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Vie Llugkatattrophe von Lagnv Trauerfeier für die Opfer von LMY. Am Ostbahnhos in Paris fand eine schlichte eindrucks volle Feier an den Vahren der Todesopfer von Lagny statt. Unter der Führung des Ministerpräsidenten war die gesamte Regierung erschienen, ferner das Präsidium beider Kammern, Vertreter dec Stadt Paris und aller zu ständigen Behörden. Der Minister für öffentliche Arbeiten, dem in Frankreich das Eisenbahnwesen untersteht, und der Vorsitzende des Aufsichtsrates der Compagnie de llEst hielten kurze Ansprachen, in denen sie betonten, dast das Unglück von Lagny das ganze französische Volk betroffen habe. Tief erschüttert verneigten sich die zahlreichen An wesenden anschließend vor der langen Reihe der Särge. Etwa 80 Särge wurden den Angehörigen zugeführt, die übrigen werden voraussichtlich auf Kosten der Eisenbahngesellschaft beigesetzt werden. Die Zahl der Todesopfer ist in der Nacht auf 201 gestic<»?n. Viele der V Zeiten, die in den Pariser Krankenhäusern liegen, schweben noch zwischen Leben und Tod. Die Untersuchung wird inzwischen fortgesetzt. Der Lokomotivführer und der Heizer des D-Zuges Paris—Straßburg sind auf freien Fuß gesetzt worden, da man vorläufig gegen sie keine greifbaren Verdachtsgründe Vorbringen konnte. Es ist immer noch keine Klarheit über die Frage geschaffen worden, ob die Signale bei der Ankunft des D-Zuges geschlossen oder geöffnet waren. Die Aussagen der ver schiedenen Zeugen widersprechen sich, und die Versuche, die auf der Strecke gemacht wurden und die ein negatives Ergebnis zeitigten, sind nicht geeignet, den Untersuchungs richter in seinen Bemühungen zu unterstützen. * Deutscher Augenzeuge berichtet über bas furchtbare ZugungM. Wie das „Augsburger Abendblatt" berichtet, war der Augsburger Ingenieur Georg Müller unter den Fahrgästen des D-Zuges Paris—Straßburg, der in so schrecklicher Weise verunglückte. Müller erzählt über die Katastrophe u. a., daß es plötz lich einen furchtbaren Knall gab. Das Licht löschte aus und das Gepäck stürzte herunter. Die Reisenden taumelten durcheinander und wurden zu Boden geworfen. Furcht bare Angstschreie durchdrangen die Finsternis. Niemand wußte, was geschehen war. Es herrschte starkerNebel. Auf zwei Meter Ent fernung schon war nichts mehr zu erkennen. Hinter dem Wagen, in dem der Ingenieur saß, lagen die Toten des Eilzuges gräßlichverstümmelt. Als dieLeucht - feuer ihren Schein verbreiteten, sah man sich inmitten eines Trümmerfeldes. Es dauerte zwei Stunden, bis der Hilfszug kam, der das Rettungsmaterial brachte und die unverletzten Reisenden weiterbeförderte. Der Hilfsdienst war sehr schlecht organisiert. Verschiedene Anordnungen kreuzten sich. Keiner der Verantwortlichen wußte aus und ein. Alles war kopflos. Man erlaubte dem Ingenieur nicht, nach Haust zu telegraphieren, und so sahen die Angehörigen Müllers einem trau rigen Heiligen Abend entgegen. Jeden Augen blick erwartete die Gattin die Nachricht von dem Tode ihres Mannes. Um so größer war die Freude, als Müller endlich zu den Seinen zurückkehrte. Eine schwarze Liste. Frühere Eiscnbahnkatastrophen. Las schwerste Eisenbahnunglück der neueren Zelt ist gerade 54 Jahre her: am 20. Dezember 1879 stürzte in Schottland die Brücke über den Tay ein, als ein Zug darüberfuhr. Zweihundert Menschen würden mit in die Tiefe gerissen