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zigen Minute gewesen. Blitzschnell, wie sie kamen, sind sie auch schon wieder verschwunden. Aber da braust es schon im Galopp heran, fegt in die Kurven, daß das Erdreich hoch aufspritzt und die Mannschaften auf den Protzen sich mit aller Kraft fcsthalten müssen: eine Maschinen gewehrkompanie geht in rasendem Tempo in Stellung, schon fliegen die schweren Maschinen gewehre von den Protzen, sind „aufgebaut", Patronen gurte eingeführt, rasendes Schnellfeuer knattert. Prächtiges Material, an Mensch und Gerät! Wir Besucher, ganz gleich, ob wir „alte" Krieger sind, die mit Kennerauge je Bewegung, jeden Griff verfolgen, oder jüngere Männer, die die brüllende Feldfchlacht nicht mehr erlebten, wir sind alle miteinander begeistert. Nicht wie einzelne Menschen arbeiten diese jungen Soldaten, die ja zum großen Teil erst Rekruten, also im Anfang der Aus bildung begriffen sind, sondern wie eine einzige exakte Maschine. Was mit den uns belassenen unzureichenden Waffen geschehen kann nm vollwertige Soldaten aus den jungen Männern zu machen, geschieht. Offiziere und Mannschaften sind mit dem gleichen Eifer dabei und find zudem Kame raden im besten Sinne dieses schönen Wortes. Drüben stehen andere Kompagnien, Kommandos schallen, dumpfer Marschtritt dröhnt. Wachen und Posten treten aus den Abteilungen, hier wird das Aufziehen der Wachen und das Postenablösen geübt, das die Berliner täglich miterleben. Auch das muß tadellos klappen — und wie klappt cs! Eine Freude für jedes Soldaten- und Laienauge. Da „spritzt" eine Schützenkompagnie aus einander, die in der neuen Gefechtsform mit leichten MG-s sprungweise vorgeht; hier gibt es keine Kommandos, im Ernstfall wären sie ja auch bei dem Gefechtslärm nicht zu hören, alle Befehle werden durch Winke erteilt. Noch ein Gang durch die Stände für Kleinkaliber schießen. Die scharfe Munition ist knapp, Versailles zählt uns ja sogar jeden Hufnagel zu. Man zieht also einen zweiten Laus in das Gewehr ein und übt auf dem Schieß stand mit Kleinmunition an einem künstlichen Gefechtsseld, das zwar nur 50 Meter entfernt ist, aber in den Größen verhältnissen so gehalten ist, daß es dem Schützen eine Landschaft mit feindlichen Truppen in etwa 400 bis 500 Meter Entfernung vortäuscht. Weiter durch die Turn halle, wo die jungen Soldaten mit Schwunggewichten und Medizinball üben, boxen lernen, am Gerät turnen. Das Herz lacht einem im Leibe, wenn man diese prachtvollen, frischen, kräftigen Gestalten sieht. Roch einen Blick in die Kompagnieküche, die außer den Mannschaften täglich auch achtzig bis hundert arme Kinder und vierzig erwerbslose SA.-Männer mit kräftiger Kost speist, ein Gang durch ein Kompagnierevier, durch musterhaft saubere Stuben, durch die Mannschaftsbücherei, durch eine kleine, aber gehaltvolle Buchausstellung für Weihnachtswünsche und schließlich ein Besuch in der Gesangstunde, wo ein akademischer Lehrer alte und neue Soldatenlieder einübt, die dann nach der Rückversetzung der Kompagnien in die Heimatgarnison sich dort weiter verbreiten. Fast vier Stunden sind wir durch den Bereich des Berliner Wachregiments gewandert. Es wird präzise Arbeit dort geleistet, und das unter erschwerten Um ständen, da ja alle drei Monate lauter andere Gesichter um den Kommandeur sind. Und trotzdem: wenn man den Ausdruck „Musterbetrieb" von einer militärischen An gelegenheit gebrauchen könnte, dann gehörte er hierher. Filmtheater am Heiligabend geschloffen. Der Reichsverband DeutscherLichtspiel- theaterbesitzer e. V. teilt folgendes mit: Obwohl beispielsweise für Preußen die gesetzliche Möglichkeit gegeben ist, am Heiligabend an und für sich Filmvorführungen zu veranstalten, hat der Vorstand des Reichsverbandes Deutscher