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Der Reformator und seine Gattin. Ein Bild von Dr. Martin Luther und seiner Frau, der Non ne Katharina von Bora, die gleich ihm aus ihrem Orden aus trat und mit der er am 13. Juni 1525 die Ehe einging. i WM erstso Durch die bürgbcwehrten Täler ritt, mit festem Mel: Nordosten, da wuchs das große Deutschland in ihn ein. Und immer scharf im Trab, lässig im Muskelspiel verfangen, nahm er es schauernd in sich auf. Das hielt sich den ganzen Ritt, der Abend fand in seinem Blick das gleiche Leuchten, das der Morgen darin entzündet. Erst als die Burgen sich rotgold umsäumten und feiner Nebel dunst, den bunten, deutschen Tag beschließend, sich wie ein Vorhang vor die Landschaft zog, fielen ihm seine Lider und das beglückende^ Licht der Augen brannte in seinen Träumen weiter. Um diese Zeit ging der, zu dem er ritt, der Doktor Luther, gelassen durch sein Wittenberg. Auf Platz und Gasse mischte sich das Volk, abendlich lässig und Verhalten, wie schon berührt vom Frieden einer nahen Nacht. Im letzten Licht der Abendsonne senkte sich Glockenläuten in die Stadt, die Kirchturmzacken glänzten auf, ein Fenster auch dort lies im Gäßchen, am Gasseneck ein Mädchenkopf, ein blonder, und ba der braune Bart des Schusters vor dem Laden. Der Doktor ging ausgreifend seinen weiten Schritt, bei dem die schwerfaltige Kutte rhythmisch rauschte, quer durch das vielförmige Schicksal deutschen Lebens. Hier in den Gassen, oie vielwinkelig und eng, von späten Schatten schon durchdämmert waren, schlug aus den Werkstätten und Läden die Luft der Arbeit in den Duft des Abends, hier lebte, liebte, starb das Volk, hier wuchs das tiefe Mühen um den Sinn der Welt aus tausend dumpfen Herzen auf. So, daß sich auch des Doktors starkes Herz davon zum Ueberquellen füllte und noch in schweren, heißen Schlägen schlug, wenn er schon oben stand am Fenster in der Stube, den Blick auf seiner mond- durchglänzteu Stadt, in der das Volk zu neuem Tagwerk ruhte. Und eines Tages trat Hutten bei dem Doktor ein. Er füllte den sonst stillen Naum mit hurtigem Gespräch, metallenem Klirren und dem Geruch von Leder, stand schlank and frank da im Disput und schien durchtränkt von Sonne, Wind und Wiesenduft. -Dieweil der Doktor, hager fast und sleich, ihn mit den glühend-dunkeln Augen fest hielt, während die Hand in innig festem Druck reglos auf einem Buche ruhte, als wäre er ein abcndstilles Stück der Stadt, das nur tu kargen Stellen, in seine Augen etwa, die späte Sonne traf, Irm dann doch stürmisch aufzubrechen, sodaß der Ritter blaß verstummte. Man ging zu zweit durch die Stadt, die Gassenzüge buchsen auf iu Giebeln und in Bogen, im Schatten standen Ute Häuser, Schicksalsgehäuse von beredter Form. Und Hutten hielt in Bangnis an, als stünde er, den Doktor neben sich, vor einem zweiten Weg, der ihn zum Herzen der Erde führen würde. Dann aber schritt er, den Gaul dicht hinter sich, wie der Doktor weit ausgreifend, vorwärts, füllte sein Herz mit bunt- dewegten Bildern von Werkstätten, winkligen Gassen, Brunnen, drücken, Erkern, von arbeitsfrohen Händen, klugen Augen !md von dem Biedersinn derbfroher Art. Und sah in diesem Städtchen Wittenberg zum ersten Mal die werkfreudige Dascinskraft, mit der sein deutsches Volk trotz allem Weh der Kreatur sich seine feste Burg im Erdentale baute. Der Doktor schwieg und schritt neben ihm hin, auch er !n Bangnis heute, blind für sein Wittenberg, der Stadtgrenze entgegen. Dort stand er, der hagere Mönch, im frischen Wind veS