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Muschelkammer")' riehst Benutzung der "dahin "führenden Treppe und freier Winterpromenade am Schaafgraben an den obbenannten, zukünftigen Herrn Minister. Eichendorff über liefert die Dachstube im wohnenden Zustande, mit allen Meu- bles, welche darin sein werden, mit Ausnahme der fehlenden, als da sind: ein Schreibsekretair, ein Kleiderspint und ein Spiegel, in Betreff derer dem Herrn Miether die An- fchaffungssorgen gütigst überlassen werden. tz 2: Der Miethzins besteht 1. in wünschenswerter Zu friedenheit und Wohlbehaglichkeit, 2. in unausgesetzter Wach samkeit und beispielloser Aufopferung bei vorkommenden nächtlichen Ueberfällen, 3. in der Verpflichtung, alle Morgen um 8 Uhr, falls der Urvermiether den Schnee noch nicht ge walzt haben sollte und Herr Miether genötigt sein möchte, auf das Gericht zu gehen, denselben mit seinen eigenen Stie feln wcgzuschaufeln. tz 3: 1. wird erlaubt, in den Wintcrmonaten den Caffe in der Laube bei einer Pfeife Taback einzunehmen, 2. wenn das Thor verschlossen und kein Schlüssel vorhanden, über das selbe oder den Zaun zu steigen, sich aber dabei in Acht zu nehmen, daß Herr Miether nicht für einen Räuber gehalten wird, 3. statt zur Vorderthüre des Schlößchens zur Hinter- thüre in dasselbe cinzutreten. § 4: Kindergeschrei, Holzhacken, Melancholie, Schlößchew- anzünden, Abpflücken der Ananas, Granaten oder sonstigen außerordentlichen kostbaren Etceteras wird höflichst verbothen. >— Beide Contrahenten begeben sich aller, diesem Contract zuwider laufenden Einwendungen und wünschen einander, Wohl gespeist zu haben. Berlin, den 12. September 1832. Eichendorff nebst Frau. (Darunter mit Bleistift: „Keine müden Häupter werden gelitten.") Beide Handschriften befinden sich im Besitz der Wei marer Laudesbibliothek, der sie von Wolfersdorffs Tochter, der vor einigen Jahren verstorbenen, unter dem Pseudonym Karl Berko bekannten Schriftstellerin Freiin von Wolfers dorfs, geschenkt wurden. Was den damaligen dreiundvierzigjährigen Eichendorfs bewogen hat, den jungen Wolfersdorfs bei sich aufzunehmen, ist eingangs schon gesagt. Dieser Vertrag hat eine große Aehnlichkeit mit Eichendorffs Jugendtagebuch, das alle seine Sorgen aufnehmen mußte, ob nun Mama schrecklich ohn mächtig wurde oder ein toller Hund an ihm vorbeigelaufen war. Eines wie das andere klingt lustig und kindlich, unk das Bild, das wir uns danach von dem Dichter machen, ist zutreffend, denn 1832 schrieb Schöll, der viel bei Eichendorf! verkehrte, an Gustav Schwab: „Eicheudorff hat einige gram Haare, aber ein jugendliches Gesicht und ein feuriges Auge Ich glaube nicht, daß er jemals im Leben aus der Kindlich keit herausgerissen worden ist; sie ist ihm rein natürlich, wu seine Bescheidenheit, sein Humor, seine frcnndlich blühende» Gedanken." . Was Rungbort getan hätte. Skizze von Albert Kreiß. WUWW^ Die letzte Sturzkarre mit Steinen war niedergedonnert, und die Arbeiter schwitzten, um die Ladung bis Feierabend einigermaßen zu verteilen. Aber Rungbort, den wir alle gern hatten, tat gar nichts. Der Ingenieur und der Polier traten zu ihm: „Guten Tag, wollen Sie denn nicht mehr arbeiten?" „Was man lassen kann, damit soll man sich nicht quälen. Oder meinen Sie, daß die andern sich meinetwegen tot arbeiten müßten?" versetzte Rungbort. — „Das Wohl nicht. Aber wenn Sie immer so dabei "stehen, während die andern arbeiten... ja, das geht doch nicht!" sagte der Polier. „Wie? Steht er denn immer so dabei?" fragte der In genieur. „Das nicht. Dann wäre er ja nicht schon ein Vierteljahr hier beim Straßenbau", lachte der Polier. „Aber eigentlich muß es doch für Sie langweilig sein, volle zwanzig Minuten hier an der öden Straße nichts zn tun", meinte der 5rnaeuieur. „Keineswegs. Ich denke an allerlei. Es fällt mir ein Blumentopf mit rotem Geranium uud ein kleiner, gold- grüner Rüsselkäfer ei«. Auch an Elfriede denke ich, und ich habe soeben beschlossen, solche goldgrünen Käfer, die Elfriede gern hat, regelrecht zu züchten", erklärte Rungbort. Der Ingenieur schlug sich erfreut die Lenden. „Fabel haft!" rief er. „Wissen Hie, ich habe selbst schon einmal in Reagenzgläsern Flöhe zu ganz achtbarer Größe herangczüchtet. Jeden Morgen, beim Rasieren, bekamen sie einige Bluts tropfen." Der Polier lachte beflissen und versuchte, etwas Hou 'seinem Foxterrier'Md seinen Riesenkäninchen zu erzählens aber der Ingenieur wollte nun wissen, was es eigentlich