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Tagesspruch: Die Sonne und die Erde tauschen Noch träumend ihren Morgenkuß; Es geht ein Raunen und ein Rauschen Durch Wald und Feld und Bach und Fluß. Die Nachtigall in Jubelpsalmen Singt mit der Lerche ein Duett; Ein Bettler liegt in grünen Halmen Und schläft in einem Himmelbett. Riesiges Aufgebot zur Weltwirtschastskonferenz. In London trifft man in fieberhafter Arbeit die letzten technischen Vorbereitungen zu der äußerlich größten Konferenz, die die Nachkriegszeit erlebt hat. Die Weltwirtschaftskonferenz, die am 12. Juni offiziell beginnen soll, wird nach ihrem Umfang und nach der Zahl der Teilnehmer noch größer werden als die Kon ferenz von Genua aus dem Jahre 1922. Damals wohnten nicht weniger als vierundvierzig Delegationen an einer insgesamt fast sechzig Kilometer langen Strecke an der Küste der Riviera, red.eten, ließen es sich Wohlsein, und es kam — mit Ausnahme des deutsch-russischen Rapallo-Ver trages — nichts zustande. In London werden es diesmal sechsundsechzig Delegationen sein, die wenigstens offiziell den Willen zeigen wollen, die Ursachen der Weltwirtschaftskrise gemeinsam zu erkennen und, soweit es die mancherlei Sonderwünsche zulassen, vielleicht auch teilweise zu beseitigen. Der riesige Aufmarsch an Delegationen bedingt natür lich in der Gastgeberstadt einen entsprechend großen tech nischen Apparat. Der Generalsekretär der Weltwirtschafts konferenz, Avenol, bemerkenswerterweise wieder einmal ein Franzose, ist mit einem technischen Stab von hundert Völker bundangestellten bereits in London eingetroffen; sie stellen den personellen Verwal- tungskörper der Konferenz dar. Die Teilnehmer der Kon ferenz werden in einer Halle sitzen, die in lebhaften grünen, grauen und goldenen Farben gehalten ist und rund tausend Besuchern Platz bietet. Die Verhandlungen werden vor aussichtlich öffentlich sein. Sechzig Plätze hat man sür die Presse und für Zuschauer reserviert. Außer der Tatsache, daß Frankreich den einflußreichen Posten des Generalsekretärs der Konferenz besitzt, ist ferner ennreichnend, daß die Vertreter der Staaten in der alpha betischen Reihenfolge der französischen Sprach- bczeichnungen sitzen werden und daß die amtliche Sprache außer dem Englischen Französisch sein wird. Die deutsche Abordnung, zu der, wie gemeldet, Reichsbankpräsident D r. Schacht Reichsautzenminister Frhr. v. Neurath, Reichswirt- schafts- und Ernährnngsminister Dr. Hugenberg und Reichsfinanzminister Gras Schwerin-Krosial gehören, wird im Dorchester-Hotel wohnen, wo ein Stock werk für die Deutschen bereitgehalten ist. Das Londoner Oterpostamt hat bereits eine Anzahl Telephonleitungen und eine eigene Fernsprechvermittlung am Sitz bei deutschen Delegation einbauen lassen. Man sagt, der amerikanische Präsident Roosevelt habe den Mitglieder seiner Delegation die Weisung sür die Konferenz erteilt: „Handelt schnell und sprecht wenig!" Es wäre in der Tat dringend zu wünschen, daß diese Konferenz, von der unter Umständen das wirtschaftliche Schicksal von Millionen und aber Millionen Menschen ab- bängt, sich nicht nach berüchtigtem Genfer Muster in ufer loses Gerede, gegenseitige Intrigen und Quertreibereien verliert und schließlich dasselbe Schicksal hat wie die inter nationale Wirtschaftskonferenz des Völkerbundes vom Jahre 1927 kläglichen Angedenkens, die nach einem unge heuerlichen Redewust ohne jedes praktische Ergebnis endete. Deutsch-englischer Niegettag in Berlin. Reichsluftfahrtminister Göring begrüßt die Gäste. Die 24 englischen Sportslieger, die zur Zeit Deutschland bereisen, wurden in Berlin auf einer Veranstaltung des Aero-Klubs von Deutschland auch durch den Reichsluftfahrtminister Göring namens der ganzen deutschen Luftfahrt begrüßt. Der Minister führte in seiner Ansprache u. a. aus: Deutschland heiße sie herz lich willkommen in einer Zeit, in der die Diplomaten oft nicht mehr