freien Feldes, den Blick gebannt ins langgestreckte Tal, Vas vor ihm lag als mildgewölbte Muschel, vom winddurch- fcgten Himmel überspannt. Reichte dem Ritter seine Hand und sah ihm nach, als der im scharfen Trabe wie ein Pfeil durchs Grün der deutschen Landschaft schnellte, kreuzhohl, gestreckt, den Kopf erhoben, die Linke lässig auf das Schwert gestützt, so wie der Doktor es bei einem Buche tat. Stand dort, spähte in deutsches Land, grüßte in die Helle sterne, wo sich von Zeit zu Zeit das Sonnenlicht scharf auf- olitzend in Schwert und Harnisch brach, und wußte jäh um dieses Grußes Sinn und Deutung, jäh, nach dem Ritter nun mch er, als dem Ergebnis seltsamer Begegnung, vom zweite» flieg zum Herzen der deutschen Erde. Im Klostergarten zu Erfurt Luther-Skizze von G. Buetz-Dessau. Kapuzinerkresse wuchert im Klostergarten. Salbei grüns und der starke Geruch von Thymian schwebt bittersüßlich ik warmer Luft. Der Hcrbsthimmel legt strahlende Helligkej über die kleine, abgeschiedene Welt. Blutrote Rosen öffne, weit die-Kelche, verhauchen werbend ihren Duft. Ein letzte, 'Vogel trillert. Glitzernde Sonne umschmeichelt hochgetürmtej Mauergestein. Schwül wogen die Düfte zum Kreuzgang hüllen sein Schattengedämmer ein, locken in die weltlich, Sonne, in die verschwenderisch prangende Erdenpracht. Auf der kalten Steinbank drückt sich der Mönch enger n den dumpfen Schatten. Vorgcbengt ist der mächtige Rücken Die blassen Hände verkrampfen sich schmerzhaft im braune, Kuttengefält. Er will die lockende Schöne fündiger Weltlich keit nicht sehen. Quälend fühlt er die raschen Stöße seine, Heiken Blutes, das nach der Sonne und Rosendüften ruft Luthers Grabstätte - in der Schloßkirche zu Wittenberg, wo er seine bedeutendsten Predigten hielt. Mit dumpfem Laut beugt er den Nacken, greift mit go schlossenen Augen nach der Geißel, hebt sie, schlägt zu. Dumpf klatscht der schlagende Laut. Der kleine Vogä schweigt. Modergeruch quillt aus dem Gestein. Aufatmen! hebt der Mönch das blasse, zerquälte Haupt, wendet de, glühenden Blick zur Nosenpracht, die ihm — bei des Heiliger Augustin Gebein! — nun nichts mehr anhaben wird, senkt sick mit knirschendem Ingrimm hinein, schnellt hoch, wandelt von düsteren Kreuzgang zum flimmernden Gartensteig, dei Teufel Fleischeslust im letzten in sich zu verbannen. Um seine schweren Schritte knattert das Kuttengewand Weit vorgestrcckt höhnen die bleichen Hände dem Sonnenlicht Was sündhaft irdisch in ihm ist, tritt sein Büßerwillc nieder Des Teufels freche Fratze steht in jedem Blütenkelch. Rech so! Nur zu! Sein Eisenwille wird zum groben Klotz, der ihq farbige Brut vernichten kann, wenn er nur will. Er Wilk Die Sonne segne Krüppel, Arme, — die ausgebluteten Leibe, krumrngezogenen Alters, der Kreatur diene sie als Medizin Allsonstcns nichts... Bruder Martin, der die tiefsten Schaucf heiligster Versenkung sucht, hat nichts gemein mit Dingey die den Geist vom grübelnden Vertiefen sündig lösen. Et Mönch, schuldbeladener Auswurf, wandelnd im Augustine, Klostergarten zu Erfurt, wird die Geißel schwingen, fasten beten, bis der harte Fels in ihm, der Wille heißt, sprengen! aus sich selbst die Fcuersäule reinen Glaubens gebiert, bis q durch die Tage seines Lebens geht wie ein Licht, das in D« mut durch das Dunkel leuchtet, Richtschnur den Verirrten Tastenden, Gebeugten. Nichts vom Irdischen mehr in ihm nur Glaubenslicht! Im Klostergarten liegt auf warmem Erdweg der Bruda Martin im ringenden Gebet, hört nicht den Jubel des letzte, Vogels, spürt nicht