und kamen ums Leben. Der französische Staatspräsident bei den Toten des Eisen bahnunglücks. Unser Bild zeigt den französischen Staatspräsiden ten Lebrun (mit Pelzmantel) mit dem Kammerpräsi denten Buisson (hinter ihm, mit Spitzbart) vor den Särgen der auf dem Pariser Ostbahnhof aufgebahrten Opfer der Eisenbahnkatastrophe in Lagny. Von den Eisenbahnkatastrophen dieses Jahrhunderts sei an das Unglück auf der Pariser Untergrundbahn am 11. August 1903 erinnert. Man zählte 90 Tote. Am 1. Dezember 1916 stießen auf der Strecke Wie u—B uda - tz»e st zwei Züge zusammen — 68 Tote. Am 30. Juli 1918 entgleiste bei L a n d s b e r g a. d. Warthe ein D-Zug, als er in einen entgleisten Güterzug fuhr. Der D-Zug stürzte ab und 40 Menschen kamen zu Tode. Am 22. Dezember des gleichen Jahres fuhr der Leipziger D-Zug inDres - den auf den Berlin—Wiener D-Zug auf. 33 Menschen wurden getötet. Der schwere Zusammenstoß zweier Gotthardzüge bei Bellinzona am 23. April 1924 forderte 30 Todesopfer, darunter Dr. Helfferich. Im Weichs el-Korridor entgleiste am 1. Mai 1925 der D-Zug Ehdtkuhnen—Berlin — 28 Reisende kamen ums Leben. Das Attentat auf den Berlin—Kölner D-Zug am 18. August 1926 bei Leiferde forderte 25 Todes opfer. Ein Zugbrand auf der Strecke Alexandrie u—« Kairo forderte am 29. Appil 1931 61 Todesopfer. In Erinnerung stehen noch die verbrecherischen Am schlage Matuschkas bei Jüterbog und bei Bia Torbagy. Der Jüterboger Anschlag am 9. August 1931 forderte glücklicherweise nur ein Todesopfer, aber beim Absturz des Budapester D-Zuges auf den Viadukt von Bia Torbagy kamen 25 Menschen ums Leben. Bis zu 44 Grad KM« in «SA. In den nördlichen Gebieten der Vereinigten» Staaten herrscht eine ungeheureKälte. Vielfach wurden die Kältehöchstzahlen der letzten 50 Jahre über schritten. In Illinois, Iowa, Nord- und Süd-Dakota, Michigan und Wisconsin wurden Temperaturen von 26 bis 35 Grad Celsius Kälte gemessen. Aus Minnesota werden sogar 44 Grad Celsius unter Null gemeldet. In Chikago herrschen 23 Grad unter Null; dort sind zwölf Personen der Kälte zum Opfer gefallen. Tagesspruch. Wem zu Hause nicht wohl ist, dem wird selbst das Vater land zu enge; er verläuft sich in der Welt als Irrwisch. HiiLer bei seinen alien Mitkämpfern in München. Ansprache auf der Weihnachtsfeier. In München versammelten sich 600 SA.- und SS.- Männer im festlich geschmückten Saal des Hotels Wagner zu einer Weihnachtsfeier. Der Führer, der in Begleitung seines Adjutanten Brückner erschien, wurde mit unbeschreiblichem Jubel empfangen. In einer kurzen An sprache wies er auf den Friedenswillen des deutschen Volkes hin und betonte, daß das deutsche Volk aber auch gleichberechtigt unter Gleichberechtigten. sein wolle. Nach einem kurzen Hinweis auf die innen- und außenpolitischen" sowie die wirtschaftlichen Ziele der nächsten Zeit wünschte der Führer seinen SA.- und SS.- Kameraden ein recht frohes Weihnachtsfest. Die Gäste wurden mit einem reichlichen Mittagessen bedacht. Außerdem erhielt jeder noch einen großen Teller mir Äpfeln, Nüssen und Konfekt für die Kinder und, außer dem ein Los der Arbeitsbeschaffungslotterie. NaiLstmlsozialismus der Tat. Beispielgebend haben die Angestellten der NSDAP.