellten organisiert sind, hält seine diesjährige Hauptver sammlung am 20. und 21. September in Annaberg ab. * Vom Erzgebirgsverein. Das im SeptemberOktober-Heft« des „Glückauf" veröffentlicht« Bestandsverzeichnis des Erzge- birgsvereins weist 132 Zweigvereine mit insgesamt 27 474 Mit gliedern auf, das sind gegen das Vorjahr 2300 Mitglieder mehr) doch dürfte die Zunahme eine noch höhere sein, da in verschiede nen Zweigvereinen Lie Mitgliederzahl inzwischen weiter ge stiegen ist. Im Jahre 1914 betrug dieselbe 18 600, war aber infolge des Weltkrieges auf 12 900 im Jahre 1918 zurückge gangen; vom nächsten Jahre ab trat eine erfreuliche Aufwärts bewegung ein, die bis jetzt anhält und den Beweis liefert, daß die Liebe zur Heimat und Natur an Ausbreitung gewinnt. Die stärksten Zweigvereine sind Chemnitz (2900), Leipzig (1216), Zwickau und Äue (820), Olbernhau (760), Freiberg (700), Dres den (555), Auerbach i. V. (517), Stollberg und Glauchau (475), Bärenstein (450), Flöha (425), Schwarzenberg (420), Lugau (415); die Zweigvereine unserer nächsten Umgegend haben sol-s gende Mitgliederzahlen angegeben: Albernau 126, Antonsthal 67, Beierfeld 207, Bockau 170, Breitenbrunn 110, Eibenstock 200, Hartenstein 150, Hundshübel 27, Johanngeorgenstadt 90, > Kirchberg 291, Langenbach 90, Lauter 175, Lößnitz 50 (I), Neu- stüdtel 280, Niederschlema 128, Oberschlema 110, Raschauer! Grund 120, Rittersgrün 120, Schneeberg 349, Sosa 52, Spiegel wald 219, Wildenfels 80, Zschorlau 85. Zweigvereine bestehen! außerhalb des Erzgebirges noch in Plauen (355), Klingenthal (30), Berlin (60), Dahlen (87), Hainichen (110), Roßwein (24), Penig (230), Wurzen (90), Meerane (295) u. a. Orten. Die auf, der vorjährigen Hauptversammlung in Auerbach beschlossen«' Einteilung in 7 Gruppen nach Flußgebieten mit den Haupt- orten Auerbach (Westen), Aue (Schwarzwasser), Stollberg! (Zwönitz und Würschnitz), Bärenstein (obere Zschopau), Olbern- hau (Preßnitz und Flöha), Flöha (untere Flöha und Zschopau), Freiberg (Osten) ist nunmehr erfolgt; jede Gruppe wählt ein Ausschußmitglied in den Gesanrtvorstand. Infolge der Geldver- hältnisse des Jahres 1923 läßt sich eine geordnete Iahresrech- nung diesmal nicht aufstellen. Die bei Beginn des laufenden Jahres vorhandenen Vermögenswerte waren folgende: 161261 Mr. Wert des Fichtelberghauses, 85 619 Mk. Wert des Auers- berghauses, 1799 Mk. Wert der Bücherei usw. Das neue Glück auf-Heft steht in feiner gediegenen Ausstattung den vorher er- schienenen Nummern nicht nach; es ist zumeist dem östlichen Erzgebirge in Wort und Bild gewidmet. Die Mitglieder des Erzgebirgesvereins werden es gewiß mit Freuden begrüßen, daß die Vereinszeitschrist im nächsten Jahre bei einer Mehr leistung von nur 30 Pfg. wieder allmonatlich erscheinen soll. * Sensen nicht unverwahrt tragen! In letzter Zeit haben sich die Unfälle gehäuft, die durch das Tragen unverwahrter Sensen herbeigeführt worden sind. Es wird deshalb darauf hin- gewiesen, daß das Tragen von Sensen ohne genügende Schutz vorrichtung auf öffentlichen Straßen und sonstigen Wegen ver boten und daher strafbar ist. Aue, 18. Sept. Zwei Arbeiter aus Schneeberg kamen zu«' Anzeige, weil sie Hausierhandel ohne Erlaubnis getrieben haben. Aue, 18. September. Zu dem heute beginnenden Wünschol- ruten-Kongreß ist von ausländischen Quellenfuchern auch Frl/ Thusnelda Stein aus Haag in Holland hier eingetroffen. Auf der Durchreise durch Deutschland bekam sie zufällig durch eine Zeitungsnotiz Nachricht von einem Erfolge. Wie die Lippische Tages-Zeitung in Detmold vom 16. September schreibt, hatte Frl. Stein im