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Erzgebirgischer Volksfreund : 29.02.1924
- Erscheinungsdatum
- 1924-02-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1735709689-192402293
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1735709689-19240229
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1735709689-19240229
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Erzgebirgischer Volksfreund
-
Jahr
1924
-
Monat
1924-02
- Tag 1924-02-29
-
Monat
1924-02
-
Jahr
1924
- Titel
- Erzgebirgischer Volksfreund : 29.02.1924
- Autor
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habe Hegen Anregungen von verschiedenen Seiten, mit v. Kahr, «I, er Geueralstaatskommissar geworden war, wieder zusammen zu arbeiten, ablehnend verhalten, weil er an seiner Entschlußkraft -in schwierigen Lagen gezweifelt habe. Sein Zusammentreffen mit w. Kahr sei veranlaßt gewesen durch einen dahingehenden Wunsch des Kapitänleutnants Ehrhardt. Pöhner hab« Ehrhardt am LS. September zu sich geladen, wobei Ehrhardt geäußert habe, es würde jetzt doch ernst mit dem Marsch gegen Berlin, und Pöhner müßte sich zu diesem Zweck mit v. Kahr wieder in» Einvernehmen setzen. Ehr hardt sei sehr daran gelegen gewesen, daß er, wenn er mit seinen Formationen im Norden Bayern» Aufstellung nehme, die Gewiß heit habe, daß das Gebiet in einer Hand sei. Pöhner schilderte dann »aß Zusammentreffen mit v. Kahr, wobei auch Oberst Seißer zuge zogen worden sei. v. Kahr habe dabei Pöhner die Frage vorgele^t, ob Pöhner mit ihm zusammenznarbeitcn bereit sei und die ffunktw- men eine« Fioligouverneurs in Sachsen uirü Thüringen bekleiden wolle. Diefer Vorschlag sei Pöhner etwas unerwartet gekommen, nachdem Ehrhardt es für wünschenswert gehalten hatte, daß er da» Kommissariat für Nordbayrrn übernehme. Dies« Besprechung sei schließlich ergebnislos verlausen. Ehrhardt sei etwa Mitte Oktobr wieder zu ihm gekommen und hab« geäußert, daß die Aktion nicht vorwärts gehe. Er bat Pöhner, bin« Unterredung mit Hitler zu vermitteln. Diese Unterredung fand «m 7. November statt, ohne zu einem Ergebnis zu sichrem Am 8. November sei er dann von Hitler besucht worben, der ihm ge sagt habe, daß nunmehr eine Aktion gegen Berlin motwendig sei. Pöhner sagte, er sei froh gewesen, jemanden jgesunden zu haben, der die Verantwortung auf sick nahm. Hiller ent wickelte in dieser Besprechung seine Plane, wobei er Pöhner das Amt des Ministerpräsidenten anbot. Diesen Borschlag hab« Pöhner angenommen, und Hitler versprach, am Abend in der Versammlung «nwesend zu sein. Pöhner habe als Bindeglied -wischen v. Kahr und Hitler fungieren sollen. Hierauf gab Pöhner eine Schilderung der Vorgänge im Dürgcrbräukcller, wobei er hervorhob, baß v. Kahr Aber die Vorgänge äußerst empört war und sagte, Hitler hätte noch v—10 Lage warten sollen; es standen noch einige Antworten von Norddeutschen Herren aus. Auf Ludendorffs Antrag Hal'« er sich so- ffort an v. Kahr gewandt nnd ihn gebeten, er möge in dieser Schick- »alsstunde bas tun, was alle sehnsüchtig von ihm erwarteten. ». Kahr Hobe sich aber ablehnend verhalten. Ludcn- dorff habe nun aus Lossow eingesprochen, der Zuerst eine ganz -neutrale Haltung eingenommen habe, schließlich aber seine Zu- istimmung gab. Pöhner sei die Einwilligungs Lossows eine Er- -Ming gewesen. Oberst Seißer hab«, ohne ein Wort zu verlieren, /sofort fverrdig eingeschlagen. Am ö. November hal>e dann v. Kahr mitgeteilt, er habe bereits :«in Kreirtelegramm aufgegeben des Inhalt, daß er als Statthalter die «bayrische Negierung in seinen Händen labe. Um 4 Uhr morgens habe iEhesredakteur Görlich ihm telephonic-! - habe vom Verlagsdirettor -der „Minchencr-Fsitung" die Nachricht .