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Die beiden Bilder des Michelangelo. Skizze von Hans Buttmann. Im Schlosse der Herren von Totcnwart hatte eines der Zimmer eine besondere Bedeutung. Es glich der Zelle eines Klosters, war spärlich mit Möbeln ausgestattet und unter schied sich in allem von der sonstigen Pracht dieses Edelsitzes. Aber an der breiten, fensterlosen Wand dieses Zimmers, dem Eingang gegenüber, hingen zwei Bilder nebeneinander, deren großer Kunst sich niemand zu entziehen vermochte. Beide waren von Michelangelo, jenem Riesen der Renaissance. Die Herren von Totcnwart hatten oft daran gedacht, die beiden Bilder vom Schlosse wegbringen zu lassen, denn sie chatten trotzig ihre Siedlung so weit vorgeschoben, daß sie nur !drei Wegstunden von der polnischen Grenze entfernt lag. Jedesmal, wenn in diesem unruhigen Land eine neue Empörung augezettelt wurde, richteten sich die Blicke der Auf ständischen auf jene nahe deutsche Herrschaft. Oft schon hatten Lie Edelleute wilde Haufen über die Grenze zurückjagen Müssen. Doch trotz dieser itäMa drohenden Gefahr konnte sich"ber SNere Ler beiden Brüder Vorreden Bildern nicht trennen. Immer wieder zog er sich in jenes Zimmer zurück und saß schweigend, lange Stunden oft, vor den Gemälden. Er sah kaum noch die Bilderinhalte, er war überwältigt von der Kunst, mit der sie geschaffen. Der Geist des Meisters ging von ihnen aus und umwehte den einsamen Beschauer. Hier schwieg das stürmische Meer, das er sein Leben lang befahren, hier wurden seine Gedanken groß, und alle Schatten vergingen. An die Gefahren, denen die Bilder des Michelangelo bei einem Ueberfall ausgesetzt waren, wurden die Herren von Totcnwart wieder erinnert, als ihnen im Frühjahr 1794 ge meldet wurde, in Polen habe Kosziusko die Fahne des Auf ruhrs enthüllt. Die Bilder wegschaffen zu lassen, dazu war keine Zeit mehr. Die Herren prüften ihre Streitkräfte, ließen die Tore der Schloßmauern schließen und richteten eine ständige Beobachtung der Grenze ein. Die Ankunft eines un geordneten Haufens von Landleuten und entlaufenen Sol daten vor dem Schlosse hatte sie nicht überrascht. Doch leider hatten sich Verräter im Edelhof angefunden, angeblich, um die Besatzung zu verstärken, so daß ein großer Trupp unter dem Befehl eines bekannten Bandenführers überraschend Hervor brechen und das Schloß erstürmen konnte! Die Angegriffenen gaben den Widerstand auf, als das Schicksal in dieser Weise gegen sie entschieden hatte. Man wußte, daß den Scharen nur an Plünderung, nicht an Ge fangenen lag, daß sie rasch wieder verschwinden würden, wenn ihre Gier nach fremdem Eigentum gestillt war. So hielt er jüngere Herr von Totcnwart die Knechte und Mägde bei sich im Zimmer des Unterstocks und wartete mit ihnen in ver bissenem Zorn auf das Abrückcn der wilden Scharen. Doch den älteren Edelmann hatte eine seltsame Unruhe um das Schicksal der Bilder Michelangelos gepackt. Eine unbezwing liche Sehnsucht ergriff ihn, in der Stunde der Gefahr bei ihnen zu sein und sie im Notfall zu verteidigen, als ob sie Freunde oder Verwandte des Hauses wären. Als er das Zimmer erreicht hatte, setzte er sich ruhig in den breiten Arm sessel. Durch die Wände drang das Geräusch eiliger Füße, die treppauf und treppab liefen. Still saß der Herr von Totcnwart vor dcn Bildern Michelangelos und freute sich ihrer wie er es so oft in Tagen des Friedens getan hatte. Doch Plötzlich fuhr er aus dem Sessel empor. Die Tür wurde aufaerissen, und der Raum war Plötzlich von wild- redcnden Männern erfüllt. Die einfache Ausstattung des Zimmers enttäuschte die Eindringenden. Sie prüften Wände und Boden nach verborgenen Türen, dann wandte sich ihre Wut gegen den Edelmann. Fast lächelte er, als er merkte, daß keiner der Eindringlinge aus die Bilder achtete. Aber ein anderer Feind wanderte schon auf leisen Sohlen durch das Schloß. Vorhänge und Gobelins wurden allent halben entzündet, die Möbel an die Flammen gerückt. Vor der zertrümmerten Tür blieb ein Mann stehen und schaute herein. Er trug den brennenden Stumpf einer Fackel in der Hand. „Fort, fort" rief er den Genossen zu. Dann trat er ins Ammer und hielt die Fackel an die breiten, seidenen Vor hänge des Fensters. Die Flammen züngelten empor, dicht bei der „Madonna" Michelangelos, die dem Fenster zunächst hing! Der Baron vergaß die gebotene Zurückhaltung, sprang auf die brennenden Vorhänge zu, sie herabzureiben. In der Hand des Eindringlings blitzte ein Beil, und der Edelmann sank lautlos zu Boden. Als er die Augen wieder öffnete, fiel sein Blick auf die Madonna. Er spürte dcn Schmerz der verwundeten Stirne nicht. Er sah, wie in der Hitze die Farbe des Bildes