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Wilsdruffer Tageblatt : 07.10.1933
- Erscheinungsdatum
- 1933-10-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-193310073
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19331007
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19331007
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1933
-
Monat
1933-10
- Tag 1933-10-07
-
Monat
1933-10
-
Jahr
1933
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 07.10.1933
- Autor
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Ein rasender Wettlauf mit der Zeit begann. Ein Paar Tage kannten über Gelingen oder Mißlingen des Plans ent- sckeiden. Schließlich waren die Samen so weit, daß man sie zwischen Bananenblätter Packen, in Matten Wickeln konnte. Die Indianer verstanden nicht, worum es ging, Weiße hatten nach nichts von Wickhams seltsamem Gebaren gemerkt. Seine Kanocs versteckten sich untertags, rasten nur des Nachts dem Amazonas zu, wo der Inman-Dampfer wartete. Alles ging glatt. Wickham brachte seine kostbaren Samen an Bord. Das ganze Schiff aber war voll Ratten, in der ersten halben Stunde schon fielen sie über die Samenballen her. Man mußte die kostbare Fracht kunstvoll an langen Schnüren frei in der Luft hängen lassen. Ein erbitterter Kampf begann mit dem Riesenstrom, mit den schwimmenden Inseln des Amazonas, mit seinen tausend Sandbänken, mit der Strömung. 2000 Kilometer — Und jede Stunde war kostbar. Dann kam das Gefährlichste: Para und die Unter such u n g d c r B e h v r d e n. Es war gut vorbereitet. Wick ham hatte die richtigen Leute zu einem großen Bankett ein- geladcn. Er galt in Para als ein verrückter Orchidecnsammler, der im Auftrag des Königs seltene Knollen nach Kew Garden bringen sollte. Orchideen sind heikel. Das Schiff war leer, nur ein geheizter Raum — Nein, den konnte man Wohl nicht öffnen, ohne die Orchideen kalter Luft auszusetzen, sic viel leicht zu ruinieren. Wickham war nicht knauserig. Die „Ama zonas" lag fahrbereit im Strom. Wenn es nicht fried lich ginge... Die Brasilianer aber merkten nichts. Man untersuchte das Schiff kaum. Und am nächsten Morgen war die kostbare Fracht unterwegs nach England. In Havre verließ Wickham die „Amazonas, fuhr über Paris nach London. Der Bo tanische Garten von Kew traf alle Vorbereitungen. Ueber Nacht wurde ein Orchideenhaus freigemacht. Ein Sonderzug ging nach Liverpool. Zehn Minuten nachdem die „Amazonas" am Pier anlegte, waren die Samen schon unter wegs nach London. I Die Botaniker und Gärtner von Kew Gardens schliefen im Juni 1876 nicht viel. Was hier unternommen wurde, war aufregender als jedes Spiel. Zwölf Tage, nachdem man du Samen in die Erde gesenkt hatte, zeigten sich die ersten grüner Spitzen. Und bald standen in netten Reihen tausendeinhundert Gummipflanzen im Glashaus von Kew Gardens. Englische Schiffe brachten sie in die Malakka-Straße und nach Indien. Lange wußte Südamerika nichts von dem Schlag. Geheimnisvoll wuchsen die riesigen britischen Gummi- pslanzungen heran. Brasilien und Bolivien führten einen erbitterten Grenz krieg wegen der Gummiwälder am Puru und Jquiry. Man baute die „Gummibah n", den Schienenstrang von Gujara- mirim nach Porto Velho, der den bolivianischen Gummi nach Manaos bringen sollte. Diese Bahn wurde die teuerste der Welt. Malaria, Typhus, Beri-Beri vernichteten immer wieder die Arbciterlager. Die Dämme versanken in den sumpfigen Waldboden. Schon im ersten Jahr des Baus gingen 11000 Arbeiter zugrunde. Der laufende Kilometer kostete mehr als 500 000 Mark, die ganze Bahn mehr als 200 Millionen. 