wüßten, wie sie weiterkommen sollten. In solcher Zeit müsse das Voll selbst zum Volke kommen, und es gebe keine geeigneteren Botschafter als die Flieger und noch mehr die Fliegerinnen. Ein Teil der englischen Gäste habe vor mehr als einem Jahrzehnt uns an der Front gegenübergestanden. Damals hätte man gelernt, sich gegenseitig zu achten. Auch in England sei, zum mindesten in der Presse, eine falsche Darstellung über das neue Deutschland verbreitet worden. Die englischen Gäste würden sich davon überzeugt haben, daß wir ein Volk seien, das den Frieden will, das aber auch geachtet sein wolle. Nach der Rede Görings intonierte die Kapelle die englische Nationalhymne, worauf der Vizepräsident des britischen Aero-Klubs, Lindsay Everard, dem Reichsminister Göring für die Gastfreundschaft dankte. Der Vizemarschall des englischen Luftfahrtministers Borton führte u. a. aus, daß er den Ausführungen des Reichsministers Göring mir znsti m m c n könne. Der Empfang der englischen Flieger in Berlin Stanken. Aus unserer Ausnahme sieht man «von links» den Vize marschall Borton vom englischen Lustmlnisterium mil der bekannten englischen Fliegerin Miß Croßlev bei der Begrüßung durch Vizepräsident von Hoeppner und Präsident von Kehler vom Aero-Club von Deutschland auf dem Berliner Flughafen Staaken. Bezugsberechiigung bei -er Speisefeitverbilligung Wie der Amtliche Preußische Pressedienst mitteilt, wird in einem Erlaß des Minister des Innern der bezugs berechtigte Personenkreis von Reichsverbilligungsscheinen für Speisefette wie folgt bestimmt: Als von der öffentlichen F ü l s o r g e lausend als Hauptunterstützungs- und Zuschlagsempfänger in offener Fürsorge unterstützte Personen gelten auch die jenigen Mieter, denen nur die Hauszinssteuer gestundet ist. Dabei sind als Zuschlagsempfänger diejenigen mit dem Mieter im Haushalt lebenden Familienangehörigen zu rechnen, die bei der Berechnung seines Bedarfs mit- berücksichtigt wurden. Zu dem bezugsberechtigten Personenkreis gehören selbstverständlich auch die in offener Fürsorge lausend unterstützten Kleinrentner und ihre Zuschlags- empfänger. Auch Rotstandsarbeiter, für die die öffentliche Fürsorge die Grundförderung zahlt, und Fürsorgearbeiter erhalten die Reichsverbilligungsscheine. Als Zuschlags empfänger sind diejenigen Haushaltsangehörigen anzu sehen, für die der Fürsorgearbeiter oder Notstandsarbeitei Zuschläge erhalten würde, wenn er statt in Fürsorge oder in Notstandsarbeit laufend in unterstützender öffentlicher Fürsorge stände. Göring über Deutschland und Frankreich. Das Pariser Blatt „Petit Journal" veröffentlicht eine Unterredung mit dem preußischen Ministerpräsidenten Göring, in der dieser — nach der französischen Darstellung — u. a. äußerte: „Der Vier-Mächte-Pakt? Ja, das ist sehr gut und schön, aber was für eine praktische Tragweite wird er noch haben nach all den Vorbehalten Frankreichs? An die Gleichberechtigung, die wir gefordert haben, und die man uns ungern gewährt hat, glaubt niemand mehr in Deutschland. Die Leute bei uns sind es überdrüssig, die Gleichberechti gung stets nennen zu hören, die keiner Wirklichkeit mehr entspricht. Der Krieg? Aus vielen Gründen wollen und können wir keinen führen. Den Ver teidigungskrieg würde das deutsche Volk, wenn er ihm eines Tages aufgezwungen werden sollte, mit größter Energie führen, aber einen Angriffskrieg niemals. Ich weiß, daß das französische Volk den Krieg auch nicht will. Ein europäischer Krieg könnte übrigens letzten Endes nur dem Bolschewismus nützen. Was will Frankreich von uns? Frankreich hat die stärk st e Armee Europas, Verbündete und Garantieverträgc. Deutschland steht allein, und sein Rüstungsstand ist so, daß wir nicht einmal feindliche Flug streitkräfte daran hindern könnten, unsere Städte mit Bomben zu belegen. Will Frankreich diese Situation ver längern, wenn cs von Sicherheit redet? Eine Angleichung der Interessen beider