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Wilsdruffer Tageblatt : 14.10.1933
- Erscheinungsdatum
- 1933-10-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-193310145
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19331014
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19331014
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1933
-
Monat
1933-10
- Tag 1933-10-14
-
Monat
1933-10
-
Jahr
1933
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 14.10.1933
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Nuffvkchrassen, Pflege und' richtige Fütterung des Viehes. Ferner mutz durch die Absatzgenossenschaft die Produktion ge regelt werden, damit plötzliches Ueberangebot mengenmäßig verteilt wird, wozu besonders Erntcfinanzierungs- und Lom- bardicrungsmaßnahmcn wichtige Hilfen sein sollen. Seit Jahrzehnten predigen die ländlichen Raisfeiscn-Vcr- eine den genossenschaftlichen Absatz des Getreides. Es sollen alle Zwischcnspescn durch die Einführung des genossenschaft lichen Waggonbezugs- und -absatzcs erspart werden. Es muß erkannt werden, daß der „Eisenbahnwagen das billigste La gerhaus" ist. Das ist besonders entscheidend für den Waggon- bezug von Düngemitteln usw. uud für den Waggonabsatz von Getreide. Der Getreidcgrotzhandel und die gctreidcvcrarbci- tende Industrie setzen allerdings von den genossenschaftlichen Warenzentralen Einhaltung der Lieferungsbestimmungcn hin sichtlich Qualität, Verpackung und Preis voraus. Es wird also Vertrags- und Licferungscinhaltung verlangt. Das Zentralproblcm des Absatzcs liegt darin, daß die deut sche Landwirtschaft jährlich etwa im Werte von 9 Milliarden Erzeugnisse abgibt, während der Konsument etwa 18 Milli arden bezahlt. Die Landwirtschaft erhält somit fünfzig Pro zent dessen, was der Verbraucher bezahlt. Eine prozentuale Erhöhung des Preises für den Landwirt könnte manche Zins last der "deutschen Landwirtschaft decken. Ae Schwierigkeit des Absatzproblems liegt in der immen sen Vielgestaltigkeit der Stadien, die das Produkt zu durch laufen hat. Beim Sammeln der zerstreut gewonnenen Erzeug nisse beginnt das Problem des Ahsatzes. Die weitere Auf gabe des Absatzes ist das Sortieren nach Qualitätsmarkcn, das Verpacken, die Weiterverarbeitung, die Lagerung, die Verteilung an die Verbraucher und schließlich die Finan- zierung. Unvollkommenheiten einzelner zu durchlaufender Stufen, wie nicht korrekter Sortierung, mangelnder Verpackung usw. belasten die folgenden Stufen bis zum letzten Abnehmer mit Kosten, die immer wieder der Produzent, das heißt der Land wirt zu tragen hat. Qualifizierte Waren sind somit die Vor aussetzung zur nutzbaren Arbeit auf absatzgenossenschaftlichcm Gebiete. Die Nbsatzfrage beruht weiter auf dem Gesell von An gebot und Nachfrage, d. h. an landwirtschaftlichen Produkten, Arbeit und Kapital. Die verschiedene Verteilung der Konsu menten in den Ländern unseres Reiches wirkt sich auf die Er zeuger in diesen Ländern günstig bzw. ungünstig aus. Hier kann es nur das genossenschaftliche Absatzwesen sein, was auch den Produzent, der den Konsumenten erst aus weite Ent fernung erreicht, mehr Möglichkeiten gibt und die mitunter unglaubliche Preisspanne herabmindert. Es sind heute etwa 3 Millionen Landwirte, die ihre Produkte einzeln anbieten gegenüber den festen Preisen der Industrie durch Syndikate, den festen Tarifen der Arbeit und den festen Zinssätzen des Kapitals. Hier mutz nun die Absatz organisation eingreisen und alle auf dem Markte auftretendcn Landwirte erfassen. Nur auf diesem Wege wird sich die Preisspanne zwischen Erzeuger und Verbraucher zugunsten des Landwirts verringern. Ein einheitliches