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MlSdrMer Tagebla« 2. Blatt Nr. 282 / Montag, den 4. Dezember 1933 TageSspruch. Sucht dich die Freude, grüße sie, Sie schmückt das Erdenleben; Gib Raum ihr, doch vergiß es nie, Daß Flügel ihr gegeben. Sturm * Volk und Knecht und Ueberwindev Sie gestehn zu jeder Zeit, Höchstes Glück der Erdcnkinder Sei nur die Persönlichkeit. Goethe. „Erst vom Volkstum her erhält -er Staat seine Kraft und Ausgabe!" Große Volksdeutsche Kundgebung des VDA. in Berlin. Der Volksbund für das Deutschtum im Ausland ver anstaltete anläßlich seiner Landesführertagung in Berlin eine große Volksdeutsche Kundgebung. In dem mit Flaggen festlich geschmückten Sitzungs saal des früheren Preußischen Landtags hatten sich die Führer der Volksdeutschen Arbeit aus dem Reich und aus zahlreichen Außengebieten zusammengefunden. Vertreter sämtlicher Ministerien des Reichs und Preußens, der Ver waltung der NSDAP., der Verbände nahmen an der Kundgebung teil. HundertevonWimpelnder Ab ordnungen der VDA.-Gruppen leuchteten von der Empore herab. Dr. Hans Steinacher, der Reichsführer des VDA., schloß an seine Begrüßungsansprache ernste Worte des Gedenkens und der gesamtdeutschen Verbundenheit mit den Todesopfern von Graudenz an. Von lebhaftem Beifall begrüßt nahm dann der Ab geordnete des ostoberschlesischen Sejms, Dr. Otto Ulitz - Kattowitz das Wort. Dr. Ulitz wandte sich gegen die kleindeutsche und staats deutsche Verengung einer Geschichtsauffassung, die oft vergessen habe, daß 14 Millionen Deutsche außerhalb der Neichsgrenze siedeln und an der Geschichte des deutschen Volkes wert vollen Anteil haben. Die deutsche Volksgemeinschaft, so fuhr er fort, die das Deutschtum außerhalb der Grenzen deutscher Staaten anstrebe, sei keine politische Ge meinschaft. Die Ausländsdeutschen wollten die Be ziehungen zum Muttervolke und zu den anderen deutschen Volksgruppen Pflegen, ohne in Widerspruch zu den Pflichten zu kommen, die ihnen als Bürger anderer Staaten erwachsen. Dr. Hans Steinacher führte dann u. a. folgendes aus: Das grundsätzliche Neue am deutschen Umbruch sei, daß der Staat zu seiner tiefsten. Verwurzelung im Volksbegriff zurückgefunden habe. Durch die Tat und die Persönlichkeit AdolfHitlers habe sich der Volksgedanke als die Grundlage des gesamten deut schen Lebens durchgesetzt. Erst vom Volkstum her er halte der Staat seine Hoheit, Würde, Kraft und Aufgab e. Volkstum bedeutet uns Wescnsgcmcinschaft der Menschen gleichen Blutes, Gemeinschaft des Bodens und der Sitte. Adolf Hitler habe in seiner Reichstagsrede vom 7. Mai betont: Wir lehnen jede Assimilation fremden Volkstums ab. Aus der Bindung im eigenen Volkstum ergebe sich die Achtung vor dem Fremden. Je mehr es sich in den Nachbarstaaten zeige, daß die Stärkung des deutschen Volkstums unerschütterlich sei und bleibe, desto eher würden und müßten diese Staaten zur Einsicht kommen, daß es sinnlos wäre, sich noch mehr deutsche Gebiete anzueignen. Der VDA. sei heute für den Kampf der Ausländsdeutschen verantwort lich; er sei der Treuhänder der Auslandsvolksgenosfen. Die Feier, die sich zu einer erhebenden Kundgebung für die Volksdeutsche Verbundenheit gestaltete, schloß mit dem Gesang der deutschen Nationallicder. Arbeitslose im Winter beschäftigen! Darrs ruft die Bauer« auf. Der Reichsbauernführer und Reichsernährungs minister Darrs fordert die Landwirtschaft in einem Aufruf auf, daran milzuhelfen, .daß der jahreszeitlich bedingte Rückschlag auf dem Arbeitsmarkt, im Gegen satz zu den letzten Jahren nicht fühlbar wird. Auf dem Hof des Bauern bieten sich zahlreiche Möglichkeiten, arbeitslose Volksgenossen auch im Winter mit nutz bringender Arbeit zu beschäftigen. Die Arbeitgeber sollten sich bemühen, unter allen Umständen ihre