-halten, daß das Erscheinen ider Morgenzeitungcn durch einen Erlaß des Gcneralstaatskommissars /bei Todesstrafe verboten sei. In diesem Augenblick sei ihm klar sgcworoen, daß hier ein falsches Spiel getrieben iw er de. In einer anschließenden Besprechung im Wchrkrssskom- iinand» schlug Hitler vor, die Polizeidirektion in sichere Hand zu be- ikommen. Obe st Panzer, der vorher nock erklärt hatte, daß man lauf ihn zählen könne, habe Pöhner im Auftrag des Gencralstaats- Kommissars für verhaftet «rklart. Auf Befragen erklärt Pöhner, er habe es für selbstverständlich betrachtet, daß man nötigenfalls die /Absetzung der deutschen Reichsrcgierung mit Gewalt durchführen -werde, und daß die bayrische Regierung abgesetzt werde. Er bitte den Staatsanwalt neuerdings, Ehrhardtals Zeugen-» ver nehmen. Der Staatsanwalt erwiderte, das sei nicht möglich, weil Ehrhardts Aufenthalt unbekannt sei. Der Staatsanwalt stellt hicr- iiuis Antrag auf Ausschluß der Oeffentlichkeit. Von der Verteidigung werden die Fragen folgendermaßen fest- gebegt: 1., ist Pöhner bekannt, daß in der Nacht zum 13. März 1820 der damalige Präsident der Negierung von Oberbayern, Dr. von Kahr, ohne Zöocrn sich in den Besitz der öffentlichen Gewalt gesetzt hat auf dem Wege, weläxr dem am 8. und 9. November 1823 ge dachten vollkommen entsprach. S., ist Pöhner bekannt, daß im Jahre 1923 anläßlich der republikanischen Schutzqesetze, die in Bayern große Erregung verursachten, Herr von Kahr sich dhne Bedenken der Be wegung anschloh, deren Ziel es war, di« damalige Negierung Ler chenfeld auf dem klaren Wege ohne Druck zu entfernen? Das Ge- richt beschloß sodann, den Antrag der Borladung Ehrhardts als Zeu gen bis nach der Zeugenvernehmung v. Kahrs zurückzustellcn. Ein Verteidiger ruft: Die Adresse Ehrhard s ist München, Sendlingertor platz 1. Hierauf wurde die Sitzung auf Donnerstag vertagt. FSröerrmg Ser Produktion. Von D. Reinhard Mumm, Mitglied des Reichstags- Wer die politischen Fragen nicht nur mit der Brill« des Par/ei- poNtikars ansieht, fragt unablässig: was ist im Interesse des Ganzen not? lieber allen EstuÄcüwünschcn steht die Schaltung Ler 'Gesamt heit. Isis für die Erhaltung der Gesaurcheit nöli-g, so m-uß Einzelnes leiden. Meist aber ist di», enge Auffassung, die nur an den eigenen Stand denkt und sich freut, wenn es dem «uferen Staude schlecht geht, überaus kurzsichtig. Wer orga nisch denkt, weiß, -aß, wenn ein Glied leidet, das Ganz« leidet. E» muß daher der in den Städte» weit vorhanden« blinde Trieb, auf die Landwirtschaft zu schelten, auf da» recht« Maß zurück» geführt werden. Gewiß sind di« Landwirt« fündig« Menschen, so gut e» di« Ar beiter und die Arbeitgeber, di« Handwerker, die Beamten und di« Gelehrten sind. Aber damit, daß man einzelne, unleugbare Schä den hervorlMt, schasst man nur schiefe Urteile. Es ist mir unvergeßlich, was nrir vor manchen Jahren einer der ersten Führer der deutschen Landmirtscl-aft unter vier Augen sagte: »Kinne ich zu der Ueberzeugung, daß der Untergang der Landwirt schaft für unser Vaterland erforderlich ist, so würde ich für die Vor- nichtung der deutschen Landwirtschaft kämpfen. Aber weil ich weih, daß