1907 schon... Als sie fertig war, kam der gewaltigste Preissturz, den Gummi je erlebte. Die Engländer hatten begonnen, riesige Mengen auf den Markt zu werfen. Heute fährt auf der „Gummibahn" alle acht Tage ein Zug. Südamerika ist ein unbedeutender Erzeuger geworden. Drei Viertel stammen von den 1100 Pflanzen Kem Gardens, den Bäumen, deren Samen Sir Henry Wickham stahl. Dieser Schöpfer der englischen Gummi-Macht, heute ein alter Mann mit buschigem Weißen Schnurrbart, ist nicht arm, aber auch bei weitem nicht so reich wie die Gummihändlcr Mincing-Lanes, wie die millionenschweren Gummimagnaten Singapurs. Er hat gesät, die anderen haben geerntet. Aber das macht ihm nichts aus. Er allein hat Englands Gummireichtum ge schaffen. Das genügt ihm. Zugvögel. ^erbstgeschichte von Hans-Eberhard von Besser. Der Tierarzt Rolf Winter arbeitete an seinem Motor rad. Eine kleine Panne, doch er hatte den Fehler schon her ausgefunden, man würde die Sache bald in Ordnung haben Rings um den Mann lag das Handwerkszeug, er hockte voi dem Rade auf der Landstraße und war emsig beschäftigt. De schaute er jäh auf: Ein Schwirren und Rauschen, ein dunkle« Schatten war über ihm; jetzt ließ sich ein schwatzender, krei schender Vogelschwarm auf den Telegraphendrähten nieder. Zugvögel, Zugvögel sammelten sich, zkvn Fluge gen Süden Rolf Winter ließ den Schraubenschlüssel sinken und sal zu den Vögeln hinauf; rings dehnte sich in die blauende, un ermeßliche Weite das Land. Felder, Felder, fern dunkelndei Wald. Leere, fruchterlöste Felder, und der Wind kam aus gelassen daher und trieb dem Manne die Mütze schräg über das Ohr. Rolf Winter sah hinein in den Herbst, hörte die Zugvögel schwirren und schwatzen. Jetzt erhob sich jäh der ganz« Schwarm, und in steilem Fluge ging es dahin, ein Schatten verglitt am Rande des Himmels. Noch nie hatte Winter das Hingehen der Zeit so empfunden. Er sah die Landstraße hin unter. Jahr für Jahr fuhr er sie hinaus und hinab, tief er als Tierarzt durch Ställe und Bauerngehöfte. Es wurde wieder Herbst. Vergänglichkeit predigte diese Zeit. Vergänglichkeit überall. Hatte er nicht neulich entdeckt, daß seine Schläfen leicht ergrauten? Winter bemerkte nicht, daß sich ein kleiner Junge zu ihm gesellt, der aufmerksam zu sah, wie der Mann sein Motorrad in Ordnung brachte. Mil in sich gekehrtem Blick arbeitete der Mann — die Jahre kamen, vergingen, das war der Lauf der Welt, man konnte es nicht ändern. Dann warf er das Handwerkszeug zusammen, die Panne war behoben. Plötzlich entdeckte Rolf Winter den aufmerksamen kleinen Burschen. Große, strahlende Kinder augen schauten ihn an. Der Mann zuckte zusammen; er sah in die reinen, lebensaläubigen Kinderaugen und fühlte eine tiefe Leere in sich. Abwesend nickte er dem Knaben zu, dann gab er Gas und brauste die weite Landstraße hinauf. Der Tierarzt schaute starr in die -Ferne. Da tauchte zwischen laubverfärbten Wipfeln, wie von Purpur und Gold umleuchtet, das alte Gutshaus auf — er war am Ziel. Winter fuhr in den Hof hinein und stellte das Rad