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I Wilsdruffer Tageblatt M 2. Blatt Nr. 262 — Donnerstag, den 9. Nov. 1933 Tagesspruch. sich liebe mir den heitern Mann Am meisten unter meinen Gästen; Wer sich nicht selbst zum besten haben kann. Der ist gewiß nicht von den Besten. Goethe. KommunttMGr Trrrorlaklik entlarvt. Sr. Goebbels zeigt die Verlogenheit < der Kommunisten. Als Z'eugc im Brand st ifterprozetz. Der Neichstagsbrandstifter-Prozetz brachte am Mittwoch einen weiteren Höhepunkt mit der Zcugenvernchmung des Reichspropagandaministcrs D r. Goebbels. Der Angeklagte Dimitrofs war mit Rücksicht auf die Bedeutung dieser Aussage wieder zu- gelassen. Dr. Goebbels, der in Begleitung mehrerer Herren seines Ministeriums erschien, wurde von den An wesenden mit erhobener Rechten begrüßt. Nachdem er den Zeugeneid geleistet hatte, erklärte der Vorsitzende: Ihr Zeugnis, Herr Minister, ist uns aus verschiedenen Gründen besonders wertvoll. Einmal deshalb, weil Sie auch wesentlich als Talzeuge in Betracht kommen, dann, weil Sie langjähriges Mit glied des Reichstags sind, und weiter mit Rück sicht auf Ihre jetzige Amtsstellung. Weiter bandelt es sich dann ^m jene Behauptungen, die schon Gegenstand der Vernehmung des preußischen Minister präsidenten und anderer Zeugen gewesen sind. Ich mache jedoch darauf aufmerksam, daß selbstverständlich eine Rechtfertigung Ihrerseits gegenüber den Vorwürfen des Braunbuchs nicht in Frage kommt; ich betrachte Ihre Aussage hierzu vielmehr unter dem Gesichtspunkt, daß jedem, der angegriffen wird, Gelegenheit gegeben werden muß, sich dazu zu äußern. Der Vorsitz e>n de fährt dann fort: Es ist die Be hauptung ausgestellt worden, daß für den 27. Februar keine Wahlrede angesetzt bzw. bereits zugesagte Wahlreden abgesagt worden wären. —- Dr. Goebbels: Das entspricht nicht den Tatsachen. Es wurde beschlossen, daß die ersten zwei bis drei Tage der Woche nach Möglichkeit alle Herren in Berlin zugegen sein sollten. Es ist so gehandhabt worden, daß ein Teil der Herren überhaupt nicht gesprochen hat und sich den Amtsgeschäften widmete, während die anderen Herrn ihre Vorträge nur in Berlin selbst oder in der Provinz Bran denburg abhielten. Ein solcher Tag war auch der Tag des Reichstagsbrandes. Er stand zu politischen Besprechungen zur Verfügung, die außerhalb der^ Wahlpropaganda lagen. Vorsitzender: Herr Minister, wann haben Sie von dem Brand überhaupt Kenntnis erhalten? Dr. Goebbels: Ich darf vielleicht die ganze Situation schildern, in der ich von der Nachricht überrascht wurde. Der Führer war bei mir zu Hause zu Gast. Ver dächtig ist das nicht gewesen. Er besaß damals noch keine i eigene Privatwohnung, sondern wohnte im Hotel Kaiser-' Hof. Es hatte sich in der Zeit unserer Opposition heraus- gebildet, daß, wenn politische Besprechungen im Kaiserhof stattfanden, der Führer mittags oder abends bei mir zu Gast war. Das war gar nichts Absonderliches. Jeden-! falls rief mich der Vertreter unserer Partei für die Aus landspresse, Hanfstaengel, und erzählte mir, derReichs - tag brennt. Ich habe diese Mitteilung zunächst für absurd gehalten und geglaubt, daß es sich nm einen Scherz handele. Ich antwortete also: Das ist ein Ulk, und habe wieder angehüngt, ohne von dieser Mitteilung überhaupt Gebrauch zu machen. Ein paar Minuten dar- > auf wurde von derselben Stelle angerufen. Ich habe Dr. Hanfstaengel erwidert, daß er sich auch dann der Verant wortung bewußt sein müßte; wenn ich die Mitteilung an den Führer weitergäbe, müßte sie hieb- und stichfest sein. Er sagte: Ich sitze im Hause des Reichstags präsidenten und sehe von einem Zimmer aus die Flammen aus der Kuppel her- ausschlageu. Der Führer, dem ich das dann mitteilte, konnte