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I Wilsdruffer Tasedlav I I 2. Blatt Nr. 137 — Donnerstag, den 15. Juni 1933 » TageSspruch. Wer allzeit Hinterm Ofen sitzt, Grillen fängt und Hölzlein spitzt, lind fremde Länder nie geschaut, Der bleibt ein Narr in seiner Haut. Sebastian Brandt. Kampfring in Dortmund aufgelöst. Der Dortmunder Polizeipräsident hat der Deutschnationalen Kampfring für der Präsidialbezirk Dortmund aus Grund des 8 1 der Ver ordnung des Reichspräsidenten zum Schutze von Volk und Staat vom 28. Februar 1933 in Verbindung mit Z 14 und 41 des Polizeiverwaltungsgesetzes aufgelöst. In der Begründung des Verbots heißt es «. a.: Durch polizeiliche Ermittlungen ist einwandfrei fest gestellt worden, daß etwa 75 Prozent der neu ausgenom menen Kampfringmitglieder noch bis März 1933 zm SPD. oder KPD. gehört haben. Teilweise handelt es sich sogar um ehemalige Funktionäre der KPD. und um solche Leute, die sich noch im März an Überfällen auf SA.- Leute beteiligt hatten. Die Untersuchung ergab weiter, daß z. B. am 15. März 1933 65 Mitglieder eines Vereins ehe maliger Polizeibeamter ohne besondere Prüfung der poli tischen Zuverlässigkeit ausgenommen wurden. Da infolgr der regen Werbetätigkeit des Kampfringes zu befürchten war, daß dieser von marxistischen und kommunistischen Elementen vollständig aufgesogen wurde und der Unwille Ler Bevölkerung in den letzten Tagen verschiedentlich zn Zusammenstößen mit den Kampfringmilgliedern gesühri hatte, mußte zur Aufrechterhaltung der Ruhe unk Ordnung sowie im Interesse der ungehinderten Durch führung der nationalen Revolution das Verbot ergehen Es solle dabei anerkannt werden, daß die Führung des Kampfringes eine direkte Schuld an den vor handenen Zuständen nicht trifft. Die Verhältnisst seien ihr leider über den Kopf gewachsen, was seine Er klärung darin finde, daß die genannten Kreise sich wäh rend der letzten Jahre nicht die genügende Kenntnis de: marxistischen und kommunistischen Kräfte verschafft hätten. * Wie die Essener Nationalzeitung meldet, wurde die deutschnationale Rednerin Fräulein Stubenrauch aus einer deutschnationaleu Mitgliederversammlung in Kupferdreh heraus wegen Beleidigung der Reichsregie- rung von der Polizei verhaftet. * Sin Aufruf Flume- und Dr. Gisevlus'. Die bisherigen Landesführer des Deutschnationalen Kampfringes, Studienassessor Flume (Dortmund) und Dr. Gisevius (Düsseldorf), erlassen einen Aufruf, in dem sie ihren Kameraden mitteilen, daß sie sich der Führung Adolf Hitlers unterstes haben und sie auffordern, sich diesem Schritt sofort anzuschließen und in die Reihen der NSDAP, einzutreten. * Eine Erklärung -es Reichskampfring- führers -er DAF. Der Neichskampfringführer der Deutschnationaleu Front, Staatssekretär a. D. von Bismarck, übergab der Öffentlichkeit die nachfolgende Erklärung: o vkuröe^ecur^rcuurr ouircu wcirrka.wkao»» t10. Fortsetzung.) Aber er wußte selber nicht viel. Die Frau wäre früher eine große Künstlerin am Zirkus gewe-en. Sie habe die Hohe Schule geritten. Ihr Pferd Habe iie mit ihrem Kinde bis nach Vachta getragen. Oie iei nicht ihr Mann. Auch nicht der Vater oder ein Ver wandter, wer, wisse man selber nicht genau, aber der Riese sorge für die Frau und das Kind. Der kranke Mann? Das ze- em Kamerad der Frau vom Zirkus, auch für den sorge Oie mit. Es war wenig, was der Wirt zu berichten wußte, aber das wenige genügte, um das Bergarbeiterdorf in Aufregung zu hatten, denn die Frau war schön. Wenn die Männer grüßten, dann dankte sie mit einem unnachahmlichen Neigen des Hauptes, daß allen Achtung einflößte. D-e Frauen des Dorfes aber standen Anna anfänglich feind- fe l g gegenüber, doch diese Feindseligkeit schwand schon nach wenden Tagen, als sie Anna mit ihrem Kinde spielen sahen. Und Annas ruhige Freundlichkeit, mit der sie grüßte und sprach, gewann ihr bald auch die Frauen. Sie war so gut zu jedem Kinde, und munterte ihre kleine Momka, die noch scheu war, auf, mit den anderen Kindern zu pielen. Das Mädelchen tat es gern. Auf Ole aber blickten alle Bewohner Vachtas mit Hoch achtung, denn sie hatten ihm zugesehen, wie er schaffte. 