sich bräunte! Schon fiel ein Riß quer durch die Malerei. Ein Kunstwerk starb da vor seinen Augen! Sein Blick richtete sich starr auf das zweite Bild Michelangelos, voller Angst, daß auch dieses von dem Brand ergriffen werden könnte. Und als er die Hände in diesem Fegefeuer zu falten versuchte, das ihm schon auf Erden angezundet schien, wollte er nicht für sich beten, sondern für dieses Bild, auf daß es erhalten bleibe. Aber die Hände gehorchten dem Sterbenden nicht mehr. Nur ein einziges Tor seiner Sinne öffnete sich weit. Es war dem verscheidenden Herrn dieses Hauses, als ob eine gewal tige Musik das ganze Schloß durchrausche, und mitten in diesem Brausen überirdischer Klänge sah er in dem letzten Licht seiner Angcn Gestalten in das Zimmer treten. Sie löschten das Feuer und schützten das Bild Michelangelos. Es war dem Herrn von Totcnwart nicht mehr klar zu machen, daß die Schloßbewohner nach dem eiligen Abzug der Räuber der Zerstörung Einhalt geboten hatten. Er war in Frieden hinübergegangen, und auf seinem Gesicht lag ein Lächeln unaussprechlichen Glückes darüber, daß wenigstens eines der Bilder Michelangelos, die er geliebt hatte, gerettet war und ihn überdauern werde. ^pannle'M Sinne/nur tzer Aomirar schien' gelassen, obwohl timt keine Bewegung an Bord und kein Kommando entging.' Wit äußerster Kraft ging es auf das Gros der Linienschiffe 'zu, den Kern des anmarschierenden Feindes. Bald drehte man Ms Parallelkurs, und die Boote preschten nach dcn Befehlen des Flottillenführers an die Flotte heran. dTeue Kommandos Ertönten, die Torpedorohre wurden heransgeschwenkt und 'schußfertig gemacht. Kleiners Herz schlug hörbar. ! Und dann kam der Funkentelegraphiegast an Deck, den Mcldeblock in der Hand, und trat leise an den Kommandanten heran. Der wandte sich um, unwillig ob der Störung. Aber als er dann einen Blick auf die Funkspruch-Kladde warf, stutzte er, und ein Lächeln ging über seine Züge. Niemand be merkte es. P Endlich war man am Feind. Das graue Wild stand schuß- tzerecht in der richtigen Entfernung. Schlag auf Schlag folgten die Kommandos. Dann zischte die Preßluft hörbar aus dcn beiden vorderen Rohren. Zwei Torpedos tauchten klatschend zn die Fluten und gingen auf die vorgeschriebene Tiefe. Zwei schnurgerade Bahnen führten aüf das Spitzenschisf zu, und schon schwenkte, nachdem eine Rakete die abgegebenen Schüsse ängezeigt hatte, das Boot in die Spur der Torpedos. Wie Lützows wilde Jagd brauste es in der Blasenbahn hinterher, im gleichen Augenblick folgten das zweite und dritte Boot, >ie ihre Torpedos auf das zweite und dritte Schiff der feind- ichen Linie abgeschossen hatten. Von drüben wurden Flaggen- ignale gegeben: „Erster und zweiter Torpedo Treffer an Steuerbord!" Im Ernstfall wäre das feindliche Schiff durch >ic beiden Schüsse vernichtet worden. „Bravo, Herr Kapitänleutnant!" sagte der Admiral und reichte dem Offizier die Hand. „Meine Anerkennung für Sie und die Besatzung." — „Darf ich Herrn Admiral gehorsamst etwas mittcilcn?" fragte der Offizier, während das Boot zum Stoppen gebracht und die Torpedos, die ihren Lauf unter dem Linienschiff hinweg beendet hatten, an Bord genommen wurden. Und dann erzählte der Offizier in knappen Worten die Geschichte seines Rohrmeisters. Der Admiral ließ den Unteroffizier zu sich rufen: „Ich persönlich kann Ihnen nur meine Anerkennung anssprechen. Belohnen kann ich Sie nicht. Das hat ein anderer getan. Ihr Kommandant meldet mir soeben, daß Ihrer Frau ein strammer Junge geboren wurde. Ich beglückwünsche Sie." Strahlend blickte Rohrmeister Kleiner seinen höchsten Vorgesetzten an, der ihm die Hand bot. Auch sein Komman dant gratulierte lachend: „Nun, Kleiner, sind Sie zufrieden. Und werden Sic Wort halten?" — „Zu Befehl, Herr Kapitän leutnant, der Junge kommt zur Marine." „Dann werde ich ihm dcn Weg bereiten", versprach der Admiral, „ich melde mich hiermit als Paten an. Das soll meine Anerkennung sein für die beiden Meisterschüsse, die Ihrem Kommandanten, Ihnen und Ihren Kameraden alle Ehre machen." Kleiner schoß es feucht in die Augen, aber er wurde seiner Regung schnell Herr. „Ich danke Herrn Admiral gehorsamst sür die hohe Ehre", antwortete der glückliche jüngste Vater in der Reichsmarine, dann straffte er sich und ging auf seinen Posten. Wieder sangen Kommandos über Deck. Die Maschinen zitterten, und gleich einem edlen Renner gehorchte das Boot dem Druck des Ruders. Ohne hinzuhören, wußte Rohrnieister Kleiner, welches Kommando nun folgen würde. „Auf be fohlene Position gehen. Alle Maschinen äußerste Kraft vor aus!" Ihm schien es ein Symbol der Zukunft für Heer und Flotte, für seine Familie und das ganze deutsche Volk.