für unser Vaterland eine starke Landwirtschaft nötig ist, kämpfe ich für di« Landwirtschaft." Wir Deutschen, in unserer nun offenbar gewordenen Armut, können nicht unser« Nahrung aus dem Auslande beziehen. Sie muß uiw im «igenen Lande wachsen. Schlimm genug schon, wie viel Wolle und Baumwolle, Kakao, Rei», Tee und Kaffee wir aus dem Auslande beziehen müssen. Hoffentlich haben wir bald wi«d«r so viel Zuckerrüben, baß wir halb Westeuropa, wie vor dem Kriege, mit Zucker versorgen können! Wir, enger wie f« zusammengepfercht, müssen jedes brauchbare Hektar Land bi» aufs äußerste ansnutzen. Darum muß unsere Landwirtschaft rentabel bleiben, müssen wir Oedländereien kultiviere», müssen den nötigen Dunger beschaffen können. Für letzteres macht einer der weitestblickenüen Führer der deut schen Landwirsck>aft, der Reichstagsabgeoodnetc Pächter Schiele, soeben einen beachtlichen Vorschlag: Der Landwirt kaust mit Kornzertifikaten, ausgestellt aus die nächste Ernte, diejenigen O-iantitäten Düngemittel, die er heute braucht. Der Ausgleich findet statt auf der Grundlage einer na- lllrlick)«n, vernünftigen Relation. Di« Düngemittelindustrie wird in di« Lage versetzt, diese Kornzer-isikate diskontiert zu erhalten. Also: 1. Landwirt Zk. stellt «in oder mehrere Kornzertifikate (Liefer scheines lautend auf je 20 Zentner marktgängige Ware aus. 2. Landwirtschaftliche Korperationen sammeln diese Zertifikate und übermitteln sie nach Einschaliuny einer Solidarhast au di« SUcksivsk-Kal-i-Phosphor-Werke, welche mif Grund einer verab redeten Relation liefern. 3. Die Industrie reicht d'e Kornzertifikate der Landwirtschaft bei der Neichsbank ein. Dies« diskontiert sie." Bei der unleugbaren Kreditnot unserer Landwirtschaft in der Gegenwart ist der Vorschlag von den verschiedensten politischen Sei ten gut ausgenommen worden. Di« Intensivienmg unserer Wirt schaft und damit di« Annäherung an das Ziel, daß wir di« Nahrung für nnser Volk im eigene» Lande ziehen und eins aktive Huudels- bilanz gewinnen, ist so wichtig, daß man jedes brauchbare Mittel zu diesen: Ziel wird begrüßen müssen. Förderung der Landwirischaft ist heut« keineswegs nur Standespol/tik, sondern genau so eine na tionale Politik, wie es di« Erhaltung der Dcamtenrechte, die Ge sundung des Mittelstandes und di« Hebung des Arbeiterstanües ist. Die Geburtsziffern des Jahres 1823. von denen allerdings bisher nur Einzelzifsern vorltsgm. reden eine so erschreckende Sprache (Berlin weit mtter der Pariser Ziffer!), daß alles getan werden soll'«, um di« Gesundung des deutsch/en Bölkes an Leib und Seel« zu fördern. Nme Drangsalierungen. Hamm, 27. Fe'or. Seitdem die französische Paß- und Zollkontrolle von Scharnhorst nach Dortmund Hauptbahnhos verlegt ist, wird sie hier unter Zuhilfenahme der deutschen Zollbeamten, die ständig unter Aufsicht französischer Zollbeamten arbeiten müssen, in der rigorose st en Weise gehandhabt. Namentlich bei dem Verkehr in der Nichtung Hamm-Dorrmund spielen sich bei An kunst in Dortmund Szenen ab, die an die Vorkommnisse in den ersten Tagen des Ruhreinbruches erinnern. Sobald der Fug am Dahlssteig eingelmssen ist, stürzt das Publikum, soweit es di« Ver hältnisse bei der Zollkontrolle kennt (mitunter SOO und mehr Reisende), im Eilschritt mit Kasten und Koffern auf die Paß- und Zollstelle los; denn wer zuletzt kommt und als einer der letzten abgefertigt wird, muß öfters 1 bis 2 Stunden warten, bis die