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WUSdeMer Tageblatt 2. Blatt — Nr. 71 Freitag, den 24. März 1933 Tagesspruch. Das ist nicht Weisheit, die nur sich für Weisheit hält. Und sich in fremder Möst' Entdeckung wohlgefällt, Einseitig ist und war die Weisheit aller Weisen; Du wirst Allseitigkeit nicht als dein Vorrecht preisen, jedweder Mensch ist doch nur eine von den Seiten Der Men chheit, welche sich ergänzen und bestreiten. Auch eine bist du nur, daß du dich still ergänzest Mit andern, nützt dir mehr, als daß du streitend glänzest. Rückert. Die Gründung des Deutschen Zollvereins. Zur M. Wiederkehr des Gründungstages. Nach den Befreiungskriegen hatte man bei der Grün dung des Deutschen Bundes die Notwendigkeit einer Zoll einigung sämtlicher deutschen Staaten anerkannt und Be ratungen hierüber in Aussicht gestellt. Da aber die Bundesgesetzgebung nichts auf diesem Gebiete leistete, mutzten die Einzelstaaten selbst die Sache in die Hand nehmen. Preußen begann seine Tätigkeit damit, daß es die Binnenzölle innerhalb des eigenen Landes beseitigte. Die preußischen Provinzen hatten damals 67 verschiedene Tarife, die Provinzen Posen und Pommern allein 48 ver schiedene Münzsorten. Das preußische Zollgesetz vom 26. Mai 1818, dessen Urheber der Generalsteucrdirektor Maaßen war, machte diesen Zuständen ein Ende Lange Zeit dauerte es dann bis die in <als Enklaven) und um Preußen gelegenen kleineren Staaten sich zum An schluß entschlossen. Zuerst fügte sich Schwarzburg-Son dershausen (imOktober 1819),dann folgten andere staaten. Die anhaltischen Lande fügten sich erst, als Preußen tue Elbe am Eingang und Ausgang des Landesablperrte. Am 18. Januar 1828 schlossen dann im suden Bayern und Württemberg einen bayerisch-württemberglschen Zoll verein ab. Ein mitteldeutscher Handelsverein", an welchem Sachsen, Hannover, Kurhessen, Oldenburg, Nassau und andere Staaten teilnahmen, suchte zwischen den preu ßischen und süddeutschen Zollverein einen Keil hinein zutreiben, aber das gelang nicht, zumal da Kurhessen bald austrat und sich an Preußen anschlotz. Zwischen dem preußisch-hessischen und dem bayerisch-württemdergischen Zollverein kam am 27. Mai 1829 ein Handelsvertrag zu stande, der gegenseitige Zollfreiheil festsetzte. Der Abschluß dieses Vertrages war ein Verdienst des preußischen Finanzministers Motz. Ein entscheidender Schritt war aber erst der Vertrag vom 24. März 1 833, durch den die vollständige Vereinigung der preußisch - hessischen und der süddeutschen Gruppe Tatsache wurde. Die anderen Staaten schlossen sich nach und nach an; bei einigen dauerte es allerdings noch Jahrzehnte. In einem großen Teile Deutschlands aber fielen in der Neujahrsnacht 1833/1834 alle Zollschranken. „Auf allen Landstraßen Mitteldeutsch lands", schreibt der große Historiker Treitschke, „harrten die Frachtwagen hoch beladen in langen Zügen vor den Manthäusern, umringt von fröhlich lärmenden Volks haufen. Mit dem letzten Glockenschlag des alten Jahres hoben sich die Schlagbäume, die Rosse zogen an, unter Jubelruf und Peitschenknall ging es vorwärts durch das befreite Land." Die wirtschaftliche Einigung, die durch Preußens Ver dienst zustande gekommen war, war nur eine Vorläuferin der politischen Einigung. Aus dem „Zollbund" mutzte mit der Zeit ein „Vollbund" werden. Demonsiration gegen die vier Groß mächte in Gens. Keine Vertagung der Abrüstungs konferenz. Der Hauptansschutz der Abrüstungskonferenz hat in einer kaum 15 Minuten dauernden Sitzung ohne jede Aus sprache