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MOmfferTageblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Das »Wilsdruffer Tageblatt» erscheint an allen Werktagen nachmittags S Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— RM. jrei Haus, bei Postbcstellung 1,80 RM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern 10 Rpsg. Alle Postanstalteu und Post daten, unsereAusträgeru. Geschäftsstelle, nehmen zu jed-rJeitBest-llungenent. Wochenblatt svk WllsVrUff U. UMgegLNV gegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg od. sonstiger — Betriebsstörungen besteht Lein Anspruch aus Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Rückporto beiliegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Anzeigenpreis: die 8 gespaltene Raumzeile 20 Rpsg.. die 4 gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reichs pfennige, die 3 gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile I RM. Nachweisungsgebühr 20 Reichspfennige. 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Londoner Demonstration für Dollfuß Nach einem Ausfall des Bundeskanzlers gegen Deutschland Am Mittwochvormittag kam cs auf der Londoner Weltwirtschaftskonfcrenz zu einer ostentativen Kund gebung für die Politik der österreichischen Regierung Doll fus;. Die Kundgebung, die vor überfülltem Saal erfolgte, und an der sich entgegen jeder Gepflogenheit auch die an wesende fremde Presse beteiligte, war anscheinend plan mäßig vorbereitet. Nachdem der Präsident der Konferenz, Ministerprä sident Macdonald, mitgeteilt hatte, daß die Ver längerung des Zoll Waffenstillstandes bis Zum 31. Juli beschlossen sei und daß er nach Ablauf dieser Frist nur noch einmal um einen Monat verlängert werden könne, hielt der österreichische Bundeskanzler Dollfuß eine Rede, in der er zunächst die vermeintlichen Leistungen der österreichischen Regierung auf finanzpolitischem und Wirtschaftlichem Gebiet pries. Außerordentliches Aufsehen aber erregte der Schluß der Rede, wobei Dollfuß das bekannte Dichter wort zitierte: Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem „bösen Nachbarn" nicht gefällt! Zweifellos ist die Tatsache, daß dieser Bemerkung geradezu stürmischer Beifall bei gewissen Teilen der Konferenz folgte, darauf zurückzuführen, daß diese Veifallsspender jene Bemerkung des österreichischen Bundeskanzlers als eine wohlbeabsichtigte Spitze gegen Deutschland nahmen. Es ist nicht weniger bezeichnend, daß der englische Schatzkanzler Neville Chamberlain, der dann ent gegen der allgemeinen Abmachung über die viertelstündige Redezeit einen sehr langatmigen Vortrag über die englische Wirtschaftspolitik und die Frage des Goldstandards hielt, noch eine rednerische Extraverbeugung vor dem öster reichischen Bundeskanzler machen zu müssen glaubte, in dem er erklärtes er freue sich,.daß Herr Dollfuß entgegen seiner ursprünglichen Absicht noch nicht abgereift sei und feine Rede noch vor der Konferenz habe halten können. Auch die offiziellen Delegierten lassen jetzt bereits offen merken, daß die allgemeine Stimmung dieser Weltwirtschaftskonferenz bereits auf einen solchen Tiefpunkt gesunken ist, wie er sonst auf den inter nationalen Konferenzen des Redens und der Tatenlosig keit meistens erst nach ein bis zwei Wochen einzutreten pflegt. Der amerikanische Staatssekretär Hull hielt eine Rede, die keinerlei greifbare Vorschläge ent hielt. Er erklärte u. a., es wäre eine Katastrophe, wenn die Konferenz fehlschlage und die seit dem Kriege ver folgte Wirtschaftspolitik fortgesetzt werde. Selbstsüchtige Interessenvertretung dürfe es auf der Konferenz nicht geben. * Der Eindruck der Haltung Dollfuß' in London. Die Rede des österreichischen Bundeskanzlers Doll- fuß in London blieb der Hauptgesprächsstofs der Diplo maten und der Konferenzteilnehmer. Der anfängliche Beifall schlug im Laufe des Tages in eine mehr kritische Stimmung um, und man fragte sich, ob Dollfuß wirklich im Interesse Österreichs gehandelt hat, als er in den Schluß seiner Rede eine politische Spitze hineinbrachte, indem er die Worte .Schillers zitierte: „Es kann der beste nicht im Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt." Dollfuß hätte fühlen müssen, daß der Beifall, mit dem ihn die Konferenz begrüßte, von den Bänken kam, wo Franzosen, Polen und