an die Wand des Stalles. Er sah sich nach dem alten Gutspächtcr um. Doch da kam schon die Tochter, die ver schlossen und wortkarg war wie der Vater. Von der sich die Leute erzählten, daß sie sich nichts aus den Männern mache und nie heiraten werde. Winter sah sie daherkommen, blond und groß, kraftvoll und sicheren Schrittes. Er grüßte. Sie reichte ihm die feste Hand. Dann ging man in den Stall, um den kranken Schimmel zu besichtigen. Rolf Winter trat zu dem Tier, dabei blickte er zu dem Mädchen hinüber. Ein Sonnen strahl fiel durch das kleine Fester und ließ das blonde Haar noch tiefer leuchten. Mecham;ch glitt die Hand des Mannes über den Nacken des Pferdes, da fühlte er Plötzlich die reinen, Icbcnsgläubigen Kinderaugen von vorhin wieder auf sich ge richtet. Das Leben hatte ihn angeschaut, das ewige Leben! Denn eins war unvergänglich, das Leben. Ihm zu dienen, hieß Mensch sein. Das Leben, das einem gegeben, weiterzu geben, das war der große Sinn alles Seins. „Was ist denn mit dem Schimmel, Herr Doktor?" Die volle, tiefe Mädchenstimme riß den Tierarzt aus seinen Ge danken. Er blickte hastig auf und begann rasch das Pferd zu untersuchen. Kurz gab er Auskunft, verordnete dies und das; dann schritt man zum Hause hinüber. Winter führte sein Motorrad, er trug der Tochter Grüße an den Vater auf, der auf dem Getreidemarkt in der Stadt war. Sie senkte leicht den Kopf. Da blieben die beiden auf einmal stehen. Ein Rauschen und Schwirren war in den Lüften: ein Schwarm Zugvögel mit weit gespannten Fittichen glitt schattenhaft vorüber, ver schwand in den Wolken. „Sie fliegen nach dem Süden", rief das Mädchen und sah dem Schwarm nach. „Vorhin sah ich auch Zugvögel, die sich sammelten und davonflogen." „Es wird Herbst. Das Jahr geht zu Ende. Die Zeit ver fliegt, Herr Doktor." Das Mädchen sagte es sinnend und nachdenklich. „Man muß die Zeit ausschöpfen, dem Leben leben, ihm dienen. Dann mögen die Jahre schwinden, man hat nicht umsonst gelebt. Vor uns lebten die Altvordern, nach un kommen neue und ..." Rolf Winter brach erschrocken ab. Was schwatzte er da? Das Mädchen hatte sich ihm mit erstauntem Lächeln zugewandt; eine seltsame Wärme trat in den Blick Langsam schlenderte man zum Tor. Man sprach über du Welt und die Dinge und das Leben und drehte wieder um ging bis zum Garten und wieder bis zur Hoftür und dann wieder nach dem Garten. Und als Rolf Winter die Land straße zurückfuhr, die lange, altgewohnte Straße, da trug er eine dunkelrote Aster im Knopfloch, und sein Blick lag froh in der Ferne. Er wandte sich noch einmal um. Zwischen den hcrbstbunten Wipfeln lag das Haus und er dachte an das Mädchen. Er durfte wiederkommen. Mit lebensfrohem, starken Lächeln fuhr der Mann in den farbenbunten, Heller Herbsttag hinein. Liebevolle Stiefmütter. Wir kennen ja alle aus dem Bilde das Idyll, wie sich eine Katzenmutter junger Hunde annimmt, die ihre Mutter verloren haben und nun nicht wissen, woher sie Milch be kommen sollen. Es gibt nun in der Praxis genug Hunde züchter, die sich in besonderen Fällen Katzenmütter als „Not- ammen" nehmen, wenngleich diese Methode natürlich nicht immer hilft. Mehrfach gezeigt hat sich schon das Bild einer treuen Hündin, die ein Rehkitz sängt. Einen geradezu auf sehenerweckenden Fall aber stellt ein großer, ausgewachsener Hagenbeck'scher