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Würde. Schützen mußte der Förster sie, mochte es kosten, was es wollte. Fiel er, so blieb er im Walde, dann war er aus seinem Posten gefallen. Dieser Gedanke machte ihm die Nächte erträglich, wenn er in einem heimlichen Unterstand im Walde lag und auf das Rauschen der Föhren und Tannen lauschte. Der Schnee war gefährlich. Er hinterließ Spuren, und man mußte vorsichtig sein. Durch Maskierungen aller Art war es ibm bis jetzt aelunaen. die Veriolaer m täuschen. Man wollte gangenen Sommer 14 Enden geschoben. Der ging noch immer aufwärts. Der Kurzbeinige aber mit der tiefen Brust und der geringen Mähne bildete bereits zurück. Ueber seiirU'24 Enden würde der nicht mehr aufsetzen. Ein Vierjähriger mit dunklen Läufen hatte Zukunft, den wollte er schonen. Auch der Zwöl fer ließ sich noch immer gut an. Am liebsten aber mochte er den ungeraden Zehner. Seine dichte Bemähnung und der Helle Rücken deuteten an, daß er mal ein Mordskerl werden glaube. Knud jah nach der Uhr. Gleich waren sie am Ziel. — Vrobe Fahrlässigkeit... Vergehen im Dienst... Er zuckte -ie Achseln, murmelte etwas von Silvester, Zollschranken und zog die Tür ins Schloß. Innerlich schalt er auf sich, aber der Gedanke ließ ihn nicht los: Dieser so frisch duftende Toten- jranz hebt die Wirkung des silbernen, des nächtlichen Spukes auf. Kam die fromme Frau unbehelligt durch die Sperre, war er gerettet; nicht sein, noch seines Weibes Hügel bedurfte ' Das sturmbewegte Jahr 1914 neigte sich seinem Ende zu. Dei Feind hatte sich bis zur Angerapp und den masurischen See« Vorgeschoben. Durch die Rominter Heide klingelte ein Schlit ten, in dem zwei russische Offiziere saßen. Sie wollten nack Kaiserlich Nominten ins „Hotel zur Post", wo sich der Stal -einquartiert hatte. Schnee lastete auf den mächtigen Tannen, Kie in erhabener Ruhe den Weg säumten. i Da schnoben die Tiere laut. Unwillkürlich riß der Kut scher sie an den Zügeln zurück. Es sauste in langen Sprünge« schattenhaft über den Weg. Hirsche, ein ganzes Rudel pracht voller Hirsche! Der Schnee stäubte hinter ihnen auf. Mit Ge dankenschnelle waren sie verschwunden. „Uih, uih, was fm wundervolle Tiere!" brach der ältere der Offiziere aus. „Se «twas habe ich, bei Väterchens Bart, noch nicht gesehen." Der Bauer wandte sich auf dem Kutschbock zurück. Er verstand Wohl weniger, was der Russe sagte, aber er sah, wie «r sich aus der Pelzdecke hastig herauswickelte, nach einem Karabiner griff und Miene machte, den Hirschen zu folgen. „Bitte, bleiben Sie, Ew. Gnaden", bat der Bauer. „Es ist Nicht gut, hier zu wildern." „Wildern?" brauste der Russe auf. „Das hier ist unser Land!" „Schon recht", lenkte der Bauer ein, „aber Sie wissen Vielleicht nicht, daß einer der kaiserlichen Förster zurück geblieben ist und die Hirsche Pflegt." Der Fremde lachte laut: „Märrchen, schönne Märrchen von deutsche Treue sein dießes. O, ich weiß auch den Namen von Förster, heißt Schmitz. Hat Rübben und Heu in Wald geschafft für Irische, schießt jeden tott, der Kaiserirrsche klaut. Wollen sehen, ob's wahr is. Pascholl Nike", rief er dem Adjutanten zu, „nimm Deine Flinte und komm! Die andern Schlitten mit unsern Leuten werden auch bald da fein, können aufladen helfen." Der Bauer seufzte. Zu verhindern war hier nichts. So rieb er sich die Hände warm und wartete. — Durch den Wald zog Schmitz. Sein grüner, kurzer Pelz war erdfahl geworden. Erdfarben Gesicht, Hände, Mütze und die ungeputzten Stiefel. Nur der blonde Bart und die Hellen Augen hoben sich von dem Grau ab. Lauernd tastete er sich Schritt um Schritt weiter. Auf dem Arme trug er eine Holz art. Er kam von einer Fütterung und wollte zu dem kleinen Waldbruch nahe der Straße. Dort gedachte er Erlen, Weiden und Espen umzulegen, damit die Hirsche ihren Hunger an den saftigen Knospen und der grünen Rinde stillen konnten. In Friedenszeiten besorgten Waldarbeiter dieses Geschäft. Jetzt war er allein. Allein hatte er in den Herbsttagen Heuftapel aufgeschichtet, Rübenmieten angelegt, Kastanien und Eicheln in Erdlöchern versteckt, da er damals schon damit rechnete, die Russen könnten wiederkommen. Jetzt schaffte er auf einem Handschlitten das Futter an gewisse Stellen, wo seine Pfleg linge bei Tage unterstanden. Sie kannten ihn und folgten seinem armseligen Fuhrwerk vertraut auf 30 bis 40 Schritt. Und der Förster hatte die beste Gelegenheit, auch sie kennen zu