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Wilsdruffer Tageblatt : 25.10.1933
- Erscheinungsdatum
- 1933-10-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-193310251
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19331025
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19331025
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1933
-
Monat
1933-10
- Tag 1933-10-25
-
Monat
1933-10
-
Jahr
1933
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 25.10.1933
- Autor
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Das Los 48. vss Spiel ums Leben Alfred Sem er au. und wieder. und trei Jahre, und was ' ian und nie etwas bc »reiß auch, daß man man nicht gerufen wird! Alte Jacke, die immer in der Mode bleibt. Aber nun hat er mal angefangen. Ach was! Los! Zum Betriebsingenieur! ...wo... hin, nichts da... Ihr bleibt!" Wido wollte auf- stehen, sank aber wieder zurück: „Ha... der Klingenberger... der Klin...gen..." Es schwamm vor seinen Augen. „Es geht nichts über Klin ... Klingen ... ber ... ger..." Der Wächter döste im Halbschlaf, als Jörg in Widos Mantel und Mütze an ihm vorbeiflog. Das hohe Gericht war zum Gang nach der Richtstätte bereit. Da erscholl Lärm, Ge schrei, Gelächter in den Gassen. Die Herren eilten zum Fen ster. Das war doch Widos Mantel und Mütze. Doch darunter steckte Wido nicht. Und das hohe Gericht erstarrte, als Jörg vor ihm stand. Wie? Was? Wido hatte den Schlüssel ver spielt? Da sollte doch gleich...! Aber nach Jörgs Erzählung wurde der Sturm zu lindem Säuseln und Aerger und Groll zum Schmunzeln und Gelächter. Wort war Wort und Jörg frei, aber Wido mußte zwei Wochen bei Wasser und Brot im Turm sitzen. Als Jörgs Hochzeit war, schickte er dem wilden Spieler einen Krug Klingenberger, und so blieb's auch am gleichen Tag Jahr für Jahr, und wenn Wido den Krug Hoh, wurde sein verwittertes Gesicht ein strahlendes Lächeln, und er brummte: „Donner und Doria! Ha, Holks Trab!... ja- Holks Trab!" wilden Holk, schwarzen Wallenstein, Mansfeld und Bernhards Hei, war damals ein Leben! Und was blieb von all der Herr-« lichkeit? Roter Eibinger, an den man nicht denken durfte^ vor einem so köstlichen Labsal wie dieser Klingenberger " Jahre geq - Ein neues SHuWUel gegen Gasangriffe. Zu den gefährlichsten Giftgasen, die vor allem auch bei Luftangriffen eine große Rolle spielen dürften, zählen die Chlorgase. In Prag wurden, wie die „Chemiker-Zeitung" unlängst mitteilte, Versuche mit einem neuartigen Verfahren gemacht, das den Chlorgehalt dieser Gase rasch und gründlich zu absorbieren gestattet. Es handelt sich um einen sogenannten „Wasserschleier," der dadurch erzeugt wird, daß man Wasser aus einem Schlauch durch feine Düsen strömen läßt. Es entsteht dadurch eine Art Nebel von einigen Metern Höhe- Eine alte Geschichte von Jörg Rietberg träumte unruhig in seiner Turmzelle. Von seinem Streit mit Gerold Krell: Die Messer flogen heraus, das Jörgs in Krells Brust, der mit frechem Maul seine Braut beschimpft. Vom hohen Gericht, das ihn wegen Stadtfriedens bruchs zum Tode verurteilt und nur auf sein heißes Bitten erklärt, ihm Leben und Freiheit zu schenken, wenn er bis zur Strafvollstreckung ohne Gewalt und fremde Hilfe aus dem Turm käme. Von seinem Gang zur Richtstatt: Das Arme sünderglöckchen bimmelte, der Karren mit ihm rumpelte durch die Gassen, das Tor. Jetzt stand er, die Eibinger in dichtem Kranz um ihn. Der Henker Wido trat