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Wilsdruffer Tageblatt : 09.09.1933
- Erscheinungsdatum
- 1933-09-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-193309091
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19330909
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19330909
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1933
-
Monat
1933-09
- Tag 1933-09-09
-
Monat
1933-09
-
Jahr
1933
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 09.09.1933
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8 Wilsdruffer Tageblatt I 3. Blatt Nr. 2117 Sonnabend, den 9. September 1933 Taaesspruch. Wenn dich die Lästerzunge sticht, So laß dir dies zum Tröste sagen: Die schlechtsten Früchte sind es nicht, Woran die Wespen nagen. G. A. Burger. Oie Zypresse. Röm. 5, 3—5: Wir rühmen uns auch der Trüb- sale: dieweil wir wissen, datz Trübsal Geduld bringt; Geduld aber bringt Erfahrung; Erfahrung aber bringt Hoffnung; Hoffnung aber läßt nicht zu schanden werden. Wir sind durch italienische Friedhöfe ge gangen. Sie zeigen viel kunstreiche, oft pomphafte Grab- mäler, viel mehr als unsere deutschen. Aber die deutschen sind uns lieber mit ihren grünen, blumengeschmückten Gräbern und den vielen schattigen Bäumen. Bäume fehlen hier fast ganz. Doch einen Baum haben wir immer wieder gefunden, der eine eindringlich tröstende Sprache redet. Das ist dieZypresse. Sie weist in ihrer schlan ken Geschlossenheit wie ein ernster Finger mahnend über das Grab hinaus in die Höhe empor, ein Sinnbild über windender Glaubenskraft. Gerade wenige Tage vorher hatte ich ein Gespräch mit einem in seiner Wissenschaft viel gerühmten Gelehr ten. Er leidet darunter, datz mit den Jahren allerlei Beschwerden gekommen sind, die seine Arbeitskraft schwächen; er ist wie zerschlagen, und trübsinnig klagt er andauernd über diesen Zerfall, wie er es nennt. Denn er sieht nur dieses Verlieren. Für das, was die Schrift das Wachsen am inwendigen Menschen nennt, hat er kein Verständnis, kein Verständnis dafür, datz, während Altes, einst Nötiges und Schönes abstirbt, nun Neues, noch Nötigeres und Schöneres wachsen will. Sein Leben ist nur noch ein Nachttauern dem Versinkenden und Versunkenen, und so versinkt er selbst in Hadern mit Gott und Menschen: ihm fehlt das Beste, der Glaube. Wer glaubt, d. h. wer sich mit allem, mit Werden und Vergehen, auf Gott und in Gott stellt, sieht das alles anders. Er hat Frieden mit Gott, denn er weiß ja: alles ist aus Gott und alles ist zu Gott. Ihm wird das Ver lieren ein Gewinnen, denn dem Gläubigen sagt das Ver gehen am äußeren Menschen, datz Gott an seinem inwen digen Menschen arbeitet, um Besseres in ihm werden zu lassen: die Kräfte der Geduld, der Erfahrung, der Hoff nung. Gerade das versinkende und versunkene Vergäng liche wird ihm innerlich zum Nährboden, aus dem er das in sich aufsaugt, was ihn über die Vergänglichkeit, was ihn über sich selbst hinauswachsen läßt. Für diese christ liche Grundwahrheit ist die Z y p r es s e ein einzigartiges Sinnbild: Du siehst, wie die Zypresse Vom Grabe sich erhebt Und ernst und festgeschlosse« Empor zum Himmel strebt: So wachs auch du geschloffen, Heb' still und stark dein Haupt, Stehst du auch auf dem Grabe, Das dir dein Glück geraubt. SöMes B«mm mr zweihundert Ähren. Auch der Werdegang unseres Bauernstandes ist ein Stück