Landhelfer und Landarbeiter, insbesondere die verheirateten, auch im Winter zu behalten. Die Reichsregierung habe zahlreiche Vorkehrungen getroffen, um den Arbeitgebern in der Landwirtschaft den notwendigen Entschluß zu erleichtern. Darrs schließt: „Auch der zweite Abschnitt der Arbeits schlacht des deutschen Volkes wird gewonnen werden." Darre spricht vor 40VVV westfälischen Bauern in Hamm. In Hamm in Westfalen fand eine Bauern- kundgebung statt, wie sie das Land de» Rote» Erde noch nicht erlebt har Weit über 40 000 Bauern umjuüelten den Ncichsernährungsmnnster und Reichsbauernführer Darrs, der im Nahmen einer gewaltigen Massenkund gebung in den riesigen Hallen vor den Toren der Industriestadt sprach. Reichsobmann Staatsrat Meinberg, der gleich zeitig Landesbauernführer von Westfalen ist, eröffnete die Kundgebung mit einer Ansprache, in der er u. a. sagte: Das Wesen nationalsozialistischer Agrarpolitik ist die organische Einheit von Recht und Pflicht, von Freiheit und Bindung. Das Bauerntum des Dritten Reiches wird sich stets bewußt bleiben, daß seine Wertmessung nicht nach den Rechten erfolgt, die es jetzt erhalten hat, sondern nach den Pflichten, die es gegenüber dem Führer Adolf Hitler und damit der gesamten deutschen Nation auf sich nimmt. ReichsbauernführerDarrs zog darauf eine Bilanz seiner bisherigen Politik und gab die großen Richt linien seiner zukünftigen Maßnahmen bekannt. Die Bauernpolitik Adolf Hitlers, so sagte Darrs, hat das einzige Ziel, das Bauerntum zu befähigen, seine gewal tigen Aufgaben als Ernährer und als Kraftquelle gesunden Volkswachstums zu fördern. Das Reichsnährstands- und Reichserbhof gesetz ist das erste Gesetz besten deutschen Sozia- sismus. Es befreit den Bauern von den Launen der spekulationssüchtigen Börse und gibt ihm den gerechten Lohn, ohne den Arbeiter unerträglich zu belasten. Der Bauer sei nicht irgendein Wirtschaftsfaktor, son dern der gesunde Untergrund des gesamten deutschen Volkes. In der tragischen Entwicklung der Baucrngrschichte verlor der Bauer zuerst sein Recht auf das Schwert und mit dem Verlust des Schwertes seine Ehre. Unter dem Einfluß des Liberalismus verlor der Bauer nicht nur Schwert und Ehre, sondern durch die Zinsknechtschaft des Kapitalismus auch die Freiheit. Wäre nicht die Revolution Adolf Hitlers noch recht zeitig gekommen, so wäre dem Bauern auch noch der Boden genommen. Heute ist der Bauer wieder der Mittler seines Volkes zur Scholle. Er hat feinen Boden, seine Freiheit, seine Ehre wieder! Ausdruck der neuen Zeit ist ein Brief, den der Großgrundbesitzer Für st Bismarck dem Reichsbauern führer zur Erklärung des alten Bismarckschen Familien besitzes zum Erbhof geschrieben hat. Der Fürst sagt: „Mit Stolz werde ich den Ehrennamen Bauer tragen." Ein neues Jahrtausend deutscher Bauerngeschichte, wo Adel, Bauer und Arbeiter sich die Hand zum ewigen Bündnis reichen, sei angebrochen. Das Dritte Reich stehe noch längst nicht in der Vollendung da, so schloß Darrö, aber Adolf Hitler wird das unmöglich Scheinende schaffen. „Dankt ihm für sein überragendes Werk nationalsozialistischer Bauernpolitik mit der ewigen Treue des deutschen Bauern." Die Bauern versammlung zollte dem Reichsbauernsührer für seine Ausführungen stürmischen Beifall. Fördert die Gvts presse! Der Sieg des Glaubens. So lautet der Titel des großen Filmwerkes vom Nürnberger Parteitag, der am Freitagabend in dem großen Uraufführungstheater der Ufa am Zoologischen Garten in Berlin zum erstenmal der Öffentlichkeit gezeigt wurde. Diesen Titel hatderFührerselbst gewählt. Die Gestaltung des Filmwerkes lag schon in den Hände» der bekannten Filmschauspielerin Leni Riefenstahl» die vom Führer mit dieser Arbeit betraut worden war. Hergestellt wurde der Film von der Reichspropaganda- leitung, Abteilung