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Erzgebirgischer Volksfreund : 29.07.1924
- Erscheinungsdatum
- 1924-07-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1735709689-192407298
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1735709689-19240729
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1735709689-19240729
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Erzgebirgischer Volksfreund
-
Jahr
1924
-
Monat
1924-07
- Tag 1924-07-29
-
Monat
1924-07
-
Jahr
1924
- Titel
- Erzgebirgischer Volksfreund : 29.07.1924
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Erzgedirgischer Dolkssreunv W Ml t. r. 24. id 101. Nr. 7. m erst- Aniritt' die Ge» l » laufen. Sa. b««ch- Zeelev- m UN- I OerMche Angelegenheiierr Kredttnot und Wohnungsbau in^r, »wen Auch die diesjährige Bausaison geht zu Ende, ohne daß eine umfangreiche Neubautätigkeit für Wohnungen ein gesetzt hätte. In Mieterkreisen herrscht weitgehende Empö rung über die neuerliche Erhebung der Mieten auf noch nicht zwei Drittel des Vorkriegsstandes. In der Tat ist die Be friedigung des Wohnbedürfnisses das einzige, was gegenüber der Vorkriegszeit nicht teuerer sondern billiger geworden ist. Die vielen Tausende, welche in Protcstver^ammlungen gegen Anderes Mehl sei nicht zu beschaffen. So sollte vom 2. Mai an — „am 1. traut er sich nicht, weil wir da feiern" — die Mehlabgabe üerbaupt eingestellt werden. Und Brot würde man fortan bekommen, das lediglich aus Birkenrinde, Roß kastanien und ein wenig Gerstenkleie bestehe. „Das heißt natür lich nur wir armen Leute," setzte Pinter jedesmal hinzu. „Denn für die .Herrschaften in Karolinenruhe gibt's natürlich fein stes, weißes Mehl und tadelloses Brot. Mm ne Schwieger tochter ist mit der Köchin bekannt und hilft der zuweilen in der Küche aus. Von der weiß ich's genau: Kisten und Kasten haben sie voll mit allem, was uns mangelt. Den Keller voll Wein, Säcke nnt Mucker und Kaffee, Ebampagner, alle Tage Lustbarkeiten! Na ja, sie haben ja auch das Haus voll Gäste! Da muß freilich immer getafelt werden, und Gästen kann man kein Brot aus Birkenrinde vorsetzen!" Wie fressendes Gift verbreiteten sich die Wort unter den Leuten. Noch hatte zwar niemand non ihnen gehungert und die Arbeiter in der Dampfmühle lachten, als man sie nach den: angeblich verdorbenen Mehl befragte. Auch die Diestnboten in Karoliennruhc lachten, wenn man sie über die großen Vorräte ausholen wollte. ja, das märe schon schön! Aber da gäbe es leider nichts mehr zu verheimlichen. Schon lange müßte man genau so spar- sam sein und rechnen mit allem, wie jeder Mann, da man auch nur auf die bestimmten Kartenvationen angewiesen sei. Was an Vorräten im Herbst eingeschafft worden war, hatte die junge Gnädige ja alles an ihre Schützlinge verteilt. Und was der Oekonomic an Butter. Milch und Eiern noch abfolle für die Herrschaft — das meiste war ja ohnehin beschlagnahmt — das wandere hin ins Rekonvaleszentenheim und in die Volksküche. Wein? Champagner? O ja, davon gab es ja noch Vorrat! Aber getrunken wurde er nur von Kranken. Bloß der alte Herr bekam täglich sein Gläschen Wein, weil es ihm der Arzt so verordnet habe. Ms man sich auf das Zeugnis von Pinters Schwieger tochter berief, wurde die Karolinentaler Köchin wild. „So eine unverschämte Lügnerin! Na, die soll mir bloß noch einmal die Nase 'reinstecken nach Karolinenruhe! Der werd' ich aber Beine