Völker ist in jeder Hinsicht möglich. Je mehr ich darüber nachdenke, um so mehr habe ich den Eindruck, datz eine Verständi gung beider Völker nötig ist. Frankreichs Staatsmänner treffen sich mit den Staatsmännern aller Länder mit Ausnahme der deutschen. Es finden keine unmittelbaren Aussprachen zwischen beiden Regierungen statt, deren Zusammenarbeit mehr als alles andere den Frieden und den Wohlstand Europas sichern würde, und das gerade in dem Augenblick, in dem Deutschland sich eine starke Regierung gegeben hat, eine Regierung, die fähig ist, Verantwortung zu übernehmen, eine notwendige Vor bedingung für jede Politik auf weite Sicht. Hat Adolf Hitler nicht deutlich genug seinen Friedenswillen bekundet? Wenn Frankreich und Deutschland miteinander verhandeln, so werden sie, ich habe die bestimmte Hoff nung, einen gemeinsamen Weg finden. Für den Augen blick ist die Atmosphäre nicht gut. Das ist sicher. Ich bemühe mich, sie zu bessern. Man kann aber traditionelle Strömungen nicht von einem Tag auf den anderen ändern. Das ist eine Aufgabe aus lange Sicht, aber man muß sie versuchen." Oberpräsident Prinz Philipp von Hessen. Seine Amtseinführung in Kassel durch Ministerpräsident Göring. Am Mittwoch trafen Ministerpräsident Göring und der neue Oberpräsident der Provinz Hessen-Nassau, Prinz von Hessen, sowie seine Gemahlin, die Prinzessin Mafalda mit Begleitung aus dem Kasseler Hauptbahnhos ein. Sie wurden aus dem Bahn steig von den hessischen Gauleitern der Provinz sowie den Spitzen der Behörden begrüßt. Auf Ser Fahrt zum Roten Palais wurden der Oberpräsident und die Gäste von einer die Stratzdn dicht umsäumenden Menschenmenge gefeiert. Als erster entbot der Oberbürgermeister der Stadt Kassel, Dr. Lab meyer, dem Ministerpräsidenten herz liche Willkommensgrüße. Hieraus überreichte der Stadt- verordnetenvorsteher und Laydrai Lengemann dem Reichs minister Göring die E h r e n b ü r g e r u r k n n d e. „Die Ernennung unseres neuen Oberpräsidenten", so führte der Oberbürgermeister u. a. aus, „ist hier im Lande mit großer Freude ausgenommen worden. Das Hessenland grüßt ihn als Zugehörigen, als Mann von echtem hessischen Geblüt." 85. Fortsetzung. Nachdi uck verboten. Eine glänzende Versammlung, Männer von ho hem Rang in jener Welt des äußeren Scheins, mit vornehmer Würde im Schmuck glitzernder Orden und goldprunkender Uniformen. Und zwischen ihnen er — in schlichtem, schwarzem Gewand, aber auf der kühn gewölbten Stirn das höchste Ehrenzeichen, das keine Fürstengnade verleihen kann. Nach Trompetengeschmetter und Choralklang die gro ßen, tönenden Worte, die dem vollendeten Werke gal ten, seine gewaltige Bedeutung den herbeiströmenden Tausenden kündeten. Zwischen den stolz hinrollenden Lobhymnen auf den unaufhaltsam vorwärtsdrängenden Siegeszug der Technik freilich auch ein ernster, stiller Seitenblick hin zu dem, was gefallen war . unter dem malmenden Tritt des neuen, eisernen Zeitalters: Den Männern von Rödig und ihren Leidensgefährten im Rauhen Grunde, die von ihrer Scholle hätten gehen müssen, ein ehrendes Gedenken ihrer schweren Opfer: „Sie gaben der Ahnen Gräber und den eigenen Herd." — Doch von den Besiegten hin zum Sieger! Und nun richteten sich die Augen all der Taufende auf ihn, zu dem sich jetzt der vornehme Sprecher wandte, mit huldvoll anerkennender Gebärde. „Da steht er vor uns, der Mann, dessen Haupt der schöpferische Gedanke ent sprungen! Seine gigantische Wucht überkommt uns heute voll angesichts dieses Riesenwalls aus Quadern, die dem Anbranden eines entfesselten Ozeans trotzen zu sollen scheinen. Mit fast vermessener Kühnheit er sonnen, doch mit kühlem Scharfsinn durchdacht in sei nen Einzelheiten, und mit stählerner Energie dann durchgeführt, allen Hindernissen zum Trotz, in jahre langem Mühen, so steht heute das vollendete Werk vor uns — sich selber zum Ruhme und dem Manne, der es geschaffen!" Und wieder Fanfarengeschmetter, brausende