heran, ihm die Augen zu verbinden, da sah Jörg den Würfelbecher an Widos Gürtel und... Das Knarren der Tür zerriß seinen Traum. Der Wächter kam mit dem Frühbrot und fragte nach seinen Wünschen für sein letztes Mittagsmahl. Das Essen sei ihm gleich, sagte Jörg finster, aber einen guten Trunk wolle er. Die dicke Tür fiel wieder zu. Der Brei quoll in Jörgs Mund. Verdammter Traum! Warum gleich das Messer! Eine Tracht Prügel hätte für Krell auch genügt. Nun war's um sein junges Leben ge schehen, wenn er bis zum Nachmittag nicht aus dem "Turm kam. Wie aber sollte er hier heraus? Gitter am Fenster, der Boden aus Stein, die Tür eisenbeschlagen. Der Traum, wie ging er aus? Was war weiter mit Widos Würfelbecher? Jörgs Mund zuckte unter flüchtigem Lächeln... Als Wido, verschlissen, zernarbt, vor vier Jahren, nach dem Ende des langen Krieges, auf seinem Bettelzug nach Eibing kam, hatte er den Rat der Stadt um eine Stellung gebeten. Die Herren sahen den Hagern Kerl mit dem faltigen Gesicht Verdutzt an, der mit seinen Kriegssahrten prahlte, gaben ihm einige Heller und wiesen ihn zum Tor. Wido aber strich durch die Gassen, vor die Mauer, um die Stadt und trat wieder vor den Rat: Eibing sei eine schöne Stadt, alles in gutem Stand, doch eins fehle: Galgen und Henker. Jede Stadt, die auf sich halte, habe Leides. Was täte Eibing, wenn hier einmal ein Mälesizverbrschen geschähe? Wollte es sich dann.den Henker von Miltenberg oder Wobrich ausborgen? Die Herren runzelten die Stirnen. Waran halten ye me gedacht. Es gab eine stürmische Sitzung, die Aelteren sagten, bisher sei Eibing ohne Richtstatt und Henker ausgckommen, so sollte es auch künftig sein. Die Jüngeren aber riefen, Wido hätte recht. Jede Stadt von Würde und Ehre hätte Galgen und Henker. Dürften Wobrich, Miltenberg beides vor Eibing voraushaben? Die Jüngeren siegten. Die Richtstatt wurde gebaut und Wido zum Henker eingesetzt. Die Eibingcr hielten sich brav. Wido mußte Wohl einmal einen Mann, der im Stadtwald an verbotener Stelle Holz geschlagen, mitjRuten streichen, aber sonst ging er müßig. Er liebte Geselligkeit, aber mit ihrem Henker setzten sich die Eibinger nicht an den Tisch. Eine Fran bekam er natürlich erst recht nicht. So blieben ihm nur Wein und Würfel. Der Wein war rotes herbes Stadtgewächs, die Würfel gelbe Knochen, die zwanzig Kriegs jahre mitgemacht hatten. Aber mit wem Würfeln? Wido dachte seufzend des Feldlagers, wo die Würfel um Silber und Gold aufs Trommelfell gesprungen waren. Er würfelte mit sich, überall, zu Haus, auf den Plätzen, unter dem Galgen. Das Volk spottete über den arbeitslosen Henker, der Stadt kämmerer schimpfte über die nutzlose Ausgabe, ringsum hieß Wido nur der Würfelhenker. Da bekam Wido durch Jörg plötzlich Arbeit. „ Jörg ging rastlos grübelnd hin und her. Das Mittags geläut zog ihn ans Fenster. Der Wald stand in grünem Glanz, die Sonne kochte die Trauben auf den Bergen, über der grauen Mauer hing Goldgespinst, die Stadt lag in flimmerndem Dunst. Dort, der spitze Giebel, war Monikas Haus. Arme Monika! Bald sollte Hochzeit sein und nun... Die letzte Mahlzeit kam. Das Schweinsstück war knusprig braun, das Kraut duftete nach Acpfeln, aus dem großen KAlg stieg ein lieblicher Duft. Aber Jörg stocherte nur herum und nippte nur. Da knarrte die Tür. Jörg fuhr auf, erblaßte. Wido trat ein, winkte ihm: keine Sorge, noch holte er ihn nicht. Er war auf seinem Mittagsspaziergang. Er mußte