Volltext Seite (XML)
Tagesspruch. Die Wahrheit ist ein selten Kraut, Noch selt'ner, wer es gut verdaut. Der Pfeilereinsturz auf -er Königin-Luise-Gru-e. Bis Mittwoch mittag vier Bergleute geborgen. Zu dem Einsturzunglück aus der Königin-Luise-Grube Ostfeld in Hindenburg wird mitgeteilt, dass bei dem Geüirgsschlag im Pochhamerflöz ein 25 Meter breiter Pfeiler und ein Teil der Strecke der 340-Meter-Sohle ein- gcstürzt sind. An dem Pfeiler waren die zehn ver schütteten Bergleute beschäftigt, und zwar auf der Seite, die zu einer an der Grenze nach Ostoberschlesien endenden toten Strecke führt. Die Rettungsarbeiten ge stalten sich sehr schwierig, weil man bei der Wegräumung der zusammengestürzAn Gesteinsmassen sehr vorsichtig zu Werke gehen mutz, um weiteres Nachstürzen zu vermeiden. Die zehn verunglückten Bergleute stammen sämtlich aus Zaborze. Geborgen waren bis Mittwoch mittag der Füller Julrus Grotz, der Wagen ft ötzer Thomas Burek, der Häuer Alfons Sche in i o l l a und ein Bergmann, dessen Name noch nicht be kannt ist. Mit einem Teil der Verschütteten stehen die Rettungsmannschaften durch Klopfzeichen in Verbindung, doch war es bis Mittwoch mittag nicht gelungen, an sie hcranzukommen. An verschiedenen Stellen der Stadt Hindenburg waren kurz vor dem Pfeilereinsturz Bodenerfchütte- rungen wahrgenommen worden. Wichtige personalveranderungen in der preußischen Verwaltung. Die kommissarische preussische Negierung hat folgende Pcrsonalveränderungen beschlossen: Unter Gewährung des gesetzlichen Wartegeldes werden sofort einstweilen in den Ruhestand versetzt: Die Regierungspräsidenten Dr. Friedensburg- Kassel, Ehrler-Wiesbaden, König-Arnsberg; ferner die Polizei präsidenten Mayer-Stettin, Tbaiß-Breslau, Wende-Walden burg, Oxle-Halle, Krüger-Weißenfels, Barth-Hannover, Danehl- Harburg-Wilhelmsburg, Zöraiebel-Dortmund, Biesten-Koblenz, Steinberg-Frankfurt a. M., Weyer-Oberhausen, Graß-Bochum; ferner Landrat Apel in Frankfurt a. M.-Höchst. Regierungspräsident von Velsen in Hannover wird mit der Vertretung des beurlaubten Oberpräsidenten Noske beauftragt. Der Landrat Rotberg in Goslar wird vor behaltlich der Zustimmung des Provinzialausschusses zum Re gierungspräsidenten in Kassel ernannt und zunächst kommissa risch mit der Wahrnehmung der Geschäfte beauftragt. Ministerialrat Zschintsch im preußischen Innenministerium wird vorbehaltlich der Zustimmung des Provinzialausschusses zum Regierungspräsidenten in Wiesbaden ernannt. Polizeipräsident Melcher-Berlin wird vorbehaltlich der Zu stimmung des Provinzialausschusses zum Oberpräsidenten der Provinz Sachsen in Magdeburg ernannt und mit der kommissa rischen Verwaltung dieser Stelle beauftragt. Zu Polizeipräsidenten werden ernannt: In Berlin der Konteradmiral a. D. von Levetzow-Weimar, in Waldenburg der Rittmeister a. D. von Hiddessen-Alt-Iauer- nick, in Hannnover das bisherige Mitglied des Reichstages Lutze, in Harburg-Wilhelmsburg der Kapitän K. Christiansen- Bremen, in Dortmund das bisherige Landtagsmitglied Wilh. Schepmann-Hattingen, in Frankfurt a. M. General a. D. von Westrem-Wiesbaden-Biebrich, in Oberhausen Major a. D. Niederhoff-Mülheim a. d. Ruhr, in Halle der Polizeioberst a. D. Roosen-Altenhof. Der Regierungspräsident z. D. Pauli in Potsdam wird mit der kommissarischen Verwaltung des Landratsamts in Goslar beauftragt. Ministerialrat Dr. Corsing vom preußischen Staatsministerium wird in gleicher Eigenschaft ins preußische Justizministerium versetzt. Sicherung der Wahlen. Sonderkommiffar im Westen. Besondere Vollmachten für den Polizeikommandeur. Sowohl bei der Reichsregierung wie bei der preußi schen Regierung werden alle Maßnahmen getroffen, um die in Aussicht stehenden Wahlen gegen etwaige kommu nistische Aktionen unter allen Umständen zu sichern. So hat am Mittwoch eine Chefbesprechung in der Reichs kanzlei stattgefunden, die vor allem diesem Ziele galt, und in diesem Zusammenhang ist auch die Nachricht bemerkens wert, die von der Einsetzung eines Sonder- kommissarsim Westen zu melden