Abfertigung beendet ist. Reisende, die Anschlüsse nach Bochum, Essen, Wanne usw. häben müssen, werden hiervon besonders beirossen. Bei dieser Sucht, der Erste zu sein, entsteht ein solches Gedränge, daß Frauen und Kinder zu Boden geworfen und getreten werden, die Kleider werden den Reisenden buchstäblich vom Leibe gerissen. Der fran zösische Beamte, welcher die Pässe prüft, hat seinen Platz echoht auf einem Tische oder Stuhle eingenommen, um nkchk volOVK'Dkenssemrr sortgeriffen zu werden. Die Pässe werden eingehend geprüft. Die Zollkontrolle ist äußerst scharf; fast alle Reifende werden abgetostet, ob sie zollpflichtige Gegenstände an ihrem Körper verborgen haben. Den Frauen werden die kleinsten Handtaschen geöffnet. In umge kehrter Richtung (Dortmund Hauptoahuhof—Hamm) sammeln sich die Reisenden auf der Treppe zum Bahnsteig an und warten dort zu» fammengepfropft aH Abfertigung durch die Kontrollorgane beim Betreten des Bahnsteig». * Der Judaslohn für die Separatisten. Speyer, 27. Febr. Die sogenannte autonome Regierung der Pfalz hat sich aufgelöst. Im Regierungsgebäude befinden sich zur Stunde noch etwa SO Separatisten, die mit Aufcäumungsarbeiten beschäftigt sind. Es bedarf großer Anstrengungen, um die Räume, die sich in äußerst verwahrlostem Zustand befinden, einigermaßen wieder in Ordnung zu bringe». Den Löwenanteil an der in Speyer requi- rirrten Beute haben di« Separatistensührer Bley, Sä>midt-Epper, Münster und Wilhelm erhalten. Die Höhe der Abfindung, welche die Separatisten von ihren Auftraggebern erhalten haben, steht ziffern mäßig noch nicht fest. Immechin wind bekannt, daß sie bedeutende Summen erhielten, welche ihnen die Reise ins Ausland ermöglichen sollen. Sie blöden jedoch zunächst noch in der Pfalz, um die weitere Entwicklung abzumarten. Alle Separatisten sind im Besitz von A is- landspüssen. Von den Mannschaften sind die verheirateten mit 27k Franc, die Unverheirateten mit 200 Franc abgeftmden worden. Darüber herrscht große Unzufriedenheit, weil ihnen SOO Franc ver-> sprachen worden waren. Sehr bezeichnend für die Quelle, aus der diese Abfindungssummen wohl fließen, ist die Tatsache, daß die Ab- f'ndungsliste der französischen Provinzkommission von den Separa tisten zur Prüfung vorgelegt werden mußte. Daß die Saparatsstsn ihre Nolle noch nicht für ausgespielt halten, beweist die Gründung der rheinischen Arbeiterpartei für den Bezirk Pfalz und Rheinhessen durch den Separatistenführer Eunz in Ludwigshafen. Parte, 27. Febr. Der „Matin" »reibet mrs Speyer: Wegen der blutigen Ausschreitungen in Pirmasens hat das Kriegsgericht da» Hariptvcrfahren gegen 46 Beschuldigte eröffnet. 18 der Angeklagten' befinden sich in Haft. Die Ausschreitungen in Pirmasens erscheinen weit schwerer als jene in Düsseldorf, die ihre Sühne vor dem Düffel- dorfer Kriegsgericht gefunden haben. (?) Amerika zur Wirtschafiskonferenz bereit. London, 27. Febr. Nach der „Times" beschäftigt man sich in amerikanischen Rcgicrungskreisen mit den Bedingungen, unter denen Amerika bereit sein wird, auf einer internationalen Wirsschaftskon- fcrcnz vertreten zu sein, die sich mit den Berichten der Sachverstän digen und der Lösung der Reparationsfrage zu befasse» hat. Amerika würde die Initiative hierzu der englischen Negierung überlassen. Aus diplomatischen Mitteilungen hat das Washingtoner Kabinett den Eindruck gewonnen, daß Frankreichs gegenwärtige Haltung die Mög lichkeit einer Lösung