tüchtig marschieren, sonst setzte er noch mehr Fett an. Früher war er ein schlanker leichtfüßiger Kerl ge wesen, das Nichtstun hatte ihn dick gemacht. Er schob den Zellenschlüsscl in die Tasche, warf Mantel und Mütze ab, wischte die Stirn, schnüfselte nach dem Weinkrug: „Kein Eibinger. Ich meine das Rüchlein zu kennen." Jorg schob ihm den Krug zu. Wido setzte sich, sog den Duft ein: „Klingen berger! Perle vom Main! trank kleine Schlucke. Wie lange hatte er keinen Klingenberger geschmeckt! Seit er mit Bern hard von Weimar am Main stand. Das war ein wilder rascher Zug gewesen. Seine Augen glänzten. Er-erzählte vom Hochdruckkessel aus einem Nohr. Eine Schweizer Kesselschmiede baut neuerdings Hochdruck-« dampfkessel aus einem einzigen, in zahlreichen Windungen verlaufenden Siederohr. Sie hat bereits Aufträge für einen Kessel, der stündlich 8006, und einen, der in derselben Zeit sogar 18 000 Kilogramm Dampf liefert. Der Druck wird 100 Atmosphären betragen. Man braucht für diese Leistung eine Rohrlänge von etwa 2500 Metern. Das Wasser wird durch das System v-m Rohrschlangen, das Speisewasser vorwärmer, Luftvorwärmer, Verdampfer uitd Ueberhitzer in einem Stück darstellt, durch kräftige Pumpen getrieben. Der Fortfall von Kesseltrommeln beseitigt auch die Wärmespcicher. Das hat zur Folge, daß der Kessel sehr empfindlich gegen Belastungsänderungen ist. Er erfordert demgemäß sehr fein fühlige selbsttätige Regelungsvorrichtungen für Dampfdruck, Temperatur und Feuerung. Als Speisewasser kommt »ui jorülälM LereiniLtes Kondensat A^BWwL»^na- „Jn welcher Angelegenheit?" — „In einer persönlichen Angelegenheit!" Die Stenotypistin reißt die Augen auf möchte wohl wissen, was dieser Junge in seinem öligen Ueber- »nzug schon groß für persönliche Angelegenheiten hat. Aber sie spürt dann Wohl etwas von der klaren Entschlußkraft, die mit dem Mann da vorwärts treibt, und läßt ihn zu ihrem Chef. Dicke Doppeltür. Teppich. „Na, und was gibt es?" Der Betriebsingenieur hört sich den Fall ruhig an. „Mann, was glauben Sie denn eigentlich, wie? Damit Sie mich nicht mißverstehen, ich stehe ganz auf Ihrem Standpunkt, aber damit ist das ja noch nicht getan. Ich kann nicht einfach über meine Leute hinweg nun bestimmen, daß Sie am Sonn- kaü Morgen zwei Stunden frei Laben! Da brächte.ich ia den : größeren Gesellschaft eine Geschichte zum „ . . über erlebt hat. Als er noch in Hamburg tätig war, hatte ihn eines Tages einer seiner Kollekteurs beschworen, doch das Los Nummer 48 zu beschaffen. Ei« Kunde von der Waterkant verlange dringend danach. Es kostete einige Mühen und Rundfragen, bis man den Wunsch befriedigen konnte. Und dann war das Erstaunen groß: Auf Vas Los entfiel der Haupttreffer von einer halben Million. Begreiflicher Weise wollte man erfahren, wie der Glückliche zu seiner Wissenschaft gekommen war. Und der erzählte nun schmunzelnd, ein Traum habe ihm den guten Tip gegeben. Da sei ihm an der Wand zweimal die Zahl Sieben erschienen. Das habe er als einen Wink des Schicksals aufgefaßt. Denn sieben mal sieben sei doch achtundvierzig, nicht wahr? „Sehen Sie, meine Herrschaften, darauf kommt es an: Man muß nur — dumm sein", schloß der Lotteriedirektor. Aber leicht fällt ihm das jetzt nicht! Schließlich hat er für Jahre waren das!, seine Arbeit ge- fonderes zu meckern gehabt. Und er nicht M seinem „Förscht" geht, wenn Betrieb durcheinander! Das kann ich mir nicht leisten, Köhne. Das ist