Angebot muß die Preise regulieren. Die Voraussetzung zum einheitlichen Angebot ist die Standardisie rung, die begrifflich nicht mehr vom Absatz zu trennen ist. Es wäre aber unsinnig ohne gleichzeitig den Absatz zu standardi sieren. So ist auch die Standardisierung der Produkte zugleich die Voraussetzung für die Absatzgenossenschaft. Der Standard ist der Garant für die vom Massenkonsum verlangten einheit lichen und in ihrer Qualität gleichmäßigen und guten Waren. Besonders ist für die Beschickung von Marktfernen der Stan dard nicht wegzudenken. Durch den Standard muß das Risiko des Händlers Wegfällen, weil Art und Güte der Waren ge währleistet ist. Die Risikoprämie des Händlers fällt jetzt dem Produzenten, dem Landwirt zu. Durch Standardware ist eine Lagerung in Sammellagern möglich. Für die Standardware kann man schließlich auch Reklame machen, ohne dabei ein Risiko aufzunehmen. Es ist zum Beispiel eine Tatsache, daß der kalifornische Apfel in der Qualität und Schmackhaftigkeit weit hinter dem deutschen Apfel znrnckbleibt, aber durch die Einheitlichkeit die deutschen Erzeugnisse verdrängt. Es ist eben nicht wegzuleugnen, daß bei nicht einheitlicher Ware die ge ringste Qualität den Preis bestimmt. Die Aufgabe der Genossenschaft ist es nun, die Ware zu sortieren, zu packen und sie in Lager- und Backhäuser zu lagern und den Produzenten an die Einhaltung der Liefe rungsbestimmungen und die Lieferung qualifizierter Waren zu gewöhnen, ja zu nötigen. Das Sammcllagersystem ist überall — auch in marktnahen Gebieten — nötig, damit der Großhandel immer standardisierte Ware bekommen kann. Zur Leistungsfähigkeit der Absatzgenossenschaft gehört eine umfassende Marktbeobachtung, die Beobachtung der Ernte der verschiedensten Länder des In- und Auslandes, die Welt- Wetterberichte und besonders — was wohl zur Marktbeobach tung gehört — die Beobachtung der Acnderung der Nachfrage. Ten Genossenschaftsleitungen kommt es dann zu, den Produ zenten ständig durch einen Nachrichtendienst über die gemach ten Feststellungen zu unterrichten. Ein weiteres Moment zur nutzbringenden Arbeit der Ab satzgenossenschaft dürste ein Hand-in-Hand-gehen mit den Kon- sumentcngenossenschaftcn sein. Hierfür dürfte die neue Staats führung die beste und zuverlässigste Voraussetzung sein. Zur Durchführung einer einheitlichen Zentralorganisation, in welcher alle Genossenschaften nach ihrer Art existent sein sollen und denen alle Landwirte angeschlossen sein sollten, gehört noch eine große Erziehungsarbeit am Landwirt selbst. Die Rentabilität der Landwirtschaft zu heben durch möglichst viel theoretisches Wissen ist heute als Irrtum empfunden worden. Die Distanz zwischen Akademiker und praktischem Landwirt ist so groß geworden, daß sich vielfach beide nicht mehr verstehen. Die Förderung der Landwirtschaft muß aber von unten ausgehen. Der deutsche Landwirt muß erzogen werden durch die Genossenschaften zum Konkurrenten auslän discher Produzenten. Besonders ist die Wissenschaft mit ihren agrarchemischen Ergebnissen der Landwirtschaft dienstbar zu machen. Man muß wissen, daß heute z. B. die Stickstoffrage kein Problem mehr ist, sondern eine Frage der Erziehung. Die Bauernhoch schulen nach dem Vorbilde Dänemarks müssen die Vorstufe bilden zur Erziehung eines vorbildlichen — ganz dem genossenschaftlichen Absatzwescu ergebenen — Geschlechtes. Der deutsche Landwirt mutz von seiner oft sestzustellenden Starr heit beweglicher werden, um weltmarktlichcn und binneumarkt- lichen Umstellungsforderungen gerecht werden zu können. Die Schwerfälligkeit muß aushören. Bezeichnend ist die Tat sache, daß der Butterertrag im Kreis Hadersleben