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MsdmfferTagMtt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Das .Wilsdruffer Tageblatt» «rscheinr an ollen Werktagen nachmittags 8 Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— RM. »rei Hau-, bei Postdestcllung l,»0 AM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern lu Rpsg. All- Postnnstalten und Post boten, unsei-Austrägcru. .. ... .. „ . Geschäftsstelle, nehmen zu ^LerZ-ttB-ftellungen-nt. Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend gegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg od. sonstiger - Betriebsstörungen besteh, kein Anspruch aus Lleserung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. Siücksendung cingesandtcr Schriftstücke ersolgt nur, menn Rückporto beilicgt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Anzeigenpreis: die 8 gespaltene Raumzeile 2V Rpfg., die 4 gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reichs» Pfennige, die 3gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 RM. Nachweisungsgebühr 20 Reichspfennige. 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In dem weitläufigen Genfer Völkerbundpalast, der trotz ungeheurer Kosten noch immer nicht ganz fertig ge worden ist und ja nun auch seinen Sinn verloren hat, stehen einige Herren herum, die noch aus der Zeit übriggeblieben sind, als es noch so etwas wie einen „Völkerbund" gab, jene Spottgeburt aus Sieger hochmut und -Heuchelei, die im völkerrechtlichen Leben dieselbe unheilvolle Rolle der Friedensverhinderung ge spielt hat wie das Versailler Diktat. Es ist zur Zeit weder eine Rats- noch eine Vollsitzung. Aber man kam — ohne ersichtlichen Grund und trotzdem etwas eilig — aus Paris und London dort zusammen, weil Herr Henderson, der sogenannten „Abrüstungskonferenz" englischer Präsident, ernstlich für fein seit insgesamt acht Jahren florierendes Unternehmen fürchtet, das ihm selbst nach den splendiden Genfer Maßstäben ein sehr sorgen freies Leben sichert. Der Form halber drohte er sogar mit dem Rücktritt. Niemand nahm das ernst. Aber der Pariser und der Londoner Außenminister sahen angesichts des völligen Fiaskos ihrer beiderseitigen, von der Zeitentwicklung längst überholten Diktatpolitik die Notwendigkeit ein, so zu tun, als würde nun etwas ge schehen, setzten sich nach lieber alter Gewohnheit zusammen in den Schnellzug nach Genf und grüßten dort die treue Halle wieder. Es geschah denn auch etwas, aber nicht das, was sie dort erwarteten. Diese erstaunlich weltfremden Politiker einer veralteten Schule mußten dort feststellen, daß sich seit Herrn Simons letzter Rede von der Genfer Komödienbühne herab einiges geändert bat. Selbst das von Frankreich teils mit Zuckerbrot, teils mit Peitsche gezähmte Europa hat endlich, endlich die Geduld verloren: „Völkerbund", „Abrüstungskonferenz" und wie die irreführenden Reklametricks der Genfer Zweckvereinigung sonst noch heißen mögen, inter essieren niemanden mehr. Der Austritt Deutschlands hat den Zusammensturz einer gemalten Schaufassade zur Folge gehabt, hinter der man jahrzehnte alten Staub, ungeheuere Archive wertloser Akten md sonst gar nichts sah. Nachdem die ganze Verlogenheit der „Abrüstungskonferenz" vor aller Welt offenkundig geworden war, entblößte sich auch das Täuschungswort „Völkerbund" als ein Nichts: wenn nicht weniger als vier der bedeutendsten Großmächte der Erde vom Range Deutschlands, Amerikas, Japans