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Erzgebirgischer Volksfreund : 06.07.1924
- Erscheinungsdatum
- 1924-07-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1735709689-192407061
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1735709689-19240706
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1735709689-19240706
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Erzgebirgischer Volksfreund
-
Jahr
1924
-
Monat
1924-07
- Tag 1924-07-06
-
Monat
1924-07
-
Jahr
1924
- Titel
- Erzgebirgischer Volksfreund : 06.07.1924
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Srzgebirgischer Dolkssreund. Verlag L. M. Särkner, Alle. r. Beldlatl. - Wie sollen wir Reparationen leisten. W. W. Der zähe und furchtbare Kampf, den Deutschland leit dem Tage von Versailles fünf lange Jahre hindurch um seine nackte Existenz zu führen hatte, kommt seinem Kulmi- mtionspunkt immer näher. Die kürzlich unter größten Schwis- ngkeiten zu Stande gekommene Verlängerung der Mieum- Verträge ist ein Provisorium, dessen Unhaltbarkeit schon da- »uvch klar wird, daß bereits heute eine Kündigung der neuen Viieumverträge am 20. Juli zum 1. August bestimmt in Aussicht zenommen ist. Bezeichnend für die überaus kritische Lage der »rutschen Wirtschaft ist auch die veränderte Stellung der In- dustrie zum Sachverständigengutachten und der Erfüllbarkeit, die in den eingehenden Verhandlungen im Hauptausschuß des Reichsverbandes der Deutschen Industrie im Gegensatz zu dem vom Präsidium und Vorstand am 24. April gefaßten Reso lution zum Ausdruck kann Da die Industrie aus sich selbst heraus die ungeheuerlichen Lasten, die ihnen die Mieum, aber auch der Dawesplan aufer- legt, unmöglich weitertragen kann, wenn sie nicht völlig zu- lammenbrechen soll, da ferner die Finanzierung der Micum- lasten auch nur zum Teil durch das Reich auf längere Zeit un möglich ist, andererseits der Vorschlag der Sechserkommission, daß die Alliierten zu einem Viertel die Finanzierung aus der Besatzungskasse durchführen sollten, strikt abgelehnt wurde, so erscheint kein möglicher Ausweg, wenn nicht der, mit allen noch verfügbaren Kräften das In- und vor allem das Ans- landsgeschäft zu heben, d. h. die Produktion zu steigern und dadurch zu verbilligen. Jedem Einsichtigen muß unter diesen Umständen der von innerpolitischen Motiven getragene Kampf um die Arbeitszeit und das unentwegte Festhalten an der ver hängnisvollen Revolutionserrungenschaft des „Achtstunden tages" als ein Heller Wahnsinn erscheinen. Nicht so den Neun malweisen, die sich erst unlängst in Genf auf der Internatio- nalen Arbeiterkonferenz eingehend mit dem deutschen Arbeits- zeitvroblem beschäftigt haben und sich nicht genug darin tun konnten, immer wieder auf die „Gefahr" der deutschen Arbeits zeitüberschreitung hinzuweisen. Auch in Paris schaut man mit mißtrauischen Augen nach Deutschland, wo unter dem Druck ungeheuerer Leistungsverträge das Problem der Mehrarbeit seiner endgültigen Lösung unter allen Umständen näherge bracht werden muß. Im französischen Arbeitsministerium fand eine eingehende Besprechung zwischen dem englischen Arbeits minister Tom Shaw und dem französischen Arbeitsminister Godart im Beisein der beiden Direktoren des Internationalen llrbeitsamtes Albert Thomas und Butler statt, bei der die durchaus irreführende und falsche Behauptung aufgestellt vurde, daß der Sachverständigenbcricht