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Das Ende einer Weiilüge. Vielleicht wird man als Deutscher ein bißchen gelächelt Haben, als man Hörle: In Genf ist die Sitzung des Haupt ausschusses der Abrüstungskonferenz, in dem nun die englisch-französische Front unsere Vertretung und damit Deutschland selbst sozusagen „an die Wand quet schen" wollte, unter dem Eindruck der Rede des deutschen Reichskanzlers vertagt worden. Aber es ist ein Lächeln des Stolzes, das uns Deutschen hierüber zukommt. »Und zum zweiten Male muß man — diesmal aber etwas Sspöttisch — darüber lächeln, daß gerade die G e g e n s e i t e in allzu großer Pfiffigkeit es gewesen ist, die die politische Bedeutung derRedeHitlers geradezu in das Schein- rverferlicht stellte, dadurch, daß die Herrschaften in Genf am vergangenen Sonnabend beschlossen, die Weiter beratung und Entscheidung solange auszusetzen, bis der deutsche Reichskanzler gesprochen und — entschieden hatte. «Und das hat er in einer Weise getan, daß man, na, wir sind -höflich, von einer Art diplomatischer Mundsperre auf der Gegenseite wenigstens für eine gewisse Zeit sprechen kann. Das also ist Hitler, von dem man in Frankreich, England und Amerika ein Zerrbild gab, so etwa von der Art, wie wir sie vom Krieg her zur Genüge kennen: Ein zähnefletschender, kinderfressender Säbel- rasseler, erfüllt von einem wilden Nationalismus, der am liebsten auch gleich alle Nachbarn verspeisen würde! Und nun hörte oder las man im Ausland den Satz in der Rede Hitlers, daß „es nur eine große Aufgabe geben kann: den Frieden derWeltzu sichern". Hier liegt der Drehpunkt der ganzen Reichskanzlerrede vom 17. Mai, und von diesem Punkt aus soll und mutz nun auch die allgemeine politische Wirkung in die Welt chinausgehen und besonders nach Genf hinüber. In allen -Teilen seiner Ausführungen blickt Hitler immer nach die sem Punkte: die Friedenssicherung. Die Revision des Ver- ffailler Diktates, in dem weder das Nationalitätenprinzip gerecht durchgeführt wurde, das ferner den wirtschaftlichen Wahnsinn der Milliardentribute brachte und das eine iLüge, nämlich die von der deutschen Schuld am Kriege, zur ^Grundlage der europäischen „Neuordnung" gemacht hat, ffoll und muß schon deswegen allseitig in Angriff genom- -men werden, weil ein wirklicher Frieden auf dem Boden Dieses Diktats eine blanke Unmöglichkeit ist. In letzter Zeit tönte viel Kriegsgeschrei durch den Westen Europas und das Wort vom Präventivkrieg «wurde schon zum Tagesspielzeug. Hitler erklärt dem gegenüber jede derartige oder überhaupt jede kriegerische Gewalt„lösunz" als einen „W a h ns in n o h n e E n d e". Er urteilt über den Krieg ähnlich wie Bismarck, der ein mal geschrieben hat: „Ich betrachte auch einen siegreichen Krieg an sich immer als ein übel, das die Staatskunst Len Völkern zu ersparen bemüht sein muß". Aber ver ewigt wird der Krieg, wenn man an der Zerreißung der Welt in Sieger und Besiegle festhält. Immer wieder stößt Hitler in jenen Punkt hinein: Sicherung des Friedens für die Welt, — wenn nun der Reichskanzler dar- Legte, daß die endliche Schaffung der Sicherheit für Deutschland durch unsere tatsächliche Gleichberechti gung nicht nur auf einem vertraglich festgelegten Rechts anspruch unsererseits beruht, sondern eben die Voraus setzung auch wieder dafür ist, „der Welt den Frieden zu sichern". Und wenn man weiter hindurchgeht durch die Rede Hitlers, so stößt man immer wieder, Schritt um Schritt, auf das heiße Bemühen, die Welt von dem deutschen Friedenswillen zu überzeugen. Soviel Sicherheits- Verpflichtungen wir Deutsche, obwohl wir selbst niemandes Sicherheit bedrohen, schon übernommen haben, so ist dennoch Deutschland jederzeit bereit, weitere ^Sicherheitsverpflichtungen auf sich zu nehmen, wenn alle Nationen ihrerseits dazu bereit sind und dies Deutschland zugute kommt". Das empfiehlt auch Roosevelts Vorschlag. Aber in Genf majori sieren lassen wir uns nicht. Nein, an dieser Rede, die mit aller