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I MMxMer LWMM I ! 2. Blatt Nr. 50 — Dienstag, den 28. Februar 1933 8 Tagesspruch. Nicht in -einer dumpfen Klause Sitze mit des Schmerzes Geistern, Herren werden sie im Hause, Draußen wirst du sie begeistern; Draußen vor dem freien Blicke Flieh'n sie scheu und klein zurücke. Jul. Hammer. Fröhliches Säen mö seliges Ernten- Die Hoffnungen der sächsischen Landwirtschaft. In der letzten Zeit hat die sächsische Landwirtschaft in den verschiedenen Teilen des Landes wieder eine Heer schau abgehalten, die zugleich zu einer Zusammenfassung der Wünsche und Hoffnungen geführt hat, mit denen die sächsischen Bauern der Zukunft entgegensehen. Daß die Vergangenheit in dem stark industriellen Sachsen mit seiner über den Stand in allen übrigen deutschen Ländern hin ausragenden Arbeitslosigkeit auch die Landwirt schaft in eine ungemein schwierige, wenn nicht kata strophale Lage gebracht Hatz ist mit der Zeit auch den landwirtschaftsfremden Kreisen längst zum Bewußt sein gekommen. Eine andere Frage ist, wie diesem ver heerenden Zustands am nachhaltigsten und wirksamsten abgeholfen werden kann. Auf industrieller Seite meint man, daß eine Vermehrung des Exports — und die sächsische Industrie ist nun mal in besonderem Matze auf die Ausfuhr ihrer Erzeugnisse eingestellt — auch die Kaufkraft des Binnenmarktes heben mützte, womit dann auch dem Landwirt geholfen sein würde. Und man wirft in diesem Zusammenhänge die Frage auf, welchen Nutzen Wohl der Landwirt von höheren Preisen für seine Waren haben könnte, wenn die industrielle Bevölkerung reine Mittel habe, ihm diese Preise zu bezahlen. Diesen Argumenten stellt die Landwirtschaft aber andere gegenüber. Auch sie zeigt sich — wie erst kürzlich Oberlandwirtschaftsrat Dr. Lenhard in einer Bezirksver sammlung der Kreisdirektion Dresden der Sächsischen Landwirtschaftskammer aussührte, an hohen Verkaufs preisen durchaus nicht unbedingt interessiert, sie legt viel mehr Wert auf eine Senkung der G e st e h un g s k o st en. Sie erhebt den Vorwurf, daß die Industrie billiger an das Ausland, als für das Inland liefere, und versteht unter den Gestehungskosten nicht allein die Preise für Maschinen und Düngemittel, sondern auch die als beson ders drückend empfundenen Steuern und sozialen Lasten. Auch das Mißverhältnis zwischen den Stallpreisen für Vieh und den von den Verbrauchern zu zahlenden, durch Zwischenhandel vmd hohe Schlacht st euern und Schlachthofgebühren in die Höhe getriebenen Preisen wird bemängelt und eine Änderung dieses Miß verhältnisses dringend gefordert. Und wenn man erfährt, daß die Schlachthofgcbühren allein des Fleisch um durch- sckmittlich 11 Pfg. je Pfund verteuern, dann erscheint diese Klage nur zu berechtigt. Und mit Bedauern hat man ver nommen, daß die sächsische Regierung erklärt Hatz in An betracht der traurigen Lage der Staatsfinanzen auch im neuen Rechnungsjahre von einer Erhebung des fünf zigprozentigen Zuschlages zur Schlacht steuer nicht verzichten zu können. Der Städter ist nur zu leicht geneigt, die Schuld für die ihm im Verhältnis zu seinem Einkommen unerträglich erscheinende Höhe der Lcbensmittelproise dem Bauern in die Schuhe zu schieben. Mögen diese Zeilen dazu bei tragen, auch in den landwirtschaftsfremden Kreisen die Er kenntnis zu wecken, das; dieser Vorwurf in jeder Weise unbegründet ist. Im Gegenteil: Die sächsische Landwirtschaft, in der der kleinere und mittlere Betrieb vorherrschend ist, leidet schwer unter der Ungunst der Zeit. Und je höher das Land nach den Kämmen des Erzgebirges, des Fichtel- und des Lausitzer Gebirges zu ansteigt, um so höher steigt auch die