Weltgeschichte. Das Land Sachsen feiert in diesem Jahre das zweihun dertjährige Gedenken des Todesjahres Augusts des Starken. Damals wie heute erkannte man, daß das Wohl des Landes in einem gesunden Bauerntum wurzelte. Deshalb dürfte es von Interesse fein, in Anlehnung an Gurlitts Werk „August der Starke", in einer Zeit, wo die Verbundenheit von Blut und Boden wieder zu einem der wichtigsten' Probleme für das deutsche Volk geworden ist, einen Einblick zu tun in das Leben, die Freuden und Leiden des sächsischen Bauernstandes jener Zeit. Der damalige Staat zerfiel in vier scharf voneinander ge trennte Stände — Adel, Bauer, Bürger und Handelsmann. Sie unterstanden dem Landesfürsten, welcher der, durch gewisse Rechte des einzelnen beschränkt, absolute Herrscher des Landes war. Der Landesfürst hatte sein Land als erbliches Lehen vom Kaiser, der Adel seinen Grundbesitz als erbliches Lehen vom Landesfürsten, der Bauer sein Hufengut als erbliches Lehen vom adligen Grundbesitzer. Alle drei verband die Verpflich tung der Treue gegen ihren Lehnsherren. Der Bauer war dem adligen Grundbesitzer untertan, wie dieser wiederum dem Landesfürsten untertan war. Der adlige Grundbesitzer war in seinem Lehen der Leiter und Berater der landwirt schaftlichen Ausnützung, er war Richter und Herr üben die Bewohner feines Gebietes, Vertreter der staatlichen Verwal tung und somit ein Landesfürst im Kleinen. So hieß z. B. das Amtsgericht Wilsdruff noch fast bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts „von Schönbergsches Gericht". Dem Volke als solchem war aber durch die Stünde im 18. Jahrhundert be reits ein gewisser Einfluß auf die Verwaltung gewährleistet worden. Etwa um 900 waren Mitglieder des fränkischen und thü ringischen Adels in Rückwanderung vom Westen an der Spitze ihrer fränkischen und thüringischen bäuerlichen Untertanen in die Elblande eingedrungen und hatten so die Grenzmarken des deutschen Reiches nach Osten ausgedehnt. Im jetzigen Sachsen wohnten Slaven, die in kleinen, rund angelegten Dörfern leb ten, welche heute sich noch deutlich von den fränkischen Nieder lassungen abheben. Der Adel rief zunächst Mönche als Lehrer von Handel und Ackerbau ins Land. Die erste solche Mönchs- niederlassung ist. das Zisterzicnserkloster Alt-Zella bei Nossen. Außer den eingewanderten fränkischen und thüringischen Bauern kamen auch solche aus Flandern. Noch heute tragen Dörfer den Namen ihrer Gründer: Franken, Frankenau, Fran kenberg usw.; der Fläming heißt ein Höhenzug in der Pro vinz Sachsen. Der deutsche Bauer richtete in feinen Dörfern eine Hufeneinteilung ein und baute seine Häuser nach fränki scher Art in Reihen, also nicht, wie bei den Slaven in ver- teidigungsfähigcn Runddörfern, denn er vertraute fest auf den von seinem adligen Grundherrn ihm gewährleisteten Schutz gegen Gewalt. In den Zeiten des Krieges und der Rot sam melten sich Frauen, Kinder und Greise in den festen Wohn türmen und Burgen ihrer adligen Grundherren. Der Bauer erhielt seinen Besitz vom Grundherren zu Lehen gegen die Verpflichtung, Waffendienst zu leisten, seinen Besitz im Erb gange dauernd pfleglich zu erhalten, dem Grundherrn in der Bebauung des diesem gehörigen Bodens dienstbar zu sein, sonst aber als freier Herr auf seiner Scholle zu schalten und durchaus befähigt und berechtigt, sich zu Wohlstand auf zuschwingen. Zwei fremdländische