nach der Abtretung an Dänemark je Kuh von 109 Kg. im Jahre 1921 aus 145 Kg. im Jahre 1923 stieg. Außerdem wurde Kontrolle des Buttergehaltes, Qualitätshebung und Frische der Eier festgestellt. Alles ist ein Ergebnis der Genossenschaften. Erst die einheitliche Belehrung des Landwirts durch geeignete ge schulte und zugleich praktisch durchgebildete Kräfte, ausgehend von der Genossenschaft, können zur Hebung des deutschen landwirtschaftlichen Standes führen. Läge die Erfassung sämtlicher landwirtschaftlicher Erzeug nisse im ganzen Deutschen Reich in der Hand der Genossen schaften, dann wäre die Absatzsrage einfach. Da diese Tatsache heute noch als phantastisch angesehen wird und erst ansängt, sich zu entwickeln, darf der freie Handel nicht vergessen wer den, dem somit auch eine Bedeutung zukommen muß. In der genossenschaftlichen Absatzsrage mutz der geschickte Kaufmann zur Geltung kommen. „Ihm fällt die Ausgabe zu, den Bedarf zu erforschen, den freien Handel nach Möglichkeit zu ersetzen, überflüssige und verteuernde Zwischenglieder auszuschalten, Beziehungen mit der getreideverarbeitendcn Industrie anzu- knüpfcn, auszubauen und zu pflegen." Der Kaufmann in der genossenschaftlichen Warenzentrale muß dagegen nach zwei Seiten hin leistungsfähig sein. Bei der Erfassung der Pro dukte soll die Genossenschaft möglichst höhere Preise zahlen als der Händler, die Genossenschaft muß aber auch in ruhigen Zeiten Getreide aufnehmcn und einen möglichst festen Preis zahlen. Bei dem Verkauf der Genossenschaft an die getreide verarbeitende Industrie soll die Absatzzentrale möglichst billig verkaufen, immer wieder mit dem Ziele, den Absatz zu er obern. Jedermann Weitz, daß hier manche Schwierigkeiten bestehen. Bei erhöhtem Angebot ist der Absatz schwierig, und der Anspruch des Konsumenten ist hoch. Ist das Angebot gering, dann steigt die Nachfrage, und die Erfassung ist schwierig. Ein Mittel zur Milderung der problematischen Ab satzfrage in dieser Hinsicht ist die Arbeitsgemeinschaft mit der getreideverarbeitendcn Industrie unter Ausnutzung des der Genossenschaftszcutrale zur Verfügung stehenden Lagerraums. Gewiß sind die Kapitalarmut Deutschlands, die Schulden last der deutschen Landwirtschaft, Zins- und Tilgungssummen und schließlich der verschiedenste Diskont Hemmnisse und Vor belastungen zu den nötigen Umstellungen und Organisationen. Der Ausbau der Verkehrsstraßen und die Verbesserung der Verkehrsmittel, der ja gerade von der Regierung in so großzügiger Weise geplant und teilweise schon in Angriff genommen worden ist, ist die Erfüllung einer unerläßlichen Voraussetzung sür den Absatz. Ferner müssen die Genossenschaften geleitet werden von Männern, die bescheiden ihre Aemter antreten und sachkundig sind. Die Zeit hat bewiesen, daß mitunter durch eine Person eine ganze Genossenschaft ruiniert werden kann. Eine gründliche Durcharbeitung aller Fragen ist somit bei einer Genossenschaftsgründung notwendig. Klarstellung der Satzungen, der Lieferverträge und der Buch- und Geschäfts führung, Organisation des Sammelns, Sortierens, Anstem pelung nach der Prüfung und des Verpackens der Produkte und die Handhabung der Reklame gehört zu Vorarbeiten, die Enttäuschungen vermeiden und dem Landwirt später nicht Risiken auferlegen. Zum Schlüffe will ich alle Aufgaben "einer 'genossenschaft lichen Absatzvereinigung zusammenfassen, obwohl bei der Mannigfaltigkeit der Ziele, Ausgaben und Richtungen der Genossenschaften manches noch hinzugefügt werden könnte: 1. Ueberwachung der Mitglieder, Berücksichtigung ihrer Wünsche und Bedürfnisse. 