lernen. Er wußte, der Ramsnaslge hatte im ver Trmr Mlebr Silvesterstizze von Otto Boris. ihm ans Leben; es war zu schnell bekannt geworden, oatz man in die Rominter Heide Wohl mit der Flinte hinein, aber nie mals binauskam. So zog er heute wieder einmal durch den Wald. Sein ganzes Wesen war Lauschen. Knackte ein Nestchen, so bliel er wie versteinert stehen. Fiel ein Tannenzapfen, so hob ei den Kopf, griff nach der Büchse und ließ seine waldgewohnter Augen die Umgebung absuchen. Auf diese Weise kam er nur langsam vorwärts. Plötzlich stutzte er. Klang das nicht Wik Schlittengeläut? Die Bauern fuhren schon lange nicht mehi in den Wald. Aergerlich war es, daß die Hirsche gerade da- kleine Bruch in der Nähe der Straße sich zum Aesen aus gesucht hatten. Es blieb still. Nur das Blut in den Schläfen rauschte. „Du bist heute so seltsam aufgeregt", sagte er zu sich, denn er war schon lange gewohnt, mit sich selber zu reden. Was mag es für ein Tag sein? Es ist fast zu lautlos für einen Axtschlag. Er prüfte die Schärfe und sah dabei aus seine Hände. Die Handrücken waren in viele ktoin- zersprungen. Blut und Schmutz klebte an ihnen und macht« sie schwarz. Jetzt zuckte er zusammen und wurde augenblicklick regungslos wie ein stiller, modernder Baumstumpf. Die Hirsch« kamen. Sie schienen verfolgt zu werden, denn sie sicherte, nach rückwärts, bewegten lebhaft die Luser und pendelte, aufgeregt mit dem Wedel. Des Försters Mund war schmal geworden. Seine Augen begannen unheimlich zu glänzen. Ei rechnete kurz nach, verglich die Bewegungen des Wildes mi der Richtung und wußte genug: Zwanzig Schritt rechts Vov wärts und warten! Da sah er sie kommen. Zwei waren es. Wohl verstände, sie zu pirschen. Ihre Tritte verursachten nicht das leiseste Go räusch. „Jäger wie ich", dachte Schmitz. „Ihnen soll ei, ehrlicher Waidmannstod beschert sein. Die Luft ist zu still sonst hätten die Tiere sie schon längst gewindet." Nun Haiti der eine Fremde einen Hirsch freibekommen. Behutsam strick er die Flinte an einem Baum an. Sorgfältig zirkelte er ml dem Korn auf dem Blatt des Tieres herum. Aber gleich zeitig suchte ein anderes Korn sein Herz. Ein Doppelknal zerriß die Stille des Waldes. Der Hirsch stieg kerzengerade auf, machte ein paar ge waltige Fluchten, fiel, schnellte mit den Läufen und lag still Der fremde Mann ließ das Gewehr fallen, griff mit de, Händen um sich und stöhnte schwer, dann brach er zusammen aufgelöst wie ein gestoßener Sack. Laut polternd rasten dii Hirsche davon. Nun wurde es totenstill im Walde. Der fremde Man, lag allein da. In der Ferne schrie ein Käuzchen. Ein Schnes klumpen polterte dumpf auf den Boden. Einige Meisen wäret erwacht und zirpten aufgeregt. Leise, locker, lustig tänzelte, die Flocken herab, immer dichter, immer eiliger. Im Hotel zur Post brannten im grauen Zimmer groß Wachskerzen zu Häupten eines Mannes, der auf einem Tisck aufgebahrt lag. Der alte Oberst strich leise über das Gesich! des Toten: „Warst ein braver Kerl!" Dann drückte er den Adjutanten die Hand, wiegte bedenklich den Kopf und sagte „Teure Hirsche, teure Hirsche hat der Kaiser." Niki sagte leise: „Es wäre schon das Beste, wenn dei Herr Oberst..." „Weiß, weiß" — nickte der alte Herr — „ich werd« meinen Leuten verbieten, in den Wald zu gehen." Stille herrschte an der Abendtafel. Glockenklang ließ fick vernehmen. „Das alte Jahr, Exzellenz", erklärte der Wirt au! Befragen, „bald ist es zu Ende." Dann ging er rasch; ihf schüttelte das Grauen. Er wußte, das war die Totcnalockej Schmitz ließ sie in der Kaiserlichen Hubertuskapelle lauten wenn der deutsche Wald die Seele eines Feindes gefordev hatte. Draußen unter einer Tanne stand der Förster, zev knüllte seinen Filz zwischen den Händen, betete und starrt« mit brennenden Augen zu den Lichtern der menschliche, Wobnunaen herüber wie ein bunariaer Wolk. in diesem Jahre der Kränze. Schwester Lene hängte den Kranz über den Arm, di, dunkle Schwesternpelerine schützte ihn ohne Vorsatz; so ginc sie bereits unangefochten drüben auf dem harten Steinkopf pflaster mit ruhigen sicheren Schritten, als mit befreiten lachenden Mienen die drei Zöllner in den rückfahrenden Zuc kletterten. Warum sie so herzlich lachten, hat Schwester Len nie erfahren, eS sei denn, daß ich es jetzt verriet. L n 2 s « 8 Q -3 SH 8 <2 "8 cs U! KG o o b 8 <u 8 >-t r- 8 8 o § - N "8 8 8« 8 M cs 0- s 8 8 o DL § 'S -8 8 .8 M-ZN r- 8 <r> SM 8 g « M L 8 « 8 V 8 s »