entgegen dem ursprünglichen Wunsch der englischen und italienischen Regierung und entgegen der offiziellen Ankündigung des Präsidenten Henderson die beabsichtigte Vertagung der Konferenz bis nach Ostern abgelehnt und beschlossen, unverzüglich in die Generalaussprache über den neuen englischen Plan einzutreten Die Abstimmung, in der fast sämtliche Mächte gegen die Vertagung stimmten, löste die größte Über raschung aus und wurde mit stürmischer Heiterkeit ausgenommen. Bis noch kurz vor der Sitzung galt die Vertagung der Konferenz bis Ende April, möglicherweise sogar bis in den Sommer hinein als vollständig gesichert. * Die vom Hauptausschutz beschlossene Fortsetzung der Arbeiten der Abrüstungskonferenz wird in Genf als eine offene Demonstration der Kleinen Entente, Polens und zahlreicher anderer kleinerMächte gegen die von der englischen und italienischen Regierung ange strebte Einigung der vier europäischen Großmächte angesehen. Die Abrüstungskonferenz sollte dadurch ihre völlige Unabhängigkeit von allen Vereinbarungen der vier Großmächte und die Bedeutungslosigkeit aller außerhalb der Abrüstungskonferenz gefaßten Be schlüsse kundtun. England und Italien haben sich angesichts des starken Widerstandes der französischen Staatengruppe gegen eine Vertagung der Konferenz mit der Weiterführung der Verhandlungen abgefunden. Auf deutscher Seite wird der Standpunkt ver treten, daß aus sachlichen Gründen eine Vertagung der Konferenz zweifellos zweckmäßig gewesen wäre. Die deutsche Abordnung sei jedoch bereit, auch weiterhin an der Konferenz mitzuarbeiten und wie bisher die deutschen Abrüstungsforderungen bei der Durchberatung des eng lischen Planes zu vertreten. Jedoch wird in deutschen wie auch in eng lischen und italienischen Kreisen übereinstimmend die Auf fassung vertreten, daß die Abrüstungskonferenz ohne eine Einigung der vier Großmächte zu keinem praktischen Er gebnis gelangen kann und deshalb die Weiterführung der Konferenz ohne die jetzt eingeleiteten Einigungsverhand lungen der vier Großmächte völlig illusorisch erscheint. Der Hauptausschutz der Abrüstungskonferenz wird nun am Freitag in die Generalaussprache über den eng lischen Abrüstungsplan eintreten. Es zeigen sich jedoch deutlich Tendenzen, diesen Plan mit der Begründung abzulehnen, datz der Plan eine Aufrüstung Deutschlands ermöglicht. 6SVV0 Arbeitslose weniser! Beachtliche Entlastung des Arbeits- Marktes. Nach dem Bericht der Ncichsaustalt für die Zeit vom 1. bis 15. L.„..z 1933 hat die Frühjahrsentlastung des Arbeitsmarktes in der ersten Hälfte des Monats März weitere beachtliche Fortschritte gemacht. Bei den Arbeits ämtern waren am 15. März rund 5 935 000 Arbeitslose gemeldet. Bemerkenswert ist, datz der Rückgana mit rund 65 000 bereits stärker war als in der zwei Hälfte Februar: Seit Beginn der Frühjahrsentlastui hat damit die Zahl der eingetragenen Arbeitslosen um üoer 110 000 abgenommen. Im Vorjahre lag dagegen der Höhepunkt der erfatzten Arbeitslosigkeit erst Mitte Mär bei rund 6129 000 Arbeitslosen. Die milde Witterung ist nicht nur dem fre' Arbeits- martt, sondern auch den Notstandsarbeiten uno -cm Frei willigen Arbeitsdienst zugute gekommen. Die Zahl der Notstandsarbeiter in der wertschaffenden Arbeits losenfürsorge dürfte inzwischen 50 000 überschritten haben Im Freiwilligen Arbeitsdienst wird die Zahl der Arbeits dienstwilligen von rund 193 000 Ende Februar auf etwa eine Viertelmillion gestiegen sein. Der Arbeitsmarkt in Sachsen. Die Frühjahrsbelebung konnte sich in der Zeit