'iuch heute ging er wieder an die Arbeit, als müsse er die Wn: einreißes- "mo hatte es sich nicht nehmen lassen, ihm zu helfen. Er wu wieder ziemlich fest aus den Beinen, hatte sich Farbe ge- kau. ein Mar Schablonen geschnitzt und malte fleißig die Wände Aber noch ein anderer kommt und knetet sein« Hilf« an: Paul Karsten, der Kamerad aus dem Schacht. Ole sieht ihn erst erstaunt an. Dann nickt er und reicht ihm die Kelle Die Mauer soll er ausbessern, die den kleinen Garten und das Haus umschließt. Und Paul arbeitet mit Feuereifer. Ein ungestümer Drang tzurn Schaffen ist in ihm. Als der Tag zu Ende geht, da ist die Mauer fertig. Sie rüsten sich, um Feierabend M machen, und Ole Laßt Mi verschiedenen Stellen des Reiches mehrn' " ' d'" Verdächtigungen, daß der Deutschnationale Kampfring kommunistische Elemente in seinen Reihen dulde. Dei Reichskampfringführer hat am 2. Juni einen erneuten Befehl an sämtliche Untergliederungen des Deutsch nationalen Kampfrings gerichtet, in dem schärfst« Nachprüfung der Mitgliederlisten des Deutschnationalen Kampfrings angeordnet wurde. Ob wohl von dem Eindringen zersetzender kommunistische: oder sonstiger marxistischer Elemente in die Kampfringe in keinem Fall die Rede sein kann, richtet der Reichs kampfringführer von Bismarck, um allen weiteren Ver dächtigungen den Boden zu entreißen, erneut der folgenden Befehl an alle Führer des Deutsch- nationalen Kampfringes: „Ehemalige Angehörige der KPD. und SPD., des Reichsbanners oder ihrer Nebenorganisationen, du nach den: 30. Januar 1933 dem Kampfring beigetretev sind oder sich zum Beitritt angemeldet haben, sind sofort aus den Listen des Kampfringes zu streichen, wenn su nach dem 1. Januar 1932 noch aktiv in den marxisti schen Organisationen t ä t i g waren." Serussbeamtentum und Partei. Eine Entschließung der deutschnationalen Prcußenfraktion. Die deutschnationale Fraktion des preußischen Land tages faßte eine Entschließung, in der darauf hingewiese» wird, daß in der Öffentlichkeit in letzter Zeit wiederholt Äußerungen gefallen seien, bei denen in der Beamtenschaft der Eindruck entstehen könne, als wenn in absehbarer Zeit alle nicht nationalsozialistischen Beamten entfernt Werder sollen. Demgegenüber nehme die deutschnationale Frak tion im Preußischen Landtag Gelegenheit, auf die Rede des preußischen Ministerpräsidenten Göring im Land tag am 18. Mai zu verweisen. In dankenswerter, klarer Weise habe der Ministerpräsident darin wörtlich erklärt! „Ich möchte an dieser Stelle daraus aufmerksam machen daß die Zugehörigkeit zu einer anderen Partei, soweit sü nicht als staatsfeindlich erklärt worden ist, keineswegs eir Hindernis in der beruflichen Laufbahn sein soll " Oer Feiiplan -er Reichsregierung unbefristet. über den Fettplan sind in der Öffentlichkeit un richtige Auffassungen verbreitet. Die Ansicht, daß der Fett plan mit dem 1. Juli seine Kraft verliert, entspricht nich den Tatsachen. Die von der Reichsregierung zur Neu ordnung der Fettwirtschaft beschlossenen Maßnahmen sinl unbefristet erlassen worden. Lediglich die Aus führnngsbestimmungen über die Festsetzuni des Margarinekontingents sind zunächst für eil Vierteljahr erlassen worden, und diese Ausfüh rungsbestimmungen laufen zunächst am 1. Juli ab. Die Ausführungsbestimmungen werden,' wie von zu ständiger Stelle mitgeteilt wird, vom Reichsernährungs Minister erlassen, der durch das Gesetz hierzu ermächtig worden ist. Er hat lediglich vor Erlaß der Ausführungs bestimmungen den Verwaltungsrat der Reichsfettstell zu hören. * Der Deutsche Industrie- und Handels tag hat zur Neuordnung der Fettwirtschaft eine Ent schließung angenommen, in der eine Erhöhung dei Kontingentierung