und Rußlands Wert darauf legen, dem Genfer Schwindelunternehmen nicht anzugehören und eine fünfte Großmacht, Italien, hie end gültige Abkehr von Genf erwägt, dann kann voneinem „Völkerbund" keine Rede mehr sein. Die „Looists äcs Uaticm8", die „Gesellschaft der Völker", wie man es so schön im Französischen nennt, ist zusammen gebrochen wie eine auf unlauteren Geschäftsprinzipien aufgebaute Schwindelfirma. Es ist keinerlei Geschäft mehr damit zu machen. D a s ist die Lage, die sich den vom Völkerbund in Genf noch übriggebliebenen Herren jetzt bei ihrer Zu sammenkunft auftat. Sie wolltenes nicht eher merken. Deutschland, das man nach seinem Austritt nach dreizehn jährig bewährter Methode gemeinsam in die Pfanne zu hauen gedachte, zeigte mit seiner überlegenen Ruhe und der Betonung der absoluten Unabhängigkeit seiner Außenpolitik, daß man ihm mit Diktatmethoden nicht mehr beikommen kann. Und nun geschah in Genf am Dienstag das Unerwartete, daß einer der dort übrig gebliebenen Herren, der französische Außenminister Paul- Boncour, wissen ließ, daß FrkÄkreich zu Verhand lungen außerhalb Genfs mit London, Paris und — Berlin bereit sei! Das ließ derselbe Herr Paul- Boncour wissen, der sich noch vor wenigen Tagen in der Pariser Kammer hoch und teuer verschworen hatte: Ver handlungen? gern, aber natürlich nur „im Rahmen des Völkerbundes"z im Nahmen des Viererpaktes? aus geschlossen. Er hat ja auch jetzt das Wort Viererpatt peinlichst vermieden — aber jene Mächte sind nun einmal die Signatare des Viererpaktes. Ist Frankreich endlich zur Einsicht gekommen? Das ist nicht anzunehmen. Aber es sieht seine völlige Isolierung auf außenpolitischem Gebiet, nachdem England in aller Form von der empörenden Genfer Erklärung feines Außenministers Simon abgerückt ist, die den letzten Anstoß zum Austritt Deutschlands gab; es sieht die wachsende Zurückhaltung seiner besten Freunde gegenüber seiner verbohrten Ge waltpolitik — soeben mußte es sich eine sehr scharfe Kritik feiner Störungsversuche gegen die deutsch polnischen Verständigungsbestrebungcn durch das halb amtliche Warschauer Blatt, die „Gazeta Polska", hin nehmen, was es bisher noch nie gegeben hat! — und Frankreich sieht schließlich seine eigene innere Schwäche: das Kabinett Sarraut ist im Kampf um die Finanzvorlage ein Spielball der Kammerausschüsse und der großen Or ganisationen und kann jeden Tag erledigt sein. Es wäre natürlich falsch, eine grundsätzliche Söbwenkuna der Außenpolitik Frankreichs zu erwarten: Der Kanzler Mr MWMs VerWiMV- iereiWst mit Srmvtich EMe Unterredung mit dem Führer im „Matin" veröffentlicht. Die Pariser Zeitung „M a t i n" veröffentlicht den Inhalt einer Unterredung, die der Außenpolitikcr des französischen Wirtschastsblattes „L'Jnformation", d e Brinon, mit Reichskanzler Adolf Hitler hatte. Brinon hebt die zwanglose herzliche Ausnahme durch den Reichskanzler hervor, der im Gegensatz zu anderen Staatsmännern jedes Zeremoniell und jedes Jnszenesetzen vermeidet und dessen inneres Feuer belebend zum Ausdruck kommt. Der Reichskanzler habe erklärt, so schreibt de Brinon, daß seine Einstellung stets die gleiche geblieben sei. Er wünsche die Aussprache und Verständigung, weil er darin die Garantie für den Frieden er blicke. Er wolle, daß dieser wahrhafte Frieden zwischen loyalen Gegnern geschlossen werde. Ich glaube, so erklärte der Reichskanzler, daß das Ergebnis der Volksabstimmung meinem Wunsche eine neue