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Wilsdruffer Tageblatt 2. Blatt Nr 87 — Mittwoch, den 12. April 1933 Deutscher frübling. Der Frühling zog ins deutsche Land Mit Sturm und Braus Der Donner grollt Dem deutschen unterdrückten Volk. Ein neuer edler Geist erstand. — Seit langer Zeit mit Kraft und Mut Hat er geschafft für Gut und Blut — Den deutschen Willen aufgerolllt. Wie stets nach langer Winternacht Die Erde wieder aufgewacht. So kam der Föhn ins deutsche Land Und Eis und Schnee und Frost verschwand. Ein Morgenrot glüht weit und breit Am Himmelsdvm. — Nun seid bereit Zu pflügen unsre deutschen Gauen, Die Saat zu legen, aufzubaun. Drum haltet fest, was Euch gegeben, Nicht ost tritt dieses Zeichen ein. Fürs Vaterland — das ist das Streben! Das ganze Deutschland muß es sein. Wo Mut und Kraft und Herz sich finden, Das Volk wird alles überwinden, Vergeßt den Hader — schließt die Reih'n, Ein ganzes Deutschland muß es sein. H. Taggesell. Zusammenschluß der sächsischen polizeiverbände. Ansprachen von Dettens und von Killingers. Lie drei polizeilichen Verbände, der „Sächsische Poli- zeibeamtenbund", der „Verband der Sächsischen Schutz polizei" und der „Verband der Sächsischen Polizeibeamten" haben einstimmig ihre Auflösung beschlossen und das Ver einsvermögen auf die neu zu gründende „Kameradschaft liche Vereinigung der Polizei- und Gendarmeriebeamten Sachsens" übertragen. Oberpräsident von Detten wurde zum Vorsitzenden der nunmehr geeinten Verbände gewählt. Damit sind die seit Jahren bestehenden Zwistigkeiten in nerhalb der Polizeibeamtenschaft behoben und die gesamte sächsische Polizeibeamtenschaft, bei der es besonders auf eine Geschlossenheit auch in ihrem Verbandsleben ankommt, zu einem einheitlichen Ziele und unter eine einheitliche Führung zusammengefaßt worden. In der Gründungsver sammlung in Dresden führte Oberpräsident von Detten unter anderem aus: Ich benutze die Gelegenheit, um das noch klarer auszusprechen, was ich in meinem kurzen Aufruf in Sachsen meinen Kameraden schon zum Ausdruck gebracht habe, daß ich nämlich, soviel an mir liegt, dafür sorgen werde, daß neues Leben in die gesamte Polizei hineinkommt, ein lebendiger, frischer, soldatischer Geist! Wem das nicht paßt, der gehört von jetzt ab nicht mehr in die sächsische Polizei hinein. Ich möchte, daß sich auch jeder Gemeindepolizeibeamte als Vertreter der Autorität des nationalsozialistischen sächsischen Staates fühlt und als solcher auftritt, arbeitet, handelt und kämpft. Unter Soldatentum verstehe ich ganz besonders zwei Tugenden. Disziplin und Kameradschaft. Selbstverständlich müssen wir noch eine Säuberung in Ser sächsischen Polizei durchführen. Wir können "iM möglich Kameraden in unseren Reihen dulden, die sich nicht hundertprozentig hinter Adolf Hitler zu stellen vermögen. Die gegen uns, gegen den nationalen Staat gekämpft haben, gehören nicht in die Reihen der sächsischen Polizei. Ich warne aber vor Befriedigung persönlicher Rachegelüste, Verdächtigungen und Verleumdungen. Ich möchte Ihnen ans Herz legen, daß Sie auch diese Dinge vom Standpunkt des Kameraden aus betrachten. Wir wollen nicht vergessen, was Adolf Hitler gesagt hat: „Die Faust, die sich uns entgegcnballt, wollen wir ansbrechen, um unsere Hand hineinlcgen zu können." Wenn wir in diesem Sinne mit neuen Zielen an unsere Aufgaben Herangehen, dann kann gerade von unserer Arbeit ein ungeheuerer Segen für das ganze sächsische Volk ausgehen. Oberpräsident von Detten schloß mit einem dreifachen Heil auf Reichskanzler Hitler, die sächsische Heimat und das deutsche Vaterland. Die Vereinigung Sächsischer Polizei- und Gendar» merieofsiziere hiolt ebenfalls in Dresden eine aus allen Standorten der sächsischen Schutzpolizei gutbesuchte Jahres hauptversammlung ab. Hier richtete ReichAommifsar von Killinger einige Worte an die Versammlung. Er wies vor allem darauf hin, daß