auf dem Gedanken der Beibehaltung des Achtstundentages und der gleichmäßigen Be lastung aller Industrienationen (also auch Deutschland) auf gebaut sei. Der Plan der Reparationszahlung sei in keiner Weise abhängig von einer Verlängerung der Arbeitszeit. Dem gegenüber muß festgestellt werden, daß dieser Versuch die Rati fizierung des Washingtoner Arbeitszeitabkommens als eine Voraussetzung des Dawes-Planes und seiner Durchführung zu konstruieren, völlig abwegig ist, da das Sachverständigen gutachten die Arbeitszeit und das Abkommen überhaupt uner wähnt läßt und noch dazu die Verordnung über die Arbeits zeitverlängerung vom Dezember vorigen Jahres schon bestand und in Anwendung war, als der Dawesplan zur Abfassung kam. In diesem Zusammenhänge erscheint eine Kritik der bis her Deutschland gegenüber neutralen „Basier Nationalzeitung" bemerkenswert, in der diese die verständliche Frage aufwirft: Woher sollen die Reparationen bezahlt werden? Drei und mehr Goldmilliarden im Jahr findet man nicht leicht, auch nicht in Eisenbahnen. Durch M eh ra r b ei t der deutschen Arbeiter soll es nicht geschehen; das ist vortrefflich. Aus dem Kapital Deutschlands ist an Zuwendungen nicht zu denken. Im Gegen teil, es bedarf dringend frischer Blutzufuhr: die Knappheit der Mittel führen zu dauerndem Substanzverlust. Deutscher Kan-lungsgehttfentag. Den Höhepunkt den Tagung -es Deutschnationalen Han-lungs- gehilsen-Berbandes in Königsberg nahm -er Kaufmannsgehilfentag ein. In hinreißender Rede, durchglüht von starker Liebe zu Volk unü Vaterland, erfüllt von der großen Verantwortung -er einzelnen Berufsstände gegenüber dem Ganzen, entwickelte Hans Bechly in zweistündiger Rede nachfolgenden Gedanken: Durch Ursachen, di« tief in unserer Vergangenheit wurzeln, un- terlag das deutsche Volk geistig allzuleicht dem Siegeszuge -es Ka pitalismus. Wir wurden zu schnell, zu unvermittelt grotzinüustriell und hochkapitalistisch. Der Nutzen wurde entscheidend, -er Mcnsch unü sein Schicksal traten zurück. Di« Revolution setzte neu« Macht haber an Stelle der alten; sie verschärft« -ie Schwachen des alten Staates bis ins Unerträglich«. Würdeloser Pazifismus wurde staats- erhaltendcs Prinzip. Auch der Parlamentsherrschaft können wir nicht froh werden. Die Interessen erdrücken die Staatsidee, den Ge meinschaftsgedanken. Unser politisches Leben krankt am Parteihasse un- leidet unter den Formen des Parteikampfes. Daß es bei gutem Willen mög lich ist, die Gesinnung den Vorrang zu geben, wird durch diese Tagung bewiesen, -ie Anhänger aller bürgerlichen Parteien in Ge^in- n uu g sg e me i n s ch a f t umfaßt. Damit wirken wir beispielgebend für das ganze Volk. Nur über solche Gesinnungsgemeinschaft inner halb der beruflichen Gruppierungen unü aller Sichten und Stände untereinander führt der Weg zur wahren Volksgemeinschaft. Wir stehen inmitten des Sturmangriffes der manche st er lichen Ideen von der Freiheit der Wirtschaft gegen den Staat. Was von Dr. Voegler auf -er großen Industrictaqung dieses Jahres verlangt wurde, ist nichts anderes als Wiederherstellung -es alten Manchesterstaates. Er soll Leben und Eigentum schützen, für Zucht, Autorität unü Ordnung sorgen, notfalls auch noch Steuern be- schließen, sich aber von jedem Eingriff in die Wirtschaft scrnhalten. Das bedeutet schrankenlose Herrschaft des Kapitalismus über Volk und Staat. Und dagegen erheben wir als