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Sonntags-keNage Nr.44 Aiisürur er cagrvlsn 4. »i. »ezs Dev Einsame. Skizze von Erich Klinghammer-Leipzig."""" „Hört's zua, abi sollt's kemma, g'schwind, g'schwind, kemmat's daher!" Sechs starke Männer, denen der Schweiß von Stirn und Nacken rann, standen der steilen Höhe zu gewandt und forderten in höchster Erregung Hilfe. Der Schall toste den schweigenden Wald entlang und brach sich hoch oben an den Felswänden, über die vor wenigen Stunden erst eine Riesenmure niedergegangen war. „S'is guat; glei kommen wir", tönte es von oben zurück, und ein halbes Dutzend Holzfäller, wilde Gestalten, stürmte Üher Stämme und Felstrümmer zu Tal. Was war geschehen? Ein riesiges Lastfuhrwerk, mit sechs starken Pferden be spannt, war auf der von der Gewittermure zerrissenen und notdürftig wiederhergestellten Straße umgeschlagen. Zitternd standen die ausgeschirrte» Pferde. Wild liefen die Männer durcheinander. Seit Tagen war man unterwegs gewesen, um einen Baumstamm von ungeheuren Ausmaßen, eine tausend jährige Eiche, von der weit entfernten Hauptstadt des Landes in diese Wildnis zu bringen. Eine Stunde noch, dann wäre der Stamm an Ort und Stelle gewesen. Jetzt mußte der „Herr" gleich nachkommen. So ein Unglück! „Helft's eine Bahre machen, den Loisl hat's a derwischt", rief der Geschirrführer dem ankommenden Trupp entgegen. Aexte klangen, Reisig wurde geschnitten und darauf der ohn mächtige Mann gebettet, den beim Umkippen des Wagens eine Stange schwer au den Kopf getroffen hatte. — Jetzt erklang sausender Hufschlag, und eine elegante Kalesche bog ein. Schweigend stand der „Herr" bei den schweigenden Männern. „Schaut, daß Ihr bis Abend fertig werdet! Den Mann bringt hinauf ins Haus!" Ein Blick seiner großen dunklen Augen, die immer etwas Geheimnisvolles, wie in andere Welten Sinnendes hatten, überflog noch einmal das Geschehene, dann wandte er sich und überstieg das Trümmerfeld der Mure. Im jenseitigen Walde verschwand seine hoheitsvolle Erscheinung. Loisl wurde in ein merkwürdiges Haus gebracht. Mitten in, tiefsten Walde stand eine altgermanische Blockhütte. Aus starken unbehauenen Stämmen war sie gefügt. Gebleichte Pfcrdeschädel am gekreuzten First. Vor dem Hause ein kleiner tiefer See, an bestem Ufer ein Einbaum angeschlossen lag. Im Inneren waren in Manneshöhe Matten gespannt, wie sie die Germanen für Frauen und Kinder Wohl anbrachten und auf denen diese nachts, geschützt vor wilden Tieren, schliefen. Ani großen Kamine lagen Bärenfelle, worauf, stets in Waffen, die Männer zu schlafen pflegten. An den Wänden hingen Speere, Schwerter, Helme und Schilde. Starke Runenzeichcn waren in die Hauptbalken eingeschnitten. In einem kleineren Nebengelaß lag auf einem Schrage», der mit Fellen und Decken belegt war, bleich und stumm der schwerverletzte Loisl, der mit dem „Herrn" im gleichen Alter stehen mochte. Toni, der als Aufseher hier oben im Hoch gebirge seines Amtes waltete und im kleinen Nebenhause wohnte, kniete neben ihm und kühlte ihm die blutende Stirn. Es war das Lager des „Herrn", auf dem der Einsame ost mehrere Nächte verbrachte, wenn er herauf kam. „Hunding hütte" hatte er das Haus genannt, in dessen Hauptraume das Dach zunächst nur vorläufig gedeckt war, weil hier, in der Mitte des Raumes stehend, die Rieseneiche ihre Aufstellung finden und um ihre Aeste herum sodann erst das Dach fertig gefügt werden sollte. Leise war der Einsame eingetreten. „Ein Bote holt den Arzt. Geduld! Alles wird gut." Er ging wieder. Wenige Minuten später tönte durch den abendlichen Wald der Klang einer silbernen Glocke. Der „Herr" war zur Eremitage ge gangen und läutete den Abendsegen. Jeder kannte den Ton. Die Eremitage war ein einfaches Holzhaus mit angebau tem Glockenturme und lag noch tiefer im Forste. Das Innere, mit Geräten der Fischer und Jäger ausgestattet, barg