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Die Deulschlan-fahrt -es neuen IeppeNnkreuzers. Die große Probefahrt des ,L. R. 3" nahm bisher einen llußevst günstigen Verlauf, die zeitweise mit überraschender Ge schwindigkeit vor sich ging. Donnerstag 11,48 Uhr bam ,L. R. 3" !n Heidelberg in Sicht. Die Bevölkerung war von der be vorstehenden Ankunft benachrichtigt worden, und so ruhte schon eine halbe Stunde vor der wahrscheinlichen Ankunft fast der ganze Verdchr und die Arbeiten in der Stadt. Auf den Dächern und in den Straßen standen viele Tausende, die bas Luftschiff auf bas lebhafteste begrüßten. In 260 Meter Höhe überflog „Z. R. 3* die Stadt. Das Wetter war günstig. Das Luftschiff nahm nordwestlichen Kurs auf Frankfurt a. M. Schon von Pforzheim aus hatte der Führer um 11,20 Uhr sich mit Heidelberg und Frankfurt fandentelegraphisch in Verbin dung gesetzt. 1,20 Uhr überflog der ,L. R. 3" Marburgan der Lahn, aus der Richtung Frankfurt—Gießen kommend, in größerer Höhe. Die Fernsicht war dort ausgezeichnet. JnFrankfurtwardas Luftschiff mittags vom Bürger meister Dr. Vogt mit folgendem Funkspruch begrüßt worden: „Möge das stolze Werk deutschen Geistes und deutscher Arbeit Euch in glücklicher Fahrt über Länder und Meere tragen als Symbol unseres kraftvollen aufwärtsstvebenden friedfertigen Volkes." Der Zeppelin warf über Frankfurt einen Fallschirm mit Post ab, bestellend aus einer großen Anzahl Ansichtskarten des Luftschiffes. In einem Schreiben wurde ersucht, den Fall- schirm nach Friedrichshafen zu schicken. In Kassel waren zur Begrüßung des Luftschiffes zwei Dietrich-Gobiert-Flugzeuge aufgestivgen, die bas Luftschiff während seiner Fahrt über Kassel breiteten. Um 1,48 Uhr tauchte „Z. R. 3" kn nächster Nähe von Kassel auf und blieb 15 Minuten über der Stadt und über Wilhelmshöhe und dem Fuldatal, wo er in sehr geringer Höhe glänzende Schleifen fuhr. Das Luftschiff fuhr mit einer außer- ordentlich bemerkenswerten Schnelligkeit, die schätzungsweise 120 dis 130 Kilometer betrug. Das Inter» esse der Bevölkerung in Kassel war überraschenderweise nicht vtlzu groß, wenn auch einige besonders an der Fahrt inter- essierte Person«» die Kirchtürme bestiegen hatten und von dort aus mit roten Fahnen dem Luftschiff zuwinkten. Um 2,10 Uhr verließ ,L. R. 3" die Stadt in der Richtung auf Hanno- verisch-Münden. Hier traf der Luftkreuzer nach einer Flugzeit von wenigen Minuten ein, lebhaft begrüßt von der Bevölkerung, di« die Waldhöhen und Aussichtstürme in der Umgebung des Städtchens aufgesucht hatte. Die Fahrt von Marburg nach Kassel ist eine der schnellsten, die wohl jemals ein Luftschiff zurückgelegt hat. Dio Luftlinie zwischen den beiden genannten Städten beträgt fast 80 Kilometer, so daß also die Stundengeschwindig keit des Luftschiffes auf dieser Strecke rund 170 bis 180 Kilo meter betragen hat. Das dürfte die größte Geschwindigkeit sein, die ein Luftschiff ^bisher zu erreichen vermochte. Die Leistung wird auch dann nicht herabgesetzt, wenn man annehmen will, daß das Schiff auf diesem Wege günstigen Wind gehabt hat. Um 3F0 Uhr konnte ,L. R. 3", in größerer Entfernung west- lich von Göttingen vorüber fliegend, von einigen hochge legenen Punkten der Stadt aus beobachtet weichen. Das Luft schiff hatte nördlichen Kurs auf Einbeck (Richtung Hannover). Um 3,55 Uhr passierte das Luftschiff Hildesheim. Nach einem großen Bogen über dem Zentrum und Ler Außenstadt flog es in der Richtung auf Hannover in sehr schneller Fahrt wetter. Um 8,08 Uhr ist bas Luftschiff von Hildesheim kommend in Hannover eingetroffen. Es hat die dreißig Kilo- meter lange Strecke