auf 75 Prozent für Mar garine und Speisefette gefordert wird, da bei der jctz geltenden Kontingentierung eine ausreichende Versorgung der minderbemittelten Bevölkerung mit Fetten zu erträg liehen Preisen nicht mehr gegeben sei. SrsSarEe M LerSLKcknLrveMülüM Die Entschädigung für Ehrenbeainte und Mitglieder der Vertretungskörperschaficn. Zu dem Gesetz zur Erzielung weiterer Erspar- nisse in der gemeindlichen Verwaltung werden jetzt Ausführungsanweisungen erlassen. Danach erhalten die Ehrenbeamten der Gemeinde, z. Ä Provinzialausschußmitglieder, Rcichsausschußmitglicder, unbesoldete Magistratsmitglieder usw., in Zukunft nur Ersatz ihrer baren Auslagen und des nachweislich entgangenen Arbeitsver- dienstes. An Stelle von Einzelentschädigungen bleiben Pauschalentschädigungen zulässig. Dabei können die Auslagen an Fahrkosten (z. B. für Stratzenbahn- fahrten) durch Gewährung einer Freifahrkarte ab gegolten werden. Tage- und Übernachtungsgelder und Beschäftigungsgelder bei Dienstreisen und auswärtiger Geschäftsführung sind der pauschalierte Ersatz des baren Mehraufwandes für auswärtige Verpflegung und Unter kunft. Durch die Pauschalentschädigungen darf eine Mehrbelastung der Gemeinde nicht eintreten. Für die Mitglieder der Vertretungskörper schaften gelten die gleichen Grundsätze wie für die Ehrenbeamlen. Dem Bürgermeister (Gemeindevor steher) kann über den Ersatz der baren Auslagen und des nachweislich entgangenen Arbeitsverdienstes hinaus eine mit seiner amtlichen Mühewaltung im billigen Ver hältnis stehende Entschädigung gewährt werden. Ketn-prech- un- Postgebühren immer noch zu hoch. Der Deutsche Industrie- und Haudclstag fordert Ermäßigungen. Der Deutsche Industrie- und Handelstag hat sich erneut für eine fühlbare Senkung der Fernsprech- und Postgebühren eingesetzt. Gerade die hohen Gebühren des Post- und Fernsprechverkehrs trügen zu ihrem Teild Schuld an der außerordentlichen Verkehrs- schrumpfung. Bezüglich der Höhe empfahl er die Er mäßigung der Fernsprcchgrundgebühren in den Zonen 1 bis 3 um 50 Pfennige, in den weiteren Zonen mit einer Mark sowie eine Abstaffelung der Ortsgesprächsgebühren bei zunehmender Ge sprächszahl, ferner gewisse Ermäßigungen für Fern gespräche, endlich Senkung der Drucksachen-, Warenproben gebühren, wenn möglich auch der Bricfgebühren. Belehrung -er Schüler über -as Versailler Diktat. Schulerlaß des Kultusministers Rust zum 28. Juni. Kultusminister Rust hat angeordnct, daß am 28. Juni, dem Tage der Wiederkehr der Unterzeichnung des Vcr - saillerDiktats.der Anstaltsleiter inallcnpreu- ßischen Schulen in der letzten Vormittagsstunde die versammelte Schülerschaft in würdiger Form aus die B c» deutung dieses Tages und des Versailler Diktats hin weist. In allen Städten und Dörfern, in denen Feiern abends zwischen 7 und 8 Uhr stattfinden und in denen die große Kundgebung im Berliner Lustgarten übertragen wird, sind die Schüler im Alter von zehn Jahren an aufwärts zur Teilnahme an diesen Feierlich keiten verpflichtet. Soweit ein Schüler einem solchen Jugendbund angehört, der offiziell zu den Veranstaltern der Feierlich keit gehört, nimmt er als Mitglied dieses Jugendbundes teil. Die anderen Schüler nehmen geschlossen unter den Kameraden bei der Hand. „Ich dank' dir. Paull" sagt er einfach. Paul Karsten nickt und sieht ihm in die Augen. Er hat vergessen, was einst gewesen ist. Der vor ihm steht, ist nicht mehr der Mann, den er haßte wie den Tod, auf dessen Haupt er tausend Flüche geschleudert hat, es ist nur Ole, der Kamerad, der Mann, den . . . die schöne Frau ab holte. „Wer ist die Frau, Ole?" fragt er unvermittelt. Ole blickt ihn mißtrauisch an. „Warum fragst du?" „Die Frau ist schön!" „Ja! Aber warum sagst du das?" „Weil ich sie liebe, seit ich sie angesehen habe, Ole!" gesteht Paul und ist ganz blaß geworden. Ole wendet sich ab, dann fragt er voll Hohn: „Hast du das immer so gehalten, Paul!" „Ich