vor Ende Februar bis Mitte März 1933 stärker auswirker als in der zweiten Februarhälfte. Die Zahl der Arbeit suchenden sank in der Berichtszeit von 721 000 au! 715 954. Am 15. März 1933 lag die Zahl der Arbeit suchenden um 9442 unter dem Stand des 15. März 1932 der den Höhepunkt der vorjährigen winterlichen Arbeits losigkeit darstellte. In diesem Jahre scheint der Höhepunk! der winterlichen Arbeitslosigkeit schon Mitte Februar über schritten zu sein, und es ist zu hoffen, daß die Arbeitsbefchaffungsmaßnahmen, die schon während der Berichtszeit günstige Auswirkungen auf dem Arveitsmarkt der Industrie der Steine und Erden und des Baugewerbes zeitigten, auch weiterhin den Ar beitsmarkt entlasten werden. Saisonmätzige Belebungserschcinungen wachen sich nicht nur in den Autzenberufen, sondern aucs in verschiedenen Verbrauchsgüterindustrien geltend, so ir einigen Betriebszweigen der Textilindustrie, ferner in dei Schneiderei und Wäscheindustrie, im Hut- und P.tz- gewerbe und in der Süßwarenindustrie. Die Automobil- und Fahrzeugindustrie konnte während der Berichlszeb in mehreren Arbeitsamtsbezirken ihren verhältnismäßig günstigen Beschäftigungsgrad halten und weitere Fach arbeitskräfte aufnehmen, während in den übrigen Zweige« der Metallindustrie Einstellungen und Entlassungen mit- einander abwechselten. Nachgelassen hat die Beschäftigung in den Kammgarn-, Streichgarn- und Vigognespinnereien so daß im ganzen die Zahl der Arbeitsuchenden des Spinn st ofsgewerbes während der Äerichtszeü wieder eine Steigerung um rund 800 erfuhr Die Landwirtschaft war in stärkerem Umfange aufnahmefähig für Arbeits kräfte als in der vorhergehenden Berichtszeit. Dabei stütz die „Landhilfe" auf lebhaftes Interesse bei den Land wirten. Die landwirtschaftlichen Fachabteilungen dei Arbeitsämter entfalten eine lebhafte Werbetätigkeit für den Gedanken der Landhilfe. — Die Zahl der Hauptunter- stützungsempfänger in der Arbeitslosenversicherung könnt, eine weitere Verminderung von 93 944 auf 87 278 erfah ren, während in der Krisenfürsorge infolge der gesperrte« Aussteuerungen eine fortschreitende Zunahme zu verzeich nen ist, und zwar von 172 228 auf 175 404 Hauptunter stützungsempfänger. Tatkräftige Mitarbeit der Industrie am nationalen Ausbau. Das Präsidium des Neichsver bandel der Deutschen Industrie trat in Berlin zn einer Sitzung zusammen, die einer Aussprache über die politische Lage diente. Einmütig wurde betont, datz es für den not wendigen tatkräftigen Wiederaufbau darauf ankomme, die Sammlung und Mitwirkung aller aufbauwilligen Kräfte herbeizuführen. Die deutsche Industrie, die sich als einen wichtigen und unentbehrlichen Faktor für den nationalen Aufbau betrachte, sei bereit, andieserAuf- gabe tatkräftig mitzu wirken, und der Reichs verband der Deutschen Industrie — als ihre wirtschafts politische Vertretung — werde alles tun, um der Reichsregierung bei ihrem schweren Werk zu helfen. Weiter erklärte die Vereinigung der deutschen Arbeitgebererbände in einer Mitteilung, datz die in der Vereinigung zusammengeschlossenen deutschen Unternehmer freudig das Bekenntnis der Regierung des nationalen Zusammenschlusses zum sozialen Frie den und zur Beseitigung des unsere Volksgemein schaft zerreißenden Klassenkamvfes begrüßten. Sie stellen "h i:r Negierung mit allen ihren Kräften zur M^arbeit an dem Ziel zur Verfügung, durch harmonische Zu sammenarbeit der Arbeitgeber nnd Arbeitnehmer eine neue Kraftquelle zur Wiederaufrichtung von Volk und Wirt schaft zu erschließen. Dänischer