andere „Freunde" Deutschlands saßen. Er hätte wissen müssen, daß dietz Kreise seine Schlußworte nur zu gern ausDeutsch- lanS beziehen würden, so wenig dies sachlich auch zutrifft, und mit Schmunzeln die Uneinigkeit zwischen zwei dcutschstämmigcn Staaten seststellen würden. Das war in Wirklichkeit auch der Sinn des Beifalls, den Herr Dollfuß erntete. Herr Doll hat zweifellos den taktischen Fehler be gangen, sich der peinlichen Lage auszusetzen, daß man seiner Erklärung gegen Deutschland demonstrativ Beifall klatschte, was nicht nur in Berlin, sondern au ch in Rom Mißfallen Hervorrufen müßte. Das will das österreichische Volk sicherlich nicht, und wenn Herr Dollfuß nach Wien zurückkehrt, so wird man dort nicht den Eindruck haben können, daß er Leber sonderliche Lorbeeren aus der Rednertribüne vor der Weltwtrt- schaftkonferenz geholt hat. , Mit einem gewissen Befremden muß man auch be merken, daß Herr Dollfuß es für nötig befand, Szenen des Bruderzwistes einem ausländischen Staatsmann amtlich in dessen Amtsstube mitzuteilen, so daß die amtlichen Stellen Englands schon aus Höflichkeit zu einem Gast nicht anders konnten, als eine Mitteilung in die „Times" zu lancieren, die etwas Außergewöhnliches in der Art ihres belehrenden und warnenden Tones war. Man wird Wohl auch nicht fehlgehen in der Annayu^, daß man es der Umgebung des Herrn Dollfuß zuschreiben muß. wenn plötzlich dieNachrichtin Umlauf kam, daß er den englischen Außenminister um die „großen Dienste" Der österreichische Presseattache ausgewiesen. Amtlich wird mitgeteilt: „Die österreichische Negie rung hat sich völkerrechtlich schwer dadurch ins Unrecht gebracht, daß sie die in korrekter Weise gemachte formelle Notifikation über die Zuteilung des Herrn Habicht an die deutsche Gesandtschaft in Wien einfach beiscite- geschoben hat. Sie hat ein noch schwereres Unrecht dadurch begangen daß sie, während noch die Auseinandersetzung über diese Frage mit der deutschen Regierung schwebt, mit Gcwalt- matznahmen, Haussuchung und Verhaftung gegen den deutschen Presseattachä Herrn Habicht vorgegangen ist. Sie hat diese völkerrechtswidrige Maßnahme trotz wieder holten schärfsten Protestes bisher in keiner Weise befrie digend bereinigt, insbesondere die Verhaftung noch nicht rückgängig gemacht. Die deutsche Regierung hat unter diesen Umständen sich gezwungen gesehen, von der österreichischen Ge sandtschaft zu verlangen, daß ihr Presseattache sofort das deutsche Reichsgebiet verlaß t." Wie dazu noch aus Wien verlautet, dürfte der öster - reichische Gesandte in Berlin, Tauschitz, nach Wien zur Berichterstattung berufen wer den. Nach London versetzt. Der Presseattache bei der österreichischen Gesandtschaft in Berlin, Dr. Wasferböck, der bekanntlich das Gebiet des Deutschen Reiches verlassen muß, wird aus Berlin am Donnerstag abreisen. Er ist an die österreichische Gesandt schaft in London versetzt worden. „Mit Hitler für Österreich." Ein Aufruf des Wiener Gauleiters. Der Wiener Gauleiter der NSDAP., Frauenfeld, veröffentlicht einen Aufruf an du deutsche Bevölkerung Wiens, in dem erneut darauf ver wiesen wird, daß die NSDAP, den Vorgängen der letzter Tage gänzlich fern st ehe, und sie nicht gutheiße Die Geschehnisse seien aus den in den letzten Monaten in Österreich geschaffenen Zuständen zu erklären Da die Nationalsozialistische Partei diese Zustände nickx geschaffen habe, könnte sie auch nicht dafür verantwortlick gemacht werden. Die Beschuldigung der Staatsfeindlich keit wird als unbegründet zurückgewiesen. Der Gauleiter sagt dann abschließend: Ich weiß mick eines Sinnes mit den Besten des deutschen Volkes ir Österreich, wenn ich erkläre, der Kampf für die Lehr« Adolf Hitlers ist uns Inhalt und Zweck unseres Lebens geworden. Das Ringen um die Erneuerung unseres Volkes auch in Österreich ist eine Missis«, di« wir mit ebenso viel Liebe wie Fanatis mus erfüllen werden. Wir sind die Herolde einer großer Idee, die in Deutschland gesiegt hat und die in Österreich siegen wird und siegen muß, ganz gleich, ol man die Partei auflöst oder nicht. Unser Kampf wirk erst enden in der Erringung des Zieles: Ein Gott, eir Führer, ein Volk und ein Reich. Bis dahin heißt di« Parole: Mit Hitler für Oster rc ich! * Die Wiener Bundesregierung ha! an di« Landesregierungen die