machen!" Trotzdem glaubten die Leute nicht ihr, sondern dem alten Pinter und seiner Sippe und die unruhig gereizte Stimmung gegen die Herrschaft wuchs an wie ein glimmender Funke, der beständig angeblasen wird. * Der Gedenktrauertag am 3. August ist auch kirchlicher Feiertag. Der Godenktrauertag für die Gefallenen, der von der Neichsregierung auf den 3. August angeseßt ist, wird auch ein kirchlicher Feiertag sein. Der deutsche evangelische Kir ch e n a u s s ch u ß regte an, daß m allen Gemeinden feierliche Gottesdienste abgeholten werden, in denen der Opfer des Weltkrieges gedacht werden soll. Die Gottesdienste sollen bei günstiger Witterung auf den Friedhöfen abgehalten werden. " Die Augustmiete gleich der Iulimiete. Das Gesamt ministerium hat beschlossen, daß es bei der unterm 14. Juni 1924 bekanntgegebenen gesetzlichen Miete verbleiben soll. Sie ist also im August in derselben Höhe zu entrichten wie im Juli 1924. — Das Justizministerium hat die Berechnung und die Festsetzung der gesetzlichen Miete unter Zustimmung des Gcsamtministerinms an das Arbeits- und Wohl- fah r t s m i n i st er iu m abgetreten. ASaWes Ehe. Roman von Erich Eben sie im Copyright 1920 by Greiner L Camp., Berlin W. 39. dlochdruck und Uebersetzungsvecht in fremde Sprachen Vorbehalten. (55. Forhehung.) Löwenkreuz beobachtete sie beständig verstohlen. Wie süß und mädchenhaft sie war mit dem kindlichen Ausdruck im Ge- sscht und dem verträumten Mick! Er brannte darauf, möglichst bald ein Wiedersehen mit ihr unter vier Augen herbeizuführen. Es gelang ihm nicht, Adalise allein zu treffen, weder im Haus, wo sie beständig stark beschäftigt zu sein schien und immer von dem „Proletarierkind" belagert wurde, ^toch außer Haus, noch abends, wo alle beisammen waren. War es wirklich nur Zufall oder wich sie ihm aus?! Waren Gerüchte zu ihr gedrungen über . . . aber nein, das war ganz ausgeschlossen! Und ebensowenig konnte Lo sich selbst bloß stellen . . . Don den Arbeitern war das Eintreffen der Dragoner mit f esteren Mienen begrüßt worden. Was sollten die Soldaten bedeuten im Eichsteintal? Aber bald wurden sie darüber aufgeklärt. Der alte Pinter hielt all abendlich ellenlange Vorträge darüber. „Das begreift ihr nicht?" sagte er höhnisch. „Daß da euer lieber Herr Gottulan dahinter steckt? Zu seinem Schutz hat er sich die Dragoner kommen lassen!" „Wieso? Es tut ihm ja keiner was!" wandten einige ein. Aber Pinter lachte schlau. „Wißt ihr das so genau? Wenn sich der gerechte Zorn der Arbeiterschaft gegen ihn erhebt, weil er Maßnahmen von ver- brecherisch?r Härte gegen euch treffen will? Hunger tut weh, Genossen, das wissen wir heute alle! Verhungern wird keiner gutwillig wollen und dahin kommt's nächstens. Das sage ich euch!" Nun bestürmten sie ihn alle. Welche Maßnahmen? Wer solle verhungern? Was hatte Gottulan mit ihnen vor? — Und langsam — jeden Tag ein Stückchen mehr — rückte der alte Hetzer mit seinem „Wissen" heraus. Die Mehlvorräte in der Dampfmiihle, die bis zur Ernte ausveichen sollten, seien schlecht gelagert worden im Herbst. Nun seien sie verdorben. Lr. 175. 