Kraft gibt. Wenn früher Stresemann und Brüning verhandelten, so konnten sie sich nicht darauf berufen, daß das Volk hinter ihnen stehe. Ich aber habe ganz Deutschland hinter mir! Ich habe dem Volke nichts verheimlicht, was ich wollte. Das Volk hat meine Politik gebilligt. Das Gespräch geht dann auf das deutsch-französische Problem -über. Hitler glaubt, so schreibt de Brinon, an die Notwendigkeit einer deutsch-französischen Verständi gung: Ich habe die Überzeugung, so erklärte der Reichs kanzler, daß, wenn die Frage des Saargebietes, das deutsches Land ist, einmal geregelt ist, nichts Deutschland und Frankreich in Gegensatz zueinander bringen kann. Elsaß-Loth ringen ist keine Streitfrage. Man beleidigt mich, ruft der Reichskanzler aus, wenn man weiterhin erklärt, daß ich den Krieg will. Sollte ich Wahnwitziges wollen? Den Krieg? Er würde keine Regelung bringen, sondern nur die Weltlage verschlechtern. Er würde das Ende unserer Rassen bedeuten, die Elite sind, und in der Folge der Zeiten würde man sehen, wie Asien sich auf unserem Kontinent festsetzt, und der Bolschewismus trium phiert ... Ich habe vor mir eine lange innerpolitische Arbeit. Ich habe dem Volk den Begriff seiner Ehre wiedergegeben. Ich will ihm auch die Lebensfreude wieder schenken. Wir bekämpfen das Elend. Schon haben wir die Arbeitslosigkeit zurückgedrängt; aber ich will Besseres leisten! Ich werde noch Jahre brauchen, um dahin- zngelangen. Glauben Sie, daß ich meine Arbeit durch einen neuen Krieg zunichte machen will? Das Gespräch wandte sich sodann den Mitteln zu, durch die das deutsch-französische Problem bereinigt werden könnte. Der Reichskanzler führte nach der Schilde rung de Brinons u. a. aus: Mein Vaterland ist nicht eine zweitrangige Nation, sondern eine große Nation, der man eine unerträgliche Behänd! ung auf gezwungen hat. Wenn Frankreich seine Sicherheit auf der gefährlichen Unmöglichkeit Deutschlands, sich z« verteidigen, aufzubauen gedenke, dann ist nichts zu machen, denn die Zeiten, in denen das möglich wäre, sind zu Ende. Wenn Frankreich aber seine Sicherheit in einem Abkommen finden will, bin ich bereit, alles an zuhören, alles zu begreifen, alles zu unternehmen. Man weiß ziemlich genau, worin die von Deutschland ge forderte Gleichheit besteht. Moralisch handelt es sich um ein absolut gleiches Recht. Die praktische Durch führung kann etappenweise erfolgen, und man kann über die Einzelheiten verhandeln. Aber man sagt mir: gewiß, Gleichheit, jedoch keine Gleichheit ohne Gegenleistung. Welche Gegenleistung? Man mWte endlich den Inhalt des französischen Wortes Sicherheit kennen! Auf den Hinweis Brinons, daß man in Frankreich auch die Gewißheit haben möchte, daß nach endgültiger Regelung der Differenzen nicht neue Schwierigkeiten auf tauchen, erwiderte der Kanzler u. a.: Ichallein entscheide über die Politik Deutschlands, und wenn ich mein Wort gebe, dann bin ich gewohnt, cs zu halten. Was ist also noch notwendig? Ich habe keinen Thron geerbt, ich habe aber eine Doktrin auf rechtzuerhalten. Ich bin ein Mensch, der handelt und der seine Verantwortung übernimmt. Ich bürge mit meiner Person vor dem Volk, das ich führe und das mir die Kraft gibt. Aber sprechen wir von der französischen Sicherheit! Wenn man mir sagen würde, w a s ich für sie tun kann, würde ich es gern tun, wenn es sich nicht» m eine Unehre oder eine Drohung für mein Land handelte ... Ein englischer Journalist hat