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Wilsdruffer Tageblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Das »Wilsdruffer Tageblatt» erscheint an allen Werktagen nachmittags s Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— RM. llrci Haus, bei Pastbestcllung 1,80 RM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern 10 Rpsg. All- Postanstaltcn und Poft- d ölen, unsere Austrägern. ,, ... .. . Geschäftsstelle, nehmen zu S-der Zeit Bestellungen ent- Wochenblatt sllr WllsdrUff U. UMgegeNd gegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg od. sonstiger Betriebsstörungen besteht »ein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. Rücksendung cingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Rückporto belliegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Anzeigenpreis: die 8 gespaltene Naumzeile 20 Rpsg., die 4 gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reichs- pfennige, die 3 gespaltene Neklamezeile im textlichen Teile 1 RM. Nachweisungsgebühr 20 Aeichspfennige. Vorge schriebene Erscheinungs- . cm'*-,«- tage und Platzvorschriften werden nach Möglichkeit Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 berücksichtigt. Anzeigen annahme bis vorm.10 Uhr. * - ' ' ' - — ' " '. —.... Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übern, wir keine Garantie. Jeder Rabattanspruch erlischt, wenn der Betrag durch Klage eingezogen werden muß oder der Auftraggeber in Konkurs gerät. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt Nr. 139 — 92. Jahrgang Telegr.-Adr.: „Amtsblatt* Wilsdrufs-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Sonnabend, den 17. Anni 1933 Zwischen Symbolen und Wirklichkeiten. ^Goldene Worte" in London — Enttäuschte Kapttal- flüchtlinge — Nicht Vertrag, sondern Diktat. Einen Vorzug jedenfalls hat die Londoner Konfe renz vor all ihren Vorgängerinnen voraus: Mit wirklich „goldenen Worten* ist sie eröffnet worden, „golden' nicht etwa, weil sie aus Königsmunde kamen, „golden' auch nicht ihres Inhalts wegen, sondern „golden* des halb, weil sie durch ein goldenes Mikrophon der Delegierten.der Konferenz und darüber hinaus einen großen Teil der radiohörenden Menschheit zugeleitei wurden. Wer auf Symbolik aus ist und in jedem Ge schehen einen „tiefen Sinn" sucht, ihn auch meistens zr finden glaubt, wird vielleicht die Symbolik des goldener Mikrophons nicht bloß in dem Goldgehalt der Be grüßungsrede enthüllen, sondern auch darin, daß es jc eine Hauptaufgabe der Konferenz ist, über die Stabi lisierung der einzelnen Länderwährnngen die Rück - kehr zum Goldstandard vorzubereiten! Aber bei diesem Suchen der Symboliker gibt es noch eine Schwierigkeit überaus bedenklicher Art! Au den goldenen Mikrophon befanden sich auch silberne Be schlage. Was die politischen Auguren auf der Londons! Konferenz selbstverständlich dahin deuten, daß wir woh sehr bald zu einer Währungsgrundlage kommen werden die aus Gold und aus Silber besteht! Das zr prophezeien ist schon deswegen nicht allzu schwierig, wei! bekanntlich Amerika sich mittels eines Kopfsprunges dei Verzweiflung bereits in diesen „B i m e t a l l i s m u s'' hinemgestürzt Hal. Unjere Väter haben übrigens um diesen Bimetallismus noch heftige parlamentarische und politische Kämpfe miteinander ausgesochten, aber das Gold hat sich siegreich durchgesetzt, bis die Weltkrisi und die ihr vorhergehende irrsinnige Goldverteiluno ans der Welt jenen Sieg in eine so schwere Nieder lage umwandelte, daß jetzt der Herrscherthron des Goldes sehr bedenklich wackelt. Ein Bein an ihm haben die Amerikaner schon sortgenommen und es