mehr den heißen Rosenduft, saugt siö allein am Tröste heiliger Worte fest, bis der dunkle Blick sie siegend, wunderglaubendürstig hebt. Schüttelnd rinne, dumpfe Schauer durch die groben Glieder seiner mächtigen Gestalt. Wie zur Antwort hallen schwer die Glocken von St. Marien. Blechern fällt das Totcnglöcklein im Kloster hofe ein. Mit rissigen Lippen betet erlöst der Mönch. Richtet sich hoch. Steht, ein Fels, der aller Blütenpracht die Sonne nimmt, tut weiten, knirschenden Schritt, daß die Geißel am Hüftstrick klatschend gegen die Füße schwingt, fühlt wonne- schauernd, wie alles in ihm fort vom Irdischen in die graue Büßernacht steinkalter Zelle drängt, sich auf die nackten Flie sen im Gebete Hinzuschleudern, — und prallt dann mit ver zerrtem Munde zurück. In weicher Süße traf seine Hand ein Rosenblatt, und wie die Stimme aller irdischer Lieblichkeit hat ihn geheimnis voll der Duft des Thymians umfangen, stark, ausgeströmter Sonnenschein, herb, schmeichlerisch wie Kinderstimmcn, dir den Reigen um die Linde singen, verschwiegen, wie ein Frauenfuß im Frühling über jungbegrünte Wiesen schreitet. Als träfe ihn ein Faustschlag, knickt des Mönches Haupt zur Brust, lieber knirschende Zähne würgt sich ächzender Lauf dieweil der Thymianduft verschwebt und wiederkehrt, um stärker brandend Bruder Martin zu umfangen. Wie man den Teufel austreibt, packt der zu, das Höllen werkzeug mit Stumpf und Stiele auszurotten. Als die ge krümmten Finger hastig greifen, erblickt sein düster flammend Auge die zarte Schöpfung der Natur, süß duftend, halm schlank, vom Luftzuge bewegt. Schlaff sinken die Arme ins Knttenzeug zurück, die blassen Hände wagen sich nicht vor. Ist das denn Teufelswerk, das unschuldzart, feinrippig, lieb !ich auf dem Stengel thronend vor ihm steht? Umschließt d. llatur nicht lautere Reinheit? Erschaffen, daß ein Menschen ruae sich daran erfreut? Die Luther-Stube auf der Wartburg, ' wohin der Reformator sich unter dem Schutze des Kurfürsten Friedrich des Weisen nach dem Reichstag von Worms gereitet hatte, um dort an der Verdeutschung des Neuen Testamems zu arbeiten. - Und lenkt doch fort, zerrt allem Irdischen zu! Aber is> reines Jrdsche denn der Sünde gleich? Entsetzen steht im Mönchesblick. Ist denn der Weg, den er beschreitet, nicht der richtige? Ist nicht Sünde, was man ihn lehrt, das es ihm Sünde dünken soll? Dumpf schreit der Bruder Martin auf. Will hastvoll nach der Geißel greifen, bricht auf gelösten Knien in sich selbst zusammen, daß seins Stirne hart auf den Kicsstcig schlägt. Wo ist der rechte Weg, den er beschreiten soll? Auf die Thymianstcngel fällt holdes Sonnenlicht, strei chelt des Mönches dumpf zerquältes Haupt. Der stöhnt in sich hinein und ringt mit sich. „Ich hab nichts anderes für Augen als die Sache der Wahrheit an ihr selbst..." Wo birgt sich die Erkenntnis, die reine Wahrheit, die er sucht? Ist das Martyrium nicht sein Weg? Führt Dunkel heit jemals zum Licht? Die Glocken von St. Marien zu Erfurt läuten nicht mehr. Nur das blecherne Sterbeglöckchen plappert noch dünn. Ist ohne Sünd' nicht alles, was Menschenaug' in Reinheit schaut? Blume und Wind, Sonne und Licht? Die schwere Gestalt Bruder Martins richtet sich auf. Eine blasse, zitternde Mönchshand streicht scheu über die sanft geneigten Thymiandolden. Gebückten Hauptes, jedoch still im Schritt, schreitet Mar tin Luther dem Kreuzgang zu und murmelt grübelnd, schon wieder trotzend, vor sich hin: „Item. Ich habe nichts anderes vor Augen denn die Sache der Wahrheit. Der will ich