Deutlichkeit, mit schärfster politischer und wirtschaftlicher Logik und Klar heit den Willen des deutschen Volkes zur Vertragserfüllung — aber unter Innehaltung der beiderseitigen Ver pflichtungen — und zum Frieden herausgearbeitet hat, kann man ebensowenig in Genf wie in London und Paris -nicht vorüber! Und für Deutschland ist der unmittelbar der Rede vorhergehende Roosevelt-Vorschlag zur Stütze unserer Politik in Genf geworden. Tas Lügen- und Ver leumdungsgewebe zerriß: Deutschland mit Hitler an der Spitze istnich 1 der Friedensstörer Europas, den man mit Sanktionen bändigen, dem man jede Gleichberechti gung ebenso wie jede Vertragsrevision versagen muß. Und Deutschland ist nicht der Staat, der heimtückisch die Ab rüstungskonferenz mitsamt der kommenden Wirt schaf t s k o n f e r e n z in die Luft sprengen und dann ganz offen seine schnelle Aufrüstung betreiben will. Jetzt muß man in Genf, London und Paris politisch das Wort, die feierliche Erklärung der deutschen Neichsregierung verdauen, daß „es heute nur eine große Aufgabe geben kann: den Frieden zu sichern". Arbeit für hunderttausend. Aufruf an alle Mitglieder der nationalsozialistischen Fraktion. Der Vorstand der nationalsozialistischen Fraktion des Preußischen Landtages veröffentlicht an alle Mitgliedei seiner Fraktion folgenden Aufruf: „Nachdem wir im ersten Ansturm die Macht im Staat« erobert haben, ergibt sich für uns die verdammte Pflichi und Schuldigkeit, für die ersten selbstlosen Kämpfer des Nationalsozialismus, die bis zur Stund« noch erwerbslos sind, in Anerkennung ihrer Verdienste für den Nationalsozialismus Arbeit zu beschaffen. Der Fraktionsvorstand hat sich in seiner Sitzung vom 17. Mai 1933 ernsthaft mit der Frage der Arbeitsbeschaf fung befaßt. Wir wollen aus uns selbst heraus wie immer mit bestem Beispiel vorangehen, um der inneren Kampfverbundenheil auch den notwendigen Aus druck zu geben. In diesem Sinne haben wir uns zur Aufgabe gestellt, von heute ab bis zum 15. Juli 1933 allen erwerbslosen Parteigenossen zunächst von der Mitgliedsnummer 1 bis 100 000 in die Arbeit einzu reihen. Jeder Ab- geordnete wird hierdurch verpflichtet, seine Kraft und Energie dafür cinzusetzen, daß diese erwerbslosen Partei genossen sofort in angemessener Weise Be- schäftigung erhalten. Zu diesem Ziveck werden gleichzeitig alle erwerbslosen Parteigenossen innerhalb der Mitgliedernummern 1 bis 100 000 aufgefordert, sich bei ihren zuständigen preu ßischen Gauleitungen schriftlich zu melden mit einem kurzen Hinweis des Berufes und der Beschäf tigungsmöglichkeit. Die Gauleitungen wollen sich mit ihren preußischen Landtagsabgeordneten sofort ins Be nehmen setzen, damit von dieser Seite aus nun die Ein fügung der erwerbslosen Parteigenossen in den Wirt schaftskörper erfolgt. Der verunglückte Rennfahrer Merz — ein Zeuge des Attentats von Serajevo. Auf unserem Bilddokument sieht man den jetzt tödlich verunglückten Rennfahrer Merz als Führer des Kraft wagens, in dem der österreichische Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand -und seine Gattin am 28. Juni 1911 in Serajevo ermordet wurden. Das Bild zeigt das Thron- folgerpaar beim Verlassen des Rathauses von Serajevo vor dem Besteigen des Kraftwagens, wenige Minuten vor dem verhängnisvollen Attentat. Invalidenversicherungsbeiiräge für Hausgehilfinnen herabgefetzi. Nachdem die Hausgehilfinnen von der Pflicht zu» Arbeitslosenversicherung befreit worden sind, hat der Reichsarbeitsminister seine Zusage, auch in der Invaliden versicherung die Beiträge für die Hausgehilfinnen zu senken, durch die Verordnung vom 16. Mai eingelöst. Hiernach sind die Beiträge für Hausgehilfinnen all gemein nach Lohnklaffe ll und, wenn der Barentgclt 50 Mark monatlich übersteigt, nach LohnkMe III zu ent richten. Da die Beiträge bisher meist nach Lohnklasse II? zu entrichten waren, tritt inderMehrzahlder Fälle eine Ermäßigung um zwei Lohnklaffen, also um 60 Pfennig wöchentlich, ein. Durch die Befreiung von der Pflicht