2. Verständigung der Mitglieder durch einen Nachrichten dienst über Zweck, Tätigkeit und Aufgaben der Vereini gung, sowie Anregungen weiterer Maßnahmen zur voll wertigen Standardisierung. 3. Eine sachkundige Geschäftsführung, bestehend aus Per sonen mit theoretischer und praktischer landwirtschaft licher Ausbildung. 4. Zahlung geringer Vergütung, besonders bescheidene Ab- sindungen an Genossenschastsleiter und Ansammlung von Reservefonds für Krisenzeiten. 8. Nur eine einzige Warcngruppe wird gehandelt. 6. Ein ausreichender Umfang des Geschäftes, besondere Be rücksichtigung eines erforderlichen Sammellagersystems. 7. Abschluß von Verträgen und Lieferungsbestimmungen mit den Mitgliedern. 8. Festlegung der Tätigkeit und des Ausgabenkreises der Organisation, Normierung der Satzungen. 9. Vermeidung einer kapitalistischen Entartung, keine Ge winnansammlungen außer den Reserven, Abführung des Gewinnes an die Mitglieder. 10. Achtung auf Qualitätsverbesserung, Standardisierung, Typisierung und Normalisierung und Bezahlung der Waren der Mitglieder nach der Qualität und nach der Einhaltung der Genossenschaftsforderungen. Wir haben in der kurzen Zusammenstellung der Entwick lung und der entscheidenden Probleme des deutschen landwirt schaftlichen Absatzwesens gesehen, wie brennend die Frage der Lösung dieses Problems ist und wie viele Schwierigkeiten und Unvollkommenheiten in den schon bestehenden Organisa tionen überwunden sein wollen, ehe die landwirtschaftliche Absatzgenossenschaft in der heute noch nicht konkreten Vollkom menheit der deutschen Landwirtschaft zur unentbehrlichen In stitution wird. Aber zur Erreichung des Zieles ist nicht nur Staatshilfe, sondern vor allen Dingen Selbsthilfe zu erwarten. Es gilt die Produktion umzustellen, sie zu veredeln und den Absatz in jeder Beziehung zu fördern. Dabei sollen die Ge nossenschaften die berufenen Träger der Organisationsarbeit sein. Valle beherrschen Europa. Eigentlich mutz es richtig heißen: Das französische Pakt system knechtet Europa und richtet es in absehbarer Zeit voll kommen zugrunde, da dieses Pakt- (oder besser) Knechtungs system ein unübersteigliches Hindernis für die Gesundung des Herz- und Kernstückes der Welt, nämlich Europa ist. Viel leicht ist aber schon der Augenblick der Befriedung und damit Gesundung Europas verpaßt und Europa dadurch selbst dem Ansturm der farbigen Welt preisgegeben, die sich rund um die alte Kulturwelt gruppiert, organisiert und aufmarschiert. Der gelbe Drache steht schon fest und sicher auf den Beinen und sein giftiger Atem erreicht die äußersten Ränder der Asten Welt im Osten. Der wirtschaftliche Kampf der gelben gegen die weiße Welt hat bereits Formen angenommen, die nicht nur die alten Konkurrenten England und Amerika aufs tiefste erschrecken, sondern auch Deutschland schon in Mit leidenschaft ziehen. Daß das durch Jahrhunderte geknechtete, ausgesogene und gemarterte Indien in vollem Aufbruch ist, bedarf keines Beweises. Ebensowenig, daß die farbige Welt aller Farbennuancen im Weltkriege die Ehrfurcht vor der weißen Rasse verloren hat und zum Bewußtsein seiner eige nen Kraft und Bedeutung gelangt ist. Es brennt also lichterloh an asten Ecken und Enden die ser alten Erde. Frankreich aber sitzt wie der Geizhals auf sei nem Schatz und versucht seine kümmerliche Hegemonie zu er halten, obwohl schon die glühenden Sparren von dem Dache Europas fallen. Anstatt mit weltpolitisch großem Griffe die Fesseln des Versailler Diktatsystems zu lockern, Europa Frie den, Freiheit und damit die Kraft wiederzugeben, dem er neuten Ansturm der farbigen Welt erfolgreich zu trotzen, hat der Quai d'Orsay ein satanisch fein ausgeklügeltes System ersonnen, um Europa in seiner Zerrissenheit und