es im Augenblick gar nicht glauben, so überraschend kam die Nachricht für uns allö. In rasendem Tempo sind wir dann sofort zum Reichstag gefahren. Am Portal ll stand der damalige Minister Göring. Gleich als mein Parteifreund Göring uns Mtgegentrat, erklärte er: Es handelt sich um ein k o m m u n ist i s ch e s Attentat, es ist auch schon einer der Täter gefaßt, ein holländischer Kommunist, der bereits vernommen wird. Vors.: Haben Sie dann Äußerungen des Herrn Reichskanzlers an Ort und Stelle zur Frage der Urheberschaft des Brandes gehört? Dr. Goebbels: Ja, das war ganz natürlich, es war uns ja schon gesagt worden, cs handele sich um ein kommunistisches Attentat. Er erklärte mir gegenüber: Das ist ein Zeichen dafür, wie die Situation wirklich ist. Hier blutet die Situation aus, hier kann man sehen, wo die Gefahr liegt. Das deutsche Volk kann davon überzeugt sein, daß ich es für meine Pflicht halten werde, es vor dieser Gefahr zu erretten. Vor s.: Ging die Ansicht schon damals einheitlich da hin, daß die Kommunisten die Urheber waren? Dr. Goebbels: Wir waren überzeugt, daß der eigentliche Nutznießer die Kommunistische Partei sein sollte. Es ist gar kein Zweifel, daß dieses Attentat von einer größeren Gruppe von langer Hand vorbereitet war und daß ein einzelner diesen Brand nicht angelegt haben kann. Es gibt auch keine andere politische Gruppe, die einen Vorteil von dem Gelingen des Attentats haben konnte, als die Kommunistische Partei. Der Brand hätte ihr schon genützt, dann nämlich, wenn er zum Ziele geführt hätte. Es gab für jeden Nationalsozialisten keine andere Version, als daß die Kommunistische Partei hier zum letzten Male versuchte, die Dinge in einer allgemeinen Unordnung an sich zu reißen, und das Fanal dazu sollte die Brandstiftung in den öffentlichen Gebäuden sein. Wenn die Kommunisten nach ihrem Fehlschlag versucht haben, die Dtikge in ihr Gegenteil umzulehrcn, und den Urftionalsozialisten die Schuld an der Brandstif- Dr. Goebbels als Zeuae. tüng m grotesker'Weise in die Schuhe zu schieben, so ist das eine Methode, die mir aus meiner politischen Erfab- rung heraus längst bekannt ist. Diese Methode haben dis 'Kommunisten stets anaewandt. Das habe ich jahrelang immer wieder fcststcllen können, wenn die Kommunistische Partei ein schlechtes Gewissen hatte. Das Braunbuch ist deshalb nichts weiter als eine skrupellose Verdrehung der Wahrheit. Abgesehen von dem, was hier bereits widerlegt worden ist, bin ich bereit, zu beweisen, daß jede Behauptung des Braunbuches erlogen ist und aus den Fingern gesogen worden ist. Die schmutzige Taktik der Kommunisten zeigt sich auch in dem sogenannten Oberfohren-Memorandum. Hier hat man sich absichtlich eines Toten bedient, der ja nichts mehr widerlegen kann. Vors.: Glauben Sie, daß Dr. Oberfohren überhaupt fähig gewesen ist, eine derartige Denkschrift zu verfassen? Dr. Goebbels: Ich halte es für vollkommen aus geschlossen. Dr. Oberfohren mag ehrgeizig gewesen sein, aber zu solchen Dingen Hütte er sich unter keinen Um ständen hergegeben. Vors.: Wie verhält es sich mit den Behauptungen der Denkschrift über die angebliche Zwiespältigkeit im R e i ch s k a b i n e t t? Dr. Goebbels: Ich weiß, daß die in der Denk schrift enthaltenen Vorwürfe in dieser Beziehung voll ständig gegen st andslos sind. Dr. Goebbels be kundet dann ebenso wie Ministerpräsident Göring, daß nicht die Nationalsozialisten, sondern die Deutsch nationalen sich für das Verbot der Kommunistischen Partei im Kabinett eingesetzt hätten. Wir wußten, so erklärt Dr. Goebbels, daß das Verbot die Partei nur gefährlicher machen würde. Deshalb haben wir gegen die Kommunistische Partei nur die eigene Partei eingesetzt und sind erst