Rassen standen dem deutschen Bauern in Sachsen gegenüber: die Slaven und Juden. Letztere fehlten trotz Verfolgung und Einwanderungsverboten nicht. Die Sla ven befanden sich in besonderem Abhängigkeitsverhältnis zum Grundherrn und versahen den niederen Dienst. Der Deutsche sah im Slaven zunächst eine andere Menschenklasse. Später begann eine immer mehr fortschreitende Vermischung mit der slavischen Landbevölkerung. Slavische Städte aber gab es nicht. Gewisse sächsische Charaktereigenschaften, die geschäftliche Regsamkeit, das Einschmiegen in die Verhältnisse, gehen aus gesprochen auf slawischen Einschlag zurück. Dem Bauern in der guten alten Zeit ging es recht'gut. Er war durchaus geachtet! In seinem 1720 erschienenen Werke „Politischer Diskurs" sagt Bechler: „Die Bauern sind der größte Stand, denn wo kein Bauer ist, da hat der Handwerks mann nichts zu verarbeiten, und wo nichts Verarbeitetes da ist, da kann auch der Kaufmann nichts verkaufen". Die Gesetze sorgten dafür, daß die Bauerngüter nicht durch Verkauf von Grundstücken oder bei Erbschaft aufgetcilt wurden; es sei denn durch Abgabe von Flächen für Hausbau. Dieser wurde leb haft gefördert, da durch die Häusler auch die Zahl der Hand werker sich vermehrte und so die vom Ort zu entrichtenden Steuern auf mehr Schultern verteilt wurden. Aber auch bei den Steuern wurde in den guten alten Zeiten, oder wie viele sagen, in der Zeit des bösen Absolutismus wohlwollender ver- , fahren wie heute. Der Geheime Rat und Obersteuereinnehmer I Gotthilf Friedrich von Schönberg auf Bieberstein, Lockwitz und Trebnitz, also ein reicher Mann, wird vom Fürsten Fürsten berg bei August dem Starken der Mißwirtschaft angeklagt, da er die Gelder nicht eifrig genug eingetrieben und zu vielen die Zahlungen erlassen habe. August der Starke antwortete: „Der alte Schönberg ist ein ehrlicher Mann, hat er viel erlas sen, so hat er es doch nicht in seinen Beutel gesteckt, sondern es bleibt in meiner Untertanen Beutel." Einen Einblick in die Verhältnisse zwischen Gutsherrschast und Bauer gibt folgendes Beispiel: Adam Friedrich von Schönberg ans Börnichcn, Schönerstcdt, Hartha und Mem- memdorf — Dörfer in der Umgegend von Oederan — hielt 1714 die Erbhuldigung seiner Untertanen ab. Dabei wurde festgesetzt: Ein Bauer, Besitzer eines Gutes von zwei Hufen, zählt jährlich 28 Groschen, arbeitet für den Gutsherrn 84 Stun den mit Gespann, 84 Stunden auf den: Felde sind hat 9 Fu der einzufahren; ein solcher von einer Hufe zahlt 12 Groschen, arbeitet 42 Stunden mit Gespann, 84 Stunden auf dem Felde und hat 414 Fuder einzufahren. Die 9 Bauern, 16 Häusler und 3 Hausgenossen eines Dorfes zahlten zusammen 10 Taler 8 Groschen Zins und hatten 432 Stunden mit Gespann zu eggen, ackern, hacken, 952 Stunden zu hauen, 1274 Stunden zu rechen, 14 Stunden zu säen, also zusammen 2672 Stunden Arbeit zu leisten. Das ergibt rund 95 Stunden — 10 Tage für jeden im Jahre, die freilich meist fo fielen, daß die Bestellung des eige nen Landes bis zu einem gewissen Grade mit beeinflußt wurde. Ferner mußten sie 5 Tage Schafe scheren, erhielten aber dafür 5 Taler Lohn: Eigene Schafe zn halten war verboten. Sie mutzten 51 Klafter Holz, 102 Schock Reisig machen und 16 Stück Garn spinnen, wofür sie aber wiederum entlohnt wur den. Hausgenossen, auch Familienglicdcr, durften nur mit Be willigung der Herrschaft