der Reparationsfrage in Aussicht stellt. Gleiwltz, 27. Febr. Hier wurden in den letzten Tagen 70 Per sonen wegen dringenden Verdachtes des Hoch- und Landes verrats fe st genommen. Wien, 27. Febr. Handelsminister Schürff wird Ende dieser Woche mit mehreren Referenten seines Ministeriums zum Besuch der Messe nach Leipzig fahren. Paris, 27. Febr. Dio Personentarife der Eisenbahn wer den vom 10. März ab in der 1. Klasse um KO Prozent, in der 2. Klass« nm 48 Prozent, in der 3. Klasse um 47 Prozent und die Gütertarif« um 12 5 Prozent erhöht. e» - - — « OerMche Angelegenheiten. " Landtagsauflösung? Wie die „L.N. N." erfahren, werden die Deutschvölkischcn in den nächsten Tagen den Antrag auf Zulassung eines Volksbegehrens zur Landtageauflösung an der zuständigen Stelle einreichen. Die erforderliche Zahl von Stimmen ist bereits beisammen. Diese unterliegen gegenwärtig der behördlichen Beglau bigung. Auch der linke Flügel der Sozialdemokraten ist eifrig an der Arbeit, um mit dem dritten Versuch die Bestimmungen des Ge sotzes über Volksbegehren und Volksentscheid zu erfüllen. Es ist mit Sicherheit zu erwarten, daß dieses Mal das Volksbegehren zustande kommt, ebenso erscheint es schon als sicher, daß die Mehrzahl der Parteien sich mit dem Volksbegehren einverstanden erklärt, so daß VZrkehrsfsrö errmg. Bon B. Haldy -Gelnhausen. Ort der Handlung: ein Possschalter. Personen: ein Schalter- dcamtcr, ein Staatsbürger. Zwanzig weitere Staatsbürger sind in .-.Polonaise aufmarschiert. Zeit: Gegenwart. j Der Staatsbürger: (schiebt einen Postscheck durch den Schalter). Der Beamte: (sicht flüchtig auf die Geldscheine und schiebt sie dem Staatsbürger wieder zu). ' Der Staatsbürger: „??? . . Der Echaltcrboamle: „Diese Scheine werden nicht angenommen." - Der Staatsbürger (erst sprachlos, dann sehr bescheiden): >»Aöec . . Der Schalterüeamte (zuckt die Achseln): „Ich kann Ihnen nicht Helsen." Der Siaatsbürger (schüttelt den Kops, dann noch bescheidener): „Aber — hier steht doch .wertbeständiges' Geld!" Der Schaltsrosamte: „Ja, aber von der Reichsbahn — das Nehmen wir nicht." Dec Etaatsbürgrr (schüttelt fassungslos den Kopf): Ja, Reichs bahn . . . das nimmt die Rcichspost nicht?" Der Schalterbeamie (schüttelt ungeduldig den Kopf): „Rein, ich sagte Ihnen doch . . Der Staatsbürger (geknickt): „Verzeihung — aber hier, vom Freistaat Preußen . . ." / Der Schaltorbeamte: „Nehmen wir nicht." Dor Staatsbürger: „???" Der Schalterbcamte: „Anweisung der vorgesetzten Dienststelle." s Der Staa sbürger (während ein glückseliges Lächeln der Bo- 'sie rang über sein Gesicht zieht): „Ach so, ja, gewiß, sehr begreiflich — »lfo Kior: Dollarnoten dos Deutschen Reiches . . ." Der Schalte, beanne: „Nehmen wir nicht." Der Staatsbürger (mit einem Anlaus von Entrüsttmg): „Wer die Rcichckasse gibt sie doch aus?" Der Schalterbeamte: „Geht mich nichts an." Der Staatsbürger (sieht sich hilf- und fassungslos im Kreise um; dann mit verlöschender Stimme:) „Was nehmen Sie denn?" Der Schalterbeamte: „Nontenmark." Der Staatsbürger: „Ja, so viel hab' ich doch gar nicht von der «Torte! Ich habe nur hier . . . (Lr nimmt anderthalb Kilo Hundert- milliardouscheine hoch und hält sie dem Beamten vor die Nase). Der Schalterbcamte: „Kaun ich nicht brauchen. Wir sind auf Nontenmark umgestellt." Der Staatsbürger (mit einem auflommurden Wutanfall): „Wenn Has Publikum aber keine Nentenmark, sondern nur das Zeug kriegt, das Sie