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Geschäftsstelle, nehmen zu leder Zeil Bestellungen ent- Wüchenvkatt für Wilsdruff u Umgehend gegen. Im Falle höherer Gewalt,Krieg ad,sonstiger II - " " - Betriebsstörungen besteht stein Anspruch aus Lteserung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. Siücksendung eingesandtcr Schriftstücke erfolgt nur, wenn Aücknartn beilieat. Nr. 53 — 92. Jahraann Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" Wilsdrusf-Dresdon Postscheck: Dresden AU0 Freitag, den 3. März 1933 Einholung -es Präsidenten Roosevelt. Am 4. März 1789 trat in den Vereinigten Staaten von Nordamerika die Verfassung in Kraft. Seitdem finde» Präsidentenwechsel in den „Staaten" immer an einem 4. März statt. Ein solcher Prästdentenwechsel voll zieht sich in feierlichen Formen, wie es der Be deutung der Sache und des Tages entspricht, aber es ist nicht richtig, daß — wie vielfach behauptet wurde — be sonderer Prunk entfaltet wird, und daß die Übernahme der Präsidentschaft durch den neuen Präsidenten einer Krönungsfeier gleiche. . Natürlich strömen aus allen Teilen der Union und selbst aus anderen amerikanischen Ländern, so besonders aus Kanada und Mexiko, Fremde in grotzer Zahl nach Washington, um der Einführung des Präsidenten in sein Amt beizuwohnen. Washington erwartet für Sonnabend einen Zuzug von mindestens 50 000 auswärtigen Zu schauern. Die Eisenbahnlinien haben hundert Extrazüge bereitgestellt. In amtlicher Eigenschaft erscheinen Ver treter hoher Staats- und Kommunalbehörden, Gouver neure, Mitglieder des Obersten Gerichtshofes, Bürger meister, und selbstverständlich auch die Mitglieder des Diplomatischen Korps. Äußerlich zeigt Washington das Bild eines Feiertages, und zum Feiertag gestaltet sich der 4. März auch in allen anderen Orten des Landes bis in die stillsten Winkel. Die öffentlichen Gebäude und viele Privatgebäude tragen Flaggen- und Blumenschmuck, und es gibt militärische Paraden und am Abend festliche Be leuchtungen. In den Kirchen und in anderen Betstätten finden Festgottesdienste statt, und das ganze Volk ist in Festtagsstimmung und vergißt für einen Tag die Sorge um „business", um das Geschäft. Recht stimmungsvoll Pflegt die Fahrt des Präsidenten zum Kapitol, wo der Erwählte des Volkes den Eid auf die Verfassung leistet, zu sein. Es ist eine große Auffahrt, mit militärischer Eskorte, Musik und allem, was sonst noch dazu gehört, eine Auffahrt, an der sich die ganze offizielle Welt in Gala beteiligt. Vor der feierlichen Eidesleistung findet ein Gottesdienst statt. Dann schwört der Präsident, daß er als höchster Beamter des Staates die Verfassung getreu halten werde zum Wohle dös Landes, das ihm dis höchste Würde verliehen habe. Den Eid nimmt der Vor sitzende des Obersten Gerichtshofes ab. Präsident Roosevelt wird, wie es heißt, den Eid auf die Familienbibel der Roosevelts, die aus dem Jahre 1670 stammt, ablegen. Eine zweite Eidesformel macht den Präsidenten zum obersten Befehlshaber aller Streitkräfte der Union. Auf die Zeremonie der Eidesleistung folgt im Kapitol die erste große Gratulationscour in der in Amerika üblichen Weise, d. h. mit recht vielen Händedrücken, die der Präsident über sich ergehen lassen muß. Die Antrittsrede Roosevelts soll, wie berichtet wird, nur 12 Minuten dauern. Den Festtag beschließt ein großes Festessen im Fest saale des Weißen Hauses und ein Ball. Daß inzwischen draußen in der Stadt und draußen im ganzen Lande mehr oder minder prächtige Feuerwerke mit Raketen, Feuer rädern, Knallfröschen und anderen lauten Feuerwerks körpern, die nicht ganz ungefährlich