Arbeitnehmer und vom Standpunkte der Volksgemeinschaft aus schärfsten Widerspruch. Wir leugnen keinen Augenblick die Bedeutung der Wirtschaft, haben schon ISIS uns gegen die Sozialisierung^v'clerei gewendet, erkennen die Notwendigkeit gesteigerter Arbeitsleistung. Gerade aus unserer Ein stellung heraus lehnen wir den Weg Dr. Doeglers als grundsätzlich falsch unü geradezu staatsgefährlich ab. Das Primat der Wirtschaft im Sinne des Dr. Doeglers bedeutet Vorherrschaft kapitalistischen Den kens und damit Verewigung der schärfsten Verfallsursache unseres Volkes. Dr. Voegler betont in Anlehnung an ein ehrenwertes Wort des alten Krupp: „Zweck der Arbeit muß das Gemeinwohl sein". Wir fragen, wer folgt solchem Wort? Im Kampf zwischen Gemeinwohl und eigenem I"' siegt in der übergroßen Mehr heit allen Fälle immer das letztere. Die Anweisungen der Vereinigung deutscher Arbeitgeberverbände zur planmäßigen Sabotage gesetzlicher Einrichtungen, di« den Arbeit- nehmerintereffen dienen könnten (Echlicbtungsausschiisse), dazu die Instruktion zur Ausschaltung der Gewerkschaften zeigen den klaffen den Widerspruch zwischen den Worten Dr. Voeglers unü der ganz allgemeinen Praxis. An dem Geist, der aus diesem System spricht, muß jeder innere Wiederaufbau scheitern. Deshalb lehnen wir diesen Goist als verderblich unü zerstörend ab. Am Nützlichkeitsstandpunkt ist auch der gute Gedanke üer Ar beitsgemeinschaft im wesentlichen gescheitert. Wir halten an der Idee fest, sind allerdings der Meinung, daß ohne grundsätz liche Aenderung im Geist, nicht in der Form, die Unfruchtbarkeit der Zentral-Arbeitsgemeinschaft wicht beseitigt werden kann. Unser Wille und unsere Sehnsucht nach wirklicher und echter Arbeitsgemein schaft aller Teile des deutschen Volkes geht aus von der tief wurzeln den Uebsrzeugung, daß Deutschland noch genügend Lebenskräfte zum Neuaufbau deutschen Volks- und Staatslebens besitzt. In der natio nalen religiösen Jugendbewegung, in dem Erwachen des religiösen Geistes überhaupt erblicken wir starke sittliche Kräfte. Man wagt, seinen Gottglauben wieder zu bekennen. Das nationale Gewissen urrd Bewußtsein tritt stärker hervor, begeistertev Wille zur Wehr haftigkeit beginnt den deutschen Pazifismus zu verdrängen, noch fehlt die Liebe zueinander, noch fehlt die Anerkennung des Kant- scheu Wortes, daß der Mensch, da er Träger des Sittengesetzes sei, nie als Mittel für selbstsüchtige Zwecke anderer gebraucht werden darf. Aber wir lassen uns den Glauben nicht nehmen, daß Füh rer in ollen Schichten entstehen werden, die mit üer Kraft ihres Geistes uns zu diesem Ziele führen könnem I Handel, Jnduslrie, Dolkswlrtlchast. Münster, 4. Juli. Während bisher die jeweiligen Ver handlungen vor dem Schlichtungsausschuß ausschließlich mit einem Schiedsspruch endeten, der die Löhne auf einen be« stimmten Bezirk festsetzte und zwar häufig trotz Abneigung! der Arbeitgeber gegen einen allgemeinen Tarif, hat der Schlichtungsausschuß Münster, wahrscheinlich wohl als erster, von der Aufstellung eines Lohntarifes abgesehen und die Lohnfestsetzung freigegeben. Die Entscheidung geht noch wett über den Antrag der Arbeitgeber hinaus, die lediglich eine Spannweite der Festsetzung der Löhne gewünscht hatten, um es zu ermöglichen, den wirtschaftlichen Verhältnissen der Be- triebe Rechnung zu tragen. Steuerfragen. Stundung von LohnsteuerbetrSgen. In letzter Zeit haben wiederholt