in der unglaublich kurzen gatt von zehn Minuten durchflogen. In Hannover umkreiste ,L. R. 3" zu nächst das Stadthaus und umflog dann dieDillaHinden- burgs, Uber der die Besatzung einen GrußandenGene- ral fel d mar schall abwarf. Um 3,18 Uhr verließ das Luft schiff Hannover in der Richtung auf Bremen. Obwohl nach den ursprünglichen Dispositionen wogen der verspäteten Abfahrt von Friedrichshafen der Zvppelinkreuzer nicht nach Bremen, sondern von Hannover direkt nach Hamburg fliegen wollte, machte er schließlich doch noch einen Abstecher nach Bremen. Nach einer Flugzeit von 8 Stunde traf er von Hannover kom- merch um 4 Uhr nachmittag in Bremen ein, wo er von der Bevölkerung aufs herzlichste begrüßt wurde. Nach einigen Schleifenfahrten nahm das Luftschiff nordöstlichen Kurs auf Hamburg, wo es um 4,50 Uhr in Sicht kam. Es überflog den Rathausturm, umkreist von acht Flugzeugen, die ihm ent- gogengefvhven waren. Flensburg wurde nachmittag 6,15 Uhr überflogen. Don der Bevölkerung der deutschen Grenzstadt gegen Dänemark, der Geburtsstadt des Führers des Zeppelins, Dr. Eckner, wurden dem Luftschiff begeisterte Ovationen darge- bracht. Um 7 Uhr abends erschien der Luftkreuzer, von Norden kommend, über Kiel, und flog in südlicher Richtung weiter. Um 7^.5 Uhr wurde das Zeppelin-Luftschiff über Plön ge- sichtet. Um 7,45 Uhr passierte das Luftschiff Lübeck. Es übe» flog das Rathaus und den Marktplatz, nahm die durch Funk spruch übermittelte Begrüßung des Sanates entgegen und setzte seine Fahrt in nordöstlicher Richtung noch der mecklenburgischen Ostseeküste fort. Um 10 Uhr nachts überflog es die Insel Bornholm und wurde um 11^0 Uhr über Stettin ge sichtet. Malmö, 25. September. Z. R. 3 überflog um 12 Uhr 55 Min. nachts Malmö und fuhr in nördlicher Richtung weiter. Berlin, 26. September. Gegen 10 Uhr erschien das Lust- schiff Z. R. 3 über dem Gelände der Zeppelinwerke in Staa ken und wurde von einem vieltausendköpfigen Publikum jubelnd begrüßt. Das Luftschiff unternahm bei strahlendem Sonnenschein und unter den Klängen des Deutschlandliedes zahlreiche Nundflüge in geringer Höhe. Kurz nach 10 Uhr er schien der Zeppelinkreuzer über der Reichshauptstadt. Dresden, 26. Sept. Nachdem das Zeppelin-Luftschiff gegen 118 Uhr Großenhain passiert hatte, erschien es um 11 Uhr 45 Minuten, von Norden kommend, über Dresden und führte, von einem Flugzeug begleitet, mehrere Schleifenfahrten über der Stadt aus. Das Publikum hatte sich zu Tausenden auf den Straßen, Plätzen und Dächern, an den Elbufern und auf der Brühlschen Terrasse angesammelt und begrüßte das Luftschiff mit stürmischen Zurufen. Chemnitz, 26. Sept. Das Zeppelin-Luftschiff hat um 12 Uhr 30 Minuten Chemnitz passiert und ist in der Richtung Zwickau weiter geflogen. Kriegsanleiherenlen für Bedürftige. Berlin, 25. September. Wie im „E. D." mitgetsilt, hat der Reichsfinanzminister dem Unterausschuß, der sich mit der Auf- wertungsfvags beschäftigt, einen Plan vorgelegt, der den Be dürftigen unter den Kriegsanleihezeichnern Hilfe bringen soll. Die Hilfe, die der Finanzminister anbietet, kann sich nur im Rahmen der zur Verfügung stehenden Mittel halten. Es ist ganz unmöglich und wäre unverantwortlich, wollte der Finanz minister einen Plan vovlegen, dessen Auswirkungen ein neues Deftzit im Haushalt und demgemäß eine neue Inflation wäre. Darum keine allgemeine Aufwertung, sondern eine Renten- gewährung an bedürftige Anleihezeichner. Berücksichtigt werden können nur solche Personen, die sich noch im Besitz der Kriegsanleihe befinden; dazu gehören die im Reichsschuldbuch eingetragenen. Als bedürftig angesehen