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«r. 1«4. 1S. Suv lSL4. Erzgebirglscher Dolkssreuno. Verlag C. M. Gärtner, Au«. VeiblaL Sin königliches Vermächtnis. Sachse» erhilt die größte Kulturstlftung der Veit. Me wir bereits berichteten, hat der Landtag das Gesetz über den Ausgleich mit dem vormaligen Königshaus angenommen. Dadurch erhält der Vertrag Gesetzeskraft, den der sächsische Staat mit dem Hause Wettin bereits abgeschlossen hatte. Die ursprüngliche Regierungsvorlage, die den zwischen dem Ministerpräsidenten Buck als Vertreter des Freistaates Sachsen und dem Rechtsanwalt und Notar Iustizrat Dr. Eides in Dresden als Vertreter des vormaligen Königs Friedrich August von Sachsen am 23. August 1S22 abgeschlos senen Vertrag enthielt, hatte eine einmalige Abfindung s- summe festgestcllt, die im Jahre 1922 dem vormaligen Königshause in Höhe von 14 Millionen Mark als Teilent- schädlgung für die Zivilliste und die Apanagen, insoweit diese die Bestimmung hatten, zugleich die persönlichen Bedürfnisse des vormaligen Königs und seiner Familie zu befriedigen, ausgesetzt worden war. Diese Summe ist nunmehr nach der Stabilisierung — wie wir kürzlich mitteilten — auf 300 000 Goldmark festgelegl worden. Was nun dos Hausfideikommikvermögen des Königs hauses anbetrifft, so verzichtet der König auf alle Rechte aus dem Staatsgut, einschließlich der Domänen. Dafür überträgt der Freistaat Sachsen auf den Familienverein aus Wettin" A l b ert t i n i s ch e L i n i e, e. V." die Moritzburger Domäne, Grundstücke und die Forstreviere Moritzburg und Kreyern, sowie von dem benachbarten Weißiger Forstrevier die Forstparzellen Golk, Dieraer Hölz chen, Gävernitzer Heide, Kienheide, die Wüstlinge, das Forst gut Raschütz mit den Forstgehöften samt allen damit verbun denen Berechtigungen und Verpflichtungen zu Eigentum unter Vorbehalt des dringlichen Vorkaufsrechts für den Staat. Dem vormaligen König wird auf Lebenszeit die Ausübung des Jagd rechtes auf den Revieren Rehefeld, Altenburg und Nassau, wodurch jedoch der Forstbetrieb nicht geschädigt werden darf, sowie die Ausübung des Iagdrechtes für Auer- und Birkwild auf dem Reviere Bad Elster 1 eingeräumt. Don größtem Interesse für die Allgemeinheit ist aber die Errichtung einer Kulturstiftung als Stiftung des öffentlichen Rechts, durch die der sächsische Staat Sammlungen von ungeheuerem Wert und größter Seltenheit erhält. Es ist nicht zuviel gesagt, wenn man diese Stiftung als die größte Kultur st iftung der Welt bezeichnet. Der Staat erhält durch sie das Eigentum an folgenden weltbekannten Instituten und Sammlungen: der Gemäldegalerie, dem Kupferstichkabinett, der Skulpturensammlung, dem Historischen Museum, der Gewehrgalerie, der Porzellan sammlung, dem Grünen Gewölbe, dem Münzkabinett, den Museen für Tierkunde und Völkerkunde, dem Minera logisch-geologischen Museum nebst der prähistorischen Samm lung, dem Mathemathisch-phsikalischen Salon und der Landesbibliothek, mit Ausnahme einer Anzahl näher bezeichneter Gegenstände. Uebertragcn wird gleichfalls das Eigentum an den aus Versteigerungen von Sammlungsgegen ständen herrührenden Erlösen sowie das Eigentum an dem Tafelzelt Poniatowskis und an dem sogenannten Dogel- wiesenzelt, die beide für das Historische Museum bestimmt sind. Eine Reihe von Sammlungsgegenständen wird im Besitze des Königs verbleiben, so z. B. einige Gemälde von Michelangelo, Boticelli und anderer alter Meister. Die Verwaltung dieser Kunstgegenstände bleibt jedoch ebenfalls bei der Kulturstiftung, so daß sie der öffentlichen Besichtigung nicht entzogen werden. Das Gesamtministerium wird die Stiftungssatzung entwerfen. Zu einer