Lichtspieltheaterbesitzer e. V. beschlossen, die bisherige Tradition, die Filmtheater am Heiligabend zu schließen, fortzusetzen. Die Inhaber und Leiter der deutschen Filmtheater sind aufgefordert worden, ihre Betriebe am Heiligabend zu schließen, um auch den Betriebsangehörigen das Zu sammensein im Familienkreise am Heiligabend zu er möglichen. Frei von Arbeitslosen! Das liest man heute so gern! Man bewundert des Führers geniale Art, wie er es versteht, Millionen von Menschen ihr Brot zu geben. Aber unsere Pflicht ist es, unseren Führer in seinen Plänen und Vorhaben zu unter stützen. Wir dürfen nicht passiv zuschauen, jeder einzelne trage sein Scherflein zur Arbeitsbeschaf fung bei! Da die Gelder für die neuen Arbeits leistungen nicht aus den Steuern gewonnen werden dürfen, hat die Reichsleitnng der NSDAP, eine Geld lotterie für Arbeitsbeschaffung in die Wege geleitet. Man kann für eine Mark — denn so viel kostet nur das Einzellos — viel gewinnen, wenn man Glück hat, sogar 100 000 Mark! Aber man kann nie verlieren, da man mit jeder Mark Mittel zu neuer Arbeit dem Volksgauzen zur Verfügung stellt. Man hilft nicht nur anderen, sondern auch sich, wenn jeder seine Arbeit findet. Nur noch kurze Zeit ist jedem die Möglichkeit ge geben, das Glück für sich und die anderen mit der ge ringen Gabe zur Arbeitsbeschaffungs - Geldlotterie zu versuchen, denn am 29. und 30. Dezember findet schon die Ziehung statt. Kurze politische Nachrichten. Vor dem Senatsgebäude in Paris kam es wieder zu Zusammenstößen zwischen Polizei und Mit gliedern linksgerichteter Beamtenorganisationen. * Wie „Der Führer" meldet, hat Reichsstatthalter Robert Wagner auf Antrag des Innenministers Pflaumer den Reichsführer der SS., Heinrich Himmler, zum Kommandeur der Politischen Polizei Badens ernannt. » Der deutsche Gesandte in Caracas, der Hauptstadt von Venezuela, hat dem Präsidenten Gomez zu seinem 25jährigen Regierungsjubiläum als Geschenk des Reichspräsidenten einen Ehrendegen mit persönlicher Widmung überreicht. Kommunistische Ausschreitungen vor der deutschen Botschaft in London. Vor dem Gebäude der deutschen Botschaft in London ver suchten mehrere hundert Kommunisten, eine Kundgebung für die Freilassung der im Neichstagsbrandstisterprozetz Angeklagten durchzuführen. Die Polizei griff jedoch energisch ein, trieb die Unruhestifter auseinander und verhaftete einige Rädelsführer. Reichspräsident von Hindenburg empfing den preußischen Ministerpräsidenten General der Jn- fanterieGöring zum Vortrag. * Der Führer der Deutschen Arbeitsfront, D r. Leh, veröffentlicht folgende Anordnung: „Um der überhand nehmenden Organisierung von Vereinigungen usw. Ein halt zu gebieten, bedarf von jetzt ab jede Neuorganisation irgendwelcher im Wirkungsbereich über den Gründungs ort hinausgehender Verbände und „F r onten" der Genehmigung des Stellvertreters des Führers." Neuordnung der Gemeinde- und Staats verwaltung. Wichtige Beschlüsse des preußischen Staatsmiuisteriums. Der Amtliche Preußische Pressedienst teilt mit: Das preußische Staatsministerium hat eine Reihe von Gesetzen nach eingehender Vorberatung in Sitzungen des Staatsrates verabschiedet, die für die S t a a t s - u n d Gemeindeverwaltung von höchster Bedeutung sind: Das preußische Staatsministerium hat ein Gesetz über die Staatshaushaltsordnung beschlossen, durch welche unter Aufhebung des unübersicht lichen, unvollständigen und zum Teil auch veralteten preußischen Recht die Vorschriften der Reichs haushaltsordnung im allgemeinen lückenlos als entsprechend anwendbar erklärt werden. Dar über hinaus hat das Staatsministerium auch für seine Gemeinden und Gemeindeverbände Vorschriften der Neichshaushaltsordnung zum Vorbild einer umfassenden gesetzlichen Neuordnung des Haushaltsrechts