2S. Juli 1S24. »re ein »wohn- e, und troten. ndrin- sahen ie sich ' Zahl nglan- - fett- ingen, »uptig aß st« Das st und «, dft 'Wist iche W md '/,2 »Tilgen melden he 52. Verlag T. M. Gärtner, Aue. Beiblatt. edrüA >iese SV m ihm cvorgv» Imsen« riest«, e Dat- danken Hindu- chatmo Die Dragoner merkten es täglich deutlicher, daß mach ihuen feindselig gesinnt war, und Gottulan merkte es auch.! Außerdem warnte ihn Mara beständig. Er aber hatte jetzt! ganz andere Dinge im Kopf und zuckte nur ungeduldig diel Schultern. Im Grund schien ihm die Sache ganz einfach. Er hatte die Soldaten nicht gerufen, aber da sie ihm aufgenötigt wor den waren, konnte er sie doch nicht fortschicken. Und wenn die Arbeiter sich vom alten Pinter wirklich zu Unklugheiten. fortreißen lassen sollten, würden sie allein den Schaden tragen. Mehr als die Hälfte von ihnen war um ihrer Arbeit willen vom Militärdienst enthoben. Versuchten sic zu streiken, würde man sie einfach in Marschkompagnien stecken und an die Front schicken. Er würde dann sofort Ersatz von der Militär verwaltung bekommen. AuchAdalise erfuhr von der Bewegung unter den Ar beitern, teils durch Klaudia, teils durch Frau Rosel. Sie be griff es nicht. Diese Leute, denen er nur Gutes tat, denen all; seine Gedanken, seine ganze Sorge gehörte, die waren nun auch einmal gegen ihn erbittert? War er schuld am Krieg? Verlangten sie Wunder von ihm? Sic verzehrte sich heimlich in Angst und Sorge um ihn, wagte aber nicht, mit ihm darüber zu sprechen. Denn erstens, wich er ihr ja förmlich aus, und zweitens wollte er doch nicht,! daß sie sich in seine Ärbeiterangelegenheiten mische. Aber sie! beschwor Frau Rosel, ihr alles stets genau mitzuteilen, was fiel über Stimmung und Absicht der Leute in Erfahrung bring«« könne. Am 30. April vormittags gelang es Löwenkreuz endlich« von seinem Fenster aus Adalise allein im Park zu erspähen. Ohne sich einen Moment zu besinnen, eilte er hinab. Gottlob, endlich einmal war sie ohne das Proletarierkind, ohne Dienst» boten, mit denen sie zu verhandeln, ohne Gäste, die sie zu. unterhalten hatte! Jetzt werde sie ihm Rede stehen, was ihre» merkwürdige Zurückhaltung zu bedeuten habe . . . Adalise ging still vor sich.hin lächelnd auf dem Kiesweg auf und ab. Sie sah so strahlend aus, wie seit langem nicht. Ordentlich verklärt. Eben hatte sie den kleinen Loi« nach deÄ Molkerei geschickt, um seine Mutter zu holen, und wartete mvv ungeduldig auf beide. Enttäuscht blickte sie auf, als statt jener plötzlich LS«en4 kreuz vor ihr'stand und sie bat, einen kleinen Spaziergangj mit ihm zu machen. , (Fortsetzung folM^ > * Die Srundsteuerzahluug für laudwirtschaftlich« Betrieb«, Das sächsische Finanzministerium hat mit Rücksicht auf die Ein. bringung der Ernte beschlossen, die am 15. Juli 1924 fällt«, Grundsteuerteilzahlung für landwirtschaftliche, forstwirtschast.' liche und gärtnerische Grundstücke nur zu einem Drittel am, 15. Juli, zu zwei Drittel am 15. September 1924 zu erheben.' Der Sächsis che Land bund hat sich nun mit einer Ein»! gäbe betr. die Grundsteuer an das Finanzministerium gewandte er verkennt nicht, daß die ministerielle Entschließung von dem! Gedanken beseelt ist, der Landwirtschaft zu helfen, vermag aber nicht anzuerkennen, daß diese Entschließung dem Sinne und Geiste nach dem entspricht, was sowohl her Finanzminister als im besonderen auch der Ministerpräsident den verschiedenen! Abordnungen des Landbundes, so insbesondere seines, Steuerausschusses nicht bloß in Aussicht gestellt, sondern zu», gesagt hat. Dann heißt es weiter in dem Schreiben: „Es handelt sich bei der Grundsteuer bekanntlich um eine besonder» ungerechte Steuer, weil bei ihr oft das 25- bis 27fache der Friedenssteuer erhoben