Kulturstiftung gehören ferner die König-Iohann- Stiftung mit der Königin-Amalie-Stiftung, die Dr. Blümer- sche Stiftung und die Professor-Radius-Stiftung. Von dem übrigen Hausfideikommißvcrmögen fallen dem Staate zu die in den Festräumen des Schlosses Dresden und den Führungszimmern des Schlosses Pillnitz befindlichen Einrichtungsgegenstände, die während des Königtums aus diesem Vermögen sächsischen Behörden geliehenen Stücke, die zur Ausstattung der Geschäftszimmer in den Schlössern Dresden und Pillnitz sowie in den Gebäuden des vormaligen Oberstallamtes und des Hofamtes dienenden Einrichtungs- und Gebrauchsgegenstände samt Wäsche, das in den Schlössern Dresden, Pillnitz, Wermsdorf und Großsedlitz sowie in den Gebäuden und Bauhöfen des vormaligen Oberstallamtes, der Hofwiese bei Langebrück und des» Hofbauamtes sowie im Belvedere zu Dresden noch befindliche Zubehör. Gemäß einem Vertrag Uber die Sekondogenitur- Rente wird diese für die,Zeit vom 1. Januar 1924 alljähr lich in Höhe von 262 084 Mark in Goldmark gezahlt. Die Zahlung erfolgt monatlich. Die vormaligen Prinzen Maxi milian, Georg, Friedrich-Christian, und Ernst Friedrich, Herzöge zu Sachsen, die beiden letzteren je zugleich als gesetz liche Vertreter ihrer minderjährigen männlichen Abkömm- linge, erkennen die Abmachungen auch für sich als bindend an, falls in der Zeit bis zum 31. Dezember 1928 der Anspruch auf die Sekundogenitur-Rente auf einen von ihnen übergehen sollte. Mit der Legalisierung dieses Abfindungsvertrages durch den sächsischen Landtag finden die Auseinandersetzungen zwischen Staat und Königshaus ihr Ende. Es ist dies der letzte Staatsvertrag, den das Haus Wettin mit dem sächsischen Staate abschließt. Damit gelangt ein Kapitel der Geschichte zum endgültigen Abschluß. Das Haus Wettin, das an die tausend Jahre die Geschicke der sächsischen Länder geführt hat, ist von der Weltbühne verschwunden. Es hinterläßt dem Lande ein königliches Vermächtnis, das zu hüten und der Nachwelt in seiner Seltenheit an Kostbarkeit zu erhalten, eine vornehme Aufgabe der Staatsverwaltung bleiben wird. 1 OerMche Angelegenheiten. j Die sSchfische Regierung und -ie Aoilage -er Landwirischafl. Bereits am 5. Juni d. I. hatte auf Veranlassung des Landeskulturrates im Wirtschaftsministerium eine Besprechung von Vertretern des Landeskulturrates mit den beteiligten Ministerien und den beiden Landesfinonzämtern über die auf die Dauer untragbare steuerliche Belastung der sächsischen Landwirtschaft stattgefunden. Die fortschreitende ungünstige Entwickelung der wirtschaftlichen Lage der Land wirtschaft hat den Landeskulturrat erneut in die Notwendig, keit versetzt, eine nochmalige Aussprache mit der sächsischen Regierung zu beantragen, die am 10. Juli d. I. stattgefunden hat. Die Vertreter des Landeskulturrates schilderten zu nächst eingehend die gegenwärtige wirtschaftliche Lage der Landwirtschaft und die Gründe, die zu den immer unhaltbarer gewordenen Verhältnissen auf dem landwirtschaftlichen Pro dukten- und Kapitalmarkt geführt haben. Gegenüber diesen Ausführungen und Anträgen gab der Wirts chafts- minister die Erklärung ab, daß die Regierung über die gegenwärtig unhaltbar gewordene wirtschaftliche Lage der Landwirtschaft unterrichtet sei und die zur Behebung der Agrarkrisis gestellten Anträge grundsätzlich als berechtigt anerkennen müsse. Aus diesen Erwägungen heraus habe sie auch bereits Verhandlungen mit der Reichs regierung in die Wego geleitet, in deren Verfolg om 18. Juli eine Beratung in Berlin in erster Linie über die Einführung der landwirtschaftlichen Zölle angesetzt worden sei. Bei den bisherigen Besprechungen, die auf Grund früherer