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Borge» schriedene Eischcinungs- ,. . a» , tage und Platzporschristen werden nach Möglichkeit Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 berücksichtigt. Anzeigen, annahme bisvorm.lOUHr. ' ' s ' Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übern, wir keine Garantie. Jeder Rabattanspruch erlischt, wenn der Betrag durch Klage eingezogen werden muß oder der Auftraggeber in Konkurs gerät. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amts gerichts und des Stadlrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt Nr. 136 — 92. Jahrgang Telegr.-Adr.: „Amtsblatt* Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Mittwoch, den 14. Juni 1933 Nie MW StellWWhU in London Französisches Zwischenspiel in London. Macdonald, Englands Ministerpräsident, einst Führer der englischen Gewerkschaften und partei-ortho- dorer Sozialist, jetzt das Haupt eines fast nur noch aus Konservativen bestehenden Kabinetts, hat sein Ziel er reicht, auf das er in unzähligen Reisen und Konferenzen hinwirkte: Der englische König Georg V. hat persön lich die so lange vorbereitete, von so vielen Schwierig keiten behinderte Eröffnung der Weltwirtschaftskonferenz höchstpersönlich vollzogen, nachdem ihn Macdonald in den Konferenzsaal hineingeführt hatte, wo die Vertreter von 66 Staaten der Erde dieser Feierlichkeit entgegenharrten; in der ersten Reihe sahen die deutschen Delegierten. Ein kleines, aber doch recht bezeichnendes Intermezzo ereignete sich, als der englische König seine Rede verlas, die natürlich in englischer Sprache verfaßt war: Ein paar Sätze darin sprach der König französisch und er blieb solangeimSaal,bis seine Ausführungen nun auch von Dolmetschern ganz ins Französische übertragen Worden waren: dann erst verließ Georg V., der bekanntlick reinsten — deutschen Blutes ist, die Konferenz. Dor wird offiziell nur Englisch oder Französisch gesprochen anders als in Genf beim Völkerbund, wo sich ja das Deutsche nach mühsamem Kampfe schließlich als dritt« Konferenzsprache durchsetzen konnte. Weit verbreiteter als das Französische ist die deutsche Sprache in der Welt und —- wenn der Konferenz in Lon don das sogenannte Gewohnheitsrecht der französisch sprechenden Diplomatie auferlegt wurde, dafür aber das Deutsche als „offizielle" Konferenzsprache nicht zugelassen ist, so berührt es uns Deutsche doppelt peinlich, daß der englische König seine überraschende Ver beugung vor Frankreich machte, aber längst feine deutsche Abstammung vergessen zu haben scheint und dies so deutlich zum Ausdruck gebracht hat, daß sich die politi schen Auguren anzulächeln begannen. „Blut ist dicker als Wasser", hieß es einmal vor dem Krieg; aber das ist auch einer der Irrtümer gewesen, in die wir hineingestolpert sind und die sich so verhängnisvoll ausgewirkt haben, ob wohl König Georg V. noch ein Jahr vor Kriegsausbruch als Gast am Hofe feines Vetters, Kaiser Wilhelms U., geweilt hat! Drei Minuten aber, nachdem der König den Saal ver lassen hatte, konnte Macdonald den stolzen Triumph durch kosten, die Arbeiten der Weltwirtschaftskonferenz von London unter dem Klatschen der Versammelten für er öffnet zu erklären. Und hier kam eine zweite Überraschung: sehr deutlich und kräftig berührte der englische Minister präsident eine ganz besonders kitzlige Seite dieser Konfe renz, nämlich die Kriegsschuldenfrage, die „ohne Verzug von den beteiligten Mächten geklärt werden" müßte. Wie ungeklärt sie ist, weiß man ja sehr genau aus den hitzigen Debatten zwischen Washington einerseits, London und Paris andererseits. Weder Macdonald nock Herriots Amerikareise scheinen hier die Dinge erfolgreick vorwärtsgetrieben zu haben und — am 15. Juni ist dei nächste Zahlungstermin für eine Rate dieser interalliierter Schulden an Amerika! Das ist also für die Arbeit und di! Aussichten der Konferenz ein tüchtiger Klotz am Bein Immerhin ist für Deutschland der Hinweis Macdonalds nicht unwichtig, daß die Erledigung dieser „leidigen" Rriegsschuldenfrage, und zwar ein für allemal, im Licht der gegenwärtigen Weltdedingungen geschehen sollte, uni »Lausanne zu vollenden". Die dortige Konferenz hat bekanntlich eine Regelung der deutschen Tribute in einem Sinne gebracht, der, seht Zu unseren Ungunsten, kaum noch