wird, wer weder aus eigenem Vermögen noch durch eigene Arbeit seinen Unterhalt bestreiten kann. Die Rente soll dem Berech tigten noch seinem Tode seinem Ehegatten auf Lebenszeit ge- währt werden. Entscheidend soll sein, daß der Berechtigte bei der Begründung des Anspruches auf die Rente bedürftig gewesen ist. Die Höhe der Rente soll sich nach dem Betrag be stimmen, welchen der Berechtigte dem Reiche an selbsigezeich-1 neter Kriegsanleihe überträgt, sie wird jedoch bei dem einzelnen ! Berechtigten mit Rücksicht auf die zur Verfügung stehenden Mittel den Betrag von 1000 ReichsmarkfürdasIahr nicht überschreiten können. Das Recht auf die Rente soll mit der Person des Berechtigten verknüpft sein. Die Uebe» tvagbarkeit der Rente wird also auszuschließen sein. Um den Bedürftigen die Aufnahme in eine häusliche Gemeinschaft zu erleichtern, soll er aber die Rente innerhalb eines bestimmten Kreises vererben können. Eie soll nach seinem Tode, auf einen Zeitraum von 10 Jahren beschränkt, auf solche Personen übe» gehen können, die ihn oder seinen Ehegatten in ihre häusliche Gemeinschaft ausgenommen hatten. Die Rente soll ferner ver- erblich sein auf Kinder, Kindeskinder oder Eltern, sofern diese Erben bedürftig sind. Die auch für diesen Fall vorgesehene zeitliche Beschränkung auf 10 Jahre würde der Reichsminister der Finanzen, wenn besondere Gründe vorliegen, kraft der ihm zu erteilenden Befugnis verlängern können. Was die Höhe der Leistungen anbetrifft, so ist daran gedacht, die Rente auf zwei Reichsmark pro Jahr auf je 100 Papiermark nominal Kriegs anleihe zu bemessen. Die Rente soll auch über die bedürftigen physischen Personen hinaus solchen Verbänden zufließen, die ihrerseits zur Unterstützung von Bedürftigen berufen sind. Hier unter fallen kirchliche und sonstige karitative Einrichtungen, die zur Unterstützung Armer und Kranker Gelder angesammelt und diese Gelder als Selbstzeichner in Kriegsanleihe angelegt Haven. — Das ist der Plan, den der Finanzminister im Unter» ausschuß vovgelegt hat. Die Grenzen der Leistungsfähigkeit des Reiches werben unter allen Umständen innogeyatten werden müssen. Wer mehr geben will, als in dem Plan vorgesehen ist, wird auch di« W«e weisen müssen, auf denen neue Öuelten er schlossen werden können. 78 Prozent für die Anleihe. Reuyork, 25. September. In den Neuyorker Finanzkreksen verlautet heute, daß für die deutsche Dawes-Anleihe 78 Prozent Zinsen zu zahlen seien. Amerika werde von dem Gesamtbe träge mindestens 120 Millionen Dollar, also gut zwei Drittel, aufbringen. Freilassung Httlers und Kriebels am 1. Oktober. München, 25. September. Die Strafkammer des Landge richts München 1 hat bezüglich der Bewährungsfristen für Adolf HitIer, Kriebel und Dr. Weber folgenden Beschluß ge- faßt: Dem Schriftsteller Adolf Hitler und dem Obevstltn. a. D. Hermann Kriebel wird mit Wirkung vom 1.10. 24 an für den bis dahin noch nicht verbüßten Rest der gegen sie erkannten Fostungsstvafe Bewährungsfrist von 4 Jahren bewilligt. Die Entscheidung darüber, ob auch dem Tierarzt Dr. Weber Bewährungsfrist zu bewilligen sei, wird bis zur Beendigung des gegen Oßwald und Genossen wegen Vergehens gegen das Republikschutzgesetz eingeleiteten Verfahrens ausge setzt. .. .. Wladiwostok erklärt sich für unabhängig. Paris, 25. Sept. Der „Herald" meldet aus Tokio: In Wladiwostok ist am 22. d. M. die Unabhängigkeit ausgerufen worden. Die Sowjetkommissare sind ver haftet oder erschossen worden. Infolgedessen rechnet man mit einem Angriff der Sowjettruppen auf Wladiwostok, wohin japanische Marinetruppen aus Korea zum Schutze der Japaner Mterwegs sind. > ! — ..v