später, als die Kommunisten dazu reif waren, behördlich eingeschritten. Weiter äußert sich Dr. Goebbels über die im Braun buch enthaltene Behauptung, er sei der geistige Urheber der Brand st istung. Wozu hätte er es Wohl nötig gehabt, um die Kommunistische Partei zu vernichten, erst den Reichstag in Brand stecken zu lassen? Es habe ja auch so jederzeit in der Macht der National sozialisten gelegen, die Kommunistische Partei zu zer stören. Vors.: Es ist ja auch im Auslands behauptet worden, daß am 27. Februar die gesamte SA. zusammengezogen worden wäre. — Dr. Goebbels: Das entspricht nicht den Tatsachen. Neichsgerichtsrat Coenders: Der Angeklagte Torgler hat es so hingestellt, als ob er im Reichstag besonders versöhnlich und konziliant ausgetreten wäre. Können Sie vielleicht dazu etwas sagen? Dr. Goebbels: Ich bin zu der Überzeugung ge kommen: Die ganze Kommunistische Partei läßt sich in drei Klassen einteilen: die erste Klaffe umfaßt die ehr lichen und überz-eugten Arbeiter, die an den Kommunismus glauben. Diese Menschen für unsere Be wegung zurückzugewinnen, war immer unser Bestreben. Es gibt dann eine zweite Klaffe: das ist der I anh agel von der Straße, der die Kommunistische Partei benutzt, um das Verbrechen zu tarnen. Die dritte Klasse sind die Intellektuellen, die sich hinter den Fana tikern verkriechen. Dazu rechne ich auch Herrn Torg ler. Ich halte ihn nicht für einen Biedermann, ich glaube, er ist einer der gefährlichsten gewesen. Er war immer der, der hinter seiner Fraktion stand, der niemals nach vorn zu gehen wagte. Derselbe Mann war in den Versammlungen der größte Hetzer. Er selbst hat immer und immer wieder die Parole ausgegeben: Schlagt die Faschisten, wo ihr sietrefft!, wenn er sich unbeobachtet fühlte, um am anderen Tage im Haushaltsausschutz des Reichstages den seriösen und konzilianten Biedermann zu spielen. Oberreichsanwalt: Ich darf noch einmal auf das Braunbuch zurückkommen. Es wird behauptet, die nationalsozialistische Partei hat Veranlassung gehabt, etwas Besonderes zu unternehmen, weil ihre Wahlaus- sichten ganz besonders schlecht für den S. März gestanden hätten. Dr. Goebbels: Diese Unterstellung ist geradezu absurd. Für keine Wahl hatten wir soviele Aussichten wie für diese. Was die angebliche Umklammerung durch die deutschnationale Partei oder den Stahl- » W NM AWW Roman von Chlotilde von Stegmann-Stein. 35. Fortsetzung Nachdruck verboten Der Vollmond übergoß den weiten Park mit einem sil bernen Licht, die Sterne standen groß und licht über den hohen Pappeln, die Rosen dufteten schwer und süß herauf. Es war eine Nacht, die das Blut schwerer und heißer gehen ließ. Marietta schmiegte sich enger in Allans Arme, sie sah mit einem lockenden, schillernden Blick zu ihm auf und er lächelte in ihre Augen hinein — ohne es zu wissen» Denn er dachte an eine andere Mondnacht am Rhein, wo er in sehnsüchtigem Schweigen neben einem schlanken blonden Mädchen gestanden, das nichts davon wußte, wie schwer und süß ihre Nähe bezauberte. Marietta deutete sein Lächeln falsch. Also hatte sie ihn doch wieder erobert. Die Szene wegen dieser Person, die ser Beate, war vermutlich nur ein letztes Aufslackern ge wesen, vielleicht nur ein Gekränktsein seiner Manneseitel keit, war schon überwunden. Jeder Mann war zu bekommen, wenn man es nur rich tig anfing. Und über Allans Arm lächelte sie van Elden zu, der sie mit verzehrenden Blicken verfolgte und es nicht erwarten konnte, sie zum Tanz aufzufordern. Es war spät in der Nacht, als die Bewohner vom Schloß sich trennten. Dor Mariettas Zimmertür verabschiedete sich Allan. Gr mußte morgen frühzeitig fort. Marietta hing sich leiden schaftlich an seinen Hals: „Darling, die Tage bis zu