Film, unter Leitung von Arnold Raether. Man könnte diesen Film auch den lebendig gewordenen Glauben nennen. Denn diese Menschen, die sich in der alten Reichsstadt um den Führer gesammelt hatten, sind in ihrer Gesamtheit lebendig ge wordener Glaube an den Sieg und an die Größe und die Zukunft des deutschen Vaterlandes. Ihr Glaube war und ist so unerschütterlich, wie die alten Mauern und Türme der Reichsstadt, die seit Jahrhunderten von der Größe und der Unvergänglichkeit des Reiches Zeugnis ablcgen. Dieser Film ist ein geschichtliches Dokument ersten Ranges für die Lebenden, und für die kommende Generation. Die Uraufführung fand in Anwesenheit Adolf Hitlers statt. Obwohl die Absicht seines Besuches in der Öffent lichkeit nicht bekannt geworden war, haben sich vfele Tausende vor dem Theater und in den Zufahrtsstraßen aufgestellt, in der Hoffnung, doch den Führer zu sehen. Ihre Erwartung wurde nicht enttäuscht. Adolf Hitler kam und mit ihm zahlreiche führende Persön lichkeiten aus den Regierungskreisen und aus der Partei. Man sah u. a. Dr. Goebbels, v. Papen, Röhm, Heß, der Stellvertreter des Führers, Dr. Ley, Frick, Rosenberg, von Blomberg, Neurath, Schacht, Rust, Kerrl, Prinz August Wilhelm, Staatsseketär Meißner u. a. Zwischen einem Spalier von SS.-Männern schritt der Führer durch den Theatervorraum über die Treppe nach der Ehrenloge im ersten Rang. Das Publikum empfittg ihn mit Heilrufen. Adolf Hitler setzte sich nach kurzem Gruß und gab damit das Zeichen zum Beginn. Die festliche Einleitung des Abends bildete ein Prälu dium von Richard Strauß, dann hob sich der Vorhang. Auf der großen Bühne stand die Kapelle der Adolf-Hitler- Standarte. Vom hellblauen Hintergründe zeichneten sich die schwarzen Uniformen und die blinkenden Musik instrumente in wunderbarer Weise ab. Der Fanfaren marsch ertönte, danach der Badenweiler Marsch, schneidig und mitreißend. Dann senkte sich der Vorhang wieder, teilte sich und gab die leuchtende Leinwand frei. Wie aus der Un endlichkeit heraus schreitet eine Truppe von Fahnen trägern des Dritten Reiches auf das Publikum zu, größer und größer werdend. Nun folgen die Bilder der Nürn berger Tage. Zunächst gewissermaßen eine Rund-st Der Führer bei der Uraufführung des Films vom Reichsparteitag. Der Berliner Uraufführung des Films „Der Sieg des Glaubens" vom Nürnberger Reichsparteitag der NSDAP., der auf besonderen Wunsch des Führers von, der Filmschauspielerin Leni Riefenstahl gedreht wurde, wohnNu auch (erste Reihe von linkst Reichskanzler Adolf Hitler, Reichs Minister Heß und Reichsminister Dr. Goebbels bei. Ein Walzer aus Wien Roman von Paul Hain. 44. Fortsetzung Nachdruck verboten Eine kleine Kapelle von fünf Mann spielte in einer Ecke Wolgalieder. Der und jener summte dazu. Es klang geheim nisvoll und fremd. „Trinken Sie, Meister Strauß! Wir in Rußland lieben die realen Genüsse des Lebens mehr als anderswo," rief Georgewitsch Strauß zu. Längst hatten Diener Wein und Sekt herangebracht. Pfropfen knallten, der junge Graf Patjamkin tanzte mit einer jungen Schauspielerin. Leidenschaft bog ihre Körper näher zueinander, als es sonst wohl üblich war. Fürst Georgewitsch hieb mit der Faust den Rhythmus auf den Tisch, daß es knallte. Strogonosf hielt es nicht mehr für nötig, sein Glas nachzufüllen, er trank den Wein aus der Flasche. Sokoloff erzählte mit lauter, brüchiger Stimme eine zweideutige Anekdote. Johann Strauß fühlte einen weichen, nackten Frauenarm um seinen Hals, spürte die zärtliche Wärme einer Frau dicht neben sich. „Meister Strauß —," flüsterte es in zerbrochenen: Deutsch ar. sein Ohr, „es wird Ihnen gefallen in Rußland. Je käl ter das Land — um so heißer die Frauen —" Ein girrendes Lachen von roten Lippen perlte hinter her. Eine Woge