Zurufe der Tausende, aber starr steht der, dem die Huldigung gilt. Blaß im Bewußtsein des Augenblicks, doch im Antlitz jede Muskel gestrafft und um die Mundwinkel er danach gegeizt. Er weistß, was er wert ist! Wohl hat er sich einmal einen Lohn gedacht in dieser Stunde am Ziel. Aber wo waren die Augen, deren stummes Aufleuchten über die Köpfe der Tausende hinweg sein Herz voller Stolz hätte aufschlagen lassen? — Und die, der sein Gedenken galt inmitten des bran denden Festjubels, saß einsam in selbstquälerischem Grübeln. Warum hatte alles so kommen müssen? Ach, datz sie damals, wo sie ihr Schicksal noch in der Hand gehabt, so töricht unerfahren gewesen war! Sich selber und dem Manne gegenüber. Warum war ihr damals noch nichts zu eigen von dem Wissen, das ihr dann die Ehe gebracht, in bitterem Leid? Warum nicht ein Funken nur von dem großen Verstehen der alten Frau da drunten, die mit einem einzigen, klugen Wort den Schlüssel gefunden zu seinem Wesen, das sie erschreckt und davongescheucht hatte damals im Auf bäumen ihres törichten Mädchenstolzes. Warum — warum nicht? Eine tiefe Bitterkeit quoll in ihr auf. Was hatte das Leben für einen Sinn, das dem Menschen das Er kennen erst immer nachher gab, wenn es zu spät war, nur, wie um ihn grausam und hohnvoll zu quälen? Doch plötzlich schrak Eke empor. Der Grund bebte und schütterte unter ihren Füßen, zugleich ein don nernd aufbrüllendes Krachen, als ob die Erde berste bis in ihre Grundfesten. Weit aufgerissen starrten ihre Augen zu Tal, zum Unterdorf hin. Dort drunten eine Feuersäule, riesenhoch, dann kohlschwarze Finsternis. Der Boden war hinauf zum Himmel geschleudert wor den, mit allem, was er trug. Minutenlang stand diese gigantische Rauchwolke in der Luft und verdunkelte die Sonne. Zum Grausen unheimlich. Dann senkte sie sich langsam nieder, ein ungeheurer Aschenregen, und nun zerflatterten die letz ten grauen Schleier — das Werk der Zerstörung ward dem Auge offenbar. Und Eke sah: wo eben noch das Dorf gestanden, all die menschlichen Wohnstätten — nichts mehr, nichts! Ein einziges weites Trümmer feld, grau, schwarz, trostlos. Bloß hier und da spär liche Mauerreste, noch ein Stückchen Wand mit dem erkennbaren Rest einer Fensteröffnung. Nur abseits, drüben am Adligen Hause, ragte es noch aufrecht, der Stumpf des Turmes. Mitten durchgerissen von der Ge walt der Explosion, war die eine Hälfte des unteren Stockwerks stehengeblieben. Wie ein schrecklich verstüm meltes Glied — ein grausiger Anblick. Regungslos stand Eke und blickte nieder auf die Stätte der Zerstörung. Ein Bild ihres eigenen Innern. Und ihre grenzenlose Verlassenheit ward ihr von diesem Anblick bewußt, wie noch nie in all der Zeit ihres Alleinstehens. Müde ließ sie sich auf der Bank nieder. Sie sah hinein in sich selber und in ihre Zukunft. Was sollte mit ihr werden? Alles, was ihr vertraut und heimisch gewesen, hier war es hingesunken. Die Wasser würden es decken, die nun zu rauschen begannen da drunten. Nichts hielt sie hier mehr. Aber wohin nun mit ihr? Dies unstete Herumschweifen, wie bisher in ihrem Witwenjahr, war doch nur ein Notbehelf gewesen. Sie war keiner jener leicht beschwingten Zugvögel, die mit der Saison von Ort zu Ort flatterten, wie sie so viel da drunten getroffen. Nein, sie war eine Natur, die Wurzel schlagen mußte, tief und fest, sollte sie weiterlcbcn. Aber wo fand sie noch einmal Heimatboden? Lange sann Eke vor sich hin. Endlich blickte sie wieder auf. Ihr Auge fiel jetzt drüben auf den Berghang über dem Oberdorf. Schwer und massig lagen da die Werkanlagen von Christians glück. Gefeiert wurde heute auch dort droben. Die Förderräder standen füll. Die Aufzüge an den Hoch öfen ruhten. Aber aus den Röstöfen, aus den Essen der Kesselhäuser, wo die Feuer nicht erkalten durften, stieg leise und immerwährend der Dampf und floß zusammen zu einem warmen, feuchten Brodern. (Fortsetzung fol<"