Ohnmacht zu erhalten und so für die kommenden weltpolitischen Ausein andersetzungen entscheidend zu schwächen, um nur wenigstens noch einige Jahre die perverse Wollust eines Herrschers über Europa zu genießen. Den kümmerlichen Fabrikanten des Versailler Diktat- systems blieb es doch nicht ganz verborgen, daß die Grund- sagen dieser Diktate: Dummheit und Lüge in absehbarer Zeit erschüttert werden würden, so daß alle irrsinnigen Diktate für eine grundlegende Revision reif wären. Daher hatte der Quai d'Orsay nur die einzige Sorge, diese Diktate von 1919 indi rekt und hintenherum so zu sichern und zu festigen, daß selbst eine Revision an der Hegemonie Frankreichs über Europa nichts ändern könnte. Vom französischen Standpunkte aus ist das mit unerhörten Geschick und Raffinement geschehen, näm lich durch das kompliziertste Bündnissystem aller Zeiten um die unterlegenen Mittelmächte Deutschland, Oesterreich - Un garn und Bulgarien. Diese drei mitteleuropäischen Staaten sind infolge ihrer Ohnmacht im Vorkriegssinne bündnisunfähig, reizen jedoch alle Nachbarn zu Bündnissen ohne Risiko, da diese schon durch ihren Zusammenschluß eine solche machtpoli- tiche Ueberlegenheit besitzen, um die entwaffneten Staaten in Schach zu halten. Darüber hinaus sind die Bündnisse durch militärische Abkommen verstärkt worden, die samt und sonders im Widerspruch mit Geist und Statut des Völkerbundes stehen, aber abgeleugnet, geheimgehalten und so der Kontrolle entzogen werden. Frankreich hat derartige Verträge abge schlossen am 7. September 1920 mit Belgien, am 19. Februar 1921 mit Polen, mit dem noch ein besonderer Vertrag über gegenseitige Garantie am 16. Oktober 1925 gefolgt ist; daran reihte sich am 15. Januar 1924 ein Freundschafts- und Bünd nisvertrag mit der Tschechoslowakei, am 10. Juni 1926 ein Freundschaftsvertrag mit Rumänien, am 11. November 1927 mit Jugoslawien, der am 28. Oktober erneuert worden ist. Von all diesen Verträgen ist zwar ein politischer Tert ver öffentlicht worden, der — mutatis mutantis — überall den gleichen Inhalt aufweist: Der Raub von Versailles soll ver ewigt werden. Die vertragsschließenden Staaten verpflichten sich, bei irgendwelcher drohenden Revision sich über ihre Sicherheit und Verteidigung zu verständigen. Ein offizieller authentischer Text der militärischen Abmachungen jedoch ist bisher nicht veröffentlicht worden, ergibt sich aber zwanglos aus dem Sinn und Zweck der abgeschlossenen Ver träge. Der Zweck, nämlich die Sicherung und Aufrechterhal tung der Diktate gegen die Mittelmächte, kann nicht deutlicher umschrieben werden als mit dem Satz dieser Verträge, daß die vertragschließenden Teile sich darüber einig sind, sich in dem Falle einer Aenderung oder eines Versuches zu einer Aenderung des politischen Status der Länder Euwpas zu verständigen und sich auch vorbehaltlich in solchem Falle von dem Rat oder der Versammlung des Völkerbundes gefaßten Beschlüsse über die Haltung zu verständigen, die in einem sol chen Falle von jedem von ihnen zu beobachten sein wird." Das alles aber schien Quai d' Orsay noch nicht Garantie genug für den Bestand der französischen Hegemonie zu sein. Deswegen ist unter französischer Initiative noch ein besonde res Paktsystem der kleinen Neuschöpfungen von Versailles entstanden, das die Ost- und Südoststaaten um die Grenzen der unterlegenen Mittelmächte untereinander verbindet und ein festes, unzerreißbares Netz sein soll. So hat die Tschecho slowakei am 14. August 1920 mit Jugoslawien ein Bündnis abkommen zur Aufrechterhaltung der Ordnung des Trianon- Vertrages und ein gleiches Abkommen am 30. April 1921 mit Rumänien abgeschlossen. Rumänien