deiner Rückkehr werden mir wie eine Ewigkeit erscheinen. Denke an mich und bleibe mir treu!" Sie küßte ihn glühend und sah nicht, wie bei den letzten Worten sein Gesicht einen seltsam gequälten Ausdruck an nahm. Beate hatte sich in dem reichen und gut gepflegten Hause des M. del Pueblo in Paris schnell eingewohnt. Der ganze Haushalt, von einem Haushofmeister gelei tet, ging glatt und regelmäßig, sie hatte sich um ihn, wie M. del Pueblo sagte, nicht zu kümmern. Die Abrechnungen wurden zwischen dem Haushofmei ster und dem Sekretär M. del Pueblos vorgenommen. Für die Bedürfnisse der jungen Mädchen an Kleidern, Ausflügen, Theater und Bildungsmitteln stand Beate ein Fonds zur Verfügung, der reichlich bemessen war. Ihr eigenes Gehalt hatte M. del Pueblo sehr hoch festgesetzt. Nur Estercita machte es Beate nicht leicht. Estercita schien ihr nichts vergessen und vergeben zu können. Sie fetzte allen ihren Anordnungen einen trotzigen und bos haften Widerstand entgegen. Sie versuchte die Hausange stellten gegen sie aufzubringen, und erst als Beate sehr be stimmt mit den Leuten sprach und drohte, sich bei dem Herrn zu beschweren, wurde es besser. Aber seitdem beobachtete sie Estercita unauffällig. Durch einen Zufall kam sie dahinter, daß Estercita durch eines der Mädchen heimlich Post empfing. Am nächsten Tage bat Beate Monsieur del Pueblo, die betreffende Dienerin sofort zu entlassen, sie wäre unhöflich gegen sie gewesen. M. del Pueblo sah Beate nur an und erwiderte nichts. Aber am nächsten Tag war das Mädchen aus dem Haus verschwunden. Beate rief die anderen Hausangestellten zusammen und sagte kurz: „Auf Wunsch von Monsieur wird von heute an die Post von dem Postbeamten nur in den Briefkasten abgeliefert. Den Schlüssel dazu habe ich. Wenn auf andere Weise Post ins Haus kommen sollte, so sind alle entlassen. Seien Sie klug und lassen Sie sich das Schicksal des entlassenen Stu benmädchens zur Warnung dienen." Die Dienstboten schlichen erschreckt davor; niemand wollte die gutbezahlte Stellung im Hause riskieren. Am gleichen Abend trat Beate nach kurzem Klopfen in Estercitas Zimmer. „Hören Sie, Estercita," sagte sie kurz, „ich habe erfah ren, daß Sie heimlich Briefe von jungen Leuten bekommen. Das hört nun auf. Ich habe dafür gesorgt, daß die Briefe für uns alle in einen Briefkasten unter meinen Verschluß kommen. Sie sind noch ein Kind — und man muß Sie hüten — gegen sich selbst. Für alles, was Sie wirklich be wegt, werden Sie bei mir immer volles Verständnis fin den. Heimlichkeiten aber zwischen jungen Leuten und Ihnen werde ich ohne Wissen Ihres Vaters niemals dulden." Estercita hatte nichts erwidert. Aber aus ihren dunklen Augen traf Beate ein Blick so glühenden Hasses, daß sie trotz ihrer angenommenen Ruhe in tiefster Seele erschrak. Sie würde dies Mädchen nie gewinnen, sie hatte eine Fein din hier im Hause. Fünfzehntes Kapitel. Allan war inzwischen mit dem Flugzeug nach Köln ge flogen. Unerwartet erschien er in dem Privatbüro des jungen Mersbrügge. Hubert saß über die neuesten Berichte von den über seeischen Häusern gebeugt, als Allan gemeldet wurde. Leb haft sprang er auf, ging ihm mit allen Zeichen aufrichtiger Freude entgegen. „Daß man einmal wieder etwas von Ihnen hört, alter Junge, nein, wie ich mich freue! Sie sind seit Ihrer Ver lobung ja ganz verschollen für uns. Wie geht es Ihnen?" Als er in Allans Augen sah, überkam ihn wieder der Zweifel an Allans Glück an Mariettas Seite. Und was nun kam, versetzte ihn in Bestürzung. Mit einer Heftigkeit, die eigentümlich gegen seine son stige Gelassenheit abstach, sagte Allan: „Hubert, Sie müssen mir einen Dienst erweisen. Ich möchte von Ihnen die Adresse von Miß Äiesterweg." (Fortsetzung folgt.)