es in Zukunft gelte, die treue Waffen- brüderschaft von Schutzpolizei, SS. und SA. zu fördern. Die Versammlung nahm eine Entschließung an, in der es unter anderem heißt: Die nationale Negierung bietet Gewähr dafür, daß die Berufsbelange der Polizei offiziere voll und ganz vertreten werden. Die kamcrao- schaftliche Vereinigung tritt korporativ der Kameradschaft lichen Vereinigung der Beamten der Sächsischen Schutz polizei bei. Die Zugehörigkeit der Kameradschaftlichen Ver einigung Sächsischer Polizei- und Gendarmerieoffizierc zur Reichsvereinigung Deutscher Polizeioffiziere (Berlin» bleibt, um eine Verbindung mit dem Reiche auficchr- zuerhalten, in loser Form bestehen. ver ttrankenksllenlkanckal. Großreinemachen bei den Krankenkassen Hauptvor stände abgesetzt. — Weitere Auskehr. Der Beauftragte des Reichsarbeitsministers als kom missarischer Leiter des früher marxistischen Hauptverban- des deutscher Krankenkassen hat im Einverständnis mit dem Neichsarbeitsminister in die Verhältnisse und Zustänve dieses rund zwölf Millionen Versicherte umfassenden Krankenkaffenverbandes tief eingegriffen. Alle Vor stände des Hauptverbandes selbst und seiner sämtlichen Unterverbände sind abgesetzt und allen Verbands- bcamten ist zum nächsten zulässigen Termin gekündigt worden. Nur diejenigen Verbandsbeamten werden im Dienste bleiben, die befähigt sind und die Gewähr dafür bieten, daß sie im Interesse des heutigen Staates sich be tätigen. Der Beauftragte des Reichsarbeitsministers hat eine Reihe von größeren Sparmaßnahmen getroffen, die sich auch darin äußern werden, daß alle Einrichtungen und Unternehmungen, die mit den eigentlichen Verbands aufgaben nichts zu tun haben, beseitigt werden. Die Reichstreuhandgesellschaft ist zur Zeit dabei, die Verhält nisse bei der Heilmittelgesellschaft, die schon zu erheblichen Anständen Anlaß gaben, zu untersuchen und zu klären. Weiter gibt der Stand derAllgemeinenRuhe- gehaltsversicherung deutscher Krankenkassen An laß zu ernsten Besorgnissen, da das seitherige unmögliche Umlageverfahren in aller Eile in ein Kapitaldeckungs verfahren übergeführt werden muß. Die Gleichschal - lnng mit Reich, Staat und übrigen öffentlichen Körper schaften verlangt, daß auch die Vertretung des Hauptver bandes bei Prüfungsämtern und Arbeitsgemeinschaften mit Versicherungsträgern eine Umbesetzung erfährt. Die notwendigen Schritte sind auch hier bereits eingeleitet. Zusammenschluß der Spitzenverbände. Zu einer befriedigenden Neugestaltung des Ver hältnisses zu den Ärzten, Zahnärzten, Dentisten und Apothekern sind von dem Beauf tragten in Verbindung mit den übrigen kleineren Kranken tassenspitzenverbänden Verhandlungen angebahnt. Die Zugehörigkeit zur internationalen Krankenkaffen- vereinigung wurde mit sofortiger Wirkung gekündigt, dagegen mit den übrigen deutschen Krankenkassen- spitzenverbänden der seitherige Kriegszustand beendigt und mit ihnen eine Arbeitsgemeinschaft abgeschlossen. Die Öffentlichkeit wird über die weiteren Ergebnisse der Untersuchungen unterrichtet werden. Die vurgcsuu- denen Unklarheiten sind von einem solch ungewöhnlichen Umfang, daß es noch geraume Zeit und anstrengender Tätigkeit bedürfen wird, um völlige Ordnung zu schaffen. Zur Frage der Neuzulassung jüdischer Arzte zu Krankenkassen. Durch die vorläufige Regelung ist die neue Zu lassung von jüdischen Ärzten zur Krankenkassenpraxis gesperrt worden. Was die Verhältnisse bei den Kranken kassen im allgemeinen angeht, so wird die Frage in Zu sammenarbeit mit dem Hartmann-Bund und den anderen ärztlichen Berufsorganisationen, an deren Spitze der Vor sitzende des Nationalsozialistischen Ärztebundes, Tr. Wagner, steht, geprüft und geklärt werden. Es ist damit zu rechnen, daß ein Einvernehmen in Kürze hergestellt wird, bei dem die ausreichende ärztliche Ver sorgung im ganzen Reich sichergestellt wird. * Ein zweiter Sklarek-Gkan-al. Die