nicht nehmen wollen, wie?" Der Schalterbeamte (zuckt die Achseln): „Gebt mich nichts an, ich handle nach den Anweisungen der höheren Einsicht meiner vorge setzten Dienststellen." Der Staatsbürger <wird erst weiß im Gesicht, dann gelb, grün, Zot. dunkelblau und violett. eine» lästerlichen Fluch au» und I schleudert die andcrhalb Kilo Milliarden gegen den Beamten durch das Schaltersenster. Der Schalierbeamte (bückt sich mit einer Bewegung, die lange Hebung verrät,-streckt den Kopf vor und sagt gleichmütig: „Der Nächstes" Das Kalewala. Don Geheimrat Dr. Alfred Diese- Frankfurt a. M. Jedes Kind in der Schule hört etwas von Homer. Wer aber kennt in deutschen Landen „Kalewala"? Einige zünftige Gelehrte, lind doch ist cs das Epos, das uns am nächsten an jene Quelle führt, aus der überhaupt der episch-lyrische Dosssgesang entspringt. Wie fremdartig uns aber die Namen dec Helden von Kalewala an muten! Wäinämöinen, Jlma.incn, Lcmminkäinen usw.! Die Sprache der Finnen gehört eben nicht der arischen, sondern der tnranischen Gruppe (vom Ural-Altai) an, wie die der Esthen, Ostjakcn, Bulgaren, Ungarn. Als Dr. Elias Lömrot 1835 und 1840 seine Sammlungen finnischer Lieder (Kalewala. In fünfzig Nunen, ca. L2K8O Börse) heransgegeben hatte, da wurden alle Sprach- und Poesie-Forscher, wie Jakob Grimm, Sieinthal, Ma,x Müller, Uhland, lebendig und hielten Vorlesungen über dieses neue Wunderwerk der Weltliteratur. Ausgezeichnete Ueborsetzungen lieferten Hermann Paul (leider ver griffen) und Anton Schiefner.') Es ist «ine unerschöpflich Fund grube für Probleme der Völkerpsychologie und der Dlotivhandlungen. Es ist aber auch hochwichtig für die heutige Kulturentwicklung eines Volkes, das so treu und tapfer im Weltkriege zu Deutschland ge halten hat wie auch nicht annähernd irgend ein anderes und in der Dege, t Opfer auf Opfer bringt, um dem bewunderten und geliebten ^.cunde in seiner Not zu helfen. Der Geist der Kalewala lcbt in der Malerei, Bildhauerkunst, Musik und Poesie der Finnen noch heute fort. In Kalewala sehen wir tief in die Seele einer fremdartigen Landschaft und in das unverdorbene Gemüt eines aus Schwermut immer wieder zu Sinucnfreudigkeit sich rettenden, phan- taftebegabten Volke» hinein. Die hehre Naiureiusamkeit an unend- lichen Seen und Sümpfen, in Wäldern an Kiefern und Birken, auf Inscln mannigfaltigsten, bald öden, bald lieblichen Eharakter», waltet hier das große Naturschweigen gewinnt« hier seine Sprache. Es wurde die,ein Völkchen zum Bedürfnis zu singen von dem, was die Ueberliesorung, die Sage, die Phantasie ihm eingab. Das Singen wurde »um Wunder, das Wort zum Zauber. Der Held, von dem das in Episoden verschiedenster Art zerslattcrnde Epos kündet, Ist nicht, wie zumeist bei den Ariern, ein Kricgsbeld, er ist auch nicht bloß ein Orpheus oder Horant, der alle Wesen, lebende und unbelebte, mit seinem Liede bezaubert, sondern er ist der Zauberer mit dem Worte schlechthin; mit diesem schasst er ein Boot mit Mast und Segel, den Mond, zu leuchten durch der Tannen Wipfel, und Sterne, Sturm, Wolken; mit ihm wandelt er den Feind zu Stein oder zum Vogel; em anderer läßt singend im Hofe entstehen: Ebereschen, Lichen, Eicheln drauf an jedem Zwige, an den Eicheln goldne Kugeln, einen *) Bearbeitet und durch Anmerkungen und eine Einführung eraLut von M. Buber. München. Mayer u. Jessen Kuckuck an der Kugel usf. Bei den Turaniern herrscht also die Vor stellung, daß, wer das