Anträge der Landwirtschaft stattgefunden haben, sei von der Regierung allerdings die Ansicht vertreten worden, daß die Einführung von Agrarzöllen noch in diesem Jahr der Landwirtschaft keine Vorteile bringen werde, well die Vorräte sich hauptsächlich in den Händen der Händler befänden und ein nicht unwesent licher Teil der anstehenden Ernte für die Beschaffung von Betriebskrediten bereits verpfändet sei. Gegenüber dieser Auffassung der Regierung über die sofortige Einführung von Agrarzöllen betonten die Vertreter des Landeskulturrate» ausdrücklich, daß die sofortige Einführung wirk samer Agrarzölle das erste Mittel zur Behebung der jetzigen Agrarkrtsis sei, da nur in diesem Falle mit einer baldigen Anpassung der landwirtschaftlichen Produktenpreis» an die zurzeit noch viel zu hohen Detriebsmittelpreise gerechnet werden könne. Bezüglich der steuerlichen Belastung der Landwirtschaft erklärte der Finanzmini st er, daß er volles Verständnis für die gegenwärtige Notlage, der Lcmd- Wirtschaft habe, und versicherte, daß, soweit die sächsischen Landessteuern in Frage kommen, die untergeordneten Stellen angewiesen seien, im Rahmen der gegenwärtigen gesetzlichen Bestimmungen weitgehendstes Entgegenkommen bei berech tigten Stundungsanträgen eintreten zu lassen und offenstcht- liche Härten bei der Veranlagung sofort eingehend nachzu. prüfen. Im übrigen könne damit gerechnet werden, daß noch im Laufe dieses Jahres grundlegende Aenderungen bezüglich der zukünftigen Gestaltung der Landessteuern zu erwarten seien. Auf alle Fälle hat die Aussprache mit der sächsischen Regierung dem Landeskulturrat erneut Gelegenheit gegeben, auf den großen Ernst der gegenwärtigen wirtschaftlichen Lag« der Landwirtschaft hinzuweisen mit dem Erfolg, daß die Re gierung zugesagt hat, soweit als nur irgend möglich baldig» Abhilfe zu schaffen. O * Der neu gewählte Bezirkstag der Amtshauptmannschast Schwarzenberg, bestehend aus 35 Abgeordneten, tagte am 9. Juli 1924 zum ersten Riale. Wegen -er wichtigen Tages» or-nung waren die Abgeordneten vollzählig erschienen. Auch der neuernannte Kreishauptmann Dr. Iani nahm an der Versammlung teil. Neben den beiden Vorsitzenden galt es u. a. zu wählen die Mitglieder des Bezirksausschusses und eines Vertreters für den Kreisausschuß. Die Wahlen nahmen einen glatten Verlauf. Als Vorsitzender wurde gewählt durch Zuruf Stadtrat Heilig in Schwarzenberg und als stellv. Vor sitzender Lehrer Schilling in Schneeberg. Die Mitglieder des Bezirksausschusses wurden im Vevhältnisverfahrvn ge wählt. Der Bezirksausschuß setzt sich nunmehr zusammen aus 5 Bürgerlichen, 3 Sozialdemokraten, 2 Kommunisten. In den Kreisausschuß wurde Bürgermeister Hesse-Eibenstock ge wählt. Als Abgeordnete zur Mitgliederversammlung des Der- bandcs der Bezirksverbände wurden gewählt: Gemeindeober- sekretür Teubner -Bernsbach und Bürgermeister Dr. Klee berg -Schneeberg. Mit der Aufstellung einer Geschäftso«d- nung für den Bezirkstag wurde eine fünfgliedrige Kommission beauftragt. Angenommen wurde einstimmig die in neuer Fassung vorliegende Zugtier st euerordnung und mii 19 gegen 16 Stimmen die gleichfalls neue Fassung der Steuer- ordnung, betr. Zuschläge zur staatlichen Gewerbesteuer, ferner gegen 6 Stimmen die Satzung über die Durchführung der Für sorgepflicht. Gin Dringlichkeitsantrag der Kommunistischen Fraktion auf Anerkennung des Bezirkes Schwarzenberg als Notstandsbezirk wurde der Amtshauptmannschast Schwarzen- berg zur Weiterleitung an das Ministerium des Innern über- wiesen. Mit einer Besichtigung -es Dezirksstiftes fand die Sitzung ihr Ende. * Tagung -es Sachs. Militärvereins-Bundes. Döbeln prangte am Sonntag im