bisherigen Ermittlungen in dem Krankcnkasscn- komplex haben ergeben, daß es sich hier um einen Korrup tionsherd ähnlicher Art, wie es die Sklarek-Sach« war, handelt. Man hatte eine große Anzahl von Sonderkonten errichtet, um sie der Aufsicht zu ent ziehen. Auf diesen Sonderkonten wurden Millionen angehäuft. Die Direktoren und Geschäftsführer der Krankcnkassenvcr- bände arbeiteten Hand in Hand und gaben sich gegenseitig aus den Sonderkonten Darlehen. Die Diensträume der Krankenkassendirektoren Bendig, eines früheren Sattlergesellen, und Schulz, der früher Schlossergeselle war, sind äußerst prunkvoll mit allen Schikanen der Neuzeit eingerichtet worden. Auch in dem Dienstzimmer des Direktors Eb e l, eines früheren Buchdruckers, ist alles mit größtem Luxus ein gerichtet. Der in einem der Ambulatorien tätige Arzt Dr. med. Cohn mußte fristlos entlassen werden, weil Er mittlungen ergaben, daß er in den Ambulatorien zahl reiche verbotene Eingriffe vorgenommen hat. Die Akten sind in diesem Falle der Staatsanwaltschaft übergeben worden. Weiterhin konnte festgestellt werden, daß die be reits entlassenen Ärzte in den Geschäftsräumen der Ambu latorien zu Weihnachten mit den Krankenschwestern sehr eindeutige „Feiern" abgehalten hatten. Die Inneneinrichtung des Dienstzimmers des fest genommenen Generaldirektors Lehmann vom Hauptverband der Krankenkassen hat 20 000 Mark Kosten MM-tMikdael ovocu ncisre« (48. Fortsetzung.» „Verrücktheit!" knurrte der Vorsitzende. „Können Sie sich vorstellen, daß ein Mensch seinen Bruder anzeigt, wenn er eine Ahnung hat, wo der Täter zu suchen ist? Das wäre das Ungeheuerlichste, was mir in meiner Praxis oorgekom- men wäre Der Vater des Ermordeten sucht meines Erach tens lediglich seinem Rachegefühl gegen den Mörder Genüge zu tun. er will das Verbrechen gesühnt haben. Lediglich das Mag er seinen Stiefbrüdern wegen der Verkaufs geschichte seinerzeit gram sein, das würde meines Erachtens bestimmt keine Veranlassung sein, sich so — ich finde keinen Ausdruck für ein solches Benehmen " ..Sie haben recht, Herr Vorsitzender. Der Kommerzienrat Isl sicher ein anständiger Mensch." Bestimmt sprach er es aus Staatsanwalt Dr. Wallung trat zu den beiden. e.'srig in der Debatte, meine Herren?" No'.'.«« kaum wundern. Herr Staatsanwalt. Ich k» ^" Sicherheit. Der Fall ist meines Erachtens d A daß er einem ernsten Juristen wirklich un- ruhige Stunden machen kann." Der Vorsitzende sprach sehr ernst. In seinen Worten klang ein abweisender Unterton mit. Der Staatsanwalt setzte sich und stemmte beide Ellenbogen auf den Tisch ..Herr Vorsitzender, darin kann ich Ihnen nicht beipflich- ten Dieser Fall sst ein so klarer, wie er mir in meiner ganzen Praxis noch nicht vorgekommen ist. Zweifeln Sie an der Schuld? Schließlich sind wir doch Juristen und soll ten froh sein, wenn uns ein so lückenloser Beweis zur Ent- lastung unseres juristischen Gewissens zur Verfügung steht." „Und das Menschliche? Tscha, Herr Vorsitzender, etwas Robustheit muß uns schon zur Seite, stehen, wenn wir unse ren Weg unbeschwert gehen wollen." Der Vorsitzende lächelte ernst, und ein bitterer Ton lag in seinen Worten: , , „Das — ist eben der Unterschied m unseren Anschauungen, Herr Staatsanwalt. Sie haben em jurlstlicges Gewissen, wir kämpfen um das Menschliche " , Ler Staatsanwalt verbeugte sich leicht. „Dann — werden Sie es sehr schwer in Ihrem Amte ge habt haben und noch haben." „Das ist wahr, Herr Staatsanwalt, bitterschwer. Ein Richter darf es schließlich auch nicht anders erwarten." Herr Efchler-Hochheim stand mit dem Iustizrat Leverkom, dem Verteidiger der Brüder, zusammen. Er hörte der erregten Auseinandersetzung, die von vielen Gesten begleitet war, ohne zu unterbrechen, zu. „So sind Ihre Hoffnungen recht mäßige, Herr Iustizrat?" „Leider, leider, Herr Eschler. Sie machen es einem aber wirklich zu schwer, die Jungens! Was glauben