genommen. Das gleichzeitig mit der neuen Staatshaushaltsordnung beschossene Gemeindefinanzgesetz ist die erste erschöpfende Regelung der Haushalts- und Wirtschaftsführung der Gemeinden in einem deutschen Lande. Mehr Macht für die Oberpräsidenten bringt zunächst eine wesentliche Befestigung der oberpräsidialen Stellung innerhalb der preu ßischen Staatsverwaltung. Während der Oberpräsident die Behörden der Provinz bisher lediglich zu beauf sichtigen hatte und ihnen Weisungen nicht erteilen konnte, erhält er nunmehr über die Behörden der allgemeinen und inneren Verwaltung die größere Befehls gewalt. Er wird damit in den Stand gesetzt, den Behördenapparat der Provinz schnell und schlagkräftig für die Ziele der Staatsführung einzusetzen und zu leiten. Die Befehlsgewalt ist auf die Persou des Ober präsidenten beschränkt. Die weitere überaus wichtige Neuerung, die das Gesetz bringt, macht dem Oberpräsi denten unter Beseitigung aller hisher bestehenden Ver waltungsgremien zum Träger der Verwaltung des Provinzialverbandes. Der Bestand des Provinzialverbandes als einer Selbst verwaltungskörperschaft wird dadurch nicht berührt. Be raten wird der Oberpräsident auch in Angelegenheiten des Provinzialverbandes durch den Provinzialrat. is Zahre Juchthaus für Komnumisteu. Sühne für einen Feuer üb erfüll auf ein Altonaer SS.-Lokal. Das Altonaer Sondergericht fällte in dem großen Prozeß wegen eines roten Feucrüber- falles auf ein Altonaer SS.-Lokal am 20. Dezember vorigen Jahres, bei dem ein SS. Mann schwer verletzt wurde, gegen 24 angeklagte Kommunisten das Urteil. Danach werden verurteilt wegen versuchten gemein schaftlichen Mordes die Hauptangeklagten Reschka, Heinz und Mehnert zu je sieben Jahren Zuchthaus, ein Angeklagter zu sechs Jahren Zuchthaus, zwei zu fünf Jahren Zuchthaus, fünf zu vier Jahren Zuchthaus, einer zu drei Jahren Zuchthaus, ein jugendlicher Angeklagter zu drei Jahren Gefängnis, drei weitere Angeklagte zu je vier Jahren Zuchthaus. Wegen Beihilfe zum versuchten Mord wurden zwei Angeklagte zu je drei Jahren Zucht haus verurteilt. Zwei Angeklagte und drei Mitangeklagte Frauen wurden freigesvrochen. >25 „Fräulein Lore! Was ist Ihnen? Sie weinen?" fragte Graf Altenberg, mit tiefer Besorgnis in der Stimme. „Haben Sie die rauhen Worte Baron Koltaus gekränkt?" „Aber, Fräulein Siebenhühner", fiel jetzt auch gut mütig Baron Kolmu ein, „so war es doch nicht gemeint. Deshalb brauchen Sie doch nicht zu weinen." Leonore nahm sich zusammen, hatte die ungewohnte Schwäche schon wieder überwunden. „Es war weiter nichts, meine Herren. Ich hatte einen dummen Gedanken. Ist schon wieder vorüber." Altenberg sah sie von der Seite an, als sie ins Haus schritten. Wer kannte sich in den Frauen aus!, dachte er. Sie weint und lacht, und kein Mensch kann wissen, warum. Aber reizend ist sie immer, ob sie weint oder ob sie lacht. Leonore konnte feststellen, daß sich das Schloß im Innern beträchtlich verändert hatte. Man merkte überall^ daß die weiche, ordnende Hand einer Hausfrau fehlte. Hier war alles von einer spartanischen Einfachheit, nirgendwo Schönheit. Die ganze Diele war erfüllt von Hirschgeweihen, die früher nicht da gewesen waren. Kein Teppich war zu sehen, keine Blumen. Auch das Empfangszimmer, in das der Baron jetzt seine Gäste führte, sah nicht anders aus. Viktor Koltau lud zum Setzen ein. Dann bat er einen Augenblick um Geduld. Er müsse nur einmal nach dem Rechten sehen. Als er zurückkam, überfiel Leonore ihn sofort mit der Frage: „Warum heiraten Sie eigentlich nicht wieder, Herr Baron?" Kollau fuhr in die Höhe. „Davor möge mich Gott bewahren. Heiraten?! Wozu brauche ich eine Frau? Wozu solch ein langhaariges Ge schöpf, das Beelzebub nur zum Schabernack der Männer in die Welt gesetzt hat?" „Vom