Not. Um so bewundernswerter ist aber auch die zähe Selbsthilfe, mit der der sächsische Bauer sich auf seiner Scholle zu halten pflegt, die Mühe, die er aus die Ver- edelungswirtschaft verwendet und der Mut, mit der er einer besseren Zukunft entgegenstrebt. Inzwischen hat der V o ll st r e ck u n g s sch u tz auch den Landwirt in unserem wirtschaftlich besonders gefährdeten Grenz- land vor dem ärgsten bewahrt, vor dem Vertricbenwerden vom angestammten Hof seiner Väter. Aber das ist nur der erste Schritt. Der sächsische Landwirt hofft und wünscht, saß auch die weiteren Forderungen, die er in Über einstimmung mit der gesamten deutschen Landwirtschaft erhebt, in Erfüllung gehen und ihm damit die Rentabilität sichern, ohne die ein ertragreiches Schaffen, ein fröhliches Säen und seliges Ernten nun einmal nicht denkbar sind. ldi. Die Heldentat der „Emden" Australische Ehrung sür Deuischland Das Namensschild der „Emden" Hinden burg übergeben. Reichspräsident von Hindenburg empfing den austra lischen bevollmächtigten Minister in London, Bruce, der im Auftrage der australischen Negierung das Namens schild des im November 1914 gegen den australischen Kreuzer „Sydney" unterlegenen deutschen Kreuzers „Emden" überbrachte. Aus Anlaß der Überreichung dieses Schildes tauschten Bruce und Hindenburg Reden aus, die den Nahmen der sonst üblichen diplomatischen Höflich keitsformen weit überschritten. Das Schild der „Emden" mit Mr. Bruce. Die Ansprache von Bruce. Minister Bruce sagte dabei in seiner Ansprache an den Reichspräsidenten u. a. folgendes: Vor 15 Jahren herrschte zwischen Ihrem Lande und dem meinen ein Kampf auf Leben und Tod. Glücklicherweise ist dieser Kampf schon längst beendet, und es ist Australiens sehnlichster Wunsch, daß wir in immer wachsendem gegenseitigen Verstehen und Vertrauen in Frieden und Freundschaft miteinander leben. Möge dex heutige Tag die Erfüllung dieses Wunsches fördern. Wir Australier haben viele Beziehungen zum deutschen Volke. Das Buch der Erschließung Australiens enthält keinen Namen, der größeres Ansehen genösse als der des Deutschen Ludwig Leichhardts. Der Mut und der Unternehmungsgeist dieses unerschrockenen Forschers und die große Aufabe, der er vor fast 100 Jahren sein Leben opferte, sind uns für immer unvergeßlich. An der Besiedlung und Ent wicklung unseres Weltteils haben Söhne und Töchter Ihres großen Landes hervorragenden Anteil gehabt. Deutschen Männern der Wissenschaft und besonders Hüttenkundigen, die uns bei der Erschließung unserer Bodenschätze wertvolle Dienste geleistet haben, sind wir zu großem Dank verpflichtet. Glücklicherweise brachte uns der Weltkrieg mit seinem Schrecken auch mutige, heldenhafte und ritterliche Taten, die bei Freund und Feind in gleicher Weise Bewunderung hervorriefen. In dieses Kapitel gehört die Geschichte des deutschen Kreuzers „Emden". Auf sich allein angewiesen, von überlegenen feindlichen Kräften umringt, spielten die „Emden" und ihre tapfere Mannschaft im weiten Stillen Ozean eine Rolle, die die Herzen des deutschen Volkes zu höchster Begeisterung ent flammt haben mutz und die Hochachtung und Bewunde rung ihrer Gegner hervorgerufen hat. Die Aufrichtigkeit dieser Hochachtung und Bewunderung erwies sich, als der australische Kreuzer „Sydney" mit den Verwundeten und Sterbenden der „Emden" an Deck in den Hafen von Colombo einlief, wurden sie doch von den australischen Truppen der in dem Hafen versammelten Transportschiffe mit den gleichen Zeichen der Ehrerbietung empfangen, wie wir sie unseren eigenen Toten erwiesen hätten. So ge waltig war der Eindruck, den die glänzenden Führer- eigenschaftcn und die Tapferkeit