heißer, verwirrender Berauschtheit lag über dem kleinen Saal. Eine Luft voll sinnlicher Spannung. Weindunst. Zigarettenqualm. Verhaltene Erregung. Rausch und Verlockung. Johann Strauß stürzte ein neues Glas in die Kehle. Lieber Gott, je mehr man trank, um so trockener wurde einem der Gaumen. Mit vorbildlicher Schnelligkeit füllte der Diener wieder das Glas. Irgend jemand stand mitten am lärmenden Tisch und hielt eine lallende Rede auf den „lieben, großen Gast aus Oesterreich", obwohl das Georgewitsch schon lange vorher beim Essen besorgt hatte. Man hörte kaum hin und mitten im Sprechen hielt jener inne — es war ein junger Leutnant Orloff, aus dem alten Fürstengeschlecht der Orloffs — taumelte auf Strauß zu und gab ihm einen schallenden Kuß auf die Wange. „Brüderchen Strauß — so küßt dich Mütterchen Ruß land — das große Mütterchen Rußland —" Die junge, halb berauschte Schauspielerin an seiner Seite küßte ihn, die gute Gelegenheit wahrnehmend, schnell auf den Mund: „Und so — küßt dich Rußlands Kunst —," zwitscherte sie. „Sie küßt besser — als unser Mütterchen —" Ihr Lachen sprang Strauß heiß ins Gesicht. Er umfaßte sie fest. Nur nicht denken! Die Stunde festhalten! Die Gegen wart! Dann vergaß man am besten! Alles andere war sinnlos. „Kleine, schöne Frau —," murmelte er wein-berauscht und preßte den Mund auf die weiße Haut ihres Nackens. „Schön ist's bei euch —" „Es wird noch schöner werden —," gab sie zurück. Orloff wankte beiseite. Klatschte in die Hände. „Musik! Czardas!" Der Fürst brüllte: „Tanz! Tanz! Warum trinken die Musikanten nicht? Hunde — wollt ihr wohl spielen?" Es klang gefährlicher als es gemeint war. Schon flog ein Diener mit einigen Bouteillen Wein hin, obwohl die Kapelle sich schon selbst hinreichend versehen hatte. Die wilden Takte des Lzavdas brausten durch den Saal. Der Fürst sprang auf, griff irgendeine der Frauen um die Hüften und stampfte als erster davon. Andere Paare folgten. Der Lärm schwoll an. Eine Orgie toller Lebenslust ent faltete sich. Der Geiger tanzte förmlich mit allen Gliedern mit, die ganze Kapelle schien wie aufgelöst zu sein, obwohl sie den straffen Rhythmus innehielt. Immer schneller, wirbelnder raste die Musik — wer nicht mittanzte, klatschte wie besessen in die Hände, zuckte in den Hüften, stampfte die Füße auf. Der Boden dröhnte. Die Oellampen zitterten. Frauen kreischten auf, besessen von der Lust dieser Stunde. Ueber den Tisch rann der Wein aus umgestürzten Gläsern und malte rote Lachen auf den weißen Damast. Johann Strauß saß inmitten dieses Wirrsals, den Stiel des Weinglases in der Hand. Er hatte keine Gedanken mehr, so schien ihm. Auf seinem Schoß saß die junge Schöne und trank mit ihm aus ihrem Glase. „Ist Rußland nicht herrlich —?" flüsterte sie. „Herrlich ehrlich," erwiderte er dumpf. „Man gibt sich wie man ist —" „Ja — wir lügen uns nichts vor, Brüderlein Strauß. Wir trinken — wir lieben — wir hassen — ohne Umwege. Trink, Brüderlein, trink! Ich liebe dich! Ich liebe deine Kunst Sie schmiegte sich fester an ihn. Mit einem schmetternden Nachhall endete der wilde Tanz. Keuchende Atemstöße. Gelächter zerflarterte. Gläser klirr ten. Menschen taumelten sinnlos beseligt, große, betrunkene Kinder, durcheinander und küßten sich. Fürst Georgewitsch griff nach einer der leeren Flaschen und schleuderte sie lachend gegen die Wand. Patjamkin folgte dem althergebrachten Beispiel. Die Scherben sprangen umher. Frauen klatschten begeistert in die Hände. Scherben bringen Glück. Im beseligenden Rauschzustand dieser Stunde durfte sie nicht fehlen — das war alter, russischer Aberglaube. Krachend flogen neue Flaschen an die Wand. Es machte nichts, wenn darunter noch volle waren — die Keller des Palais Georgewitsch hatten einen reichen Bestand. (Fortsetzung folgt.)