Mai d. I. auf dem Gut Gravenhörstvl bei Rheins in einer sehr wasserarmen Gegend, wo nur ungenießbares Wasser aufgeschlossen war, Quollen gesucht und einen bestimm ten Punkt mit der Angabe bezeichnet, daß hier in 16 Metes Tiefe gutes Trinkwasser zu erbohren sein würde. Die Seichs Angabe machte einige Zeit später auch der Rutengänger John Mühlbach aus Hannover. Daraufhin wurde gebohrt und tat sächlich, wie die Lippische Tageszeitung berichtet, in der im Vor aus angegebenen Tiefe einwandfreies Trinkwasser erbohrtz Frl. Stein wird sich auch an den hiesigen praktischen Versuchen unter Leitung von geologischen und bergmännischen Sachver ständigen beteiligen. Schneeberg, 18. Sept. Sonnabend, den 20. d. M., findet in ganz Deutschland ein Kinderdankfest für das amerikabisch- deu'tsche Kinderspeisungswerk statt. Seit 4)4 Jahren wirb die ses Hilfswerk durchgeftihrt. Insgesamt sind bis -um 1. Juli 1924 540 000 000 Mahlzeiten verabreicht worden, deren Wert sich auf rund "69 Millionen Goldmark beläuft. Zur Herstel lung der 540 Millionen Mahlzeiten wurden ungefähr 9ö 000 Tonnen verschiedener Lebensmittel benötigt, die einen Siaum von etwa 9500 Eiseenbahnwaggons in Anspruch nehmen mür ben. Für die Speisungszwecke hat Amerika bisher 52,9 Mil lionen Goldmark und Deutschland 21,4 Millionen Goldmark aufgebracht. Während des Höhepunktes des Hilfswerkei», im Mai und Juni 1924, wurden täglich eine Million MahlMten verabfolgt. Auch für unsere Stadt sind die Zuweisungen der Auslandshilfe von großer Bedeutung gewesen, haben wit doch z. B. von Januar 1924 bis Ende Juni allein 33 000 Partonen ausgeben können. Nachdem aber auch die Sammlung des Allan-Comitees abgeschlossen und damit die Hauptquelln des großen Liebeswerkes zunächst verstecht ist, nGern wir unr? dem Zeitpunkt, wo auch die Kinderspeisung mehr und mehr uus eigenen deutschen Mitteln finanziert werben muß. Es muß uns gelingen, im kommenden Winter, sei es auch im begvenz- en Ausmaße, das Hilfswerk fortzusetzen. Die Zuweisungen der Zentralstellen werden knapp sein, es liegt an uns, Kotz- alledem die nötige Portionszahl täglich sicher zu stellen. E« soll deshalb anläßlich der GAenkfeier am SWyabM, -gz SLj Warschau, 17. September. Im ostgaltzischen Pelroleumge- biet ist der General st.r e i k ausgebrochen, weil die Indu- striollen die Löhne um 30 Prozent kürzen wollten. Warschau, 17. September. Die Polizei deckte unter den staatlichen Eisenbahnangestellten eine kommunistische Zentrolpropagandastelle auf und nahm zahlreiche Verhaftungen vor. Es wurde umfangreiches Material zutage gefördert, so daß noch mit zahlreichen Verhaftungen zu rech nen ist. Madrid, 17. Sept. Der Vizepräsident des Direktoriums erklärte, dieLageinMarokko habe sich gebessert. „Die Berliner Bestie«. Folgende Geschichte weiß der „Friderieus" zu berichten: Gin« Schriftstellerin, dir schon öfter bei Ullstein verlegt hat, bietet dort einen nationalen, antifranzösischen Roman an. Antwort: „Wo denken Sie hin, wir sind international!" Das ist Ullstein^Parole! In diesem Sinne macht Bernhard in der „Voß" Franzosenschmus, verlegt Ullstein als „Avkadia-Verlag" die Hugo-Hirsch-Musik aus der Revue James Kleins, der sich mit Original-Ausstattung und Darstellern der Pariser und Londoner Revuebühnen brüstet. Ullstein macht alles! Er bringt z. D., ohne zu erröten, in seiner „Berliner Illustrierten Zei tung" bas Bild des ,/amerikanischen Film^Sroßindustriellen Carl Laemmle", ohne seinen Lesern zu verraten, daß dieser Filmjude von Henry Ford in seinem Buche: „Der internatio nale Jude", Seite 331, also abgemalt wurde: „Nur noch ein Fall. Jeder