hervorgerufen hatten, mit denen Kapitän von Müller sich so lange gehalten, wie die Menschlichkeit, mit der er seine Pflichten erfüllt hatte, daß ihm der Degen gelassen wurde, als der Kreuzer „Emden" gestrandet war. Begreiflicherweise löste die Tat der jungen australischen Marine, deren Kreuzer „Sydney" es war, der die „Emden" vernichtete, großen Jubel und großen Stolz in Australien aus. Diese Freude wurde jedoch durch die Erkenntnis gedämpft, daß der Sieg einem tapferen Gegner abgerungen war, der gegen eine große Übermacht gekämpft hatte, und mit den Jahren regte sich in dem australischen Volke immer stärker der Wunsch, dem deutschen Volke in einer greif baren, dauernden Gestalt Kunde zu geben von der Hoch achtung und Bewunderung, der ich heute Ausdruck zu ver leihen versucht habe. Aus diesem Empfinden heraus ent stand der Gedanke, dem deutschen Volke ein Andenken an den Kreuzer „Emden" anzubieten, und zwar das Namens schild der „Emden". Wir glauben, daß wir im Gedenken an das tapfere Schiff nichts Geeigneteres hätten wählen können, als gerade dieses, sein Namensschild. Die Platte aus australischem Rosenholz, auf der das Schild befestigt ist, trägt eine Aufschrift, die ich Sie bitte, als den Ausdruck des Empfindens des australischen Volkes aufzufassen. Sie lautet: „Dem deutschen Volke übergibt das australische Volk und die australische Regierung diese Namenstafel des be rühmten Kreuzers „Emden" in Anerkennung der Tapfer keit seines Kommandanten, seiner Offiziere und Mann schaften in dem Kamjrf mit dem australischen Kreuzer „Sydney" ar< hoher See bei den Kokosinseln am 9. No vember 1^14 und zum Gedächtnis der Männer und Frauen beider Nationen, die im Weltkriege ihr Leben hingegeoen haben." Reichspräsident von Hindenburg erwiderte auf die Ausführungen des Ministers Bruce u. a.: Mir gereicht cs zur besonderen Freude nnd Ehre, als Treuhänder der Nation das Schild entgegenznnehmen und ich darf bitten, sowohl Ihrer Regierung wie dem ganzen australischen Volk meinen und des deutschen Volkes aufrichtig empfundenen Dank für dieses hochherzige Ge schenk zu übermitteln. Euere Erzellenz haben mit beredten Worten auf die Bedeutung Ihres heutigen Besuches hingewiesen, die darin liegt, daß durch eine einzigartige Ehrung eines ritterlichen Gegners die freundschaftlichen Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern in so schöner Weise zum Ausdruck gebracht wer- er voo bv ölrirtin keuclltcvsnser, killte (Lalle) > slS An diesem Abend saß er mit ihr noch lange in ver Palmengeschmückten Halle des Hotels. Sie tranken einen dunklen, roten Wein, und die feurige Musik drang zu ihnen. Die Musik, zu der man drinnen im großen Saale tanzte. Lore hatte abgelehnt, zu tanzen. Sie wußte nicht, weshalb sie abgelehnt hatte. Aber es war ihr, als drohe irgendeine Gefahr, wenn sie dort hmemgmg. Mehrere Kavaliere kamen heraus in ü"--/ Mitte eine hochgewachsene Frau. Lores Augen weiteten sich Die schöne Römerin. Die Frau aus dem Nachbargarten! Frank Dahlmann erhob sich, verbeugte sich lief, stellte dennoch nicht vor. Lore war es, als müsse sie in die Erde sinken vor Scham. Sie hielt dennoch das feine, blonde Köpfchen steif und stolz ausgerichtet, und sie sah der Fremden in das schöne, dunkle Gesicht. Die Kavaliere blickten etwas mißmutig auf Frank Dahlmanns riesige, elegante Figur, dann aber wurden diese Blicke merklich anders. Sie wurden sengend, be wundernd, sie ruhten mit aufdringlicher Neugier auf der süßen, blonden Frau. Die kleine Gesellschaft verschwand im Speisesaale, wahr scheinlich, um dort einen Imbiß zu nehmen. Unruhig wartete Lore, ob ihr Gatte jetzt vielleicht doch eine kleine Erklärung