hier nicht mein eigener Betrieb, er gehört eben Direktor Brakseld!" Der Klaus ist schon draußen! Er wäre beinahe an seine Arbeit gegangen. Aber er war jeG nicht mehr der kleine Mann, der er gestern noch war. Er hatte eine ordentliche Sache bis hierher durchgebissen, wie er noch nie in seinem Leben etwas durchgebissen hatte. Davon spürte er eine Kraft in sich. Er halte jetzt keine Angst mehr > vor den Menschen über sich. Als er den Wagen des Direktors Vorfahren, sah, ging er hin, öffnete den Schlag und stand mit eßns vor Direktor Brakfeld! Direktor Brakfeld war nicht weniger erstaunt als Klaus über sich selber! Klaus sing an zu sprechen. Er sagte, wenn der Herr Direktor jetzt „nein" sage, dann fei es eben nicht zu machen! Aberfter habe die Reihe jetzt einmal durch, er wolle Hitler sehendes ginge ganz gut. Direktor Brakfeld fragte, ob er den Instanzenweg ordnungsgemäß zurückgelegt habe. Er lächelte selbst, mls er „Instanzenweg" sagte! Jawohl, er habe zuerst den Oberrmonteur gefragt, dann den Meister, dayn den Chef vom Dienst, dann den Betriebsingenieur. Sie hätten alle seinen Wunsch begriffen, aber sie hätten geglaubt, es ginge nicht. „Es wird schon gehen!" damit ging der Direktor in fein Büro. Kkius stand eine Weile vor dem leeren Wagen und wußte jetzt! selber nicht mehr, wie er das fertig gebracht hatte! Eine/ kleine Viertelstunde später gingen der Betriebs- ingenieur - und der Chef vom Dienst persönlich zum Meister, ließen sich von dem zum Obermonteur bringen und beredeten den Fall. _ Klaus Köhne zog seine Mütze und sagte sein: „Nichts für ungut!" Und die Herren lächelten. Sre hatten ganz das Gefühl, den Monteur Köhne heute eigentlich zum ersten Mal richtig zu sehen. Wie er so munter ein Ersatzrad neben sich , her trudeln ließ, wie ein Junge seinen Reifen! Wie gewinne ich das Große Los? Die meisten Mensche« werden sich so wenig in der Lage fühlen, diese Frage zu be- anworten, daß sie es überhaupt nicht für der Mühe wert halten, sich überhaupt einmal ernsthaft damit zu beschäftigen. Aber gewiße charakterliche Voraussetzungen gibt es doch, die jeder besitzen muß, der im Lotteriespiel sein Glück zu erjagen sucht. Wenigstens ist dies die Ansicht eines Fachmannes, der sich auf diesem Gebiete Wohl ein Urteil erlauben darf, näm- sich des ehemaligen Direktors einer deutschen Klassenlotterie, der kürzlich in emer — besten gab, die er sei Blume, und diese Knöchel, die mit ihm die ganzen Jahre ge zogen waren, und dabei stieß er den Würfelbecher auf de« Tisch. Aber mit wem sollte er spielen! Er ließ die Knöchel kollern. Da war Mansfelds Neun! Und da der Schweden lauf! Ja, Würfeln — eine hohe Kunst. Da... die Bom- barde! „Ihr laßt mich trinken. Ich laß' Euch Würfel«. Die Zeit läuft schneller beim Spiel." Jörg starrte ihn an. Sein Traum! Da War Widos Becher. Der Henker ließ ungeduldig die Würfel im Becher springen: „Probiert's!" Er grub mit dem Schlüssel ein ma geres Geldsäckchcn heraus, erklärte die Wurfe. „Was gklt'ss und um wieviel?" Jörg wählte den Schwedenlauf. Ein Silberstüber war der Einsatz. Wido gewann. Er gewann wieder ' ' ,Jch hab's gewußt, daß heute mein Glückstag! ist." Er hob den Krug. „Laßlls Euch nicht anfechten! Was' soll Euch noch das Geld? Macht weiter!" Er war in sie-' bernder Spannung. Endlich hatte er einen Partner. Jörg besaß nur noch drei Stüber, da wandte sich das Blatt. Die Silberstücke häuften sich vor dem Gefangenen. Wido schickte jedem