erinnert sich des scheußlichen Films zur Kriegs propaganda „Die Berliner Bestie". Sein Hersteller war ein deutscher Jude, Carl Laemmle. Seine deutsche Geburt hinderte ihn nicht, Geld aus dem Film zu schlagen, und sein Film hinderte ihn nicht, jährlich sein Geburtsland zu besuchen." — In der Tat: Dieser Carl Laemmle hat «ine seltene Entwicklung. Seiner Vaterstadt Laupheim in Württemberg stiftete er, wie die „Deutsche Fackel" schon vor zwei Jahren nachwies, 100 000 Mark, wonach diese edle Stadt die Wiirde aufbvachte, Hrn. Laemmle -um Ehrenbürger von Laupheim zu machen. Dafür angelte sich Hr. Laemmle den aus der österreichischen Armee ausgewiesenen Oberleutnant, späteren Fliegentüten-Verkäufer Nordenwold von Stroheim, um ihn in antideutschen Hetzfilms die Rolle des preußischen Offiziers spielen zu lassen, der in widerlichster Weise als Kindesmörder, Frauenschänder und Plünderer durch den Krieg torkelt. Laemmle und Stroheim sind an ihren Schurkenstreichen schwer reich geworden. In Ber lin aber hat man das alles längst vergessen. Gin Stroheim- Film durfte inzwischen fast unwidersprochen in Berliner Kinos laufen, und der Ullstein-Photograph knipst vergnügt Hrn. Laemmle, den Dompteur der „Berliner Bestie", in einem Bade ort, ohne ahnen zu wollen, warum sich wohl der auf dem selben Bilde erscheinende amerikanische Diplomat MaeAdoo mit erhobener Hand dagegen wehrt, mit diesem Edelknaben auf sine Platte zu kommen. Ullstein weiß nichts von solcher Reinlichkeit, Ullstein ist — international! OerMche Angelegenheiten. Unsere Alten! Kaffeehaus. — Hochbetrieb. — Schieber mit Sovgenfalten im Genick. Shimmygents, Portokassenrendanten. Reiseonkels. Dazwischen die „Damen" und Dämchen der Gesellschaft. Buben- köpfchen, Henny Porten-Scheitel. — Die Füßchen in Seide und Lack, natürlich! Zwischen den gefärbten Lippen die unvermeid liche Zigarette, noch natürlicher! Um sie herum Wolken von Khasana und Mystikum. — Augengeplänksl. Schlagermusik und Tassengeklirr. Lachen und Scherze. — Die Tür geht auf: ein alter, weißhaariger Herr schiebt sich herein. Sein Anzug ist von vergangener Mode, doch nicht ärmlich. Der Rentier der Vor kriegszeit! Er hat eine Mappe unter dem Arin, der er Zeitun gen entnimmt, die er von Tisch zu Tisch anbietet. — Von meinem Nachbarn erfahre ich, daß er Hausbesitzer war und sorg los seine Tage verbrachte, bis die Jnflationswelle auch ihn überflutete. Hotelküche. Weißgekleidete Köche. Adrette Mägde. Flinke Küchenjungen. Duft von Braten, Gemüse, Gewürz. Tellergeklapper. Gläsergeklirr. Ermunternde und scheltende Stimmen. Alles eingehüllt von leichten Dampfwolken, die den brodelnden Töpfen entsteigen. — Nebenan im Spülraum ertönt das Geschwätz der klatschenden Abwaschfrau. Nur eine ist nicht beteiligt. Abseits, merklich gesondert von den anderem Ein kleines, schmächtiges Frauchen. Dom Alter gebeugt, das Haar gebleicht, das Antlitz gefurcht. Mechanisch verrichtet sie ihre Arbeit. Müde. Stille. Verhärmt! — Ihr Sohn studiert, er kostet noch Geld. Ein Haus, Las sie noch ihr Eigen nennt, bringt das nicht ein. Nicht einmal eine Wohnung ist ihr drin vergönnt. In einer Notwohnmrg muß sie sich mit dem Sohn einschränken, während die guten Möbel aus sorgenfreier Zeit auf einem Speicher verkümmern. Volksthoater. Operette, wo sonst Varietee das Vor- stadtpublikum begeistert. Hinten im Parkett, dicht neben dem Eingang, ein junger Mann aus dem Kaufmannsstande, Lem die Theaterbegeisterung auf dem Gesicht geschrieben steht, und ein graubärtiger Türschließer. — Es ist ausverkauft. Gerade wird ein Tanzterzett lebhaft applaudiert. — „Es spielt