Wort eines Dinges hat, damit auch seinen Begriff und mit diesem seinen Ursprung kennt und mit dieser Kennt nis es auch vernichten oder verwandeln kann, wie Wäinämöinen „alt und wahrhaft"; so lauten die stehenden Beiwörter; man denke an Schillers „Dier Weltalter", wo es vom Sänger des ersten heißt: „er saß in der Götter urältesiem Nat, er belauschte der Dinge geheimste Saat." So wird Wäinämöinc», der Sohn dec Luft oder der Natur und des Windes, zum Weltschöpfer, sein Bruder Ilmarinen, der „ewige Schmied", zum Verfertiger des „Sonnys", einer Wunder mühle, die alle Wohlfahrt versinnbildlicht — wie der Nibelungen- hort ». a. — und um die Nord und Süden streiten. Die Götter selbst treten vor dem Sänger und Zauberer zurück. Sie sind Nn'urpersoni- fikationcn, wie wir sie bei allen Völkern finden, nur das Kcstüm wandelt sich. Da ist Akko, der Himmelsgott, ein alter Mann in blauen Strümpfen, der Regenbogen ist sein Dogen, der Blitz ist sein Schwert, die feuerfarbens Wolke sein Gewand — man denkt an Thor. Da ist Wallamo, die Göttin des Wassers, bekleidet mit blauer Mütze- »artsüumigem Rock, Hemd und Brustkleid beflißen aus Binsen und schäumendem Mantel, da ist Tapio, der oberste Waldgott und Erde» wtrt, ein alter Mann mit braungrauem Bart, hohem Hut aus Föhren- nadeln und einein Pelz aus Baummoos usf. Aber alle dieie gött lichen Wesenheiten sind nicht selbständig, sondern nur Kräfte, die der Zauberer in Bewegung setzt. Tiefsinnig Ist die Allegorie von dem Schmerzenberg: die Tochter Turms, des Gotte» der Unterwelt, die Qnolcnjungfrau, sitzt auf den Felsen und dreht den Derg, so daß die Krankheiten zermahlen werden, oder sic kocht die Schmerlen in einem einzigen Kessel. — Was in den Gesängen so sehr anspncht und den Leser erwärmt, das ist die Innigkeit des Verhältnisses der Kinder zu den Eltern» die Heimalliebe, in der die Braut sich schwer trennt von dem^Hause ihrer Geburt, die Sinnenfreudigkeit in Licbeslust (Lemminkäinen), die Naturliebe, die warme Zuneigung zu den Bögeln der Luft, zu den Tieren des Waldes, zu den Bäumen. Da hört z. D. der Wanderer eine Birke weinen: Weshalb weinst du, schöne Birke, Jammerst du, o Grünbelnubte, Wcißxegürtete, was klagst du? Wirst ja nicht zum Krieg geführt, Nicht zum Kampfe du gezwungen. Und das Bäumchen klagt.... Abgeschält wird meine Rinde, Fortgeführt wird mein Gezweigs. — Das Haupithema bildet Brautwerbung. Hochzeit, Abschied, Trauer um die Verlorene. Man kann auf da« Danze nach Form und Inhalt das Wort Iakob Grimm» anwenden: „Poesie ist das Leben, gefaßt in Reinheit und gehalten Im Zauber der Sprache." Die Form wiegt sich In dem trochäischen Rhythmus und im Parallelismus, der fast In jeder folgenden Zeile den Inhalt der voraufgehenden wiederholt, saßen sich doch zwei Sänger auf einer Bank mit verschlungenen Händen gegenüber, sich zueinander neigend nach dem Takte, und der dritte spielte dazu dl« Kantela (ein Harfeninstrument). Die Liebe zum Singen beseelt sie. So sagt der eine: Goldener Freund, mein lieber Bruder, Teurer, mit mir gewachsen! Komm jetzt, um mit mir zu singen, Um mit mir vereint zu sprechen, Da wir hier zusammentrafen, Don ver schiedenen Seiten 'ommend; Selten kommen wir zusammen, Selten finden wir einander, In den kargen Lnnderstrecken, Auf des Ncrben» armem Boden. — Aber auf diesem armen Boden de» Norden» bUihto die Lunderblu«« reinster, keuschelt« Poesie.
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