Arbeitgeber bei de« Finanzämtern um Stundung der nach den Bestimmungen des Art. 1 88 16—26 der Zweiten Steuernotverordnung von den Bezügen ihrer Arbeitnehmer einbehaltenen Lohnsteuerbeträge nachgesucht. Die Bewilligung einer Stundung solcher Beträge ist nach dem Wesen des Steuerabzugs vom Arbeitslohn aus geschlossen. Die Lohnsteuerbeträge sind nicht Steuern, die der Arbeitgeber aus seinen Mitteln zu zahlen hat. Das Gesetz verpflichtet lediglich den Arbeitgeber, einen bestimmten Teil des Arbeitslohns statt an den ursprünglichen Gläubiger, den Arbeitnehmer, an dessen Steuergläubiger, das Reich, abzu führen und das Reich empfängt in der Leistung des Arbeit gebers das, was ihm der Arbeitnehmer schuldet. Der Arbeit geber zahlt seinem Arbeitnehmer von vornherein um so viel weniger an Lohn, als dieser dem Reiche schuldet. Da die Be willigung einer Stundung solcher Beträge wirtschaftlich der Gewährung eines Kredits an den Arbeitgeber aus Kosten des Reichs gleich kommen würde, ist schon aus diesem Grunde, ganz abgesehen von der finanziellen Notlage des Reichs, ein« Stundung von einbehaltenen Lohnsteuerbeträgen völlig aus-* geschlossen. i Amtlich wird uns geschrieben: Nach 8 35 der Durchfüh« rungsbestimmungen über den Steuerabzug vom Arbeitslohn 'hat jeder Arbeitgeber den von ihm gezahlten Arbeitslohn einschließlich des steuerfreien Lohnbetrags unter Angabe de» Zahltags und getrennt nach laufenden Bezügen und einmali gen Einnahmen sowie nach Barlohn und Sachbezügen unk. vie von, Arbeitslohn einbehaltenen Steuerbeträge unter g« nauer Bezeichnung des Arbeitnehmers (Name, Beruf, Famr« lienstand, Wohnort, Wohnung) unter Anlegung eines Kontos für jeden Arbeitnehmer, in Goldmark fortlaufend aufzuzeich-' nen und die Aufzeichnungen bis zum Ablauf des dritten auf' die Lohnzahlung folgenden Kalenderjahrs aufzubewahren. Es ist festgestellt worden, daß trotz wiederholter Hinweise durch die Presse, viele Arbeitgeber dieser Verpflichtung bisher, nicht nachgekommen sind. Zur Vermeidung von Weiterungen werden die Arbeitgeber erneut angehalten, die Vorschrift des! 8 35 a. a. O. genauestens zu beachten. Die Finanzämter sind» angewiesen, Verstöße hiergegen mit hohen Strafen zu be legen. - Gin« Mutter, die sich zu helfen weiß, nährt ihr Kind mit Nestle'L Kin-ermrhl: Dieses altbewährte Kräftigungs- und Nährmittel be steht aus reiner fetter Alpeukuhmilch, feinstem Weizenmehl, Rohr zucker unü Maltose und enthält in leicht verdaulicher Form all« notwendigen Nährstoffe, die den Körper des Kindes sichtlich gedeihen lassen. Ein Krvftsüpplein aus Nestle's Kindermehl, einfach mit! Wasser gekocht, ist wicht nur für Kinder, sondern auch für Erwachsene, namentlich für wählerische Krank«, eine wahrhaft stärkende, dazu äußerst wohlschmeckende und leicht verdauliche Kost. Nestle's Kinüer- mehl ist — bei seiner konzentrierten Beschaffenheit unü seinem hohen Gesundheitswerte — billig, denn I Originaldosc kostet in allen Apotheker und Drogerien usw. nur M. 1,S0. Adakfes Ehe. . Roman von Erich Eben stein. Copyright 1920 by Greiner L Comp., Berlin W. 30. Nachdruck und Uebersetzungsrecht in fremde Sprachen vorbehalten. (36. Fortsetzung.) )O doch! Sie kennen die Männer nicht, Kind! Und noch weniger die Macht einer Frau, wie Lo, über Männer vom Schlag des Prinzen!" Adalise lachte noch stärker. „Mag es Lo doch versuchen! Ich werde sie sicher nicht daran hindern!" „Aus