Entsetzungsversuche für Tetuan. Madrid, 25. September. Eine amtliche Bekanntmachung meldet weitere heftige Kämpfe gegen starke feindliche Kräfte im Tetuan-Gebivt. Der Vizepräsident des Direktoriums hat er klärt, daß am Dienstag ein neuer Vormarsch in Richtung auf Scheschauen beginnen werde, um die eingeschlossenen Stellung gen, von denen sich mehrere in gefährlicher Lage befinden« wieder zu befreien. Berlin, 25. Sept. Die Verhandlungen über eine Er» Mäßigung der Zinssätze seitens der Banken sind, wie die Blätter melden, jetzt zum Abschluß gekommen. Nachdem be reits die Debetzinsen ermäßigt worden sind, sind nunmehr auch die Habezinsen für vierzehntägig bis einmonatig kündbare Ein lagen von der Stempelvereinigung der Bernner Großbanken von 12 auf 9 Prozent herabgesetzt worden. Weimar, 25. September. Die Staatsanwaltschaft leitete di« Strafuntersuchung gegen den sozialdemokratischen Präsidenten der Thüringer Staatsbank, Genossen Loeb, ein. Nach Mel dungen aus Frankfurt beabsichtige Loeb, eine längere Aus*. Iands re i fe «nzuketen. - - -. - , Hannover, 25. Sept. Auf dem hier tagenden 6. Deut, schen Städtetag wurde mit großer Mehrheit eine Ent schließung angenommen, in der Einspruch erhoben wird gegen die fortschreitende Zurückdrängung der kommunalen Selbstver« waltung durch die Gesetzgebung und die Verwaltung von Reich und Ländern und in der aufs nachdrücklichste die Wiederherstel lung und Ausgestaltung -er Selbstverwaltung im Gebiete der Gesetzgebung von 1908 gefordert wird. Bochum, 25. September. Wie verlautet, wird von der Gene* raldirektion der Deutsch-Luxemburger Bergwerks- und Hütten* gesellschaft die vom Gesamtbetriebsvat verbreitete Mitteilung über diebeabsichtigteEntlassungvon 4200 Berg- arbeitern der Gesellschaft, die sich auf fünf Zechenanlogen verteilen, bestätigt. Der Grund ist in Absatzschwierigkeiten im Nuhrbergbau zu suchen. Saarbrücken, 25. Sept. Von französischen Sol« baten überfallen wurde in der letzten Nacht der Obe» kontrolleur beim Städtischen Gaswerk, Franz Witkin. Ohne jeden Anlaß stürzten sich vier französische Soldaten auf ihn und schlugen mit stumpfen Gegenständen auf ihn ein, bis er stark blutend zusammenbrach. Erst nach einiger Zeit kam Wittrin wieder zu sich und schleppte sich dann nach Hause. Die ungleichen Sonnen. 'Originalroman von Leonore Pany. (Nachdruck verboten.) (8. Forlsehung.) „Mein Kind, die Täuschung liegt oft so nahe, daß wir sie Nicht erkennen. Iugendrausch und Liebe sind Janusgesichter!" „So will ich das Glend auf mich nehmen, Las ich selbst Mir bereite!" ,Za ... so sagen alle ... Wenn es aber eines Tages über dich käme, das plötzliche Erkennen, die Ernüchterung ... ich möchte das nicht erleben, Melanto!" Sie preßte ihr sammetweiches Antlitz an feine Wange, über welche verschämt und heiß eine Träne rieselte. „Ich weiß, welche Gedanken in diesem Augenblick dein Hirn kreuzen, Papa. Ich weiß aber auch, daß gerade du mich ver stehen mußt, du, der kotz aller erlittenen Enttäuschung noch heute einen kleinen goldenen Schuh ..." „Melanto ..." Sekundenlang verschloß sein Kuß ihren Mund. „Und wann . . . möchtet Ihr denn heiraten?" fragte er nach einer Weile. „So bald wie möglich. Mit fünfundzwanzig Jahren -säumt inan nicht gerne. Dis Oktober bleibe ich bei dir, dann ober heißt es Abschied nehmen." Sie löste sich aus seiner Umarmung, küßte ihn noch einmal zärtlich auf beide Wangen und wandte sich der Tür« zu. „Nimm es nicht tragisch, Väterchen! Das biß- chcm Entfernung soll mich nicht hindern, recht ost zu dir zu kommen. Dein Keiner Sekretär bleibt dir im Herzen treu und hofft, dir noch so manchen