verlorenen Stüber einen zornigen Fluchs nach. „Spült Euren Groll mit dem Klingenberger fort!" rief Jörg, als Widos Säckchen leer war. „Ihr habt noch Mütze' und Mantel. Ein halber Gulden gegen die Mütze! Mansfelds Neun! Beginnt!" Nach vier Würfen zog die Mütze zu Jörg, nach acht der Mantel. „Mes verloren, alles hin! Nackt aus gezogen!" schrie Wido mit flammenden Augen und griff zum Krug, trank den Rest. Jörg klirrte mit seinen Silberstückenn „Ihr habt noch den Schlüssel. Das alles und Mütze und Mantel gegen den Schlüssel!" — Wido stierte ihn an: „Ihr narrt mich. Dies Silber und Mantel und Mütze gegen den Schlüssel? Donner und Doria! Es gilt! Holks Trab!" Die Würfel kollerten ein Dutzend Male. Wido sah ihnen mit glasigen Augen nach: „Wir haben mal in Regensburg gespielt... da lag eine goldene Kette auf der Trommel... und Fünfe rum ums Kalbfell... da habt Ihr Wallensteins Burg... ich war noch in Pilsen beim Herzog... und wie wir durchs Tor kamen..." Plötzlich wurde er stumm, dann brüllte er los: „Holks Trab!" Jörgs Würfel hatten gesiegt. „Gewonnen", rief Jörg, „Mütze, Mantel und Schlüssel. Das Silber behaltet!" Und im Nu war er an der Tür. „Wohin Es handelt sich bei dieser Geschichte um einen gewissen Klaus Köhne, drciundzwanzig Jahre alt, gelernten Motor- fchlosser, seit drei Jahren Spezialmonteur bei Gebrüder Brak feld. Garagenhof Nummer acht, Werkstatt einunddreißig. Wenn Sie lange genug fragen, finden Sie hin. In solchen Riesenbetrieben sucht man einen einzelnen kleinen Mann ja wie eine Stecknadel in einem Tanzsaal. Gebrüder Brakfeld beschäftigten einige vierhundert Mann. Es liegt auf der Hand, daß ein Monteur dort keine große Rolle spielen kann. Direktor Brakfeld selbst gibt zu, daß er keine Leute wirklich nicht alle kennt. Schließlich sind dazu die leitenden Ingenieure der einzelnen Abteilungen da, unter diesen dann wieder die Chefs vom Dienst, die Meister und schließlich die Obermonteure. Personalfragen erledigen meistens die Meister. In besonderen Fällen die Chefs vom Dienst. Die Angelegenheit des kleinen Köhne gehört selbst verständlich zunächst vor den Obermonteur. Also wischt Klaus Köhne seine öligen Hände an einer Hampel Putzwolle ab, nimmt die Mütze ordentlich herunter, klopft an dem kleinen Verschlag an, in dem der Obermonteur seine Zettel und Listen bearbeite,ü Neben dem wackeligen Stehpult gibt es da einen Telephonapparat. Mit dem kann man fast im ganzen Betrieb hcrumtelephonieren. Ein Obermonteur ist eben schon wer. Also mit der Mütze in der Hand steht Klaus Köhne vor seinem Vorgesetzten und wartet erst mal ab, bis der mit seinem Zettel gerade fertig ist. Und dann wartet er noch, bis der Obermonteur ihn fragt, was los sei. Klaus Köhne hat den Satz zwar in diesem Augenblick vergessen, den er sich jnrechtlegte, aber er bringt seine Angelegenheit dann doch Ungefähr hin. Hitler I>äme in die Stadt und er möchte Sonntag früh freihaben, damit er ihn sehen könne. Das vorige Mal hätte kr auch gerade Bereitschaftsdienst machen müssen, als Hitler ru der großen Besichtigung da war, und davor, bei der letzten Wahlversammlung mit Hitler, hätte er genau dasselbe Pech gehabt. Tja, meinte der Obermonteur, Dienst wäre eben Dienst, und dann mache der Meister den Bereitschaftsdienst- plan auch selber und er, der Obermonteur, könne da ja nun nicht so ohne weiteres etwas ändern. Da müßte Klaus Köhne schon einmal zum Meister gehen! Na gut, Klaus guckt durch so