mit „den gegenwärtiger Weltbedingungen" in Einklang zu bringen ist, aber doch Auf alle Fälle einen Punkt darstellt, hinter den unser« ehemaligen Tributgläubiger auch dann nicht zurückgeher 'können, wen« ihnen als Schuldnern eine befriedigende »Einigung mit Amerika nicht gelingen sollte. Von einer solchen Einigung sind die Lausanner Beschlüsse formell allerdings abhängig, da nach, ihr die Ratifizierung, also die Inkraftsetzung der damaligen Vereinbarungen er folgen wird. Es mag aber, abgesehen natürlich von den Unverbesserlichen in Frankreich L la Tardieu und Herriot, niemanden geben, der jenem Formellen „im Licht der gegenwärtigen Weltdedingungen" noch irgendwelches Ge wicht beilegt; die Weltkrise hat noch ganz andere Verein barungen, hat „Treu und Glauben" unzählige Male zer- Kört und dabei vieles auch in feiner überholten „papier- nen" Unstimmigkeit enthüllt! Das hac übrigens den Fran zosen kürzlich einmal selbst einer ihrer treuesten Freunde, der frühere englische Außenminister Austen Chamberlain, ganz unzweideutig gesagt. Auch Macdonald läßt in seinen Worten deutlich durch- blicken, daß es sich in der Krieassckuldenfraae nur um die „Vollendung" von Lausanne Händeln kann. An eine Zer störung des damals Beschlossenen ist also nicht zu denken. Weniger erfreulich ist es allerdings für uns Deutsche, daß diese ganze, so außerordentlich wichtige Frage nicht in, son dern neben der Konferenz behandelt werden wird, und zwar von den „beteiligten Nationen". Daß hier ein wirklicher Gefahrenpunkt für die Konferenz liegt, dürfte allgemein bekannt sein, und nur wenn er schnell und ener gisch überwunden wird, hat sie Aussicht, mit den ihr gestell ten schweren Aufgaben fertig zu werden und endlich das zu erreichen, was bisher immer noch ein fernes Ziel war: die wirkliche finanziell-wirtschaftliche Liquidierung des Weltkrieges. Der Reichsalrßenmmister an die Welikonserenz. Ernste Mahnungen Deutschlands. Auf der Londoner Weltwirtschaftskouferenz hielt am Dienstag der deutsche Delegationsführer, Reichsaußen minister Freiherr v. Neurath, eine Rede, in der er nach einem Dank an den englischen König und an die englische Regierung u. a. folgendes ausführte: „Wir müssen die Aufgaben der Konferenz darin er blicken, praktische Arbeitfür die Zukunft zu leisten. Als Vertreter der deutschen Regierung sehe ich deshalb auch ganz davon ab, über die besondere Notlage Deutsch lands Ausführungen zu machen. W i r müssen uns jeden falls auf den Standpunkt stellen, daß nur die richtige Ein sicht in die Lage des um Wiedergesundung im eigenen Haus ringenden deutschen Volkes die zutreffende Ein stellung für die Wahl der Mittel geben kann, die erforder lich sind, um die Notlage bei uns zu meistern. Für die Generaldebatte möchte ich den allgemein an erkannten und auch in dem Bericht der Experten aus genommenen volkswirtschaftlichen Grundsatz erneut be tonen, daß internationale Schulden letzten Endes nur durch Waren- und Dienstleistungen ab getragen werden können. Dieser Grundsatz wird für uns bei der heutigen Lage der deutschen Wirtschaft den Aus gangspunkt bilden müssen. Es ist klar, daß zwischen den die Konferenz beschäftigenden finanziellen und wirtschaft lichen Problemen eine innere Verbundenheit besteht. Immerhin liegt mir daran, schon jetzt mit aller Deutlich keit auf folgendes hinzuwcisen: Nach unserer Auffassung werden die wirtschaftlichen und insbesondere die handels politischen Probleme erst dann einer Lösung zugeführt werden können, wenn man sich zuvor über die fundamen talen Grundsätze der Kredit- und Finanzfragen befriedi gend verständigt hat. Diese Konferenz, in ihrem überwältigenden Willen zur Erkenntnis der gemeinsamen Interessen, ist der schla gende Beweis dafür, daß es sich bei allen Gegensätzen nur um scheinbare Gegensätze Das erste Originalbild von der Eröffnung der Welt- wirtschaftskonferenz. König Georg V. von England während seiner Eröffnungsrede — der zweite von links neben ihm ist Premierminister Macdonald, der Präsident der Kon- ferenz — rechts: Sir Eric Drummond. Unten, in der ersten Reihe links, Reichswirtschaftsminister Geheim rat Hugenberg — neben ihm Reichsbantpräsident Dr. Schacht. handelt. Die Industrie kann nicht leben, wenn die Land wirtschaft nicht lebt, und umgekehrt. Der Gläubiger kann nicht