- München zu Weihnachten 5000 Lose der II. Geldlotterie für Arbeitsbeschaffung erworben. . Bekanntlich dient die Arbeitsbcschaffungslotterie da zu, neue Arbeitsplätze zu schaffen und zu erhalten. Die Ziehung findet schon am 29./30. Dezember statt. Es ist also nur mehr wenige Tage Gelegenheit gegeben, sich diesem Vorgehen anzuschlietzen. „MerguMMer"- gibt es nicht mehr. Der Reichsbauernführer weist in einer Verfügung darauf hin, daß nach dem Erbhofgesetz zukünftig nur noch die Bezeichnung „Bauer" und „Landwirt" rechtlich zugelassen ist. Die Verwendung anderer Titel wird durch die Verfügung verboten. Falls ein Zweifel darüber besteht, ob der Betreffende Bauer oder Landwirt ist, ist der Titel Landwirt zu wählen. Der Titel Bauer müsse dem wirklichen und durch Reichsgesetz bezeichneten Bauern als Ehrentitel Vorbehalten bleiben. Die Bezeichnungen „Rittergutsbesitzer", „Gutsbesitzer", „Pächter" usw. kämen dadurch in Fortfall. Kurze politische Nachrichten. Der Ausschuß der Evangelischen Welt all i a n z hat an Reichsbischof Müller ein Tele gramm gerichtet, in dem er ihn zu dem Festhalten an den Grundsätzen der Reformation und zu seinen Bemühungen um die Einigkeit der protestantischen Kirche beglückwünscht. Pole» wir- deutsche Wei-nachi-Me ms Gefängnis. Drei deutsche Staatsangehörige aus Beuthen O.-S., Wilhelm Starchara, Herbert Stasch und Max Pizka, die während der Feiertage bei ihren An gehörigen in Königshütte zu Besuch weilten, wurden von der dortigen polnischen Polizeidirektion zu H aftstrafen von sechs Wochen verurteilt, weil sie in Lokalen angeblich „aufreizende und polenseindliche Lieder" ge sungen haben sollen. j3S „Ganz allein. Sie sind mit dem Auto weggefahren. Gras Rudolf chauffiert selbst. Er muß eine Vortragsreise unternehmen; man weiß noch nicht, wie lange er unter wegs bleiben wird. Es ist möglich, daß es zwei bis drei Wochen dauert." Regina stöhnte auf. Was sollte sie jetzt tun? „Zürnen Sie dem Grafen nicht, Gräfin. Er ist nicht schuld daran. Er kann nichts dafür. Schuld ist nur diese Katze..." Regina traten die Tränen in die Augen. Es war schrecklich, was Leonore da zuwege gebracht hatte. Daß man so über die Schwester sprechen durfte! In diesem Augenblick knatterte draußen ein Auto. — Gleich darauf hörte man eine Männerstimme. „Oh! Baron Koltau! Das ist gut, Gräfin! Er wird sich noch besser mit ihnen aussprechen können." Reginas abwehrende Gebärde war vergeblich. Ehe sie das Zimmer verlassen konnte, stand Viktor Koltau schon vor ihr. Er schien zuerst wie erstarrt, als er Regina sah. Dann hatte er sich gefaßt. „Kusine, Sie hier?" Regina war tief erblaßt! Dann, als er sie anreoere, wurde sie plötzlich rot. Schnell hatte sie sich gefatzi und antwortete gelassen: „Wie Sie sehen, Vetter!" Viktor Koltau war unangenehm berührt von der Kälte, die in Reginas Ton lag. Trotzdem sagte er: „Wollen wir uns nicht erst einmal die Hand reichen, Kusine? Oder sind Sie noch immer unversöhnlich?" Gundula Nauenburger hatte schweigend das Zimmer verlassen, ohne daß Regina sie hatte daran hindern können. Es war ihr lieber, die Gräfin Koltau unterhielt sich mit dem^Baron unter vier Augen; brauchte man sie, würde sie schon gerufen werden. Regina hatte in diesem Augenblick, vielleicht zum ersten Male, seitdem sie allein für sich und Lore zu sorgen hatte, ihre selbstsichere Ueberlegenheit verloren. Es war, als ob ihr etwas in der Kehle würgte. So vieles war in den letzten Stunden auf sie eingestürmt. Zuerst Leonores Brief, die unangenehme, plötzliche Reise, die Ankunft auf der