Sie, wie mich Klaus Michael angefahren hat, als ich ihm sagte, er sollte erklären, daß er gewußt habe, daß Ihr Fräulein Nichte tatsächlich eine so enorm reiche Erbin ist. Angebrüllt hätte er mich am liebsten. Er hat es sich dann schließlich verbeten. Ueberhauvt hat er mir untersagt, zu versuchen, ihm durch irgendwelche juristische Kniffe helfen zu wollen. Auskünfte gibt er nach wie vor kaum und — ja, er hält sich völlig un schuldig und das genügt ihm." Eschler-Hochheim schüttelte den Kopf. „Sie müssen es aber doch versuchen!" „Was?" „Ihn überrumpeln. Ich bin überzeugt, daß er, wenn der Vorsitzende dis Frage an ihn richtet, vielleicht doch — ja sagt. Es muß versucht werden." „Gut. Ich tu's. Aber Erfolg? Ich verspreche mir nichts. Gar nichts." „Könnte ich Klaus Michael noch einmal sprechen?" „Ganz unmöglich, völlig ausgeschlossen." „Versuchen Sie es mit Werner Michael, daß er auf Klaus einwirkt. Stellen Sie den Brüdern doch vor. daß es sich nicht nur um sie selber, sondern auch um das Lebensglück meiner Nichte handelt." „Es wird nichts nützen. Ueberhaupt, seitdem Klaus Michael die Tatsache, daß Ihre Nichte so enorm reich ist, weiß, ist er gänzlich verändert. Schroffer und härter. Einen Tag wurde er geradezu heftig." Der Industrielle sann und suchte nach einem helfenden, rettenden Gedanken. Hanna, sein geliebtes Töchterchen, stand vor seinem geistigen Auge, und er empfand das un geheure Weh mit, das sie trug. „Wir müssen einen Freispruch durchbringen, Herr Iustiz rat, wir müssen, denn sie sind unschuldig." „Ich glaube an die Schuldlosigkeit der Brüder, aber an den Freispruch —? Die Geschworenen machen es aus und Staatsanwalt Dr. Wälfung wird ihnen die Köpfe heiß machen." „Staatsanwalt Wälluna —?" „Ja, Herr Eschler, der Mann, den wir am meisten zu fürchten haben. Er haßt die Brüder, denn er war zwei Wochen der Verlobte von Frau Maya von Syrtinghall. Sie kennen die schöne Frau nicht? — Zur Erklärung: Frau von Syrtinghall hat nach vierzehntägiger Brautschäft die Ver lobung gelöst, denn sie liebt — Werner Michael." „Aha — so enträtselt sich der Fall." „Ja. Uebrigens unterhält Werner Michael seit der Ent lobung keinerlei Beziehung zu der schönen Frau." Der Industrielle schüttelte den Kopf. „Wie das Leben spielt — Haß, immer wieder regieren Haß und Liebe." * * * Die Verhandlung ging weiter. Sie brachte zunächst die Vereidigung und Vernehmung des Zeugen Kerpen. Nachdem die Personalien verlesen und geprüft waren, begann die Vernehmung. „Sie waren Zeuge jenes Auftritts auf dem Deutschmeister. Sportklub-Platze?" „Ja." „Wollen Sie uns den Hergang schildern." „Gern! — Erich Michael stand mit seinen beiden Klub freunden, Graf Edward Carnills und Alfred Seyssing zu sammen und war mit seinen Freunden beschäftigt, die auf dem Platze befindlichen Deutschmeister zu glossieren. Spe ziell weibliche Mitglieder des Deutschmeister wurden durch gehechelt. Seine spöttischen Reden ärgerten mich, aber ich fand keinen Grund zum Einschreiten., denn die Spöttereien hielten sich in erlaubten Grenzen. Plötzlich trat Klaus Michael zu mir. Ganz plötzlich stand er an meiner Seite. Da deutete Erich Michael auf Fräulein Hanna Eschler, dis sich mit stud. Hetzer unterhielt und sagte: Kind, guckt euch die Hanna Eschler an, die Geliebte meines netten Onkels Klaus. Die werde ich mir auch noch kaufen. Na ja, es bleibt ja in der Familie." Die Zuhörer rückten vor Spannung mit den Stühlen. „Und dann —?" „Klaus Michael trat vor und faßte Erich Michael an der Brust. Er sagte zwar erbittert, aber doch völlig ruhig: Ihrs unverschämte Aeußerung werden Sie sofort zurücknehmen! Erich Michael lachte: Ich denke nicht daran, Onkelchen. Da schlug ihn Klaus Michael mit einer Ohrfeige zu Boden." „Ich mache Sie auf Ihren Eid aufmerksam. Besinnen Sie sich genau auf alles, was gesprochen wurde," sagte der Vorsitzende. Ich weiß es noch wie Heute (Forffetzung folgt.)