Flaggenschmuck aus Anlaß der 51. Bundesversammlung des Sächs. Militärvereins-Bundes. Der Bundesversammlung ging die Hauptversammlung des Landesverbandes der Kriegsbeschädigten und Kriegerhinterbliebenen am Sonnabend vor aus, in der die Satzung beraten und einstimmig angenommen AdaNses Ehe. Roman von Erich Eben st ein. Copyright 1920 by Greiner L Comp., Berlin W. 30. Nachdruck und Uebersetzungsvecht in fremde Sprachen vorbehalten. k44. Forijetzung.) Gottulan war verwundert, die verwöhnte, kleine Gräfin bei diesem Wetter ausgehbereit zu sehen. „Sie wollen sich wirklich den Elementen zum Trotz hin auswagen, Gräfin?" „Ja. Es ist ganz hübsch, sich mal von Wind und Wetter durchpusten zu lassen. Sie gehen ja auch aus!" „O ich! Ich muß, mich rufte die Arbeit. Auch bin ich abgehärtet und an solche Witterungsscherze gewöhnt. Aber eine so zarte Dame — merken Sie, wie der Wind bläst? Ich glaube nicht, daß Sie ihm lange werden standhalten können!" „Wenn Sie galant wären, Herr Gottulan, würden Sie mir den Arm bieten!" „Aber mit dem größten Vergnügen! Bitte!" Lo hing sich mit ungewöhnlicher Liebenswürdigkeit an seinen Arm. So schritten sie durch den Park, dessen rück- wärtigem Gittertor zu. Als sie es fast erreicht hatten, blieb Lo plötzlich stehen und sah ihren Begleiter seltsam an. „Nun — geht es nicht mehr? Haben wir schon genug von dem ungewohnten Vergnügen?" scherzte er. „Nein. Durchaus nicht. Ich will Ihnen nur einen Vor schlag machen. Lassen Sie heute mal Ihre Fabrik Lind kommen Sie lieber mit mir in den Wald!" „O — Sie wollen sogar in den Wald?" „Ja. Ich will Adalise nach..." „Meine Frau ist ausgegangen? Jetzt? Ber — dem Wetter?" „Jawohl. Ich wollte mit ihr gehen, aber sie lehnte es b. Sie habe — Kopfschmerzen. Nun will ich sie aber trotz- «n nicht allein lassen . . . man kann doch nicht wissen . - . ächt währ? Es ist ja sehr tapfer von ihr, sich heute in den Salb zu wagen, wo der Schnee gewiß hoch liegt, aber . . . hott, was tut man nicht, wenn man ein bestimmtes Ziel vor ch sieht? Sicher will sie nach Mairingen . . ." „Woher wissen Sie das, Gräfin?" Die frische Röte, die kälte und Wind auf Gottulans Gesicht gelegt hatten, verblich angsam. „Nun — ich denke es mir eben! Die Försterin aus siairingen war heute bei ihr . . . da liegt es doch nahe! Richt >ahr? Sie verstehen?" „Nein. Ich verstehe nicht " „Aber . . ." Los Augen schillerten ihn an wie die einer lauernden Wildkatze. Dann lachte sie leise auf. „Gott, wie schwerfAlig die Männer manchmal sind! Sie sind ja sonst sehr klug, Herr Gottulan, aber jetzt sind Sie — dumm! Na, kommen Sie nur mit!" Neben dem Wunsch, Adalises „Streiche" ein für allemal unmöglich zu machen, empfand Lo eine tiefe Genugtuung, diesem „hochmütigen, selbstbewußten" Menschen, der sie ein mal so völlig übersehen hatte, nun „vom hohen Roß herab- zuhelfen". Aber er stieg nicht herab. Scharf und kalt senkte sich sein Blick in den ihren. „Möglich, daß ich dumm bin, gnädigste Gräfin. Indessen bin ich auch ehrlich und verachte. . . Schleichwege. Darum müssen Sie Ihren interessanten Spaziergang schon allein fortsetzen." Er lüftete den Hut und verbeugte sich gemessen. „Sic verzeihen, Gräfin, man erwartet mich in der Fabrik..." „Aber so warten Sie doch noch einen Augenblick, Herr Gottulan! Lassen Sie sich erst erklären . . ." „Danke. Ich liebe Einblicke in anderer Angelegenheiten nicht, wenn sie von einem niedrigen Standpunkt aus geboten werden." „Anderere Angelegenheiten? Es sind doch die Ihrer Frau!" „Eben darum. Meine Frau, deren Freundin Sie sich nennen,' gnädigste Gräfin, steht mir viel zu hoch für Unter redungen dieser Art." Sein Blick war noch kälter, sein Ton schneidender