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Ium 450. Geburtstage Dr. Martin Luthers. Luther. Du rängest eisern, heldenhaft, allein Mit finstrem Feinde in der Klosterzelle, Bis kühn Dein Arm zerschmettert das Gestein, Das uns den Weg verlegt zur Lebensquelle. O Bergmannsohn! Wir neigen unser Haupt Vor Deinem harten Schürfen in der Tiefe, Der Du gekämpft, gelitten und geglaubt, Daß uns Dein Manneswort zur Freiheit riese Anna Enders-Dix. Luthers Kindheit. Von Frieda von Oppeln. Luthers Kindheit war hart. Vater und Mutter faßten kyre Kinder rauh an, um sie zu Gottesfurcht, Ehrbarkeit und guten Sitten Zn erziehen. „Meine Eltern haben mich gar Hari gehalten", sagte Luther später einmal, „daß ich blöde und scheu wurde und hernach in ein Kloster entlief und ein Mönch wurde." Er fügt dann entschuldigend hinzu: „Sie meinten es zwar herzlich gut." Denn Luther liebte seine Eltern und hat sie bis an ihren Tod geehrt. Fleiß und Sparsamkeit brachten die Familie allmählich hoch, so daß der Schieferhaue: Hans Luther, der sich mit der Hacke mühselig das Lebens- nötige erwarb, ein Häuschen und einen Schmelzofen kaufe« konnte und sogar Ratsherr der Stadt Eisleben wurde. „Meim Mutter", erzählt Luther einmal, „schleppte das Holz, das wii bedurften, auf ihrem Rücken herbei!" Doch das Streben nach Bildung für ihre Kinder lebte ii diesem Ehepaar. Ihr Ehrgeiz war, daß ihr begabtester Knab« die Rechte studieren sollte. Martin wurde auf die Schule ir Magdeburg getan, ohne ausreichende Mittel, so daß ei sich einen kümmerlichen Unterhalt durch Singen auf de, Straßen verdienen mutzte. In Eisenach lebten Verwandt, der Familie; da dort eine hochberühmte Schule war und Hani Puther hoffte, daß die Vettern seinem Sohn helfen würden, iso nahm man den Knaben von Magdeburg fort und schickt« iihn nach Eisenach. Langaufgeschossen, mager und bleich kam der Vierzehnjährige dort an. Aber der Wechsel brachte keim Verbesserung. Die Vettern kümmerten sich nicht um ihn, und Idas Singen auf den Gassen nahm seinen Fortgang. So stand der junge Martin da, ein Kind, auf eigene Kraft angewiesen. Denn die Schule war in jener Zeit keine Angelegenheit des Staates, sondern bestand dank der Unterstützung durch die Kirche oder die Fürsten. Der Wohltätigkeit einzelner blieb es anheimgestellt, sich bedürftiger Schüler anzunehmen. An einem eisigen Wintsrtag, so wird erzählt, zog ein sTrüPPlein von Kurrendesängern durch die winkligen Gassen »Eisenachs. Sie trugen schwarze Mäntel und Kappen, sie froren und waren hungrig und sangen einen Psalm von Haus zu Haus. Aber bei der strengen Kälte hielten die Leute ihre Türen und Fenster geschlossen, und nichts wurde den armen Knaben herausgercicht. Da warf der älteste der Scholaren Iden Kopf trotzig zurück und erklärte, daß er lieber nach Hause Zurückkehren und wie sein Vater sein Brot mit der Hacke ver- dienen wolle, als hier in Hunger und Elend umkommen. Das fei ihm der juristische Doktorhut nicht wert. Der so sprach, war Martin Luther. Vielleicht hätte er nach seinen Worten gehandelt oder wäre nach der Zeitsitte mit älteren Scholaren »bettelnd und singend über die Landstraßen gewandert und untergegangen. Doch es stehen in entscheidenden Augenblicken am Lebens weg manchmal Menschen, die diesem ungewutzt eine andere Richtung geben. Die Tür deS Hauses, vor dem die Knaben fangen, wurde geöffnet, und eine Mtge Frau kam heraus, Es war Ursula Cotta, die Gattin von Konrad Cotta, einem wohlhabenden Eisenacher Bürger. Sie hörte auf den Psalm, und dann lud sie die Sänger freundlich ein, ins Haus jzu kommen und ein warmes Supplein zu essen. Bei dem Hungen Marlin löste der Uebergang ans der tiefsten Verlassen- Ihett zu dieser freundlichen Fürsorge einen Strom von Tränen 'aus, die ihm über die blassen Wangen liefen. Ursula Cotta redete ihm freundlich zu und beruhigte den leidenschaftlichen Ausbruch, der auf eine Tiefe des Gefühls schließen ließ, wie fic die anderen nicht besaßen. Sie fragte nach seinen Eltern, feiner Heimat, und bald wußte sie alles aus diesem jungen, Ibis dahin so armen Leben. Es stellte sich heraus, daß der jKnabe entfernt mit Konrad Cotta verwandt, daß dieser einer »jener Vettern war, von denen Martins Vater Hilfe für seinen