leben, wenn der Schuldner nicht lebt. Die Gold währung hat keinen Sinn, wenn die Freizügigkeit des Goldes nicht gewährleistet ist. Nachdem diese Konferenz der lebendige Ausdruck dieser Einsicht ist, werden wir auch den Mut aufbringcn müssen, die sich daraus ergebenden Lösungen durch zuführen. Freilich werden die Völker und Regierungen sich dazu nur durchringen, wenn das Vertrauen auf ein friedliches und verständnisvolles Zusammenleben der Völker wieder hergestellt wird, wenn die großen politischen Aufgaben geregelt werden, die immer noch der Lösung harren. Der Herr Präsident hat auf eine der p o l i t i s ch e n Aufgaben hingewiesen. Daß dieses große politische Problem, um dessen Lösung wir seit Jahren ringen, vor dieser Konfe renz nicht mehr gelöst werden konnte, war eine herbe Enttäuschung. Die deutsche Negierung kann von sich sagen, daß s i e ihr Teil dazu beigetragen hat, das Vertrauen wiederhcr- zustellen. Selten Wohl ist eine Regierungserklärung in der Welt mit gleicher Spannung erwartet worden wie die kürzliche Erklärung des Reichskanzlers Hitler vor dem Deutschen Reichstag. Selten wohl ist eine Regierungs erklärung mehr geeignet gewesen als diese, Be ruhigung zu schassen und der Wiederkehr des Ver trauens die Wege zu ebnen. Der Wert dieser Regierungs erklärung kann nicht dadurch gemindert werden, daß gesagt wird: das sind Worte, wir wollen die Handlungen ab- wartcn. Die deutsche Regierung hat gehandelt, sie hat ihr volles Teil dazu beigetragen, um die große von staatsmännischer Weisheit eingegcbcne Initiative des italienischen Regierungschefs zu verwirklichen und den Palt von Nom zu schaffen. Sie hat der Abrüstungskonfe renz in Gens einen neuen Impuls gegeben, indem sie den Plan des Herrn Macdonald als Grundlage der zu künftigen Konvention angenommen hat. Sie hat das ge tan, obwohldie Erfüllung der Versprechungen, auf die Deutschland einen Anspruch hat, noch nicht sichtbar ist. Vergessen wir nicht, daß ohne eine Lösung der großen schwebenden politischen Fragen die Beratun gen dieser Konferenz zu keinem befriedigenden Ergebnis führen können!" Schlecht besuchte erste Vollsitzung. Der englische Ministerpräsident Macdonald er öffnete die erste Vollsitzung der Wellwirtschafts konferenz am Dienslagvormittag um 10>L Uhr voi halbleerem Saal. Wie auf allen Konferenzen scheint sich auch hier das Hauptgewicht der Verhandlungen in die Besprechungen von Delegation zu Delegation bzw in die Ausschüsse oder in Besprechungen zwischen einzel nen Persönlichkeiten zu verschieben. Macdonald begann denn auch die Sitzung angesichts des schwachen Besuches mit einer Mahnung an die Delegierten zur Pünktlichkeit. Um uferlosen Reden von vornherein einen Damm entgegenzusetzen, hat man die Redezeit auf eine Dauer von 15 Minuten begrenzt. Trotzdem dürfte man, wollten alle Delegationen, nämlich 66 an der Zahl, Reden halten, doch noch insgesamt fünf einhalb Tage allein für die grundsätzlichen Erklärungen brauchen, da die Sitzungen am Vormittag erst um 10.30 Uhr beginnen und nachmittags von 3—6 Uhr dauern. Als erster Redner betrat der Führer der fran zösischen Delegation, Ministerpräsident Daladier, die Tribüne. Er führte bewegliche Klage über die Ar beitslosigkeit, über die Verwüstung der Weltmärkte, über den Tiefstand der Preise — aber er sprach natürlich mit keinem einzigen Wort davon, daß es gerade sein Land, Frankreich, ist, das durch seine wahnwitzige Tribut politik und die ungeheure Anhäufung von zwei Fünfteln des gesamten Goldbestandes der Welt, die dadurch dem Umlauf entzogen werden, die Weltwirtschafts krise mit in erster Linie verursacht hat. Der italienische Finanzmin/sier Jung erklärte das Problem der internationalen Schulden für eine der Grundfragen der Weltwirtschaftskrise und betonte, daß reine Währungsmanöver überhaupt nichts helfen, sondern die Krise nur Vers flimmern würden. Schon während der Rede des italienischen Vertreters hatte sich der Saal noch mehr geleert, was während der Darlegungen der Vertreter Südafrikas und Japans noch mehr der Fall war. Inzwischen hat Reichsbankpräsidcnt Dr. Schachtdie Verhandlungen mit den deutschen Gläubigern aus genommen. Die englisch-amerikanischen VcU,.:w!ungcn in der Schuldenfrage haben in London zu einer Einigung über die englische TeilLuL.luuL am 15. Juni geführt.