sind, abgebrannt wer den, ist selbstverständlich. So etwas gehört in den „Staaten" zu jeder größeren Festlichkeit. Und auch eine ausgiebige Reklamebeleuchtnng der großen Geschäfts häuser, Banken, Hotels und Theater gehört dazu! Ter zurücktretende Präsident Hoover wird sofort nach der Amtsübergabe vom Bahnhof Union Station in Washington nach Newyork abfahren. Er hat bereits auf einem Pazifikdampfer Plätze für eine Reise durch den Panamakanal nach San Franzisko belegt. Er beabsichtigt, sich unterwegs mit Tiefseeangeln zu beschäftigen. Hoovers Abschied. Aus dem „Weißen Haus" in Washington, dem Palais des amerikanischen Staatspräsidenten, scheidet ein Mann, dem ein Wilson-Schicksal beschieden war. In seines Vor gängers allzu schwachen Händen lagen die Geschicke einer kriegszerwühlten Welt, die nach einem wahren Frieden schrie, — aber er vermochte diese Geschicke nicht zu meistern, so daß der Welt ein solcher Frieden in Versailles beschert wurde. Und als Wilson wieder nach Washington zurück- gekehrt war, da wandte sich sein Volk von ihm und bald tauchte er hinab in das politische Dunkel. Auch Hoover muß jetzt das „Weitze Haus" verlassen, begleitet von dem eisigen Schweigen seiner ehemaligen Freunde und empfangen von einem Volksurteil, das sich bei den Präsidenten- und den Parlamentswahlen des ver gangenen Novembers mit größter Schärfe gegen ihn aus gesprochen hatte. Er war gewählt worden, als in Amerika die Wirtschaftsblüte ihre vollste Entfaltung gewonnen hatte, — und bei seinem Abschied ist sie vertrocknet, ver dorrt! Dem scheidenden Präsidenten blieb eines versagt, was sein Volk aber von ihm verlangte: ein sichtbarer Er folg im Kampf gegen die furchtbare Wirt schaftskrise, in dem Versuch, von den noch stehenden Krümmers der amerikanischen Wirtichall alles ru retten M Mli HiWlizei sör SaW Heute versucht man, die Leipziger Messe in Mißkredit zu bringen, indem geflissentlich das Gerücht verbreitet wird, daß diese Veranstaltung gestört werden würde. Von zuständiger Stelle wird darauf hingewicsen, daß selbstverständlich kein wahres Wort an diesem Gerücht ist und die Leipziger Messe ohne jede Störung stattsindcu wird, so daß für keinen Besucher der Messe, sei es aus dem Jnlandc, sei es aus dem Auslande, irgendwelche Schwierigkeiten entstehen werden. Die Regierungsstellen werden wie immer den Messe- Veranstaltungen jede nur mögliche Förderung zmcil wer den lassen und die Messcbesucher vor allen Versuchen einer Störung des Messebetriebes durch linksradikale Elemente schützen. Darüber hinaus wird gegen die Verbreiter dieser Gerüchte mit aller Schärfe, vorgegangen werden." Weitere ErMtigW U Gmeinden. Die sächsische Regierung hat die Aufstellung einer staat lichen Hilfspolizei verfügt, die bei besonderen Notständen zur Entlastung der ordentlichen Polizeikräfte dienen soll. Sie hat die Kommunalpolizeibehördcn ermächtigt, in gleicher Weise zu verfahren. Die Hilfspolizci wird grund sätzlich nur unter Führung der ordentlichen Polizei tätig Werden und in erster Linie gewisse einfachere Aufgaben, wie den Schutz öffentlicher Gebäude, Pslizeiunterkünste und lebenswichtiger Betriebe zu übernehmen haben. Zu nächst werden bei den staatlichen Polizeibehörden Forma tionen in Stärke von insgesamt 1500 Mann eingerichtet. Als Hilfspolizisten dürfen nur persönlich einwand freie, zuverlässige, nationalgcsinnte Deutsche eingestellt werden, die 21 bis 45 Jahre alt und ortsansässig sind und die eine Ausbildung mit der Schußwaffe nachweisen. Die Hilfspolizei wird aus staatlichen Beständen mit Schirm mützen, Rockblusen, ohne Dienstgradabzeichen, und