mit Elfriede auf sich habe, ob sie blond sei oder braun und ob es überhaupt etwas wäre. „Elfriede, ja —" Rungbort zögerte mit der Sprache und versetzte dann plötzlich: „Ja, das ist stolzes Wikingerlachen und zugleich sammetdunkle Demut, meine Herren. Es ist nicht einfach, es bier an der Strake zu erzäblcn." Er drehte sich um. Es war Schicht, Feierabend. Die Schaufeln, Hämmer und Picken rasselten in der Baubude. Rungbort und die andern Arbeiter flitzten auf Fahrrädern davon. „Wissen Sie 'was? Wir überholen die ganze Gesell schaft auf meinem Motorrad, laden sie beim Müller zu einem Korn ein, und dann wollen wir 'mal sehen, ob wir da nichts Näheres über Elfriede hören", schlug der Ingenieur dem Polier vor. Sie überholten die Radfahrer, aber in der Mühle konnten sie lange Zeit warten. Solch ein Abend, am Waldrande entlang, im Duft der wilden Kräuter und beim Gesang der Amsel war geruhsam zu genießen. Plötzlich aber wurden die Fahrräder von den Arbeitern hingeworfen. Ein Pfad ging da durch eine Wiese nach dem Fluß. Die Kleider flogen herunter. Jetzt erst, im Wasser, war man doch Mensch, spritzend, pustend, das Wasser schlagend wie Walrosse, mit den Beinen quirlend wie Motor- zachtschrauben. Ja, keine Stunde war schöner als diese Stunde nach Feierabend. Dann kam die Dunkelheit. Die Fahrradlampcn flamm ten auf. Der Wald duftete. Ein runder Gegenstand lag mitten auf dem Wege. Die Nadler stockten, kamen an der runden Sache vorbei, die sich bewegte, seltsam bewegte. Rungbort war der Letzte im Zuge. Er blieb zurück. An der Wegbiegung sahen die Kameraden, daß er abstieg, und sie warteten auf ihn. „Nun? Was war los, Rungbort?" Keine Antwort. Rungbort fuhr dahin, den Kopf gesenkt, still, recht betreten, uud die Kameraden dachten über ihn, was sie im Grunde genommen oft dachten: Verrückt, Innenleben, zu gut für diese Welt. An der Mühle gab es dann ein lautes Getöse. Der In genieur und der Polier hatten schon für jeden Mann den qoldklaren Korn hinstellen lassen. „He! Rungbort, Du sagst ja nichts!" — „Sie haben uns doch vorhin so nett erzählt von Ihrer Dame, Herr Rungbort. Was liegt denn nun vor? Sie sitzen ja da... Na, aber wir wollten Ihnen nicht per sönlich nahe treten. Ich meine nur, da wir hier alle so schön beisammen sitzen..." versuchte der Ingenieur. Rungbort blickte endlich auf. Alle sahen seinen traurigen Blick und schwiegen. Rungbort zog nun aus seiner Joppen tasche feine bekannte, fchwarze Tabakspfeife. Als jeder dachte, daß er sie nun mit Tabak stopfen und dann gemütlich werden würde, da warf er sie einfach durchs Fenster über das Mühlenwehr in den Fluß. Jawohl, seine gute, alte Pfeife. Damit war es noch nicht genug. Ganz versonnen und durchaus ruhig schleuderte er noch sein Taschenmesser aus Hirschhorn mit den sieben Klingen hinterher. Darauf war er immer ebenso eifersüchtig gewesen wie auf seine Pfeife. „Das ist die Strafe. Ich hübe etwas getan", murmelte er tonlos, schüttelte sich, blickte einen Kameraden nach dem andern eindringlich an und sah so zerknirscht aus wie vorher auf dem Wege. „Geschieht mir recht", fuhr er fort. „Warum bin ich so ein Dussel, so ein Verbrecher. Ich wollte es jo nicht. Nein. Ich wollte vom Rade vorher absteigen. Mit dem Vorderrade war ich ja schon glücklich vorbei. Aber das Hinter rad überfuhr ihn. Er tat seine setzten Atemzüge, die Beine von sich gestreckt. Ich darf es Elfriede nicht erzählen. Ich gab ihm mit meinem Mester noch einen Gnadenstoß. Ja, das tat ich. Dann warf ich ihn hinunter in den Wald. Ich hörte, wie er im Laube raschelte, so wie er es in seinen guten, lustigen Tagen getan hatte, meine Herren. Ich wollte lieber, daß mein Fahrrad zerbrochen wäre!" Rungbort knallte seine flachen Hände auf den Tisch. „Aber was war es denn?" fragte der Ingenieur leise. „Was es war! Ein Igel, ein herrlicher, brauner Igel! Nie sah ich eine solche Niedlichkeit von einer Rüsselschnauze, meine Herren. Die Laterne am Rade hätte ich ausmacher müssen. Ich Dussel! So aber lief er hilflos rn den Licht schein. Ich Verbrecher, ich Idiot! Das Rad ging ihm nicht etwa über fein gutes Borstendickicht, bewahre! Gerade übe: den Kopf ging es, zerdrückte das Gehirn. Nicht wieder gui zu machen!" schrie Rungbort und stürzte hinaus, ehe ihr jemand hindern konnte. Keiner lachte. Der Ingenieur verzichtete fortan darauf, Näheres über Elfriede, ihr Wikingerlachcn und ihre sammet dunkle Demut zu erfahren, übrigens ließ Rungbort sich auch niemals auslraaen.