geschrieben, daß man zur Beruhigung Europas eine Verständigung zwischen Deutschland und Frankreich herbeiführen und Frank reich die zusätzliche Sicherheit eines Verständi gungsbündnisses mit England geben müßte» Wenn es sich um ein derartiges Bündnis handeltz will ich es gern unterschreiben. Denn ich hab« nicht die Absicht, meinen Nachbarn anzugreifen. Auf die Frage, ob Deutschland nach Genf zurückkehre» werde, sagte der Kanzler u. a.: Wir werden nicht nach Genf zurückkehren. Der Völkerbund ist ein internationales Parlament in dem die Mächtegruppen in Gegensatz zueinander stehen. Die Mißverständnisse sind dort verschärft worden, anstatt gelöst zu werden. Ich bin ste 1 s bereit, und ich habe das bewiesen, Verhandlungen mit einer Regierung aufzunehmen, die mit mir sprechen will. De Brinon zieht aus seiner Unterredung mit Hitler den Schluß, daß das Urteil des englischen Journalisten Ward Price, der auf Grund einer Unterredung mit dem Reichskanzler von dessen Ausri ch t i g k eit überzeugf wurde, z u tr if ft. * Starkes Scho der GrUruygen Wer in Paris «md London. Die im „Matin* veröffentlichte Unterredung deS Führersmit Ferdinand de Brinon hat in Paris ein starkes Echo gesunden. Fast alle Blätter bringen die Ausführungen des Führers auszugsweise. Die Tatsache, daß der Führer zumerstenMale einen französischen Pressevertreter empfangen hat, wird besonders unter strichen. Allerdings hindert das gewisse chauvi nistische Blätter nicht, ihre bekannten Verdächtigungen zu wiederholen. „Hitlers Friedensangebot an Frankreich." Das Interview des Reichskanzlers wird in der englischen Presse in längeren Auszügen wieder gegeben. Unter der Überschrift „Hitlers Friedensangebot an Frankreich" erscheint eine Unterredung auf der ersten Seite des Rothermere-Blattes „Evening News", das be sonders die Ausführungen Hitlers über ein englisch französisches Verteidigungsbündnis — den Lieblingsplan Lord Rothermeres — unterstreicht.- Hervorgehoben wird auch die Erklärung Hitlers, daß Deutschland nicht nach Genf zurückkehren wolle. Ausführliche Wiedergabe in Italien. Die Erklärungen des Reichskanzlers werden auch von den italienischen Blättern in einer ausführlichen Übersetzung der Agentur Stefani gebracht, ohne Kom mentar, mit Überschriften: „Friedliche Erklärun gen Hitlers". Ferner wird in den Untertiteln be sonders hervorgehoben, daß Deutschland nicht mehr nach Genf zurückkehren wird. dazu ist der Einfluß der französischen Generals-Kamarilla und der schwerverdienenden Rüstungsindustrie noch zu stark. Aber die vorläufige Bereitwilligkeit, zunächst ein mal auf neutralem Boden nicht nur über die Fragen der Abrüstung, sondern über alle europäischen Probleme mit den drei anderen Mächten zu reden, ist immerhin ein neues Symptom. Es wird sich zu Zeigen haben, ob es wieder nur beim Reden bleiben soll. Deutschland hat noch keine Ver- anlaffuna. kick durch ekle unv-nbindüche Bekundung des Herrn Päul-Boncour aus seiner kühlen Zurückhaltung, herauslocken zu taffen. Frankreich und England sind cs,, die nach vierzehn Jahren der Sabotagepolitik etwas an bieten müssen. Die Zeit, m der Deutschland selbst eins bloße Vernehmuna durch immer neue Verzichte und Zu geständnisse erkaufen mußte ist für immer vorbei. Deutsch land kann als übergeduldiger Gläubiger in Ruhe ab- wartcn, was ihm seine Schuldner zu bieten haben. Und das muß ganz erheblich mehr sein als Reden und unverbindliche Bereitwilligkeiten. P. A. R.