wenn notig mit Mantel ausgestattet und bewassnet. Sie wird durch eine weiß-grüne, mit der Aufschrift „Staatliche Hilfs polizei" und mit dem Dienststempel der staatlichen Polizei behörde versehenen Armbinde besonders erkenntlich ge macht. Der Hilfspolizeidienst ist ein ehrenamtlicher, jedoch Wird für Dienstleistungen über sechs Stunden eine tägliche Aufwandsentschädigung von 3 Mark gezahlt. * Haussuchung im Sächsischen Landtag Dresden, 2. März. Das Presseamt des Dresdner Po lizeipräsidiums teilt mit: Zur weiteren Bekämpfung der kom- mutnstischen Geschr hat heute mit Genehmigung des Landtags präsidenten eine Durchsuchung der der kommunistischen Land- tagsfraklion zur Verfügung stehende Räume im Landtagsgr- bäude stattgefunden. Das bei dieser Durchsuchung Vorgefundene Material wird zur Zeit noch gesichtet. * Leipziger Messe ohne jede SiSrnng. Amtlich Wird aus Berlin eine Mitteilung verbreitet, in der es unter anderem heißt: „Die Feinde des natio nalen Deutschlands sind zu ganz raffinierten Methoden der Beunruhigung übergegangen, nachdem ihnen ihr ge fährliches Treiben in der Presse unterbunden worden ist. Oie Hilfsmaßnahmen sür die FoisiandsHezirle. Amtlich wird mitgctcilt: In Ausführung der Be schlüsse des Reichskabinetts über Einleitung von Hilfs maßnahmen aus dem Lebcnsmittelgcbict zugunsten von Notstandsbczirken sind die beteiligten Rrichs- rcssorts dahin übereingekommen, daß rund 40 000 Zentner Buttler und 700 000 Zentner Rog gen unentgeltlich vom Neichsernährungsministe- rium der notleidenden Bevölkerung dieser Notstands- be^irke alsbald geliefert werden. Arbeitslos: und sonstige Hilfsbedürftige sind cs, denen die neue Aktion zugute kommen wird. Daneben sollen auch die Bauern in den besonders notleidenden Waldgebirgsgcmeinden, in denen Brotgetreide nicht angcbaüt wird, Niehl aus Roggen erhalten. Die Hilfsmaßnahmen werden in Verbindung mit Ländern und Gemeinden durchgeführt werden. An diese liefert das Reich unentgeltlich die genannten Lebens mittel. Der einzelne Unterstützte würde also lediglich die entstehenden Unkosten (z. V. Backlohn und Mahllohn) ^zu tragen haben, wobei zu hoffen ist, daß durch Ent gas genko m m e n der Länder, Gemeinden und der frei willigen Wohlfahrtspflege sich für die Bedürftigen weitere Vergünstigungen erzielen lassen. Die Verhandlungen mit den beteiligten Stellen sind ein- acleitct worden. und auf ihnen zum mindesten die Anfänge eines neuen Gebäudes zu errichten. Das aber ist ihm mißlungen. Nicht einmal jene Trümmer vermochte er vor weiterem Zerfall zu bewahren, und wenn er jetzt vom Stuhl des Präsidenten aussteht und hinausgeht in das politische Nichts, so tönt ihm in den Ohren der gewaltige Bankenkrach, der noch weitere Teile des amerikanischen Kreditsystems zum Ein sturz brachte und neue, riesige Verluste verursachte. Hoover hat eine neue Wirtschaftsblüte nicht herbcizaubern können, nicht einmal die Anfänge dazu; uud darum muß er jetzt als Sündenbock in die Wüste gehen. Allerdings ist er durchaus nicht ohne eigene Schuld dazu gemacht worden. Aber wir Deutsche können gegenüber dem Scheiden dieses Mannes nicht das eisige Schweigen ehemaliger Freunde aufbringen; denn „uns war er mehr". Mit seinem Namen und seinem politischen Wirken verknüpft sich ja das „Schuldenfeierjahr", das uns in höchster Not ein Aufatmen von Jahresfrist bringen sollte und in seinen letzten Wirkungen bis znr Lausanner Konfe renz reichte, auf der die deutsche Tributfrage auch formell geregelt wurde in einem Sinne, der jedenfalls praktisch das Ende dieser Tribute bis auf einen geringen Rest be deutet. Doch schon damals mußte