wird, und weil die rein schematische Umstellung der Steuer für Papiermarkwerte auf Gold schrei ende Mißverhältnisse zutage gefördert hat. Mit einer bloßen.' Gestundung von zwei Drittel der am 15. Juli fälligen Grund« steuer ist der Not der Landwirtschaft nicht abgeholfen. Auch» darf nochmals darauf hingewiesen werken, daß die Staatsre gierung selbst ihre Bereitwilligkeit erklärt hat, die Grundsteuer wesentlich zu ermäßigen. Die Landwirtschaft kann sich auch, nicht mit der Vertröstung beruhigen, daß ja die Ausarbeitung! eines neuen Grundsteuergesetzes im Gange sei, beruhigen kaum sic nur die Erkenntnis, daß es der Staatsregierung wirklich! ernst damit ist, die ungeheuerlichen Lasten auf das Maß zu be schränken, bei dem sie bestehen kann. Dazu gehört in erster. Linie die Beseitigung der Grundsteuer in der jetzt geltende» Form." * Landwirtschaftliche Betriebskredite. Von der sächsischen! Girozentrale werden beschränkte Mittel zur Verfügung, . gestellt, um Landwirten den erforderlichen Betriebskredit zur gewähren, der für die Evntelöhne gebraucht wird. Dev Kredit! wird als Wcchselkredit auf drei Monate gewährt. Mit Prolon« gation der Wechsel ist nicht zu rechnen. Der Zinsfuß beträgt! 15 Prozent auf das Jahr. Diejenigen Landwirte, die den Kredit! in Anspruch nehmen müssen, wenden sich am zweckmäßigsten mb die nächste Girokasse. * Line neue Kreditquellc für das sächsische Handwerk. Dent Landesausschuß des sächsischen Handwerks ist cs nach langen Bemühungen gelungen, die mit dem Kreditstock für das säch sische Handwerk und Gewerbe verfolgte Schaffung eines starken zentralen Geldinstituts zur Tat werden zu lassen. Am 18. d. Mts. wurde die „Sächsische Zentralgenossen» schaftskass e", genannt Sachsenkasse, errichtet. Sie hat dis Aufgabe, das Handwerk und den gewerblichen Mittelstand mit' billigen und ausreichenden Krediten zu versorgen. Träger dieser Sachsenkaste sind die Girozentrale sächsischer Gemeinden,! üe Sächsische Staatsbank, der Kreditstock für das sächsische Hand-! werk und Gewerbe, die Versicherungsanstalt sächsischer Gewerbe kammern, die Landesgewerbebank, das Submissionsamt und der! Großeinkauf sächsischer Bäcker-Innungen. Das Gründungs- kapital beträgt 1^ Millionen, außerdem 3 Millionen Haft summe. Das Eigenkapital soll im Laufe des Jahres mindestens' auf 2 Millionen erhöht werden. In den Aufsichtsrat wurden! Vertreter der einzelnen Körperschaften gewählt und als Vor»; sitzender Obermeister Landtogsabgeordnetere Kuntzsch be-! stimmt. Dem Vorstand gehört außer den Direktoren der Lan desgewerbebank Syndikus Weber an. Die Errichtung der! Sachsenkasse iss als bedeutender Fortschritt auf dem Gebiete der Kreditversorgung des gewerblichen Mittelstandes zu bezeichnen.! " Das Ausspielen vo« Waren auf Volksfesten. Eingegan gene Beschwerden aus Gewerbekreisen gegen das Ueberhand- nehmen der Ausspielungen von allen möglichen Waren auf; sogen. Volksfesten, wie Schützenfesten usw., veranlaßten die Gcwcrbekammer, sich in entsprechenden Eingaben; an die zuständigen Stellen zu wenden und bei diesen gegen! derartige Mißstände vorstellig zu werden. Vom Mi niste-» riumdes Innern ist nun der Gewerbekammer mitgeteilt worden, daß es die vorgebrachten Klagen für durchaus' berechtigt halte. Es habe deshalb bereits unterm 30. Juni 1924 eine Verordnung erlassen, die dazu bestimmt sei, den die Erhöhung der Mieten eifern, sind sich dessen kaum bewußt, daß