Gleichgültigkeit oder — Siegesgewißheit?" forschte die Baronin neugierig. Aber Adalise ließ sich nicht ausfragen. Sie nahm plötzlich eine etwas hochmütige Miene an. „Ich habe mir wirklich noch nicht Zeit genommen, darüber nachzudenken, meine Liebe," sagte sie gemessen. Innerlich aber belustigte sie der Gedanke über die Maßen, Lo könne wirklich meinen, ihr Löwenkrcuz abspenstig zu machen. Diesen nur allzu Getreuen, allzu Verliebten, der fast starb vor Sehnsucht, sie zu sehen! Ach nein — den verlockte keine andere. Bä Tisch ging es heute sehr lebhaft zu. Die Damen sprachen von dein geplanten Waldfest, für das sie einen präch- tigen Platz in einer tannenumrahmten Waldwiese gefunden hatten, kie sie Lo Andormatt nun beschrieben. Man besprach Linzeiheven, machte Vorschläge und beschloß zuletzt, das Wald fest, erstens in Kostüm, zweitens schon sehr bald zu feiern. Die Herren unterhielten sich über die neue Fabrik. Graf Andermal ließ sich trotz seiner Spöttereien am Morgen schein bar sehr interessiert über die Eröffnungsfeier berichten und machte grcße Augen, als Manfred die Namen der Gäste nannte. Auch die Damen horchten einen Augenblick verwundert auf, als sit hörten, Fürst Eckart von Eckartsau-Schlohstein sei dagewesen und ein Sektionschef aus dem Handelsministerium. „Und iarf man denn nun endlich erfahren, was in Ihrer Fabrik gearbeitet wird?" wandte sich der Graf an den Haus herrn. j „Gewiß" antwortete Leo Gottulan höflich. „Da wir seit drei Tagens das Patent für unsere Erzeugnisse in Händen haben, liegtuein Grund mehr zur Geheimhaltung vor. Wir verwerten dirt eine Erfindung meines Schwagers, aus Holz faserstoff um Lederabfällen einen äußerst dauerhaften Leder ersatz herzusPlen. Die Verwendungsmöglichkeit ist fast unbe grenzt, da chs mit Hilfe eines besonderen chemischen Ver- sichren» hergstellte Fabrikat ebenso haltbar al» schmiegsam und wasserdicht ist, wie echtes Leder. Gegenwärtig arbeitet mein Schwager, der Teilhaber an der Fabrik ist, daran, seine Erfindung noch weiter auszubauen. Wir hoffen, dadurch künf- tig aus dem neuen Stoff, den wir „Mana" nannten, nicht nur alles Herstellen zu können, was man bisher aus Leder machte, sondern auch, indem wir „Mana" Härten, Gefäße und über haupt Gegenstände von starren Formen zu arbeiten." „Das ist ja sehr interessant," nickte Andermatt, der sich bei der ganzen Sache weiter nichts rechtes vorstellen konnte, scheinbar sehr verständnisvoll. „Ein Leder-Ersatz also, der „Mana" heißt! Und haben Sie denn auch schon Bestellungen darauf, Herr Gottulan?" „Mehr, als wir gegenwärtig werden bewältigen kennen!" „Darf ich mir gleich ein Paar Reitstiefeletten bei Ihnen bestellen, Herr Gottulan, um zu seehn, ob dieses „Mana" wirklich gut ist?" rief Lo in ihrer burschikosen Art über den Tisch herüber. Gottulans Helle Augen richteten sich spöttisch auf sie. „Leider muß ich diese Auszeichnung vorläufig ablehnen, Gräfin . . ." „Aha! Es hat also doch noch einen Haken mit der Sache, nicht wahr? Ganz so brillant wie Leder scheint Ihr „Mana" doch nicht zu sein, da man keine Stiefeletten daraus machen kann!" „Man könnte es gewiß. Aber wir befassen uns vor läufig nicht damit — ich meine mit Privatkunden und Einzel ausführungen — da wir gegenwärtig ausschließlich staatliche Lieferungen zu leisten haben." „O — Sie arbeiten wirklich für hen Staatsschatz?" Dann muß ja die Sache sehr gut sein!" bemerkte Andermatt