Bahnstation, die Tatsache, daß Leonore schon abgereist war, die Erzählungen der Haus dame — und jetzt noch Viktor Koltau, das war ein wenig viel auf einmal. Ihre Augen glitzerten übernatürlich groß. Plötzlich rannen ihr die Tränen über die Wangen. Bestürzt trat Viktor Koltau näher, ergriff Reginas Hand und fragte wärmer, als es sonst seine Art war: „Was ist Ihnen, Regina?" Reginas Nerven gaben vollends nach. Schluchzend stieß sie hervor: „Oh! Ich bin am Ende meiner Kräfte. Meine vergeb liche Reise! Welch ein Unglück! Diese entsetzliche Reise! Oh, Lore, Lore!" „Regina!" rief Koltau entsetzt und starrte auf die Frau, die vor ihm stand. Eine jähe Erkenntnis hatte ihn über fallen, die immer mehr Bestätigung fand, je intensiver er das Gesicht seines Gegenübers betrachtete. War er denn blind gewesen? Hatte er denn ein Brett vor dem Kopf gehabt, daß er nicht von selber darauf ge kommen war? Die Aehnlichkeit.... Oh! Es war alles Komödie gewesen! Die ausgekochte Idee so einer Berliner Range! Irgend etwas war ihm ja immer verdächtig vorgekommen. Auf diese Idee aller dings wäre er nie gekommen. Da sollte doch gleich... Viktor Koltau war außer sich. Um so mehr, wenn er daran dachte, wie er dieses „Fräulein Siebenhühner" be handelt hatte. Aber — es geschah ihr recht! Weshalb hatte sie alle Leute so an der Nase herumgeführt. „Himmeldonnerwetter! — Ihr verrückten Berliner Frauenzimmer! Uns solch einen Schwindel vorzumachen! Ihr habt wohl dort keine Abnehmer für euren Blödsinn?" Viktor Koltau vergaß alle Rücksicht. Er ärgerte sich zu sehr, daß er auf Leonores Komödie hereingefallen war. „Na, man braucht sich ja nicht zu wundern bei dem, was man so von euch schon gehört hat. Ich möchte nur wissen, was der selige Herr Papa zu solchen Geschichten gesagt hätte. Der hätte sich gefreut, zu sehen, wie seine Töchter sich als Hochstaplerinnen benehmen!" Regina bebte am ganzen Körper. Sie war noch bleicher geworden. Die Worte des Koltauers trafen sie tief. Doch Viktor Koltau sah nicht ihr Erbeben, hatte kein Mitleid mit ihren Tränen und ihrer Blässe. Er war mitten drin in seinem Zorn und polterte immer weiter: „Nun brauchen Sie nicht auch noch die Gekränkte zu spielen, verehrte Kusine. Nach allem, was vorangegangen ist, haben Sie dazu nicht den geringsten Grund. Ein bißchen Beschämung wäre Wohl mehr angebracht." Regina schluckte heftig, dann sagte sie leise: „Ich glaube, Sie verkennen mich vollständig, Vetter; sonst würden Sie anders zu mir sprechen. Ich fühle mich keineswegs gekränkt durch Ihre Worte, die Sie sicher ohne Ueberlegung gesprochen haben. Ich habe nicht den geringsten Grund, mich zu schämen. Unsere Wege waren bisher makellos — und sie sind es noch. Was Sie auch von uns gehört haben mögen — wenn es solche Gedanken in Ihnen auslöste, wäre es sicher nicht wahr. Wir haben nie etwas getan, was wir zu verbergen hatten, was unser Vater nicht hätte lehen dürfen." „So?! Meinen Sie? Und das, was die Komtesse Leo nore Koltau hier aufgeführt hat, das war wohl in Ordnung?" „In diesem Falle ist Ihr Tadel durchaus berechtigt, Vetter. Hier muß sogar ich mich schuldig bekennen. Lore ist ein junges, gutmütiges Ding, das an nichts Böses ge dacht hatte. Aber sie ist ein hochanständiger Kerl. Ihr Uebermut verführte sie zu der Komödie. Sie wollte den ihr zugedachten Mann erst kcnnenlernen, ohne daß er wußte, wer sie war- (Fortsetzung folgt.)