Dienst erweisen zu können. Laß nur nttch für alles sorgen Väterchen!" Stumm nickte er ihr zu. Das ,was jetzt von ihm abflel, kam niemals wieder. Sein Kind, und sein Kamerad! Alles und eines,», Die große Leere, der er entgegenging, gähnte ihn plötzlich er- schreckend an. Nie war es ihm in den Sinn gekommen, daß Melanto ihn verlassen könne. Er hatte sein Kind ganz allein erzogen, hatte sich an dem hevanveifenden Verstände des Mäd- chens erfreut und eine reiche geistige Ernte für sie vorgesehen. Und nun nahm sie denselben Weg wie tausend andere! Es war so natürlich, so einleuchtend! Und sie hatte ihn sogar daran erinnert, daß auch er ... Mit einem leichten Erschauern schritt er nach der Tür und drehte den Schlüssel herum. Dann nahm er aus der Lade seines Schreibtisches ein hölzernes Kästchen und öffnete es. Auf rotem Sammet leuchtete ein winziger gold- gestickter Schuh, der Schuh einer Tänzerin... Die ihn getragen, war längst zu Staub zerfallen, und Jahrzehnte anstrengender geistiger Arbeit hatten an dem Grabe Ler Erinnerung geschau felt. Und doch kainen Stunden ... Zitternd strichen Helmdorfs Finger über das flimmernde Symbol seliger Lebenslust. Und er, der noch vor einr halben Stunde im Paradies« der Wissenschaft geschwelgt, vergaß plötz lich alles bis auf das eine: Laß auch er einmal jung und öe» liebt gewesen . „Das also ist Alt-Rothenburg!" „Klein, nicht wahr?" „Aber himmlisch schön! Diese göttlichen Türmchen und Erker ... da gkbt es auch für dich wieder etwas zu grasen, nicht wahr, Papa?" Helmdorf, welcher in die Betrachtung des alten Rathauses versunken war, nickte lebhaft. „Reinste Renaissance! Sie kann einem mit der ganzen Torheit der Menschen versöhnen! Mädolchen, ich glaube, hier ist gut sein!" Sie bogen, von Doktor Stahl geführt, in die Hervengasse ein, guckten mit verliebten Blicken in die malerischen Höfe der herrlichen Pakizierhäuser und gelangten zwischen zwei freund- lichen Torhäuschen hindurch auf den Durgplotz, der eine kühn» vorspringend« Bevanal« bildet. Die Klauen der Leit batte» bk Burg -er Hohenstaufen längst abgetragen, rein und unberührt aber strahlte das Antlitz der Natur, welch« dem Beschauer ein wahrhaft märchenschönes Bild vorzauberte. Tief unten im Tale das Silberbanü der Tauber, am Bergraine Wache haltend, der Kltngenturm, mit seinen anmutigen Ecktürmchen, von ferne herüberwinken- di« Tournierwiose und weiter talaufwärts Mühle an Mühle. Rotglühend spann der wilde Wein seinen späten Liebeskaum um die weißen Mauern, und aus den Kronen des Laubwaldes schossen die bunten Garben der Herbst lichen Saat. Melanto drückte sich inniger an ihren Verlobten. „Hörst du nichts?" fragte sie flüsternd. „Was, Melanto?" „Dasselbe, was ich höre: Schubertsche Weisen!" „Ich bin nicht so musikalisch wie du!" „Ach Eine klein« Unmutsfalte schob sich zwischen ihre Brauen. Doch gleich darauf lacht« sie. „Mein geliebter Pedant! Was meinst du? Werden wir b s Oktober eingeschachtelt sein?" „Ich hoffe es." „In einem schönen, behaglichen Heim natürlich!" „Schön — mein Gott — dafür kann ich leid«r nicht Bürg schaft leisten. Du siehst ja, daß man an diese Stadt mit moder nen Ansprüchen nicht herantreten darf. Die Häuser — so reiz voll sie sich präsentieren — sind innen eng und dunkel, mit Holzkeppen ausgestattet.. „Soll mich nicht kümmern. Aber einen Turm muß dein Herd haben, möglichst weitschauend." Er lächelte. „Und dazu einen Leander, der nicht schwimmen kann!" „Sehr traurig, in der Tat! Ran, ich wM es ihm nach« sehen, wenn er trockenen Fußes zu Besuch kommt. Aber weht ikrm wtnn er erst des einladenden Lämpchens bedarf.. ^Fortsetzung folgt.)