Löwe dar. Er geht gemütlich mit einer draht haarigen Foxterrierhündin spazieren, die früher buchstäblich Mutterstelle an ihm vertreten und den riesenhaften König der Wüste „großgezogen" hat. Es wirkt fast unglaublich, wenn man diese so grundverschiedenen Tiere beieinander sieht. Sie vertragen sich aber sehr gut. In den meisten Fällen ist die Ursache zu dieser stiefmütterlichen Hilfe der durch eigene, säugebedürftige Junge hervorgerufene Hilsstrieb. Viel seltener sind schon jene Fälle, in denen die Tier-Stief- mutter selber gar keine Jungen besitzt und dennoch fremde Tiere, die ohne Mutter sind, säugt. In der Lüneburger Heide besitzt z. B. eine Schäferhündin seit zwei Jahren keine Jungen mehr. Sie wird aber scheinträchtig, so daß sich die Milchdrüsen füllen. Heute säugt sie ein Kätzchen damit. In einem anderen Falle gibt eine Kuh ihre Milch einem mutter losen Fohlen. Stiefmutter und Tochter verstehen sich aus gezeichnet. Heimkehr:. Skizze von Thyra Wendte-Ottens, Der Abend lagert grauverhängt und schwer vom brenz ligen Ruch der Kartoffelfeuer über der Feldmark. Georg Goltermann verlangsamt seinen Schritt. Die weite, weiß graue Landstraße mit ihren entblätterten Birken weicht hinter ihm zurück und läßt ihm nur noch den Staub auf den Schuhen und den handfesten Knüppel, den er irgendwo im Unterholz aufgelesen hat. Er zieht den wollenen Schal fester um seine Ohren und geht im großen Bogen um den Hellen Licht schein, der aus den ersten Häusern des Dorfes über den dunklen Weg läuft. Sein starrer, freudloser Blick eilt ihn vorauf. Dort bei der Kapelle, im Schatten und Schirm Pesiger Eichen liegt der große Hof. Der späte Wanderer tritt dicht an das Drahtgitter des Hofraumes, Preßt die Stirn an das kalte Geflecht und stiert auf die spärlich erleuchtete Diele, deren breites Tor halb offen steht. Aus den Ställen seitlich komm! das Geklirr von Ketten und der Duft frischer Molke. Nun geht eine hochgewachsene Frauengestalt in schlichtem dunklen Kleid und blauer Schürze mit zwei vollen Eimern über die Diele der Küche zu. Georg Goltermann stöhnt leise zwischen zusammen gebissenen Zähnen, seine Augen brennen, sein Kopf schmerzt. In seiner Seele glüht der Haß auf, der jahrelang genährte Haß. Er sieht sich scheu um, die Straße ist leer. Da tritt er durch die noch unverschlossene Pforte in den Hof, schleicht in den Schatten der Bäume und hockt sich auf einen Klotz nieder, der vom Holzhacken stehen geblieben ist, und durch den tiefen Haß dringt leise und doch unaufhaltsam ein noch tieferes Weh. Heimat! Hier ist er Knecht gewesen, hier düngte mancher Schweißtropfen die Erde. Und hier blühte ganz zari und rein seine Liebe zu des Bauern Tochter Rosine aus und ließ ihn die Schranke vergessen, die ihn, den Hütejungen, das Nicmandskind, von der Erbin trennte. Der Bauer wars ihn hinaus, in derselben Nacht brannte der Hof, und am Morgen verhafteten sie ihn, der nicht beweisen konnte, daß er die ganze Nacht im Korn gelegen hatte, im Kampf mit seinem Stolz und feiner Liebe. Das Kaus'ist neu aufgebaut. Die Eichen wachsen weiten Nur sein Leben ist zerstört, entehrt durch das Zuchthaus. Er will Rache nehmen. Darum ist er gekommen. Aus der Diele, in der das Licht längst erloschen ist, tritt ein Mädchen. Langsam schreitet es über den Hof. Georg Goltermanns Herz schlägt