wieder um ein einfaches Lager. Auch hier Pflegte der Einsame ge legentlich die Nächte zu verbringen. Vor diesem „Gurnemanz- haufe" war der Wald gerodet. Ani der Lichtuna prangte ein Flor herrlichster Alpenblumen, Edelweiß und Almenrausch, Brünetten und andere seltene Orchideen. Das liebliche wilde Alpenveilchen wechselte mit tiefblauen Enzianen. Hier hatte er die schönste Flora seiner über alles geliebten Berge zusammeu- getragen zu einer „blumigen Aue" ohnegleichen. Zart rieselte mmitten dieser Pracht eine klare Quelle, überschattet von einer allein stehenden Buche, an deren Fuße eine Moosbank dem irrenden Kämpfer Parsifal Ruhe bieten und Guruemanz den Liebesdienst der Fußwaschung vornehmen mochte. All das sah Wohl in grenzenloser Verehrung und Hin gabe an den genialen Meister und Freund das träumende Auge des Mannes, der soeben den Kopf vom Parsifal erhob, in dem er, hier oben in Einsamkeit studiert hatte. Nun ver senkte sich sein Blick tief in die blühenden Gefilde, um unter den letzten Strahlen der sinkenden Sonne noch einmal seiner großen Sehnsucht Nahrung zu geben. „Natur und Kunst, ihr Pole, um die meine Welt kreist, ich grüße Euch in meiner Einsamkeit!" Der Schwerverletzte, der Tag und Nacht mit dem Tode gerungen hatte, genas; sein unbeschwertes Lachen erscholl noch ost durch den Wald und über die blumige Aue. Der Einsame aber — König Ludwig II. von Bayern —» mußte nach maßlosen Qualen eines tragischen Daseins bald danach aus dem Leben und von all dem scheiden, was er hier oben geschaffen und so sehr geliebt hatte. Sprit Ahsi! Skizze von Walter Sperling-Danzig. Seitdem sich die Sache mit Katuteit aus Libau herum« gesprochen hat, verkehrt Kapitän Vieth nicht mehr im „SM bernen Leuchtturm". Es handelt sich nicht etwa um eine große Sache — dal muß hier gesagt werden —, sondern um eine kleine Gauneret unter Ehrenmännern. Doch lassen Sie sich die stark nach Sprij duftende Geschichte einmal erzählen. Das war an einem Tage im Herbst 1931. Kapitän Vieth hatte schon starke Schlagseite, als er mit breitbeinigen Schritten durch die engen Gassen von Neufahrwasser dem „Silbernen Leuchtturm" zusteuerte. In dem von Fusel- und Tabakdunst geschwängerten, niedrigen Gastraum dieser Hafenkneipe herrschte der übliche Betrieb. Hafenarbeiter, Stauer, fremd« Matrosen und dunkle Gestalten, die in jedem Hafen zu finden sind, saßen an den Tischen herum oder handelten in den Ecke« „geruschelten" Tabak und ähnliche Dinge. . Dazwischen brüllte ein billiger Lautsprecher einen Vortrag über Säuglingspflege, und das Gläserklappern vom Schenk- tisch vermischte sich mit dem vom nahen Hafen herüber schallenden Heulen der Schiffssirenen zu einem Spektakel, der kaum das eigene Wort verstehen ließ. In diese» Lärm schob Kapitän Vieth mit kühner Wendung seinen massiven Körper, rückte die Mütze in das speckige, rote Genick und nahm gleich darauf beim „Boß" an der Theke ei» Telegramm entgegen, das nur fünf Wörter enthielt: „Papa er wartet Mieze am zweiundzwanzigsten." Kapitän Vieth kratzte sich sein Stoppelkinn, ließ eine» doppelten Machandel in den unergründlichen Abgrund seine« Kehle verschwinden und setzte sich dann in Richtung Hafen i« Bewegung. Aus einer Gruppe lärmender Gäste lösten sich dann zwei verwegene Gestalten, die ihm in einiger Entfernung folgten. Am Hafen trafen sich die drei. „Jungens, macht alles klar! Bor Sonnenuntergang geht's los." Kapitän Vieth hatte schon alles vorbereitet. Dann wan derte Kanister um Kanister in den geräumigen Bauch der „Sturmbö". Zum Schluß brachte Kapitän Vieth noch ein langes Segeltuchpaket herbei. Sehr behutsam wurde sein In halt ausgewickelt, geladen — es waren nämlich Karabiner —« und verstaut. Am Spätnachmittag löste man die Taue, und die schnittige „Sturmbö^ knatterte den Hafeukanal entlang. Die Zöllner grienten, Vieth Mente zurück; HM war der Abschied von Neu-