durch «in silbernes ersetzt, das allerdings, um dem früheren gleichwertig zu sein, sechzehnmal so dick sein muß! Die Engländer haben sich das zunutze gemacht und einen Teil der an Amerika fälligen, aber ansonsten nichi bezahlten Schuldenrate in Silber entrichtet. Somit hat das Silber seinen königlichen Einzug nicht bloß in den Kon ferenzsaal, sondern überhaupt in den Kreis der Völker ge halten, die mehr schlecht als recht dem Götzen Gold dienten und ihm schwere Opfer darbrachten. Und so manche: Delegierte in London, dessen Landeswährung nur noch mühsam auf einer ganz, ganz schmalen Goldbasis balanciert, mag mit tiefsinnigen Blicken das goldene Mikrophon betrachtet, dafür aber — hoffentlich! — mit besonderer Aufmerksamkeit den goldenen Worten bei Eröffnungsrede gelauscht haben! Hernach durfte er auch, wenn er dieses deutsche Lied kannte, vor sich Hinsummen! „Gold und Silber lieb' ich sehr. Könnt's auch gut gebrauchen!* - * Dem deutschen Reichsbankpräsidenten jedenfalls erschien dieses Balancieren schon lange als ganz aussichtslos und er hat damit rechtzeitig Schluß gemacht, ehe es zum Sturz kam. Sehr zum Mißvergnügen unserer hochverehrten Herren Auslandsgläubiger, die so gut an uns verdient haben. Dabei ist überaus charakte ristisch — bei den Stillhalteverhandlungen über unser« kurzfristigen Auslandskredite war es damit ebenso be stellt! —, daß den ärgsten Lärm darüber Holland und noch mehr die Schweiz gemacht haben und ständig weiter vollführen. Die „Mijnhers* haben wir noch dadurch in „angenehmster* Erinnerung, daß sich ein sehr großer Teil der Devisenschiebungen gerade zwischen der Amsterdamer Börse und den holländischen Bankiers einer seits, den entsprechenden deutschen „Geschäftsverbindun gen" andererseits abspielte. Und die Schweiz? Da braucht man ja nur daZ Wort „FluchtkapItalien* auszusprechen, um — genug zu sagen! Aber man schreit gerade in der Schweiz wegen der deutschen, doch erst am 1. Juli möglicherweise eintretenden Devisensperre heute schon so überlaut, als wenn nun durch diese Maßnahme die ganze Schweizer Währung ins Wackeln käme! Obwohl die Schweiz über derart große Goldbestände verfügt, daß ihr Noten- umlauf zu 180Prozent — in Worten: einhundert achtzig Prozent— durch Gold gedeckt ist! Und wenn man uns dort mit Gegenmaßnahmen droht, Wei! wir „Treu und Glauben verletzt*, bestehende Vereinbarun igen „gebrochen" hätten, so steht dies Entrüstungsgeschrei der Schweizer in einem recht bezeichnenden Gegensatz zu ihrer offen geäußerten Besorgnis: Wenn deutscherseits ein Transfer der Zinsverbindlichkeiten an die Schweiz nicht mehr erfolgt, dieprivatenGläubiger Deutschlands in der Schweiz also nicht mehr in den Besitz der Zinsen für das von ihnen hergegebene Geld gelangen, dann könnte möglicherweise eine — „Repatriierung der MWist HUnbW zur Kossereuz. Der Wirtschaftliche Ausschuß der Weltwirt- schaftskonserenz hatte beschlossen, eine allgemein« Aussprache nicht fkttfinden zu lassen, um baldmöglichf die Erörterung der einzelnen Fragen in den Unteraus schüssen aufnehmen zu können, hatte es aber dafür der beteiligten Staaten freigestellt, ihren Standpunkt schriftlich einreichcn zu können. Daraufhin hat der deutsche Reichs- Minister Dr. Hugenberg eine Denkschrift übergeben lassen, in der es u. a. heißt: Wenn die Welt wieder gesund werden soll, muß sic uns zunächst gestatten, wieder gesund zu werden. Wir sind jetzt Experten in bezug auf die Krankheit, deren Heilung der Zweck dieser Zusammenkunft ist. Wir haben alles durchgemacht und durchgeduldet, was zu dieser Krankheit gehört. Wir sind uns völlig klar über die Mög lichkeit der