schnell. Es ist Rosine. Er spürt es auch durch die Dunkelheit. Er vergißt alle Vorsicht. Das Mädchen schreit leise auf, als aus dem Schatten ein Mensch kommt. „Still!" sagt die Stimme des Fremden, der sich ge rade in den Weg stellt. „Ich komme wohl ungelegen?" Sie drückt beide Hände auf ihr Herz. Das Blut saust ihr in den Ohren. „Georg!" Sie hat seine Stimme erkannt. Eine wilde Freude zuckt durch ihn hin. Aber dann glüht noch wilder der Zorn in ihm auf. „Wo ist der Bauer?" Einen Augenblick schweigt das Mädchen. Dann kommt ihre Stimme schwer und leidvoll durch das Dunkel auf ihn zu- „Auf dem Friedhof — seit drei Tagen..." »Zu spät!" Georg Goltermanns Atem geht stoßweisc- Rosine tritt ganz nah an ihn heran und legt ihre Hand leicht auf seinen Arm. Der Hund, der bellend aus dem Garten herbeistürzt, wird beruhigt. „Komm mit!" sagt sie bittend und ihre Stimme zittert. „Es ist gut, daß Du da bist. Ich hab' was mit Dir zu bereden." — Er lacht höhnisch auf. „Mit Dir Will ich nicht abrechnen." „Georg!" Ihre Stimme ist schwer von Tränen. „Ich — glaube an Dich." Jähe Schwäche befällt ihn, eine grenzenlose Müdigkeit. Und Sehnsucht nach einer warmen Stube. Das kurze Wort zerbricht seine Wut. Schweigend folgt er ihr ins Haus. Sie gehen über die Diele, ohne der Magd zu begegnen. Rosine öffnet eine Tür und führt ihn durch zwei Zimmer, im letzten Raum erst macht sie halt. „Setz Dich doch, Georg!" Er sitzt auf der Kante des Stuhles, bereit, aufzuspringen, die Mütze zwischen den Händen, und sieht sie an. Das Herz krampft sich ihr zusammen vor Leid und Scham. „Ich hab' Dich besuchen wollen, Georg", beginnt sis zögernd, „Du hast mich fortschicken lassen." — „Ein Brand stifter ist unehrlich", sagt er höhnisch, „und für Mitleid dank« ich bestens." — Sie ringt die Hände im Schoß, daß die Ge lenke knacken. „Kein Mitleid, nein, nein. Georg, ich — hab« nie aufgehört, Dich — Dich " Ihre Lippen zittern bin und her und gehorchen ihr nicht. Er sieht sie an, unerbittlich, und langsam löst sich die Starre seines dunklen Blickes. „Ob wohl ich Dein Haus..." — „Du nicht!" schreit sie gequält auf. „Ich hab's nie geglaubt, ich hab's ja schließlich gewußt, daß — daß " Dunkle Röte steigt ihm in die Stirn. Di« Adern liegen dick auf den Schläfen. — „Der Bauer!" stößt ei hervor, atemlos, aufgewühlt. — „Ja", sagt sie kaum Hörbai und sinkt ganz in sich zusammen. Nur der qualvolle Atem des Mannes bricht sich durch das Schweigen. Endlich rafft sie sich auf. Ihre Augen sini ganz erloschen, ihr Gesicht ist gealtert. Nur das seidige Bloni ihres Haares glänzt wie einst. Aber da, sind da nicht weiß« Streifen im Blond? Ich hab's ja gewußt, Georg. Nichj gleich, aber dann später... Er war doch mein Vater. Un? ich konnte nicht gegen meinen Vater Ich dachte, wen« Du zurückkämst..." „Und meine zerstörte Fugend? Meine verlorenen Jahre?* Sie hebt den Blick, ihm entgegen, so Weh, daß er ert schauert. „Deine Jugend war meine Jugend, und Demi Jahre sind meine Jahre. Ich habe nicht getanzt und nicht gefeiert bis heute, Georg Ich habe auf Dich gewartet. De« Hof hat auf Dich gewartet, der neue Hof. Willst Du mich noch?