ge worden. „Wünschen Sie sonst noch etwas, gnädigste Gräfin?" Lo Ändermatt starrte ihn verwirrt an. Dann sagte sie dreist: „Ja! Ich möchte wissen, ob das — Liebe ist oder Gleich, gültigkeit?" Gottulan verbeugte sick höflich. „Es sind Achtung und Vertrauen!" sagte er ernst und war im nächsten Augenblick im Schneetreiben verschwunden. Wütend starrte ihm Lo nach. Dieser Mensch! Immer verstand er es, mit aalglatter Geschicklichkeit sich ihren Pfeilen zu entziehen. Immer zog man den Kürzeren ihm gegenüber! Wie sie ihn haßte dafür!! Dann erinnerte sie sich an den Zweck ihres Ausgangs und schlug hastig den Weg nach dem Wald ein. Adolise war denselben Weg eine halbe Stunde früher ebenso hastig geschritten. Ohne viel zu denken, nur einem Trieb folgend, schritt sie dahin. Erst als sie den Wald' erreicht hatte, der wie ein Weihnachtsmärchen aussah in seiner weißen, glitzernden Pracht und der heiligen Stille ringsum, blieb sie plötzlich betroffen stehen und blickte mit großen Augen wie erwachend um sich. Ihr war gewesen, al» hätte sie Leos Stimme aebört, die fragte: „Wohin aebk du, Adalise?" So deutlich war die Empfindung, daß es sie wie ein eisiger Schauer durchrann. Wenn Leo jetzt hier wäre —! Wenn er wüßte —! Brennende Scham trieb ihr das Blut ins Gesicht. Was hatten sie tun wollen! Sich heimlich zum Stelldichein mit einem anderen schleichen hinter dem Rücken ihres Mannes! Wie schmählich! Sie begriff sich selbst nicht mehr. Sie liebte doch diesen anderen gar nicht! Ein Spiel war alles. Aber ein Spiel um ihre Ehre und die des Mannes, dessen Namen sie Rüg! Warum wurde ihr das nicht längst klar? Plötzlich schreckte sie zusammen. Vor ihr hinter dem Vor hang lautlos niederwirbelndcr Flocken erklangen Schritte... Eine sinnlose Angst, packte sie. Nein, Löwenkreuz durfte sie hier nicht treffen, nicht einmal ahnen, daß sie kopflos genug gewesen war, zu kommen. Links zweigte ein schmaler aus getretener Steig vom Weg ab, der sich schon nach wenigen Schritten im Gewirr junger Fichten verlor. Ohne zu über legen oder zu wissen, wohin der Pfad führte, lief Adalise ihn entlang. So schnell, als wären Tod oder Verderben hinter ihr drein. . Als sie nach einer halben Stunde atemlos unL trotz -er 1 Kälte glühen- heiß Halt machte, fand sie sich auf einer ein samen Waldlichtung. Dürre Reisigberge, klafterweis geschich tetes Brennholz und viele abgeholzte Stämme, alles vom Schnee fast ganz bedeckt, standen und lagen regellos durch einander. Zwischendurch wand sich -er Pfad, -er sich hier gabelte. Einer führte nach links, der andere geradeaus an- steigend weiter. Welcher war der richtige, um möglichst vasch aus dem Wald hinauszukommen? Zweifelnd blickte Adalise um sich. Plötzlich fiel ihr Blick auf ein dunkles Etwas, das, halb vom Schnee zugedeckt, zwischen einem Bündel Reisig und einem Baumstumpf am Boden hervorschimmerte. Sie erschrak heftig. Das waren ja Menschen! Ein Weib und ein kleiner Knabe. Und beide schliefen. Oder waren sie tot —? Erfroren? Schnell war Adalise Lei ihnen und rüttelte das Weib heftig. „Wachen Sie auf! Sie dürfen hier nicht schlafen! Sie erfrieren ja sonst!" rief sie, die Worte immer angeregter wieder holend, und suchte das Weib mit Gewalt in die Höhe -n ziehe«. Die Frau war jung und hübsch, wenn auch schr ärmlich ge kleidet. Blondes Haar quoll unter dem groben Kopftuch her vor, lange, dunkle Wimpern lagen über den geschlossenen Augen in dem schmalen, blassen Gesicht. Der Knabe «eben ihr mochte etwa drei Lis vier Jahve alt sein, war -unkellockig, und Adalise fand, daß er aussche wie ein Muvilloscher Eng^kopf Endlich schlug das junge Weib -ie Augen auf, schloß aber gleich wieder schlaftrunken.