preffevertret-r bei Thälmann. Eindeutige Widerlegung eines Grcuelmärchens. „Berlingska Tidende" veröffentlicht in großer Aus machung einen spaltenlangen Bericht seines Berliner Kor respondenten über dessen Besuch bei Thälmann im Ge fängnis. Der Korrespondent schreibt unter anderem: Wochenlang haben in den Zeitungen in aller Welt Gerüchte über eine Ermordung Thälmanns gestanden. Das Gerücht ist unwahr. Ich sprach heute um 10 Uhr Thälmann und kann bezeugen, daß er nicht mißhandelt worden ist, sondern daß es ihm gut geht, und er gesund aussieht. Der Staatsanwalt, der mich begleitete, stellte an Thälmann Fragen, die dieser höflich beantwortete. Thäl mann sieht sogar zufrieden aus. Von Miß Handlungen trägt er weder Wunden noch sonstige Mert male im Gesicht. Zu mancher Frage lächelt er nnd sagt, daß er cs gut habe. Selbstverständlich ist er vom Gesängnisaufenthalt seelisch bedrückt, aber das, sagt er, sei ja eine andere Sache. Thälmann hat zu lesen und auch andere Erleichterungen. Es sei nicht seine Absicht gewesen, nach Kopenhagen zu flüchten. Severing verhaftet. Als Severing, der Innenminister der allen Preutzenregierung, den Reichstag betreten wollte, wurde er von Beamten der Abteilung I der Kriminalpolizei ver haftet. Wie verlautet, wird Severing vorgeworfen, Poli zeikostenzuschüsse zu politischen Propagandazwecken der alten Preutzenregierung mißbräuchlich verwandt zu haben. * Severina nahm an der Adsiimmuna teil. Der früher/ preußische Innenminister Severing, der zur Vernehmung in das Innenministerium gebracht worden war, erhielt Gelegenheit, an der Abstimmung im Reichstag teilzunehmen. Nach der Abstimmung wurde er in das Innenministerium zurückgebracht. Neue große Wafsensunde. Revolver im Siarlasten und aus dem Birnbaum. Aus zahlreichen sächsischen Gemeinden sind in den letzten Tagen Meldungen über Wassens unde bei Kommunisten und Sozialdemokraten ein gegangen In Colditz wurden mebrere Pistolen, ein Gewehr und außerordentlich viel Munition — darunter Dum-Dum-Geschosse — zutage gefördert. Ein Kommunist hatte Wurfgranaten angefertigt, die zum Teil nach Leipzig gebracht worden sind Bei Zschorlau im Erzgebirge wurden, im Walde vergraben, zwei Dynamitbomben ge funden. Eigenartig sind manchmal die V e r st e ck e, in denen die Waffen untergebracht sind. In Colditz hatte ein Kommunist Waffen auf einem Birnbaum ver steckt, und in einem Starkasten in Schellenberg-Leubs dorf fand man zwei Revolver, 150 Schuß Munition und vier Gummiknüppel. Im Dachboden einer Kirche wurden ebenfalls Waffen und Munition entdeckt. In Lichten- stein-Callnberg fand man bei Angehörigen des aufgelösten Reichsbanners außer 70 Schuß Munition Gewehre, die gut eingefettet und vergraben bzw. ein gemauert waren. Im Zusammenhang mit diesen Waffen- funden wurden zahlreiche Verhaftungen vorgcnommen. Handgranaten und Dum-Dum-Geschosse. In Lüneburg wurde aus einem Grundstück eine Vergrabene Blechkanne gefunden, die verschiedene Hand granaten, Sprengkapseln und Patronen, darunter auch Dum-Dum-Geschosse enthielt. Auch wurde eine große Menge illegaler Druckschriften beschlagnahmt. lAlt neuen klickern: „siudmrelcds sisdnsn Osuirckier Oer cd lichte" kins vvsi dsicisn ist nur mügliclr: Isloskquslitst ocier s^eckunys-l-uxus. >^/ss wslilen 8ie? Wir uncl mit uns Millionen Ksuctrer ksvorrugsn clie erstklassige Ouslitst 6er loulgsrisclien kclsl-Isbske, cleren Vsrwsnclung uns sllerclings so viel kostet, clsh wir uns ?3ckungs-kuxus nickt leisten können. VUlKKMK HA 601.0 ««ne MWAMMMWUD o''""" -