etwas schon durch. Der Obermonteur, denkt er, meint, ich ginge jetzt nicht zum Mei ster. Aber ich habe keine Angst, ich gehe hin! Zum Teufel, wenn ich Hitler sehen will, dann können die Brüder mir schon einmal zwei Stunden freigeben. Kann sie ein ander Mal nacharbeiten. Der Obermonteur will ja am Sonntag Morgen nur nicht allein in der Werkstatt sein, zum Beispiel mit einer verdreckten Unterdruckleitung. Das ist doch der ganze Witz! Beim Meister sieht das schon anders aus. Der hat ein Büro. Lohnlisten und Betriebsstatistik. Auf dem Telephon- epparat kann man über die Werkzentrale mit der Stadt sprechen. Roter Knopf Stadt, schwarzer Knopf Betrieb. Klaus klopft zweimal an. Da kommt der Meister schon selber heraus, wollte gerade fortgehen, hat nicht viel Zeit. So und so, erklärt Klaus. „Ja, mein Lieber, das tut mir nun auch leid, aber wo bekomme ich einen Ersatzmann für Sie? In zwei Stunden schaffen Sic das auch nicht, zum Flugplatz hinaus und wieder in die Stadt, bei dem Betrieb. Daß Sie nun schon das dritte Mal Dienst haben, wo Hitler hier ist, das ist freilich Pech. Aber, wissen Sie was? Das ist auch noch nicht das letzte Mal. Der kommt schon noch mal wieder!" — Ob denn nicht mal eine Ausnahme gemacht werden könnte. Ausnahmen? Ausnahmen feien nicht die Sache des Meisters, da müßte man mal mit '.dem Chef vom Dienst sprechen. Mensch, Chef vom Dienst! . Zwei Tipp- mädels, unmittelbarer Anschluß an die Stadt, ohne Werk zentrale! Natürlich denkt der Meister, da traue sich ein kleiner Monteur nicht hin. Der Klaus ist zwar ein kleiner Monteur, aber er tnuß den Hitler sehen. Er hat sich das nicht nur einfach vor genommen, es treibt ihn. Wochenschau ist schön und gut, aber die schneiden aus dem Anfang der Rede so ein Stück heraus und eins aus dem Schluß. Zeitungen drucken Bilder, aber wenn man doch Gelegenheit hätte, den Führer mal richtig zu sehen! Nicht durch anderer Leute Augen urW Photo linsen, sondern mit den eigenen, mit denen man auch-arbeitet. Also, nun geht er auch schon zum Chef vom Dienst! Aber zunächst erreicht Klaus den Chef vom Dienst nicht gleich. Weil der eine wichtige Besprechung hat. Mit einem Vertreter. In der Mittagspause erst kann Klaus zu ihm Vordringen. Und fragt ganz ordentlich, ob der Chef nicht ein gutes Wort beim Meister einlegen möchte, er hätte so gerne am Sonntag frei, weil er dann den Hitler auch mal sehen könnte. Die beiden letzten Male, wenn Hitler in der Stadt war Der Chef vom Dienst greift an den Fernsprecher und verbindet sich mit dem Büro des Meisters. Der Meister sei mit einem Vorführungswagen gerade aus dem Werk ge fahren! Käme in einer guten Stunde. „Tut mir leid, in einer Stunde bin ich nicht mehr hier. Da ist nichts zu machen, Köhne! Ich kann Ihren Wunsch ja verstehen, aber Sie sehen ja selbst..." Ja wenn der Herr Chef dann auch wegfahren müßte, meint Klaus, dann könnte doch vielleicht der Betriebs ingenieur statt seiner nachher mit dem Meister sprechen. „Der Betriebsingenieur? Ja, Köhne, ob der für sowas Zeit hat?" Da schluckt Klaus den Knoten herunter und sagt, er möchte es doch versuchen, er selbst, Klaus Köhne, möchte es schon versuchen. „Mann, wenn Sie nun einfach nicht zu halten sind, dann —" Dann soll ich mir den Schädel schon ein- rcnnen, vervollständigt Klaus sich den Satz und geht. Kleiner Mann will Mier leben Skizze nach einer Begebenheit von Hans Wörner.
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