man dem Präsidenten Hoover vorwerfen, daß er sich von Frankreich die Früchte seines Vorschlages entreißen ließ, ehe sie voll ausgereift waren. Das dürftige Resultat der Londoner Konferenz 1931 zerstörte großenteils die massenpsychologische Wirkung einer Idee, die durch eine zunächst einmal zeitweise Bsi- feitestellung einer der weltwirtschaftlichen Krifenursachen den Zusammenbruch aufhalten wollte, von dem ja auch Amerika damals schon seit anderthalb Jahren ergriffen war. Vielleicht hat Hoover gehofft, durch eine restlose Verwirklichung seines Planes die Krise tatsächlich über winden, die Dinge wieder zum Besseren wenden zu können. Doch schon waren seine Hände zu schwach ge worden, um seine Idee rücksichtslos durchzuführen. Als in London die Umhüllung fiel, da war nur noch ein Torso zu sehen, von dem sich die Völker enttäuscht abwandten und den die Gegner Hoovers und seines Planes hämisch kritisierten. Und einen Monat später begann der Angriff dieser Gegner auf den Dollar, der bis dahin als König der Währung auf einem goldenen Thron gesessen hatte. Das verhinderte auch, daß Hoover das zweite internationale Wirtschastsproblem anpacken konnte, die Frage der Kriegs schulden: un Lelo st Übersicht, er sie wiuemBachfolLer. Was er bei seinem Scheiden hinter sich läßt, ist wirt schaftlich cin Trümmcrfcld, an dessen Rande heute etwa 20 Millionen Arbeitslose stehen. Denn Hoovers Kampf- mcthode gegen die amerikanische Wirtschaftskrise hat ver sagt und mutzte versagen, weil er aus das zum Hoch- kapitalismus emporgetriebene Wirtschaftssystem seines Landes gerade das Gegenteil dessen anwenden wollte, was das Grundprinzip dieses auf dem freien Wettbewerb und der eigenen Verantwortung anfgebauten Systems ist: „Du sollst nicht stützen, was stürzt!" Hoover ovcr baute fieberhaft eine riesenhohe Zollmauer rings um sein Land — und erreichte damit gar nichts! Denn die Welt, die an Amerika nichts mehr verkaufen sollte, konnte bald auch nichts mehr von ihm kaufen. Die Arbeitslosigkeit, der industrielle und landwirtschaftliche Zusammenbruch verstärkte sich vielmehr, und bald Ivar auch die Unmöglichkeit einer amerikanischen „Autarkie" sichtbar, mit der Hoover eine Zeit hindurch spielte. „Du sollst nicht stützen!" — aber überall im knistern den, krachenden, einstürzenden Gebäude der amerikanischen Wirtschaft lictz Hoover goldene Stützbalken ein ziehen und begleitete dieses Tun mit Wünschen, die Hoff- nungen, Mut, Initiative erwecken sollten, aber doch nur auf einen — Reklameoptimismus hinausliefen. Anstatt die Riesenhlöcke.der eingefrorenen Kredite rücksichtslos bei- seitezuschieben oder zu zertrümmern, bemühte er sich, sie mit der Flamme hemmungslosester Krediterwciterung auf zutauen. Wären diese Methoden der Krisenbekämpfung nicht angewendet worden, dann hätte es vielleicht schon vor zwei Jahren ein entsetzliches Trümmerfeld infolge eines radikalen Zusammenbruches gegeben, aber — man wäre schon seit zwei Jahren beim Wiederaufbau. An die Stelle eines Endes mit Schrecken fetzte Hoover den Sch recken ohne Ende, und im Kampf gegen die Krise wurde er zum Krisenverlängerer. Schlimmer noch war es, datz dieses verhängnisvolle Beispiel auch bei den Negierungen anderer Länder Nachahmung fand. Mit demselben Mitzerfolg. Ein Mann geht ins Dunkel des politischen Nichts, geschlagen im Kampf gegen eine Entwicklung, die er Hütte beschleunigen müssen, um sie wenden zu können. Auf ihm lastet bei seinem Scheiden die Schuld, „die Forderung des Tages", wie Goethe nicht erkannt zu haben, lastet auch das Schicksal, das beste um gewollte es aber nicht erreicht zuhaven.