sich doch ganz anders, wenn das Haus voll ist," meint da Ler alte Tür- chließer zu seinem jungen Nachbarn. Beide kannten sich bereits vom Sehen, war der junge Kaufmann Loch allsonntags Stamm gast des Theaters. „Freilich", erwidert« er dem Alten, „ein volles Haus gibt den Künstlern oben die nötige Stimmung." —« „Früher saß ich selbst dort vorn mit im Orchester und blies das Zorn, aber heute geht's nicht mehr!" Wehmütig streckt er dem Jungen seine zitternden Hände hin. „Auch di« Zähne fehlen. Netvenlähmung. Ein« böse Geschichte. Hätte nie gedacht, daß ich hier nochmal werde Programme verkaufen müssen, und doch muß ich froh sein, daß ich wenigstens den Posten bekommen Habel" — Arme Alte! Arme, mitleidlose, erbärmliche Zeit! — Armselige Jugend! Wehe dir, wenn du nicht helfen kannst! Wird dir nicht in deinem Freudentaumel bange vor deinem igenen Alter? Kannst du leichtfertig genießen, wo eine ver- gangene Generation neben dir im Glend umkommt!? — Der- eßt nie, ihr Jungen, daß sie es waren, die eure Existenz auf- >auten und denkt in euren Genüssen stets an unsere Alten! W. L. Berlin, 17. Sept. Der deutsch« Botschafter in Paris, von Hoesch ist gestern in Berlin eingetroffen. Sein Aufenthalt in der Reichshauptstadt ist, wie die Berliner Blätter hören, „rein privater Natur" (?). Er werde spätestens Ende dieser Woche Mieder nach Paris zurückkehren. Berlin, 17. September. In der Bezirksversammlung des Bezirkes Kreuzberg kam es zu einem Wortwechsel zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten, der sich zu einem Hand- gemenge steigerte, in dessen Verlauf ein kommunistischer Abgeordneter blutig geschlagen wurde. Der Vorsitzende schloß die Versammlung. München, 17. September. Am 16. September wurden auf Grund gerichtlicher Anordnung bei einer Reihe von Mitgliedern der Organisation Frontring wegen Verdachtes der Fortsetzung verbotener Organisationen Durchsuchungen von -er Po lizei vorgenommon. Das Ergebnis der Durchsuchung führte zur Festnahme von 6 Personen, von denen eine alsbald wieder auf freien Fuß gesetzt wurde. Die übrigen Festgenommenen (Ober- leutnant Brückner, Leutnant Oßwald, Dr. Meidtng, Oberleut nant von Prosch, Hauptmann Kraußer) werden zunächst in Haft behalten. Wie verschiedene Blätter melden, handelt es sich um eine Aktion zur Erzwingung der Freilassung Hitlers. Wien, 17. September. In einer Sitzung der Betriebsräte und Obmänner wurde der Antrag der Streikkommission, den Vereinbarungen der beiderseitigen Parteien die Genehmigung zu erteilen, angenommen. Damit ist der Metallarbeiter streik nach etnwöchiger Dauer beendet. Graz, 17. Sept. Bei einer Versammlung der radikalen Partei in Laiee (Bosnien), an der 6000 Personen teilnahmen, kam es zu blutigen Zusammenstößen mit Mohammedanern. Es gab sieben Tote und zchn Verwundete. Bern, 17. Sept. Von maßgebender Seite wird die Zei- tungsmeldung, daß die Witwe des bei dein Cisenbah nnmlück von Delinzona ums Leben gekommenen K es: fcr i ch otm den Bundesbahnen eine Entschädigung von 7 Millionen OMmsrk sslanM« M « »richtig bezeichnet, ' Diktaturbestrebungen in Portugal. Paris, 17. September. Das „Journal" meldet aus Lissa bon:: In Coimbra ist der Versuch der Ausrufung einer Militärdiktatur, die die Restaurierung der Monarchie vorbereiten sollte, gescheitert. In Oporto hat sich ein« Offiziers- liga gebildet, die offen die Errichtung der Diktatur in Portugal fordert, um die wirtschaftlichen Verhältnisse des Landes zu sanieren. Truppenlandungen in Korea. London, 17. September. Die „Times" melden aus Söul: Die Japaner landen seit Montag TruppeninKorea. Die Bahnlinien