* „Du", schreit er drohend, „lüg' jetzt nicht, Du!" — D« lächelt sie, und cs ist das Lächeln emer schmerzensreichen Ma donna. „Der Vater läßt Dich grüßen und um Deine Ver« zeihung bitten. Sein letztes Wort war Reue und ein Gedanke an Dich, den — neuen Bauern." Er fällt vor ihr in die Knie, umschlingt ihren Leib mit beiden Armen und wühlt den Kopf in ihren Schoß. „Rosine Du —" Er weiß nichts mehr von Haß, er fühlt nur die ab-' grundtiefe Liebe, die mit ihm, um ihn gelitten hat. Sie streichelt sein Haar, und ihr ganzer Leib bebt vor gelöstem Schmerz. „Ich hab' ja keine Wahl gehabt", schluchzt sie auf, „und ich dachte, daß Du Wohl eher mit diesen Jahren fertig würdest als der alte Mann. Ein Kind kann seinen Pate« doch nicht ins Zuchthaus bringen! Ich hab' ihm verziehen, Georg. Und Dn mußt das auch tun — -—, es ist sonst kein Segen auf dem Hof." Ihre Tränen strömen über ihn hin und waschen die bös« Wut, die letzte Bitterkeit aus seiner Seele. Ihm ist, als hielt« ihn eine Mutter umfangen, eine Mutter, die er nie gekannt, Sie finden keine Worte mehr, aber in ihnen ist die Treue lebendig, die zähe, tiefe, lebensverwurzelte Treue des Bauer« zu Haus und Scholle. Der Hof ruft, der Hof... Diese Stund« nimmt die Sünde vom Hof, den Fluch. Ein Mensch wächst über sich selbst hinaus im heiligsten Vergeben zu neuer Kraft und neuem Glauben. Und ein Mädchen baut eine Brück« hinüber zur heiligsten Pflicht gegen die Heimatscholle. Als er sich aufrichtet, wankt er. „Die Leute", stößt ei hervor, und angstvolle Frage lauert auf Antwort. Da stütz! ihn das Mädchen mit starker, liebender Hand. „In der letzten Stunde hat er gebeichtet. Der Pastor war dabei. Der Briej ist schon beim Gericht. An seiner Schuld hat er sterben müssen/ Sein Gesicht feuchtet sich langsam, und er schämt sich dessen nicht. Da schmiegt sie sich an ihn. „Komm, Bauer!" sagt sie feierlich. „Das ist Dein Hof. Treue um Treue." Draußen rauschen die alten Eichen, die das Feuer Wohl versengt, aber nicht verbrannt hat. Die zwei Menschen treten unter die Tür und sehen mit überschwimmenden Augen lange hinaus in das Dunkel der Nacht, durch das der Frieden ge zogen kommt. Wie lang ist ein Meter? Die Festlegung der Längenmaße ist heute mehr denn je von ungeheurer Wichtigkeit, weil die Arbeitsmethoden der Industrie von solcher Feinheit geworden sind, daß die Werk zeugmacher bis auf wenigs hunderttausendstel Zoll messen. Dieser Maßstab gilt heute besonders noch in Amerika und England, hat sich aber auch in Deutschland noch nicht aus dem Schraubensystem verdrängen lassen, so daß man sagen kann: Metrisches und Zollsystem halten einander in der Welt die Waage. Wichtig ist vor allem für die Kraftfahrtindustrie, die über das ganze Erdenrund ihre Ersatzteile zu liefern hat, daß ein/völlige Uebereinstimmung der Maßlängen besteht. Nun entspricht aber der Zoll in Großbritannien amtlich 25,399956 Millimetern, in Amerika dagegen 25,40005 Millimetern. Dem gegenüber bat die britische Industrie den Zoll im Jahre 1930 auf 25,4 Millimeter angenommen, und vor kurzem haben sich die Amerikaner dieser Festlegung angeschlossen, eine Tatsache, die für die Technik außerordentliche Bedeutung besitzt. Und das Meter? Dessen Meßlänge fotzten die Gelehrten auf 1553164,13 Wellenlängen des roten Kadmiumlichtes fest. Astronomen arbeiten bereits seit einem Vierteljahrhundert mit dieser Größe, die jedoch erst seit einiger Zeit zu allge meiner Anerkennung zu gelangen beginn^
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