Heilung und tragen die Rezepte dazu in uns. Es sind nur ein paar einfache große Entschlüsse nötig. Es muß hier ganz deutlich klargestellt werden: Welt wirtschaft ist das Nebeneinanderbestehen selbstän- diger nationaler Wirtschaften; Weltwirtschaft ist der wechselnde Warenaustausch zwischen den einzelnen konstanten Nationalwirtschaften. Die Weltwirtschaft kann deshalb nur d^nn wieder in Ordnung kommen, wenn jede einzelne Nationalwirtschaft zunächst sich selber wieder in Ordnung bringt. Es ist deshalb selbstverständlich und eine durchaus gesunde Entwicklung, daß in allen Staaten die Tendenz dahin geht, zunächst durch Befriedung und Enwicklung der Jnnenmärkte die eigene Wirtschaft so weit wie möglich von den zer rüttenden Folgen internationaler Schuldver- silz ungen zu befreien. Ich darf seststellen, daß ge rade Deutschland als letztes aller Länder diesen Weg betreten hat. Daraus ergibt sich zweierlei: 1. Nur durch Gesundung der einzelnen natio nalen Volkswirtschaften kann die Weltwirtschaft «nieder gesund werden; nur durch Wiederherstellung der Bin nenmärkte kann die Aufnahmefähigkeit der Länder für fremde Waren und damit der Welthandel wieder ge hoben werden. 2. Voraussetzung dafür ist eine entsprechende Regelung der internationalen S*ch ulden. An dieser Wahrheit führt kein Weg vorbei. Die ge samte Wirtschaft wird getragen von einem wirtschaft lichen Grundsatz. Dieses Grundgesetz lautet: Freier Leistungsaustausch. Freier Leistungsaustausch besagt, daß jeder Leistung eine Gegenleist»ng ent sprechen muß. Wird dieses wirtschaftliche Grundgesetz auf irgendeinem Gebiet durchbrochen, so stürzt schließlich die Wirtschaft zusammen. Dieses wirtschaftliche Grundgesetz gilt auch in der W e l t w i r ts ch a f t. Wenn in der Weltwirtschaft ein Teilnehmer gezwungen wird, auf die Dauer ohne Gegenleistung zu leisten, so bricht nicht nur er zusammen, sondern die Weltwirt schaft. Es ist einer der verhängnisvollsten Irr tümer, der zeitweise die Völler beherrscht hat, daß ein Volk durch dieVerarmung eines anderen Volkes reich werden könne. Ich stimme völlig mit dem Satz des Herrn Mac donald überein: „Keine Nation kann sich auf die Dauer auf Kosten anderer Länder bereichern. Gegenseitige Bereicherung ist die Voraussetzung der Be reicherung des einzelnen." Will man aus der Weltwirtschaftskrise herauskommen, so muß man den freien Leistungsaustansch in der Welt wirtschaft wiederher stellen. Das kann man nur erreichen durch Beseitigung der den freien Leiftungsaustausch hemmenden und zerstörenden Grundursachen. Das besagt aber wiederum, daß die Lösung des weltwirtschaftlichen Austauschproblems schlechthin abhängig ist von einer sachgemäßen Schulden regel ung. Die Wiederherstellung des freien Leistungsaustausches in der Weltwirtschaft ist des halb in Wahrheit zunächst kein handelspolitisches Problem, sondern ein finanzpolitisches Schuldenproblcm. Es liegt im Gesamtinteresse der Welt, wenn rechtzeitig zwischen den Gläubigerländern und den Schuldnerländern eine vernünftige Vereinbarung zustande käme, die es den Gläubigerländern ermöglichte, nach und nach zu ihrem Kapital zu kommen, und den Schuldnerländern ihre Schulden zu tragbaren Bedingun gen abzutragen. Es sollte in der Zukunft Gläubiger- und Schuldnerländer nur auf der alten soliden Grundlage der Hergabe von Kapital für große Werke des Friedens geben. Sind aber falsche Kredite gegeben und sollen sie zurückgezahlt werden, so ist die Zurück zahlung der gleiche weltwirtschaftliche Fehler wie die Hingabe. Sie ist nur in Form von Waren möglich, um die dann das empfangende Land die Beschäftigung seiner eigenen