dienen ewiglich!" Die Tür zum Klosterinnern tut sich knarrend auf. Der schwere Fuß des Mönches verschwindet. Im Echo hallt der Tritt noch einmal von den Kreuzgangfliesen nach. Dann liegt der Klostergarten der Augustiner zu Erfurt wieder schweigend im Sonncnglast. Der letzte Hcrbstvogel singt. Diese Stunde entschied über das Leben deutscher Christenheit. Der Wahrheitssucher Martin Luther vergaß ihrer nie. Der Luther-Kopf zu Worms. Line schicksalsreiche Entstehungsgeschichte hat das Luther denkmal zu Worms, da sein Schöpfer, Ernst Rietschel, während der Arbeit an dem Werk tödlich erkrankte und die endgültige Vollendung anderen Händen überlassen mußte. Diese Umstände mischten sich seinerzeit mit manchen Gerüchten und ließen zeitweilig die Vermutung entstehen, der Kopf der Statue sei nur eine hastig hingcworfcne Schülerarbeit, nach dem das Original des Meisters im letzten Augenblick zer brochen wäre. Zum Glück vermittelt uns das Tagebuch des berühmten Malers Schnorr von Carolsfeld eine genaue Kenntnis des wahren Sachverhaltes. Schnorr war von dem sterbenden Freund als künstlerischer Testamentsvollstrecker eingesetzt worden und erhielt am 4. Februar 1861 den Auf trag, einige Aenderungcn zu überwachen, die der kranke Künstler durch seinen Lieblingsschüler Danndorf vorge nommen haben wollte. Schnorr urteilt: „Ich glaube, daß die Aenderungcn im wesentlichen glücklich sind und die Indi vidualität des Reformators kräftiger und charakteristischer geben. Einige Milderungen... rate ich an." Unter dem 13. Februar berichtet das Tagebuch: „... Beim Abformen des neuen Kopfes reißt der zu schwache Strick, und die Form wie der Kopf zerbricht in viele Stücke." Dann heißt es am 15. des Monats: „Der neue Lntherkopf ist fertig, und ich würde keinen Unterschied mit dem ersten aufzufinden vermögen." Am 21. Februar ist Rietschel gestorben. Das nach seinen An weisungen vom Schüler geschaffene Modell sah er Wohl vom Fenster aus im Garten stehen, der große Freund billigte die Neuschöpfung; so ging Rietschel beruhigt über sein letztes Werk in den Tod. Der Bruch des Modells verliert alle Wich tigkeit, da selbst das kunstgeübte Auge eines Schnorr keinen Unterschied entdecken konnte. Und dann ist ja Donndorfs Lutherkopf zerbrochen und nicht das von Ernst Rietschel modellierte Stafuenhaupt, das vielmehr unversehrt in den Be, sitz einer Dresdner Familie überging. Bevorzugte Geburts- und Sterbestunden. Die Stunden der Geburt und des Todes sind keineswegs wie man annehmen sollte, gleichmäßig über den Verlauf det Tages verteilt. Der Schweizer Arzt I)r. E. Jenny hat über die Frage, wann die meisten Geburts- und Todesfälle auf treten, eingehende Untersuchungen angestellt, über die er in der „Schweizerischen Medizinischen Wochenschrift" berichtet. Danach nimmt die Zahl der Geburten gegen Mitternacht auf fallend zu und erreicht zwischen zwei und fünf Uhr früh ihren Höhepunkt. Dann geht es allmählich abwärts, bis in den Nachmittagsstunden ein Tiefpunkt zu verzeichnen ist. Der Unterschied zwischen fünf Uhr morgens und fünf Uhr nach mittags belief sich bei den von Or. Jenny nachgeprüften Fällen auf rund 40 v. H. Auch die Todesfälle weisen eine ähnliche Gesetzmäßigkeit auf, wenngleich sie sich weniger ausgesprochen offenbart als bei den Geburten. Bemerkenswert ist, daß selbst >n Island die gleiche Erscheinung beobachtet werden konnte. Die Stellung der Sonne am Himmel übt danach nicht die ent- cheidende Wirkung aus; vr. Jenny suchQdiele vielmehr in noch unbekannten kosmischen Einflüssen.