in Dienst genommen, Verkäufe von Gut, Garten oder Haus, Eheschließungen u. a. m. mußten von der Herrschaft genehmigt werden. Handwerker in den Dörfern mußten ein Schutzgcld zahlen, jeder Hauswirt mit gutem Gewehr versehen und zu Wachtdicnst bereit sein. Jähr lich wurden die Dorfkindcr der Herrschaft vorgestellt, damit diese die passenden zu ihrem Dienst auswählte, die Reitknechte, die Kutscher, die Knechte und Mägde, die aber bis zu 10 Taler Lohn erhielten. Baustoff mutzte herangefahren werden, beim Dreschen, bei Jagden, als Boten usw. waren Leute zu stellen. Ob diese Oblasten die Bauern besonders drückten, ist schwierig zu sagen. Jedenfalls sind sie nicht nach den heutigen Begriffen zu beurteilen, denn der Gutsherr hatte feinen Grundbesitz zu Lehen, war also nicht unumschränkter Herr auf seinem Boden, und fo konnte er diesen auch nicht an seine Untertanen abgeben, ohne Anrechte zu behalten. Der Bauer stand mit dem Gutsherrn in einen: Vertragsverhältnis, wel ches einem Dienstvertrag entsprach. Der tatsächliche Erfolg der Bauernwirtschaft unter August dem Starken war der, datz alle Andeutungen dafür sprechen, daß die Bauern zu selbständigem Wohlstand gelangt sind. Dio Arbeitspflicht der Bauern für den Gutsherrn hatte ihren Grund darin, daß der Bauer der Feldarbeiter des Herrn, sein Knecht war, Knecht aber heitzt Gehilfe (englisch knight — Ed ler). Das Wort ist heruntergekommen wie das Wort Magd (maid — Mädchen) und Kerl (englisch Earl — Graf). Es ist von Interesse, zu erfahren, was der Bauer damals für feine Erzeugnisse bekam. War viel Getreide im Lande, so bekam man dafür wenig Silber, war wenig Silber im Lan de, so erkaufte man das vorhandene viele Getreide. Der drei ßigjährige Krieg brachte die Geldverschlechterung mit sich, also die Notwendigkeit, aus dem vorhandenen Silber möglichst viel Geld zu schlagen, dessen Wert durch die Prägung zwar festgesetzt, nicht aber im Handel anerkannt wurde. Halten wir uns als Beispiel 'an den Weizen und als Matz an den säch sischen Scheffel — ca. 103 Liter oder ca. 1 Zentner, so stieg damals der Scheffel Weizen auf 48,44 RM. Für die gesamte Kricgszeit von 1618—48 ergab sich ein mittlerer Preis von 12,55 Mark. Aber nicht der Krieg, sondern die Geldverschlech terung trieb die Preise in die Höhe. Der mittlere Preis des Weizens lag in Augusts des Starken Regierungszeit bei etwa 7 Mark. 1719—20, wo es eine besonders schwere Mißernte gab, stieg der Weizen auf 10,88 Mark. Der Scheffel Mehl kostete 13,50 Mark, Grütze 39 Mark, Gerstcngraüpen 63 Mark. Die Not, zumal in den Städten, war groß. Ein kleiner Mann bezahlte seine Wohnungsmiete mit dem Wert von rund 11/4 bis 141- Scheffel Weizen, also nach den Preisen von 1870 etwa mit 200-250 Mark. Geld Hamstern galt in Augusts des Starken Zeit als un würdig und unanständig. Schon in dieser Zeit erkannte man, welche Gefahr dein Landwirt aus dem Anwachsen des spe kulativen Geistes drohte. Gesetze von 1696 und 1699 erschwer ten es, Getreide, Fleisch, Butter, Hühner, Eier usw. außer Landes zu führen. Die Einfuhr dagegen war gestattet. Man s erkannte, daß alles geschehen müsse, Um HungerZnok zu ver meiden. Kapitalien außer Landes zu schaffen, war verboten. Der Dorffchulze wurde in freier Wahl von den Bauern, Häuslern und Hausgenossen ernannt. Er mußte das Amt an nehmen, auch wenn er nicht schreiben konnte. Da gab es