Arbeitskräfte ein- schranken muß. Von Deutschland aus gesehen, gäbe es bei einer klugen und friedfertigen Zusammenarbeit zwischen Gläu biger- und Schuldnerländern noch zweivorurteils lose Schritte, durch die Deutschland wieder in seiner internationalen Zahlungsfähigkeit gehoben werden könnte. Der eine dieser Schritte bestände darin, daß man Deutschland wieder ein Kolonialreich in Afrika gebe, von dem aus es in diesem ganzen neuen Kontinent große Arbeiten und Anlagen ausführte, die sonst unterbleiben würden. Der zweite Schritt wäre der, daß dem „Voll ohne Raum" Gebiete eröffnet würden, in denen es seiner tatkräftigen Rasse SiedlungSraum schaffen und große Werke des Friedens aufvauen könnte. Am Tage von Versailles -je Flaggen auf Halbmast! Aufruf der Reichsregierung. Zum Zeichen der Ablehnung des vor vierzehn Jahren beschlossenen Diktats von Versailles und zum Ausdruck der Trauer, daß das deutsche Voll noch immer unter dem harten Druck dieses Diktats steht, setzen am Mittwoch, dem 28. Juni, die Behörden des Reiches, der Länder und der Gemeinden die Flaggen auf Halbmast. Die Reichsregierung ruft das gesamte deutsche Volk aus, sich dem Vorgehen der Behörden an - zuschl testen. Fluchtkapitalien" eintreten I Deutlicher gesagt: Die Herren Kapitalflüchtlinge würden dann reumütig mit ihrem Geld nach Deutschland zurückkehren, dort Buße tun, aber — wenigstens Zinsen für ihre Kapitalien erhalten! s Wer aber wagte denn in der Schweiz und sonstwo den Franzosen oder einigen anderen Schuldnern Amerikas den Vorwurf zu machen, sie hätten „gegen Treu und Glauben verstoßen" deswegen, weil sie ihre Schulden tilgungsverträge mit den Vereinigten Staaten einfach gebrochen und die Raten nicht bezahlt haben, obwohl doch Frankreich ohne weiteres dazu in der Lage war! Da „schwiegen alle Flöten". Scharf aber äugen nach wie vor die ehemals alliierten und assoziierten Mächte nach Deutschland, ob da nicht irgendein Bruch des Versailler Vertrages er folgt, den man uns mit den Bajonetten auf der Brüst diktiert hat, — um so weitherziger übersieh! man draußen, wenn dort ein Bruch freiwillig abgeschlosse ner Vereinbarungen erfolgt! Darauf hinzuweisen wird Gelegenheit sein, wenn endlich, endlich am 28. Juni in allen deutschen Schulen des Tages von Ver sailles und des Inhalts dieses „Friedens" gedacht wird, der seine Grundlage nicht in dem Willen ru einer Befriedung der Welt, in dem Selbstbestimmungsrecht der Völker hat, sondern auf der L ü a e v o n d e r d e u 1 s ch en Schuld am Kriege ausgebaut ist. Es hat einmal einen deutschen Reichskanzler gegeben, der es für nötig hielt, zu erklären, wir müßten den „Vertrag* von Ver sailles auf Grund unserer Unterschrift selbst dann halten, wenn die Lüge von der deutschen Kriegsschuld auch von der Gegenseite preisgegeben würde! Das war zwar ernst und ehrlich gemeint, nur — glaubt uns im Ausland niemand eine derartige Selbstaufopferung! In seiner großen außenpolitischen Rede am 17. Mai hat aber ein anderer deutscher Reichskanzler, Adolf Hitler, die innere Unwahrheit, dieses Unmaß von Lüge und brutaler Vergewaltigung, die ganze Unmoral des Versailler Diktats aufgedeckt vor aller Welt. Und einst hat Deutschlands größter Reichskanzler offen gesagt, was nicht nur für Deutschland, sondern für jedes lebendige Volk gilt: „Keine große Nation wird je zu bewegen sein, ihr Bestehen auf dem Altar der Vertragstreue zu opfern, wenn sie gezwungen ist, zwischen beiden zu wählen; das „ultra PO886 nemo vbligatur* kann durch keine Vertragsklausel außer Kraft gefetzt werden." Dieses Bismarck wort möae über dem Gedenktag von Ver sailles stehen! Dr. Pr.