geben werde. Nichts I Sie wartete umsonst — Frank erwähnte die schöne, dunkelhaarige Frau nicht. Später, in ihrem Zimmer, wo sie noch Tcc tranken, sagte Lore: „Wann werden wir nach Florenz reisen?" Prüfend blickte er sie an, dann s a ",> rr^ „Es gefällt dir hier nicht?" „Doch! Aber - ich -" Da kam ihr auch schon die ganze große Undankbarkeit zum Bewußtsein. Undankbarkeit diesem Manne gegen über, der sie mit vornehmstem Luxus umgab, der immer und immer wieder der Gebende war. „Gut, wir können schon übermorgen fahren, wenn dir das recht ist, Lore." „Du bist sehr lieb zu mir. Jq, ich möchte fahren. Viel leicht möchte ich auch nach Hause; ich weiß es nicht. Ich bin so unruhig, so zerfahren." „Hier in all der vielen Sonne und der Schönheit, die dich umgibt?" Lores Blick ging zum Fenster. „Ich möchte aus diesem Hotel fort." Frank Dahlmann nahm ihre kleine, weiße Hand in die seine. Sie verschwand in seiner großen, schöngepflegten, braunen Rechten. „Sind wir nicht ein bißchen trotzig? Ich meine, es ist absolut kein Grund für dich vorhanden, Rom so schnell den Rücken kehren zu wollen." Sie blickte erschrocken zu ihm auf. Seine Worte hatten freundlich geklungen, aber es war ihr, als schwinge dennoch Zorn darinnen. „So werden wir noch bleiben. Ich — will dich — ja auch durchaus nicht um dein Vergnügen bringen." „Was verstehst du unter Vergnügen? Mich fesselt eben diese alte Stadt immer wieder. Doch schließlich war ich schon einige Male hier und habe auf dich und deine Wünsche Rücksicht zu nehmen. Wir werden also über morgen nach Florenz fahren." Lore befreite ihre Hand aus der seinen. Plötzlich weinte sie haltlos. Er war über Viesen Aüsvruch derart erschrocken, daß er alles vergaß, was er sich vorgenommen hatte. Seine kühle Reserve fiel ab von ihm. Er ritz sie an sich, bedeckte den kleinen Mund mit rasenden Küssen. „Lore, Kind, warum quälst du uns? Ich liebe dich." Wie betäubt lag sie einen Augenblick lang an seiner Brust, dann schlugen Angst, Empörung. Abwehr in Hellen Flammen über ihr zusammen. Sie riß sich los von ihm, rief: „Ich hasse dich. Du hast mich ja gekauft! Schändlich ist das. Und jetzt willst du deinen Lohn! Wer will dir das verdenken. Kein Mensch. Aber ich kann es nicht! Ich kann die Schuld meines Vaters an dich nicht bezahlen. Du hättest edler helfen können. Mit einem größeren Dar lehen. Aber ein — Plebejer, wie du, kann das nicht ver stehen. Du bist ein brutaler Gewaltmensch und knechtest die Menschen mit deinem Willen. Ich aber werde nie deine Sklavin sein — nie! Ich will fort, irgend wohin. Nur fort von dir!" Durch die nachfolgende Stille klang das schwere Atmen des Mannes. Seine zornigen Augen sah Lore nicht, weil sie beide Hände vor das zuckende Gesicht geschlagen hatte. Aber seine Stimme hörte sie, diese tiefe Stimme, die jetzt wie das Grollen eines gereizten Raubtieres klang. „Ist es genug? Bist du fertig, Lore? Dann höre auch mich an! Ich werde nie wieder von selbst zu dir kommen, es sei, du riefst mich. Gut, es soll gelten! Mein Geld auf Loringen soll ein Darlehen sein. Ich will keinen Lohn von dir, wenn es dir nun einmal so schwer fällt. Aber du bleibst bei mir! Der Welt wird nicht ein Sensations skandal geboten — daß du es weißt. Ich betrachte meine Ehe mit dir als etwas Heiliges, an dem die lüsternen Zungen der Menschen keinen Anteil haben dürfen. Denke du darüber wie du willst! Mache dich für übermorgen fertig. Wir fahren nach Florenz! Gute Nacht, Lore." Sie war auf einem Stuhle zusammengesunken. Jetzt sah sie zu ihm auf; aber sie erschrak bis ins Herz hinein vor seinen finsteren Augen, der dick geschwollenen Zornes- ader auk seiner Stirn. Fortsetzung folgt.)