Aufforderung gerichtet, auch fül die L a n d e s b e a m t e n und die Gcmeinde- beamten die Zugehörigkeit zur NSDAP, als unzu- läWs L« erklären Englands zur Bereinigung der deutsch-öflerretchtfcyen Meinungsverschiedenheiten angegangen habe. Wieder Hötte Dollfuß wissen müssen, daß es dem Geiste des deutschen Zusammengehörigkeitsgefühls widersprochen hätte, einer dritten Macht die Einmischung in ein eninncren Streit zwischen zwei deutschen Völkern zu gestatten. Als erfahrener Diplomat mußte er sich dessen bewußt sein, daß ei» Intervention von auß enher in rein deutschstämmig enFragen für die natio nale Regierung Deutschlands untragbar sein muß. Wenn Herr Dollfuß sich von seiner Verbeugung vor den anderen einen günstigen Einfluß auf seine An leiheverhandlungen versprach, so haben ihn die plötzlich aufgetretenen Schwierigkeiten darüber auf geklärt, daß er sich da in der Beurteilung der Psycho - logie der „Anderen" getäuscht hat. Heißt es doch, daß ihm gerade von Frank reich her neue Schwierigkeiten in den Weg gelegt wer den, die daraus abzielen, die politische Bewegungsfreiheit Österreichs noch weiter zu beschränken und es auch, wie viele andere, vor den Wagen Frankreichs zu spannen. Habicht kehrt nach SeniWand zurück. Nach den in Berlin vorliegenden Nachrichten hat de» Presseattache bei der deutschen Gesandtschaft in Wien, Habicht, um 17 Uhr Linz im eigenen Kraftwagen verlassen, um nach Deutschland zurüüzukchren. GroßdeuWe Mordnung beim VrrkdesprMenlkn. Einspruch gegen die Verhaftungen. Eine Abordnung von Nationalratsmitgliedern der Großdeutschen Volkspartei sprach beim Bundespräsidenten, beim Vizekanzler und beim Justizminister vor. Sie erhob Einspruch gegen die Verhaftung einer großen Zahl von Deutschen, die mit den Anschlägen der letzten Tage in keinem wie immer gearteten Zusammenhänge stünden und verlangte, deren schnellste Enthaftung. Sie erhob ferner Einspruch dagegen, daß zwei politische nationale Parteien als staatsfeindlich erklärt worden seien, ohne daß die Untersuchung irgendwelche staatsfeindlichen Handlungen ergeben hätte, und forderte die Herstellung normaler Ver hältnisse zum Deutschen Reich. Der Bnndespräsident, der Vizekanzler und der Justizminister nahmen die Erklärungen zur Kenntnis, versprachen, diejenigen aus der Haft zu entlassen, deren Unschuld außer Zweifel stehe, und gaben der Hoffnung Ausdruck, daß bald wieder normale polnische und wirt schaftliche Verhältnisse zwischen beiden Staaien heraesiellt würden. Kein Aufmarsch von SA 'Formationen an der österreichischen Grenze. Das „Wiener Tagblatt" gab eine Sonderausgabe her aus, in der von einem Aufmarsch von SA.-Formationen an der deutsch-österreichischen Grenze gesprochen wird. Dem Anschein nach handelt es sich dabei um folgendes: Bereits seit einiger Zeit hat sich herausgestellt, daß oie Überwachung der deutsch-österreichischen Zollgrenze von den augenblicklich dort stationierten Zollbeamten nicht in genügendem Umfang wahrgenommen werden kann. Tie erhöhte Inanspruchnahme dieser Zollbeamten rührt vor allem davon her, daß die bekannte Reisesperre nach Öster reich eingeführt worden ist. Infolgedessen hat das zustän dige Ministerium sich damit einverstanden erklärt, daß einige SS.-Mannschaften zu einer vorübergehen den Verstärkung des Grenzdienstes eingestellt werden. Diese SS.-Manasckmfwn werden keine Hakenkreuzbinse tragen, sondern die grüne Zollbinde. Sie werden auch nicht als Formation in den Dienst eingeftrüt, sondern es wird mit jedem einzelnen ein Vertrag geschlossen, und der Beireffende wird sich nur als Hilfs- beamter der Grenzpolizei betätigen, in der normalen Zahl der Fälle in Begleitung eines Zollbeamten. Feststellungen des Zentrums« Zur Entwicklung in Österreich. Die Pressestelle des Zentrums veröffentlicht eine Mitteilung, in der im Hinblick auf die Entwicklung in Österreich festgestellt wird, daß von feiten des Zen trums — sowohl der Führung wie der untergeordneten Instanzen — wedereine Verbindung noch eine Fühlungnahme mit der Christlichsozialen Partei und der Regierung Dollfuß bestehe. Das Zentrum habe durch seinen Führer Brüning seine Bereitschaft zur Positiven Mitarbeit am Aufbau des neuen Staates klar zum Ausdruck gebracht. Es hält an dieser Einstellung nach wie vor fest. Deutsche Dergeltungsmatznabmen.