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Zonntags-Kettage »!>.45 ANsclrutlei' raoedlstt l'.tt. tyzz Anlage und Umwelt bei der Zwillingssorschung. Von Professor vr. M. H. Baege-Jeua. Die Entwicklung des Menschen wird bestimmt einer seits durch die Erbanlagen, die er mitbringt, und anderer seits durch die Umwelt, durch die mancherlei Umstände, unter denen er aufwächst und lebt. Anlage und Umwelt stehen in einer festen Wechselbeziehung zueinander, denn immer setzt der Umwelteinfluß bestimmte Erbanlagen voraus, an denen er wirksam sein kann, und immer bedarf die erbliche Veranlagung einer entsprechenden Umwelt, damit sie zur Ent wicklung komme. Die Erbanlagen sind durch eine bestimmte Beschaffenheit der Keimzellen festgelegt. Man denkt sie sich zur Zeit haupt> wchlich an bestimmte Gebilde des Zellkerns, die sogenannten Chromosomen, gebunden. Die Keimzellen und in ihnen besonders die Chromosomen gelten als die körperlichen Träger der Erbanlagen. Die Gesamtheit der Erbanlagen eines Men schen bezeichnet man als Erbgefüge. Dieses kann nun durch Einflüsse von der Außenwelt oder von irgend einer Stelle des Körpers selbst her geändert werden. Die Aufgabe der Wissenschaft ist es, den Anteil, den Erbanlagen und Um welteinflüsse an der körperlichen und geistigen Entwicklung haben, zu ermitteln, Die Anthropologie arbeitet daran schon seit Jahrzehnten; sie ging bis vor kurzem so vor, daß sie nur entweder die Erbanlagen oder die Umwelteinflüsse — also jedes für sich — erforschte. Wichtig aber ist, die mannigfaltigen Wechselbeziehungen zwischen beiden festzustellens denn auf diesen Wechselbeziehungen beruht alle körperliche und geistige Entwicklung. Der Anteil der beiden Faktoren läßt sich am klarsten dort erkennen, wo es uns möglich ist, eine Abstufung beider Kräfte vorzunehmen. Das erreichen wir dadurch, daß wir erb- gleiche Menschen in eine verschiedene Umwelt oder erb- verschiedene Menschen in eine gleiche Umwelt bringen. Zu solch experimenteller Erforschung bietet uns die Zwil lingschaft eine besonders gute Handhabe; darauf beruht ihre große Bedeutung für die Erblichkeitslehre. Man unter scheidet zweieiige und eineiige Zwillinge. Die zweieiigen Paare werden gebildet aus zwei Menschen, die in ihrer körper lich-seelischen Eigenart mehr oder weniger deutlich voneinander verschieden und öfter auch verschiedenen Geschlechtes sind. Auf Grund bestimmter anatomischer Feststellungen ist man der Ausfassung, daß diese Zwillinge sich aus zwei verschiedenen Eiern entwickelt haben. Von den eineiigen Zwillingen hingegen nimmt man an, daß sie aus einem einzigen Ei ent standen und darum immer gleichen Geschlechts rind auch sonst einander meist zum Verwechseln so ähnlich sind. Bei einengen Zwillingen können also gleiche Erbanlagen vorausgesetzt werden; stellen sich dann im späteren Leben in körperlicher oder seelischer Hinsicht Verschiedenheiten heraus, o sind diese als Produkt verschiedener Umwelteinflüsse anzu- ehen. Der namhafte Zwillingsforscher Freiherr von Ver- chuer hat an einer größeren Anzahl von Zwillingspaaren, deren Partner infolge verschiedener Berufswahl in ver schiedene Umwelten, also unter verschiedene Lebensbedingungen gelangt waren, Messungen vorgenommeu und dabei festgestellt, daß suh schon nach kurzer Berufstätigkeit mancherlei körper liche Unterschiede, besonders im Gewicht und Brustumfang, herausgebiloet hatten. Die körperliche Veränderung war rund viermal so groß wie die durch verschiedene erbliche Ver anlagung bedingte Verschiedenheit gleichgeschlechtlicher zwei eiiger Zwillinge. An der endgültigen Prägung der Körper gestalt eines Menschen ist also die Umwelt, besonders in der Form der Einwirkungen der beruflichen Betätigung, wesent lich beteiligt. Wie steht es nun mit dem Anteil von Anlage und Um welt an der geistigen Entwicklung? Leider liegen hier noch zu wenige Untersuchungen und Beobachtungen an eineiigen Zwillingen, die von klein an in verschiedene Um- weltsverüältuisse gekommen