zur Arbeitslosenversicherung und durch die Senkung der Beiträge zur Invalidenversicherung wird eine Gesamtentlastung erreicht, die sich durch schnittlich auf etwa 100 Mark jährlich beläuft und die den Hausfrauen den Entschluß zur Einstellung von Hausgehilfinnen erleichtern wird. Sie Neuorganisation des Handwerks. Der neugewählte Vorstand des Reichsverbandes des Deutschen Handwerks trat zur ersten ordentlichen Vorstandssitzung in Berlin zusammen. Im Interesse der Aufklärung aller Kreise des Hand werks und seiner Organisationen stellt der Vorstand des Reichsverbandes im engsten Einvernehmen mit dem Präsi dium des Reichsstandes fest, daß bis zur neuen gesetz lichen Regelung der Berufsständeordnung des Handwerks alle in der Gegenwart bestehenden Organi« sationen einschließlich der Waren- und gewerblichen Genossenschaften erhaltenbleiben müssen. Dis Auflösung von Innungen und übergeordneten Ver bänden darf auf keinen Fall vollzogen werden. Alle Arbeiten der gesetzlichen Neuordnung werden durch das Präsidium des Reichsstandes geregelt und dis Fort führung der fachlichen Handwerkspolitik verbleibt in allen wirtschaftlichen, sozialen, finanziellen und zewerbe- fördernden Mctt ahmen beim Vorstand des Reichsver bandes und be.m Deutschen Handwerks- und Gewerbs kammertag. Ferner hat der Vorstand des Reichsverbandes den ein mütigen Willen bekundet, bei allen maßgeblichen Stellen der Neichsregierung und bei der Neichsbank auf eine s o - fortige Vereinheitlichung der Spitzenkredit institute des gewerblichen Genossenschaftswesens hin zuwirken. In Zukunft dürfe nur noch die Deutsche Zentralgenossenschaftskasse in Betracht kommen.. Wann werden die personevtarise gesenkt? Die Reichsbahn in ihrer Verbundenheit zu Wirtschaft und Staat. Auf einem Vortragsabend hielt der Generaldirektor der Reichsbahn, Dr. Dorpmüller, eins Rede über „Die Reichsbahn in ihrer Verbundenheit zu Wirtschaft und Staat", in der er auf die Frage der heutigen Stellung der R e ichsbahn zum Reich einging. Dorpmüller stellte fest, daß alles, was die Reichsbahn besitzt, jetzt dem Reich gehört, auch das Vermögen, das die Gesellschaft selbst neu gebildet hat. Wenn nach der Ratifizierung von Lausanne die Liquidation des Vermögens der Reichs bahngesellschaft eintritt, fo wird dem Reich das gesamte Vermögen der Reichsbahn wieder übergeben werden. Der mittelbare und unmittelbare Einfluß des Reiches stempelt die Reichsbahn staatsrechtlich gesehen zu einer Anstalt oder Körperschaft des Reiches. Hinsichtlich des Personenverkehrs betonte Dorpmüller die Notwendigkeit, die jetzigen Persone n- tarifezu senken, sobald die Finanzlage der Reichsbahn es nur irgend zuläßt. Da die dafür notwendigen Zuschüsse aus dem hochwertigen Güterverkehr herausgeholt werden müssen, habe die Reichsbahn große Sorgen, wenn der Lastkraftwagenfernverkehr in das Tarifgebiet der Reichs bahn einbricht. „Ja, Großmutter. Ich Mn ja sonst nicht ängstlich. Aber heute —" Und sie kam näher zu der Blinden. Diese nickte freundlich. „Komm, Kind — setz' dich zu mir." Ihre Hände suchten nach denen Margas und faßten sie wie schüt zend. „So — und nun nicht bangen! Wir stehen alle -n Gottes Hut." Marga erwiderte nichts. Aber die Großmutter sprach weiter. Ernst, doch gütig. „Mich freut's, daß du einmal zu mir kommst. Ich Fühle es ja schon lange, daß etwas in dir vorgeht." „In mir?" I „Ja, Magri." Und die alten Hände hielten die widerstrebenden jungen Finger fest. »Du quälst dich heimlich mit etwas." Marga Reusch war betroffen. Wie scharf Liese licht- losen Augen doch sahen! Aber sie schwieg. „Willst du dich denn nicht einmal aussprechen?" („Aussprechen —? Worüber denn nur, Großmutter?" „Berstell' dich doch nicht, Kind. Ich sehe zwar nicht wehr, aber hören kann ich doch noch. Und ich ver nahm so manche Nacht, wie du dich ruhelos im Bett warfst — wenn droben, im oberen Stock, noch die Tritte jgingen zu später Stunde." § ' Heiß schoß es in Margas WaNgen, und nun fühlte jsie den sanften Druck der