sie gegenüber Millionen von Volksgenossen die Nutz nießer eines Monopols sind. Wer keine eigene Wohnung hat, ist entweder gezwungen, mit der allerbescheidensten Unterkunft fürlieb zu nehmen oder aber einen glücklichen Wohnungs besitzer gegen hohes Abstandsgeld oder gegen die Zahlung einer Abstandsrente einige Räume abzumieten. An sich kann man es ja niemandem verargen, wenn er sich sträubt, für die Befriedigung eines Lebensbedürfnisses plötzlich mehr zu zah len als bisher, lieber solche Empfindungen muß jedoch der in die Zukunft schauende zielbewußte Wirtschaftspolitiker hinweggehen. Wollte die Reichsregierung darauf verzichten, die. Mieten dem Vorkriegsstand planmäßig anzunähern, so würde damit für Jahre hinaus jede umfangreiche Neubau tätigkeit verhindert. Die öffentlichen Organe werden unter dem Druck der Neparationsverpflichtung noch weniger als bisher finanziell befähigt sein, die Wohnungsbautätigkeit wesentlich anzuregen oder etwa gar selbst in die Hand zu nehmen. Das einzige Mittel zur Beseitigung der in so vieler Hinsicht verderblichen Wohnungsnot ist das, daß man der privaten Bautätigkeit wieder Interesse am Wohnungsbau einflößt. Am 12. Juni hat der Bund deutscher Architekten auf seiner Tagung in Marburg an der Lahn durch seinen stellv. Vorsitzenden Kröger-Hannover über das Problem der Woh nungszwangswirtschaft referieren lassen. Dem Leser des jetzt im Druck vorliegenden Referats fällt bei der Durchsicht der zum Schluß aufgestellten „Richtlinien" auf, daß der soge nannte „Produzentenstandpunkt" durchaus nicht in rigoroser Weise gewahrt worden ist. Der Uebergang zu den Friedens mieten soll allmählich erfolgen. Ehe sich das für Wohnungsbau verwendete Kapital durch die Mieten angemessen verzinst, sol len gewisse steuerliche Erleichterungen Platz greifen. Der größte Feind gegen diese neuen lebhafte Wohnungstätigkeit bleibt, — wenn erst einmal die Zwangswirtschaft gefallen ist, — die Kreditnot. Der Referent auf der Marburger Tagung rechnet seinen Hörern vor, daß ein Wohnhaus, dos vor dem Kriege 50 000 Mark gekostet haben mag, heute mindestens 75 000 Mark kosten würde. Da man vor dem Kriege Leihgeld zu höchstens 7 Prozent Zinsen erhielt, heute aber mit minde stens 1'2 Prozent verzinsen muß, so müßte ein jetzt zu bau endes Wohnhaus etwa 8 000 Mark jährliche Miete einbrin gen, während sich ein gleiches Objekt, vor dem Kriege erbaut, mit 8 400 Mark jährlicher Miete begnügen konnte. Da die wirtschaftliche Produktion heute Monatszinsen von 5 bis 10 Prozent gewährt, können die Realkreditinstitute (Hypotheken- und Pfandbriefbanken, Baukreditgenosienschaften usw.) damit garnicht in Konkurrenz treten. Daneben fehlt es aber auch an den nötigen qualifizierten Bauarbeitern, um eine leb hafte Bautätigkeit zu entfalten. Viele von den ehemals ver fügbaren Maurern, Zimmerern uiw. sind ins Ausland abgc- wandert oder haben sich anderen Berufen zugewandt; ein Nachwuchs an frischen Kräften hat fast garnicht stattgefunden. Die erste Voraussetzung für eine lebhafte Wohnungsbautätig keit in Deutschland ist die Beseitigung der noch immer be stehenden Rests der Zwangswirtschaft; die zweite Voraussetz ung ist dann, daß es in Deutschland wieder ausreichenden und billigen Realkredit gibt. Der Kampf um -ie Getreidezvlle. Der Reichskanzler hat in seiner Ansprache an die Berliner Pressevertreter am 12. Juli über die geplanten Schutzzölle (Einfuhrzoll auf