aller hand mit den Gutsherrn zu regeln: ob eine Straße nötig fei, ob der eine mehr oder der andere weniger zur Straßenerhal tung zu leisten habe, über Braugerechtigkeiten und Brannt weinbrennen oder auch über Wildschäden. Dem Pfarrer mutzte der Zehnte vom Getreide gegeben, Dorfarmenkassen mußten für den Unterhalt der Arbeitsunfähigen, soweit hierzu nicht die Angehörigen verpflichtet waren, sorgen. Als die Generalakzise eingeführt worden war, zeigte sich eine Abwanderung von Handwerkern aufs Land, die 1705 zum Erlaß eines Gesetzes führte, nach dem aller Verbrauch, den der Landmann für sich nötig habe, steuerfrei war, Handel und Gewerbe aber mit der Dorfakzise belegt wurden. An Arbeit fehlte es der Landbevölkerung damals wie heute nicht. Neben den verschiedenen Getreidearten baute man Bohnen, Linsen, Erbsen, Zwiebeln, Knobloch, Gurken, Kür bissei, Hanf, Leinen und die Farbenpslanzen Waid und Saflor, auch Kartoffeln und Spargel werden schon angebaut. Manche Schäden entstanden dem Bauern durch die Jagd. Das Wild im Jagdgebiet gehörte dem Herrn. Bären waren schon sehr selten geworden. Der Wolf war der Schrecken des Landwirtes. Wenn ein Wald mit Retzen umstellt war, um den Wolf zu ja gen, so mutzten die Bauern hinter den Netzen stehen, um ihn, wenn er sich in diesen gefangen hatte, zu erschlagen. Man jagte Hirsch, Reh, Dachs, Fuchs, Hase, Rebhuhn, Wildgans, Wild ente und Wildschwein. Dem Bauern lag die Bekämpfung des Raubzeuges ob: Fuchs, Marder, Iltis, Hamster, Ratten und Insekten. Viel Arbeit hatte die Bauersfrau zu leisten. Zu dem, was sie heute zu tun hat, kam noch hinzu das Hanfbre chen, Garnspinncn, Seife und Stärke machen, Unschlittkerzcn ziehen, Brot backen. Im eigenen Interesse des Gutschttrn lag es, daß seine Bauern wohlhabend wurden, so datz sie ihre Pflichten um so leichter erfüllen konnten. Das Verhältnis beider zueinander war ein herzliches, es klang in dem Ton menschenfreundlicher Milde aus. Die Dorfordnung sorgte für die Teilnahme am Schicksal des Nächsten. Wenn bei Festlichkeiten, bei Taufen, Hochzeiten, Begräbnissen nicht wenigstens einer aus dem Guts oder dem Häuslcrkreis teilnahm oder nicht zum Gottesdienst in der Kirche erschien, waren Geldstrafen ausgesetzt und so für den Zusammenhalt der Gemeinde gesorgt. Sehr streng sahen die Eltern des Bauernsohnes darauf, datz er standesgemäß hei ratete und reichliches Gut in den Hof einbrachte. 1709 wurden alle Geistlichen im Lande durch eine Verfügung ausgefordert, die Mädchen vor den Soldaten zu warnen. Das junge Volk mußte auf dem Dorf früh an die Arbeit. Dafür zog es nach Feierabend singend durch die Dorfstratze, versammelte sich in den Spinnstuben, gegen deren Ausgelassenheit der Pfarrer von der Kanzel donnerte. Dort in der Spinnstube war die Heim stätte des Volksliedes, das sich von Generation zu Generation fortpflanzte. An den Ehrentagen des Bauern wurde reichlich getafelt und getrunken. Eine Verordnung von 1721 verbot an Sonntagen üppige Tänze unter freiem Himmel. Fast keine Bauernhochzeit ging ohne Blasen mit Trompeten, Waldhör nern und Pauken ab. In der Hofform war allgemein das Wohnhaus im Erdgeschoß massiv, darüber in oft reichem Fachwerksbau aus geführt und der Giebel immer gegen die Straße gerichtet. Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts und vereinzelt noch heute hatte der Bauer eine besondere Tracht. Sobald es dem Bauer gut ging, folgte aber auch er der Mode trotz aller gesetzlichen Kleiderordnungen. Heute aber noch trägt der Bauer in den slavischen Gebieten, bei den Wenden und im Altenbur- gischen die Tracht aus dem beginnenden 18. Jahrhundert — ein Beweis dafür, daß diese Zeit für ihn eine so glückliche war, datz er sich bemüht, sie festzuhalten. Das Gerät des Bauernhauses war farbig, in weichem Holz hergestellt, mii leuchtendem Blau oder Rot bemalt, auf welchem Blumen, Tiere, Rankcnwerk in lebhaften Farben aufgctragen waren. Das Kirchenlied und der Volksgesang unterstanden dem Kantor. Mancher Gutsherr half ihm dabei. Noch sind hier und da die Instrumente erhalten, die ein Gutsherr der Kirche schenkte. Philipp August von Mergenthal auf Deutschenbora spielte im Kirchenchor als> Paukenschläger mit, und seine Mu sikkapelle war weit und breit im Lande bekannt. In der Regierungszeit Augusts des Starken gab es auch gelehrte Bauern, die sich durch Selbstunterricht vorwärts ge bracht hatten und die als Philosophen und Naturwissenschaft ler hoch anerkannt waren, so die Astronomen Christoph Arnold aus Sommerfesd bei Leipzig, Christian Gärtner aus Tolke witz, Johann Ludwig aus Cossebaude, Johann Georg Pa litzsch ans Leubnitz. Letzterer entdeckte als erster mit feinem felbstgefertigten Fernrohr jenen Kometen, den Kepler 1617 be reits vermutete und dessen Umlauf Halley berechnet hatte. Nach all dem ging es damals dem Bauern sicher nicht schlecht. - Der Bauer hatte seine festen Sitten, und wenn diese an dere waren als die der Städter, fo waren sie deshalb doch nicht schlechter. August der Starke hatte ein volles Verständnis für die Sitten seiner Bauern, und so verpflanzte er auch die Kirchweih an seinen Hof und ließ an ihr das junge Bauern volk teilnehmen. Ueberhaupt waren die großen Hoffeste da maliger Zeit Veranstaltungen für das ganze Volk und sollten in ihrem Glanz der Macht des Staates Ausdruck verleihen. So ist es auch durchaus falsch, wenn spätere Generationen die Gräfin Cosel, die rechtlich angelraute Gemahlin Augusts des Starken, aber nicht, wie viele glauben, seine Maitresse, für die Verschwendung bei solchen Hof- und Volksfesten verantwortlich machen wollen. Es wurde kaum ein großes Hoffest abgehaltcn, ohne daß die Bauern herangezogen wurden, Burschen und Mädchen, die bei der Wirtschaft zu bedienen und allerlei auf zuführen hatten. So hing man Gänse an den Beinen auf, rupfte sie und ölte ihre Hälse ein. Darunter hinreitendeBauern sollten versuchen, sie herabzueißcn. Rutschte der Hals ihnen durch die Finger, so entleerte sich eine Butte Wasser über ihre Köpfe, rissen sie die Gans ab, so gehörte sie ihnen — ein Spiel, in welchem die Bauern von ihren Kirchmesscn her Wohl ge übt waren. War der Zweck der Veranstaltung herzliches La chen der Zuschauer, fo drängten sich doch Burschen und Mäd chen zur Probe ihrer Geschicklichkeit vor und fanden sich hoch geehrt durch die Anwesenheit ihres Landesherrn und feiner adligen Gäste. Not und Sorgen waren gewiß unter Augusts des Starken Regierung auch in sächsischen Dörfern beimisch, aber Friedrich der Große, der Sachsen mit einem Mehlsack verglich, aus dem immer noch etwas herauskomme, wenn man nur tüchtig klopse dürste ein richtigs Bild vom sächsischen Bauernstand gegeben haben. E. S. V. S.
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