Sohn erhofft hatte. So nahmen sich von dieser Stunde Ursula und ihr Mann des Knaben an, den Fügung, nicht Zufall in jihr Haus gebracht. Und er blieb darin. Cotta ließ seine Frau gewähren, sreute sich Wohl an dem begabten Jungen. Aber über äußere Gaben hinaus lernte Ursula Cotta den tüchtigen Charakter, die Frömmigkeit und -tiefe Gottgebundenhsit des Knaben kennen und achten. Mar itin Luther wurde in Wahrheit Ursula Cottas Sohn. Sie musizierte mit ihm, lehrte ihn die Laute spielen, schenkte ihm leine Flöte. Schon damals kamen mbsr Luther jene tiefen Schwermutsansälle, die er, von den Bildern und" Ansichten seiner Zeit gefangen, fürAnfechtungendesTeufels ansah. Er hielt sich in seinem leidenschaftlichen inneren Ver antwortungsgefühl für einen großen Sünder. Das unbestechliche Gewissen, das er wie kein anderer der deutschen Welt gab, wurde zuerst in ihm selbst unter Schmerzen geboren. Kamen die Dämonen über ihn, dann war es neben dem Gebet die Mu sik, die ihm half. Ursula Cotta gab ihm die Flöte in die Hand, sie griff zur Laute, und die finsteren Geister verließen den Jüngling. Dies Geschenk der Musik dankte er der Pflege rin seiner Jugend. Denn zu allen Zeiten gab ihm die Musil Trost und Aufrichtung, auf der Reise nach WormS, in der Einsamkeit der Wartburg, in sorgenvollen Stunden. Ueber drei Jahre blieb Luther in dem Cottaschen Gaus, bis er die Universität Erfurt bezog. Der Wohlstan des Cottaschen Hauses soll später geschwunden sein. Die Ehe- leute verließen Eisenach, die Stätte, in der sie Luthers Jugend behütet hatten. Aber noch einmal sollten sie zurückkehren; das war zwanzig Jahre später. Aus dem armen, hungernden Scholaren war der geistige Führer der Nation geworden. Luthe: war auf der Reise nach Worms. Sein Weg ging über Eisenach wo er predigen wollte. Da reisten Konrad und Ursula Cotta nach ihrem früheren Wohnsitz, um ihn zu hören. Sie nahmen Platz m der übervollen Kirche, ohne vorher Zeit zu finden, ihren früheren Pflegling zu begrüßen. Und er redete, daß er ihre Herzen zu Gott trug und im Glauben stärkte. Unter den vielen Gesichtern, die zu ihm aufsahen, hatte Luther seine Pflegemutter erkannt. Am Schluß der Predigt begann seine kraftvolle Singstimme den Psalm „Gott ist unsre Zuversicht und Stärke, eine Hilfe in der Not". Da wußte Ursula Cotta, daß er sie gesehen und ihr dankte, denn diesen Psalm hatte er an jenem Wintertage vor ihrer Tür gesungen. Luther behielt Ursula Cotta in treuem Gedenken. Als ihr Sohn auf der Universität Wittenberg studierte, fand er eine Heimat in Luthers Haus. Eisenach aber nannte Luther stets „seine liebe Stadt", in der er viel Gutes erfahren. Luther als Pädagoge. Zucht — Frohsinn — deutsche Art. Von Professor vr. G. Junge-Berlin. Als Kirchcnreformator hat Luther in schlichter volkstüm licher Weise ausgesprochen, was er selbst gemeinfam mit vielen anderen erfahren hatte, was ihn und tausend andere bewegte. Auf derselben gesunden Grundlage eigener Erfahrung ruht auch alles, was Luther über Erziehung gesagt hat. Wenn er an die Erziehung in seinem Elter uchause zurückdachte, so erkannte er dankbar an, daß dort strenge Zucht geherrscht hatte. Ordnung im Hause schien ihm notwendig für das Gedeihen der Stadt und des ganzen Laudes. „Wie Das Geburtshaus des Reformators in Eisleben, wo er als Sohn des Bergmanns Hans Luther und besten Ehefrau Margarete geb. Ziegler am 10- November 1483 das Licht der Welt erblickte. soll eine Sladt Wohl regiert werden, wenn in den Häusern kein Regiment ist, wenn weder Kind, Knecht nach Magd ge horsam sind?" Den gar zu nachsichtigen Eltern sagte er: „Ihr sprecht, es sind noch Kinder, und sie verstehen nicht, was sie tun. Aber ein Hund oder ein Pferd verstehen auch nicht, was sie tun; dennoch lehrt man sie, herzukommen, etwas zu tun oder zu lasten, ob sie es auch nicht verstehen." — Aber die Erziehung in Luthers Elternhaus war in der Strenge sehr wert gegangen. Es hatte sehr viel Schläge gegeben. Ueber- triebene Härte war nun auch nicht nach Luthers Sinn. „Neben der Rute mutz der Apfel liegen", so sprach er wohl. Wenn die Eltern zu hart sind, so kann es geschehen, „datz der Kinde: Gemüt, weil es noch zart ist, ganz in Furcht und Blödigkeit gerät; eS erwächst in ihnen