sind, vor, um schon mit einer endgültigen Antwort aufwarkn zu können. Eine Feststellung scheint aber ziemlich gesichert, nämlich die, daß die zweieigen j Zwillinge auch in geistiger Hinsicht verschiedener unterein ander sind als die einengen. Man glaubt die Ursache für die! verschiedene geistige Aehnlichkeit der beiden Zwillingsgruppen! in den Erbanlagen sehen zu müssen. Die ersten Versuches durch Untersuchungen an eineiigen Zwillingen den Anteil von! Anlage und Umwelt an der geistigen Entwicklung zu be stimmen, machte ein amerikanischer Gelehrter an einem 30 Jahre alten Schwesternpaar, das schon vierzehn Tage nach der Geburt getrennt und in ganz verschiedene klimatische und soziale Verhältnisse gebracht worden War. Die körper liche Aehnlichkeit überraschte geradezu, aber auch in den intellektuellen Fähigkeiten (Rechnen, Urteils fähigkeit, Kombinationsgabe) zeigte sich eine weitgehende Uebereinstimmung. Hingegen bestanden in den Charakter eigenschaften sowie in grundlegenden Gefühlse i u - stellungen recht wesentliche Unterschiede. Zu einem fast entgegengesetzten Ergebnis kam ein anderer amerikanischer Gelehrter, der zwei 19 Jahre alte eineiige Zwillingsschwestern untersuchte, me im Alter von achtzehn Monaten getrennt worden waren und von denen die eine seitdem in Kanada, die andere in England lebte. Die körperliche Aehnlichkeit verblüffte auch hier wieder. Hingegen stellte sich bei der Jntelligenzprüfung eine beträchtliche Ueberlegenheit der erstens Zwillingsschwefter heraus, während im Teurperament eine weitgehende Aehnlichkeit beider Schwestern beobachtet werden konnte. i Durch Untersuchungen, die deutsche und amerikanische Gelehrte besonders in den letzten Jahren zur Lösung des Pro blems angestellt haben, sind inzwischen schon einige besser übereinstimmende Ergebnisse erzielt worden. Erwähnt daraus seien nur die sorgfältigen Studien, die der deutsche Psychiater Lange an kriminellen und psychopathischen eineiigen Zwillingen angestellt hat. Er konnte zeigen, daß die tiefer ver ankerten Wesenszüge erblich bedingt sind, daß die oberfläch licheren hingegen durch Umwelteinflüsse bestimmt werden, deren Wirksamkeit unter Umständen recht groß sein kann. Zu ähnlichen Ergebnissen kamen auch zwei andere deutsche Forscher^ Fassen wir oie bisherigen Ergebnisse der Zwillings psychologie in der Bestimmung des Anteils von Anlage und Umwelt an der geistigen Entwicklung kurz zusammen, so er gibt sich übereinstimmend, daß die Auswirkung der Erbanlagen stärker ist, als bisher angenommen wurde. Außerdem hat sich gezeigt, oaß der Einfluß der Umwelt auf die Ausbildung der Charakter eigenschasten größer zu sein scheint als im Be reich des Intellekts. Der verjagte Winter. Wie man den Pflanzen das Sonnenlicht ersetzt. — Strom wärmt besser als Dampf. — Rot und Gelb fördern den Wuchs. Von vr. Hans Plettenberg. Es ist kein Zweifel: Niemand sieht ohne Bedauern den Sommer scheiden. Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß der findige Zeitgenosse dem Winter allerlei angenehme Seiten abzugewinnen vermag, sei es auf dem Schneeschuh, sei es durch andere sportliche Betätigung. Das Licht wird knapp. Wir spüren den Mangel an Wärme, die manchem Nörgler zuvor lästig fiel. In den Wechsel der Jahreszeiten ein,zugreifen, wird dem Menschen kaum jemals möglich werden, selbst wenn ihm die Technik noch wirksamere Waffen verliehen hat. Und es dürfte auch nicht einmal ratsam sein, die seit Ewigkeiten bestehende Ordnung zu ändern. Immerhin bringt der Mensch es heutzu tage doch fertig, der Mutter Natur hie und da ein Schnippchen zu schlagen. So hat man es verstanden, den Pflanzen im Ge- wächshause für die Verkürzung der Sonnenbestrahlung einen Ersatz zu bieten. Die Lebewesen brauchen das Licht, damit das Blattgrün die Kohlensäure der Luft mit Wasser zu Stärke und Zucker umfetzen kann. Freilich hat die Bestrahlung mit gewöhnlichen Glühlampen ergeben, daß die Pflanzen zu seht in die Länge wuchsen. Die Ursache laa in der entwickelten»