wiederum hat zur Sicherung des Vertrages von Neuilly am 7- Juni 1921 mit Jugoslawien ein Bündnisabkommen gegen Bulgarien abge schlossen. Am 16. Februar 1923 ist dann die sogenannte Kleine Entente auf die Beine gestellt worden, zu der bekanntlich Ju goslawien, Rumänien und die Tschechoslowakei gehören, die alle ihre früheren Vereinbarungen durch einen festen Orga- nisatkonspakt erweitert und bestätigt haben. Damit die soge nannte Kleine Entente in jeder Beziehung eine einheitliche Sicherungspolitik ihres Besitzes betreiben und auch wirtschaft lich einen festeren Block bilden kann, ist der sogenannte Stän dige Rat der Staaten der Kleinen Entente gebildet worden, der das politische und militärische Gewicht der Kleinen En tente bei jeder sich nur bietenden Gelegenheit oder bei jeder Gefahr einer Revision in die Magschaie wirft und die drei Staaten fester aneinanderkettet. Diese Einigung der an sich — wirtschaftspolitisch gesehen — fremdländischen Staaten darf nicht auf die leichte Achsel genommen werden, da sie ein außer ordentlich starkes Einigungsmoment besitzen, nämlich die Furcht vor dem Verlust ihres auf Kosten Deutschlands, Oesterreich- ungarns erworbenen Besitzes, da sie sonst in ihre alte Bedeu tungslosigkeit zurücksinken oder, wie die Tschechoslowakei, von der Landkarte als selbständiges Gebilde wieder verschwinden wür den- Eine Postunion zwischen dielen Staaten ist in Vorberei tung, die Durchführung anderer wichtiger Einigungsmittler wird beraten. Außerdem bestehen zwischen einzelnen Staa ten, so zwischen Jugoslawien. Polen und Rumänien, noch Querverbindungen, die den gleichen Sinn und Zweck haben, al so nicht näher erörtert zu werden brauchen. Die Angrifsspaktr mit Rußland, an denen auch Frankreich beteiligt ist, brauchen in diesem Zusammenhang nur erwähnt zu werden, da hieraus der Zweck klar ersichtlich wird: nämlich für Frankreich und seine Vasallen im Osten und Südvsten unter allen Umständen Rückendeckung zu verschaffen. Selbstverständlich klingt der Wortlaut aller dieser Verträge außerordentlich friedlich und beruhigend. Das klassische Wort des großen Lehrmeisters Talleyrand, daß „die Sprache nur dazu da ist, um die Gedanken zu verbergen", wird nirgendwo mit solcher Meisterschaft gehandhabt wie in Paris. Das Schwergewicht dieses Paktsystems allein drückt Europa zu Bo den. so daß es vergeblich nach Luft und Licht ringt- Die fran zösischen Auslegungskünste über den friedlichen oder den reinen Verteidigungscharakter dieer Verträge heben erst recht deren Zweck ins grelle Sonnenlicht, nämlich unter allen Umständen und mit allen Mitteln eine Revision der Pariser Diktate und damit eine Wiedergesundung und Wiedererstarkung der Mittel mächte, namentlich Deutschlands, zu verhindern, zumal durch die geschickte französische Politik in Genf ein militärisches Uebergewicht Frankreichs und seiner Vasallen geschaffen wor den ist, dem nicht so leicht ein Paroli geboten werden kann. Denn einem deutschen Heere von 100 000 Mann, das vollkom men ohne Reserven und moderne Angriffswaffen ist, stehen 612 000 französische Friedenssoldaten und 813000 Mann der französischen Verbündeten gegenüber, die über alle nur er denkliche moderne Kriegsrüstung verfügen. Hieraus ergibt sich zwingend, daß Frieden und Ruhe in Europa nicht eintreten können, ehe nicht dieses sinnlose Mißverhältnis und diese wahn sinnige Ungleichheit ausgemerzt sind. Die Zeit drängt, und diö ebmaligen Partner Frankreichs im Weltkriege werden schleu nigst handeln müssen wenn sie nicht um des französischen Hege- moiewahnst'nns willen in den Strudel gezogen werden wollen.
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