ein Hatz gegen die Eltern, datz sü entlaufen und tun, was sie sonst nimmer getan hätten". Der Erzieher fall keine Furcht erwecken, wenn er mit Liebe auskommen kann — das sagte Luther nicht nur de« Eltern, sondern auch den Lehrern. Seine ersten Schuljahr« in Mansfeld erweckten bittere Erinnerungen an einen höchst mechanischen Unterricht und überreichliche Züchtigungen. Ein solches Verfahren widersprach aufs äußerste der gefunden Frohnatur Luthers. „Hölle und Fegefeuer" nennt er di« Schulen seiner Jugend, „da wir gemartert sind über de« Cafualibus und Temporibus und doch nichts gelernt haben durch soviel Stäupen, Zittern, Angst und Jammer." Viel mehr spielend und mit Lust sollten die Kinder lernen, nicht so viel Grammatik betreiben, sondern mehr lesen, auch nicht nm die Geschichte der Kirche und Römer erfahren, sondern vor allem deutsche Geschichte. Das hatte Luther ja mit Hutten gemeinsam: Er wollte gute Deutsche erziehen! Di« Geschichte aber sollte ebensoviel gesungen Wie gelehrt werden. Die Musik war die große Liebe Luthers, und auch Leibes. Übungen haben die Kinder fleißig zu betreiben. „Dies« zwo Hebungen und Kurzweile gefallen mir am allerbesten, nämlich die Musica und Ritterspiel mit Fechten, Ringen, unter welchen das erste die Sorge des Herzens und melancho lische Gedanken vertreibt; das andere macht fein geschickt« Gliedmaßen am Leibe und erhält ihn bei Gesundheit." Ei« fröhliches Kinderleben bei Gesang und Sviel, das war dal Erziehungsideal Luthers, ganz ähnlich dem der alten Griechen, Vor allem aber sollten die Kinder überhaupt zur Schul« gehen! Schulzwang gab es damals noch nicht, und in einer Schrift „an die Bürgermeister und Ratsherren" von 1524 mahnte Luther zur Errichtung von Schulen: „Kann di« Obrigkeit die Bürger zwingen, daß sie müssen Spieß und Büchse tragen, wenn Krieg ist, vielmehr kann sie die Unter. Innen zwingen, daß sie ihre Kinder zur Schule halten, weil hier ein ärgerer Krieg ist mit dem leidigen Teufel!" Luther wußte Wohl: Wenn seine Erneuerung der Kirch« Bestand haben sollte, so durfte er nicht nur die äußeren For- men ändern, sondern auch die Geister umprägen. Zunächst mutzten die Hauptstücke des Bekenntnisses, die Zehn Gebote, der Glaube und das Vaterunser für jedermann, besonders für die Kinder, leicht zugänglich werden. So schrieb Luther seinen Katechismus, der eben diese Hauptstücke mit Er klärungen enthielt. Das Buch war vor allem für die Kinder bestimmt und wurde deshalb auch „Kinderlehre" genannt, Dem Katechismus des glaubenseifrigen Luther war ein Werl des sangesfreudigen Luther schon vorhergegangen: 1525 er schien eine Sammlung von 32 Kirchenliedern, von denen 24 von dem Reformator selbst herrührtcn. Die Lieder waren zunächst zum Singen der Chorknaben in der Kirche bestimmt; das bekannteste von allen ist Luthers Weihnachtslied: „Vom Himmel hoch, da komm ich her." So war der Reformator nicht nur durch Lehre un- Mahnung der Erzieher unseres Volkes, sondern er hat auch unser geistiges Leben bereichert: Sein Katechismus ist ei« ! rechtes Volksbuch geworden, seine Lieder rechte Volks« lieber. Auch als Hausvater und Lehrer der eigenen Kinde« 'war Luther seinen Deutschen ein Vorbild — alles in allem ein Prophet deutscher Erziehung. Der Besuch. Ein Luther-Blatt von Paul Krasnitz. Er ritt gern einen scharfen Gang, einen, der Roß und Reiter wie einen Pfeil durchs Grün der deutschen Landschaft schnellte, und die Besinnlichkeit, den träumerischen Blick, der dem Borbeizug all der Burgen folgte, liebte er als schaukelnde Schalmei über dem straffen Rhythmus seines guten Trabs. Und dazu dann den durch das Schwert geklirrten Takt im Singsang seiner Sporen — so ritt er gerne durch das deutsche Land, der Reichsritter von Hutten. Er liebte diese Burgen auf den Bergen, die Deutschlands Schwert und Leier wahrten, aus der Bedachtsamkeit des lauen Tals hoch auf die Spitzen ringsum aufgcrückt, so wie die Horste scharfkralliger Vögel. Er liebte ihren guten Sinn, den sie dem deutschen Leben gaben, die herbe Strenge edler Zucht, die resche Anmut ihres kühnen Lebens. Die Eltern des Reformators, nach.einem. Gemälde von Lucas Cranach dem Aeltere^ „Luther schlägt die 95 Thesen an", nach einem Gemälde von Geiser,