nach der Mandschurei sind für Privattransporte gesperrt. Man scheint vor lleborraschungen in der chinesischen Frage zu stehen. London, 17. September. Die Reuter-Agentur meldet aus Schanghai: Die Wendung im derSchlacht bei Schanghai zugunsten der Pekinger Negierung wird in den hier vorliegen den Berichten bestätigt. Die Schlacht umfaßt eine Frontlänge von fast 120 Kilometer. Deutscher Äolonialkongretz. Berlin, 17. September. Unter Beteiligung von rund 1000 Delegierten aus dem Reich und auch aus den abgetretenen Ge- bieten wurde am Mittwoch der Deutsche Kolonialkongretz durch dm Protektor der Bewegung, dm bekannten Afrikaforscher Herzog Adolf Friedrich zu Mecklenburg eröffnet. In somer Ansprache wies er darauf hin, daß auch heute noch in wetten Kreisen nicht die volle Erkenntnis dafür vorhanden sei, was der Verlust der lebenspendenden Kolonien für ein In dustrieland wie Deutschland zu bedeuten habe. Allerdings habe die furchtbare Not und die wirtschaftliche Bedrängnis Ler letz ten Jahre das Ihrige dazu beigetragen, den Kolonialgedanken in Deutschland wieder zu erwecken und durch dm Zusammen schluß aller Kolonialfreunde sei ein« Macht entstanden, die heute nicht mehr unterschätzt werden dürfe. Deutschland müsse Mr Erhaltung seiner selbst den Kampf um dk» Wiedererlan gung seiner ehe maligen Gebiete in fernen Ländern aufnehmen. Der Redner schloß seine mit großem Defiall auf genommenen Ausführungen mit den Worten: „Die alte Flagge muß wieder wehen über dem alten Grund." Der Präsident des Kongresses, Geheimrat Dr. Seitz, seHe die Gründe für die Einberufung des deutschen Kolonialkongresses auseinander. Wir stehen heute, so erklärte der Redner, mitten im Kampf um die nationale Wevtbeständigkeit, um di« Entschewung, ob unser Vaterland bis in all« Zukunft Objekt der Ausbeutung, ob es Kolonialland im wahrsten Sinne des Wortes sein soll. Wenn wir aber die Erneuerung eines freien souveränen Deutscher: Reiches erstreben, dann spielt in diesem Kampfe der Kolo nialbesitz eine Hauptrolle. Deutschland will und muß leben. Es ist zu klein für ein 60-Millionvn-Volk, es muß zu seiner wirtschaftlichen Ausdehnung und Gesundung Aus- vreitungsmöglichkeiten haben. Gouverneur-. D. Dr. Schnee sprach über Mandats politik. Der Redner schilderte noch einmal in großen Zügen, wie nach dem Ende des Weltkrieges der Streit um die deutschen Kolonien begonnen und wie besonders in jener geheimen Sitzung des Rates der Zehn die Vertreter der englischen Domi- nions einfach für Einverleibung der von jedem Lande besetzten deutschen Kolonialteile plädierten, wie aber Präsident Wilson Lies« Art der Beuteteilung bekämpft und sich für die Mandats- Verwaltung der ehemaligen deutschen Kolonien eingesetzt habe. Die MarLatspolitik sei an sich nicht eine Erfindung des ver storbenen amerikanischen Präsidenten, sondern des Burengene, rals Smuts, der das Mandatssystem auf die türkischen Be sitzungen, die vom ottomanischen Reich abgetrennt werden soll ten, angewendet wissen wollte. An der Hand eingehenden Materials wies der Redner nach, Laß auch die unter deutscher Verwaltung auf einen hohen Stand gebrachte Seuchenbekämp fung Südafrikas jetzt ganz vernachlässigt werde, daß in den unter französischem Kommando gestellten Kolonien entgegen allen Bindungen und Versprechungen -ie Militarisierung mit Zwangsaushebung und die Verwendung der angeworbenen ein geborenen Soldaten außerhalb der Mandatsgebiete stattfinde. Es müsse vor allen Dingen eine Handhabung der Mandats- .politik im Geiste der Völkerbundssatzungen gefordert werden.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)