erstaunt. „Ja. Ich glaube, das ist sie auch." In diesem Augenblick trat der Diener ein und überbrachte dem Hausherrn eine Depesche. Gottulan las sie, wurde bleich und schob sie dann langsam in die Tasche. Gleich darauf hob Adalise die Tafel auf. Man wünschte sich gesegnete Mahlzeit und begab sich wie gewöhnlich auf die Terasse, wo Kaffee und Zigaretten gereicht wurden. Gottulan folgte den Gästen heute nicht, und ein Blick von ihm hielt auch Manfred zurück. „Bitte, geh einstweilen in mein Arbeitszimmer, ich komme gleich nach." Dann ließ er Adalise durch einen Diener er- suchen, gleichfalls einen Augenblick in sein Zimmer zu kommen. Als Adalise etwas erstaunt eintrat, schob er ihr höflich einen Stuhl hin. „Ich habe euch beiden leider eine traurige Mitteilung zu machen," sagte er ernst. „Mara telegraphierte mir soeben, daß Onkel Lebrecht verschieden ist. Er hatte gestern abend schon einen leichten Schlaganfall, der sich in der Nacht vMLrkt wiederholte. Um elf Uhr ««schied er dann," Einen Augenblick saßen die Geschwister wie gelähmt da. Dann brach Adalise in Tränen aus. ! „Der Arme, Gute! Er war immer wie ein Vater zu uns,' seit Papa tot ist!" schluchzte sie. Auch Manfred war tief erschüttert. ' § „Arme Mama! Für sie wird der Verlust ganz unersetzlich , sein. Onkel hat ihr so viele Sorgen erspart und jeden Stein j aus dem Wege geräumt!" , „Dies fortan in gleicher Weise zu tun, muß nun unsere Aufgabe sein. Mama ist nicht gewöhnt, selbst für sich zu sorgen, also müssen wir es tun," sagte Leo. „Ich denke, es ist am besten, wenn ihr gleich zu ihr fahrt. Bei deinen Gästen werde ich dich entschuldigen, Adalise." „Ja, bitte ... ich möchte jetzt wirklich niemand sehen .. sie war ganz verstört und blickte hilflos vor sich hin. Dabei gingen die Gedanken in ihrem Kopf wie ein Mühlrad. Plötz-, lich fuhr sie auf. > „Mein Gott, und morgen sollen ja Gärtners kommen und) Rittmeister von Wenk! Was fange ich an? Ich kann doch jetzt', nicht das Haus voll Gäste haben . . .", sie schluchzte wieder. „Rein, das wird wohl nicht gut gehen. Wenn du mir di», Adressen der Herrschaften gibst, will ich es gern übernehmens ihnen abzusagen. Und nun fasse dich, Adalise. Man muß' immer den Kopf oben behalten, auch, in solch traurigen Stunden." Sein teilnehmender, gütiger Ton und die Ruhe, mit der er alle Anordnungen traf, taten Adalise wohl. Unsicher sah ße zu ihm auf. Vielleicht erwartete sie, daß er sie nun in di« Arme und trösten würde. Aber nichts dergleichen geschah. Leo Gottulan wandte sich' an Manfred und besprach halblaut einige Anordnungen füy das Begräbnis. Dann ging er, um den Chauffeur zu verstän digen, da sie mit dem Auto rascher als mit der Bahn zur Stadt kamen. Eine Stunde später fuhr Adalise mit Manfred von Karo linenruhe fort. Niemand von ihren Gästen ließ sich dabei blicken oder hatte vorher versucht, sie zu sehen. Nur Gottulan stand mit ernster Miene auf der Rampe und blickte dem Gefährt nach, bis es in Staubwolken ««schwand. > Adalise empfang über die vollkommene Zurückhaltung ihr« Gäste, besonders Uber Lo's und Mary s Verhalten ein leises Erstaunen. / Hatten sie denn gar nicht das Bedürfnis, ihr ein paar herzliche Worte zu sagen! Sie wußten doch ganz gut, daß Onkel Lebrecht iHv zweit« Dat« gewesen war. War es Taki oder — .Mangel an Teilnahme, was sie so unsichtbar dlelbM - - . V'"
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