habe noch nie eine Frau begehrt!" stößt Karsten her vor. „Habe immer zu Boden gesehen, seit ... du mich ver nichtet hast!" Da zuckt Ole zusammen. „Paul," sagt er nachdenklich. „Was ist unser Leben wert?" „Nichts. . ." „Und alles! Ja . . . alles! Paul, du hast eine Rechnung mit mir zu begleichen, eine große Rechnung. Ueber die gibt nur eins die Quittung und das heißt. .. sterben! Du, ich weiß es! Und als unten im Schacht die Wahrheit zwischen uns offenbar wurde, da dacht ich daran, daß du die Quittung ver langen könntest." „Das hast du befürchtet?" „Ja, Paul! Ich hab's befürchtet. Du... ich weiß, was ich für eine Schuld auf mich geladen habe! Ich weiß es und will's nicht bemänteln. Und was wäre mir das Sterben? Die Qual der letzten Jahre war so groß, was ist dagegen das Sterben? Aber ... ich bin nicht allein! Ich trage eine Pflicht! Ich stehe für die schutzlose Frau mit ihrem Kinde ein. Ich schaffe für sie, ich schufte, quäle mich für sie. Das ist etwas, Paul . . . und darum muß ich leben!" „Du mußt leben! Du wirst leben!" sagt Paul ruhig. „Du hast mich gefragt, wer diese Frau sei. Ich will dir das wenige erzählen. Sie heißt Anna Suhr und hat vor sieben Jahren einen Artisten geheiratet. Ihm zu Liebe hat sie sich mit der Pferdedressur abgegeben und ritt die Hohe Schule. Annas Vater war Regierungsbeamter. Er ist schon lange tot, auch die Mutter. Anna hat keine Geschwister, sie ist allein auf der Wett ... sie hat nur mich. Denn ihr Gatte ist vor vier Jahren gestorben. Zirkusbrot . . . schweres Brot! Im Zir kus habe ich Anna gesehen und das Kind! Hab gesehen, wie sie litt und habe ihr beigestanden. Es waren Menschen dort, wert, daß sie eine Faust vernichtet. Menschen, verdorben bis ms Mark. Der Sohn wollte Anna haben! Verstehst du das . . . er wollte Anna haben. Seine schmutzigen Hände griffen nach der Reinen!" „Der Hund!" knirscht Paul mit wilden Augen. Ole nickt ernst. „Ja, der Hund . . . aber ich war dal" Paul steht mit geballten Fäusten. „Siehst du, das ist Anna!" fährt Ole fort. Und sie ist es wert, daß einer für sie schafft! Ohne Be- gehren, Paul! Hörst du mich, ohne Begehren!" Paul stöhnt auf. „Muß man sie denn nicht begehren, wenn man sie an sieht? Ich liebe sie, Ole!" Ole legt seine Hand schwer auf Pauls Schuller. „Paul ... ich arbeite für Anna ... ich wache über Anna . . . und das ist viel und für mich alles. Anna ist jung, wenn ihr Herz noch einmal spricht . . . dann soll sie den rechten Mann finden, der mich ablöst! Und wer dieser Mann ist .. . das, Paul, ist nicht meines Amtes." Paul Karsten nickt langsam, dann schütteln sich die Männer stumm die Hände und trennen sich. * * Kurz vor dem Wirtshaus triff?Ote mit Bertelen zusammen. Der Franzose hält ihn an. „Wie geht es, Monsieur?" „Danke, gut, Herr Bertelen!" „Ich habe vorhin das Haus gesehen, das ich Ihnen zur Verfügung gestellt habe. Meine Hochachtung, Monsieur Hauser! Sie haben es aufs beste hergerichtet. Sie werden gut drin wohnen. Vergessen Sie aber das Dach nicht." „In der nächsten Woche kommt es dran, Herr Bertelen!" „Wann ziehen Sie ein?" „Morgen!" Sie gehen ein paar Schritte zusammen. „Eine schöne Frau haben Sie, Monsieur Hauser." Ole wendet den Kopf und blickt Bertelen eigentümlich an,- „Sie ist nicht meine Frau, Herr Bertelen." „Eine Verwandte von Ihnen?" Ole schüttelt den Kopf. „Nein, eine Frau, die allein im Leben steht und Schutz braucht. Den gebe ich ihr und sorge für sie und das Kind." „Sie sind ein ehrenhafter Mann!" sagt der Franzose mit viel Wärme. „Wenn Sie sich eingerichtet haben, werde ich Sie einmal besuchen." „Sie sind willkommen, Herr Bertelen!" Der Franzose grüßt und schwenkt ab. Ole bleibt stehen und sieht ihm nach. Dann ballen sich langsam seine Hände. Von Anna sprach . . . alle Worte, das weiß Ole genau, waren nur um Anna gesprochen, er hatte es ihm angesehen. Einer wie alle! Keiner will zufrieden sein mit dem Dienen!