Getreide und Fleisch) gesprochen, und diese Maßnahme im Interesse der nationalen Produktion für unentbehrlich erklärt. Seitdem tobt, — obwohl der Reichskanzler im Hinblick auf die kritische außenpolitische Lage um möglichste Einschränkung der Debatte über dieses Thema ersucht hatte, — der alte Kampf um die Getreidezölle. Bor etwa 22 Jahren brachte die damalige Reichsregierung beim Reichstag eure Gesetzesvorlage über Getreidezölle ein. Die mit dem Zollschutz entstehende größere Produktivität der deut- schen Landwirtschaft hat zweifellos dazu beigetragen, daß wir während des Weltkrieges notdürftig mit der eigenen land- wirtschaftlichen Erzeugung reichten. Jetzt soll die Einführung von Getreidezöllen die furchtbare Krise mildern, in welche die deutsche Landwirtschaft nach der Stabilisierung unserer Wäh rung und nach der ungeheuren Versteifung des Goldmorktes geraten ist. Für mittlere und geringere Böden deaen die er zielten Preise nicht mehr die Produktionskosten. Falls die Zustände, wie sie etwa von Februar bis Juni auf den deut- schen Getreidemärktcn herrschten, noch einige Monate ange dauert hätten, so wäre ein Rjickgang der Anbaufläche für Brotgetreide unvermeidlich gewesen. Keine Beweisführung der Gegenseite kann über diese nüchterne Tatsache hinweg, kommen. Die Gegner der geplanten Getreidezölle weisen auf die Verteuerung der Lebenshaltung hin, welche die Folge einer solchen Maßnahme sein würde. In einer Zeit schlechter Wirt schaftskonjunktur, zunehmender Arbeitslosigkeit und fast völlig versagender öffentlicher Hilfstätigkeit ist es in der Tat für den Verbraucher sehr hart, wenn er für das unentbehrlichste Nahrungsmittel mehr aufwenden muß als früher. Es fragt sich jedoch nur, ob diese Belastung des Familienhausholtes in der Gegenwart schwerer ist als die Gefahr, welche beim Ver zicht auf den Schutz der landwirtschaftlichen Produktion über uns hereinbrechcn muß. Bestenfalls, — d. h. wenn in London eine für uns erträgliche Reparationsentscheidung zustande kommt, — werden uns die ausländischen Geldleute Mittel für die Belebung unserer gewerblichen Produktion und damit zur Erfüllung der Neparationsverpflichtungcn zur Verfügung stellen. Dagegen wird sich schwerlich jemand finden, der uns die Einfuhr von Getreide ermöglicht, das wir bei vorsorg licherer Wirtschaftspolitik auf eigenem Boden hätten erzeugen können. Gute Erträgnisse in früheren Jahren und selbst die Anlage beträchtlicher Mittel in Gebäuden, Maschinen, Melio rationen und Gebrauchsgegenständcn setzen den Landwirt nicht in die Lage, auf die Rentabilität seiner Produktion zu ver- zichten. Die früheren Uebcrschüsse sind längst verbraucht oder durch die Geldentwertung aufgezehrt worden. Selbstverständ lich darf der Zollschuß, welchen Lie Reichsregierung der Land wirtschaft geben will, nicht dazu verleiten, auf technischen und organisatorischen Fortschritt zu verzichten. Der Schutzzoll soll unserer Landwirtschaft die Daseins- und Arbeitsmöglichkcit erhalten, darf sie aber nicht verhindern, wie jeder andere Wirtschaftszweig ununterbrochen nach einer Verbesserung und einer Rationalisierung der Produktion zu strebt. Würde aber der Plan, die deutsche Landwirtschaft durch Zollschutz vor einer Katastrophe zu bewahren, aus Angst nor der Straße auf gegeben, so würden die Massen des Volkes selbst die Haupt lewtragenden dabei sein.
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