altsn Hand. . „Du denkst an eine Heirat mit dem Gerhard Bertsch, Magri." k Da rissen sich Margas Finger mit einem Aufzucken los. „Und wenn es so wäre?" Kin-kleines ^SMxigen, ,dann. die Slnktv'orkr „Das gäb' kein Glück — weder für dich noch für ihn." „Hast du's mir nicht selber gesagt? Du willst ja dem Manne, den du heiratest, nicht Opfer bringen, sondern nur Vorteile haben von ihm." Marga Reusch senkte das Haupt. Ja, so hatte sie gesagt damals. Aber — war da nicht etwas über sie gekommen, etwas Fremdes, nie Geahntes, und hatte von ihr Besitz ergriffen, mehr und mehr, trotz all ihrer kühlen Vernunft? Aber gleich wieder warf sie den Kopf in den Nacken, als schämte sie sich solchen Eingeständnisses schon vor sich selber. Und der gewohnte Hochmutsklang war in ihrer Stimme, wie sie nun erwiderte: „Freilich hab' ich das gesagt. Und denke auch heute noch so. Aber gerade darum glaube ich, daß Bertsch ein Mann für mich wäre." Die Reusch-Mutter wiegte still ihr Haupt. Dann wandte sie das Antlitz zu der Enkelin hin. „Wenn du schon möchtest — weißt du denn aber, ob der Gerhard Bertsch auch dich will?" Wie ein Stachel in eine offene Wunde fuhr das. Doch um so höher nur bäumte sich Margas Stolz empor. „Er wird mich heiraten!" „Bist du dessen so gewiß?" „Er wird — denn ich will." „Magri!" Die Blinde erschrak. Was schlug ihr da entgegen? Ihre alten Hände tasteten nach der Enkelin. „Woran denkst du?" „Ich weiß es picht, Großmutter, nur das weiß ich: Er soll mein werden, und müßt' ich —I" Sie sprach es nicht zu Ende. Derselbe rasende Donnerschlag, der in dem kleinen Gotteshause drüben alle Herzen zusammenzucken ließ, brach jäh ihre wirren Worte ab. Der zuckende Blitz, der ihn begleitete, hellte für einen Herzschlag lang das Nachtdunkel vor der Greisin auf. Wie eine aufzüngelnde Glut, brennend rot stand es ihr vor dem Blick. Eine Glut, die ver nichtete, was sie erfaßte — die sich selbst zerstörte. Ihr erschrockenes Antlitz war der Enkelin zugekehrt. Die stand regungslos. Aber auf dem blatten, starren Gesicht flammte es. War es nur der schwüle Wider schein des Blitzes oder die Lohe eigener Gluten? Zeche Christiansglück lag heute in sonntäglicher Stille. Wie immer war Bertsch auch heute am Vormittag auf dem Bureau. Wenn der Betrieb feierte, hatte er die beste Gelegenheit, allerlei wichtige Korrespondenzen in Ruhe zu erledigen. So tat er es auch jetzt. Vertieft in seine Schreibereien achtete er nicht darauf, wie sich inzwischen draußen der Himmel bezogen hatte. Drüben über der Bergwand schwebte es unheimlich. Ein schwar zer Mesenvogel auf schwefelgelbem Grunde. Schnell wuchsen seine Schwingen im Näherkommen. Erst wie jetzt das Telephon vor ihm auf dem Schreib tisch schrill anschlug und er den Hörer abhob, bemerkte er durchs Fenster das drohende Unwetter. Aber feine Aufmerksamkeit gatt gleich wieder dem Gespräch. „Hier Bertsch." „Hier Kraftzentrale — Maschinist Ebner." „Nun, was gibt's?" „Ach, entschuldigen Herr Direktor, hier bei mir M das Fräulein vom Adligen Hause. Sie möchte Ham Direktor gern selber sprechen." ... „Fräulern von Grund?" „Ja - ich bin am Apparat, Herr Bertsch. Ach komme gerade von der Frau Ebner. Sie ist leidet, schon seit einiger Zeit, und in meisrr Pflege. Ich hatte ihr wiederholt in den letzten Tage» geraten, den Arzt zu holen, denn die Sache schien mir nicht unbedenklich. Vermutlich eine arg verschleppte Influ enza. Aber sie weigerte sich beharrlich. Es würde auch so schon werden. Nun ist die Sache über Nacht aber sehr ernst geworden. Die Frau liegt in Fieberdelirien, und die Brust fliegt nur so. Anscheinend eine schwer« Lungenentzündung, wenn nicht noch Schlimmeres." „Oh - das ist ja böse." „Ja, es mutz unverzüglich alles Nötige gchhÄhett^ Und darum rufe ich Sie an. Könnten Sie den Mann wohl sofort beurlauben, daß er zum Arzt Wust?" „Sofort? Hm, das ist freilich. — die Zentrale kann ja doch nicht ohne Aufsicht bleiben. Es zr^ht' auch ge rade noch ein schweres Gewitter auf." dorHetzWUOMAH