Teufel in die Welt gesetzt? Na, hören Sie, da dürften Sie doch ziemlich vereinzelt sein mit Ihrer Meinung. Die meisten Männer wissen, daß es nichts Reizenderes gibt als eine Frau..." „Sie verstehen es, Ihr Geschlecht herauszustreichen, mein Fräulein. Aber nee! Mich fängt keine Frau mehr, und mag sie noch so reizend sein. Zugegeben: manche sind sehr hübsch und reizend. Aber — das ist alles nur äußer lich. Man darf um Gottes willen nicht näher Hinsehen. Da verändert sich das Bild. Zuerst zeigen sie einem die Samtpfötchen, die Frauen, und daun — wenn sie es erst geschafft und wenn sie sich den Mann gekapert haben —, dann erst kommen die Krallen zum Vorschein. Sie brauchen nicht Ihre sündhaft schönen Augen so weit auszureißen, meine verehrte Dame Siebenhühner; es ist schon wahr, was ich sage. A"^ seid ihr so; keine einzige macht eine Ausnahme." Leonore mußte hellauf lachen. Das war ja ein Original, dieser Vetter. Jammerschade, daß sie ihn bisher nicht ge kannt hatten! Er wäre eine hübsche Abwechslung gewesen inmitten der anderen, ein wenig zahmen Koltauschen Sippe, in der sie in Berlin verkehrten. Tante Bassewitz zum Beispiel, die hätte sich nicht wenig gewundert, wenn sie diesen Sproß der Koltaus kennengelernt hätte. „Bester Freund!" sagte jetzt Graf Rudolf, „machen Sie sich nicht schlechter, als Sie sind. Sie waren doch ganz zu frieden mit Ihrer guten Frau, und Gott hat nun einmal die Frauen geschaffen, daß sie uns das Leben verschönen. Jede Frau läßt sich erziehen, und es liegt nur am Manne, wenn er mit der seinen nicht umzugehen versteht." „Sie reden wie der Blinde von der Farbe, Rudolf. Haben Sie erst mal eine Frau und versuchen Sie, sie zu erziehen — dann wollen wir uns weiter unterhalten. Ich kann Ihnen immer nur raten, die Finger von meiner Kusine zu lassen; ich glaube, Sie könnten sie sich sonst er heblich verbrennen mit Ihren Erziehungsversuchen." „Das lassen Sie nur meine Sorge sein, Viktor. Schließ lich bin ich ein Mann, der weiß, was er will, und der sich nicht auf der Nase Herumlanzen läßt. Mein Wille wird in meiner Ehe zu bestimmen haben; meine Frau Hai sich unter allen Umständen zu fügen." „Brrr! Na, ich danke!" Der Ausruf war Leonores Lippen entfahren, ohne daß sie es eigentlich gewollt halte. Die beiden Herren sahen sie erstaunt an. Leonore wurde brennend rot. „Verzeihung!" stotterte sie. „Aber Sie stellten sich selbst ein schlechtes Zeugnis aus, Herr Graf." „Wie — bitte?" Langgedehnt fragte es der Graf. Er saß da, mit gerunzelter Stirn, während der Koltauer einige Worte vor sich hinmurmelte, die sicher keine Schmeichelei für Lore bedeuteten. Dadurch wurde der Graf noch mehr gereizt, und er hörte mit verdächtiger Ruhe auf Leonores Antwort: „Ich meine das, was Sie über Ihren unumschränkten Willen in Ihrer Ehe sagten, Herr Graf. Sie haben ge sprochen wie ein Tyrann. Die arme Komtesse Koltau kann einem leid tun. Sie ist so lebenslustig und ungezwungen — und soll jetzt unter solch einen Zwang kommen. Ist das richtig? Ich dachte immer, Alaun und Frau sollten sich gegenseitig nacheinander richten, und ich finde es abscheu lich, wenn der Mann glaubt, er allein sei ohne Tadel!" Graf Rudolfs Stirn hatte sich immer mehr verdüstert, während Leonore sprach Wenn sie ihm das alles gesagt hätte, wäre es etwas anderes gewesen. Sich aber vor dem Koltauer so abkanzcln zu lassen, das paßte ihm nicht. Dazu kam noch, daß jetzt der Koltauer einfiel: „Na, Fräulein Naseweis! Sie haben wohl Ihre Ge scheitheit mit dem Löffel gefressen? Es Hörl sich gerade so an. Na, Ihnen gönnte ich einmal einen Mann, der Sie ordentlich an die Kandare nimmt, und der Ihnen den Widerstand gründlich austreibt. Er wird Mühe genug haben, Ihr ziemlich vorlautes Mundwerk ein wenig zu stopfen." (Fortsetzung folgt.)