weiß. Diese Meldung hat folgenden Wortlaut: Der preußische Minister des Innern hat mit so fortiger Wirkung über die Wahlzeit hinaus den höheren Polizeiführer im Westen, Polizeikommandeur Stieler von Heidekamp, zum Sonderkommissar mit besonderen Voll machten für die Provinz Westfalen und Rheinland ohne Sigmaringen bestellt. Als Chef des Stabes tritt zu ihm Polizeimajor von Oven. Der frühere Polizeisührer im Westen, der dem preußischen Innenminister unmittelbar unterstellt ist, übernimmt die einheitliche Leitung der ge samten staatlichen und kommunalen Polizei sowie der Landjägerei in Rheinland und Westfalen Seine Anord nungen ergehen im Auftrage des Innenministers. Polizeikommandeur Stieler von Heidekamp. Schon Neichskommissar Dr. Bracht hat seinerzeit Polizeikommandeur Stieler von Heydekamp mit beson deren Vollmachten versehen. Wenn seine Befugnisse jetzt erweitert werden, so handelt es sich im wesentlichen um einen Ausbau dieser Funktionen, die mit den besonderen Verhältnissen in der Hestmark zusammenhängen. In Rheinland und in Westfalen ist wegen der Sonderbestim mungen des Versailler Diktats eine Verhängung des militärischen Ausnahmezustandes nicht möglich. Sollten also dort eines Tages Unruhen ausbrechen, so müßte nach Ansicht der maßgebenden Stelle auch eine geeignete Zu sammenfassung der staatlichen Machtmittel zu erzielen sein. Kommandeur Stieler von Heydekamp ist aus dem Kadettenkorps hervorgegangen. Den Krieg machte er als Major und Bataillonskommandeur im 3. Garderegiment mit. Nach dem Kriege trat er zur Schutzpolizei über. Im Jahre 1927 kam er als Polizeioberstleutnant zum Polizei präsidium Essen, wurde dann vorübergehend zur höheren Polizeischule in Bonn versetzt und kam im Jahre 1928 unter gleichzeitiger Ernennung zum Pvlizeiobersten zum Polizeipräsidium Recklinghausen, in dessen Bereich ein Drittel sämtlicher Ruhrzechen liegt. 1932 wurde Stieler von Heydekamp zum Polizeikommandeur und zum höheren Polizeiführer für den Westen ernannt. Polizei kommandeur Stieler von Heydekamp steht im 52. Lebens jahre. Er gilt als hervorragender Kenner des rheinisch westfälischen Jndustriereviers und als Autorität auf dem Gebiete der Polizeitaktik. Man rühmt ihm besondere Um sicht und Energie nach. Neue Mitarbeiter Görings. Von zuständiger Stelle wird die beabsichtigte Ein teilung des Reichskommissariats sür Luftfahrt bekannt gegeben. Es sollen fünf Gruppen gebildet werden, und zwar: I. Luftverkehr und Politik, 2. Technik, 3. Wirtschaft, 4. Flugsport und Ausbildung, 5. Luftschutz. Als Gruppen leiter sind vorgesehen: Geheimrat Fisch (Luftverkehr und Politik), Ministerialrat Mühlig-Hofmann (Technik), Ministerialrat Panzeram (Wirtschaft). Zur Leitung der Gruppe „Flugsport und Ausbildung" wurde der bekannte Pour-le-Merite-Flieger und „Do. X"-Kommandant Kapi tän Christiansen in das Neichskommissariat berufen. Für die Ausbildung der Seeflieger wird wie bisher Direktor Wolfgang von Gronau, für die der Landfliegcr künftig Dr. Ziegeler verantwortlich fein. Zur Leitung der Gruppe Luftschutz wird voraussichtlich ein höherer preußischer Beamte angefordert werden. Oie Beantwortung der preußischen Klageschrift. Fristverlängerung vom Reich beantragt. Die Reichsregierung hat im Prozeß Preußen gegen das Reich eine Verlängerung der am Mittwoch ab gelaufenen Frist für die Beantwortung der preußischen Klageschrift beantragt. Mit der Beantwortung der Klage schrift ist Geheimrat Wildhagen in Leipzig beauftragt worden. Kampffront Schwarz-Weiß-Not. Die Benummerung der Wahlvorschläge bei der Reichstagswahl. Der Reichsminister des Innern teilt für die Be nummerung der Wahlvorschläge bei der Reichstagswahl folgendes mit: Die Wahlvorschläge unter der Bezeichnung „Kampffront Schwarz-Weiß-Rot" führen die Nummer 5, die für die Deutschnationale Volkspartei vorgesehen war. Die Deutsche Volkspartsi, der Christlich-soziale Volksdienst (Evangelische Bewegung), die Deutsche Bauernpartei und die Deutsch-Hannoversche Partei haben sich auf einen ge meinsamen Reichswahlvorschlag geeinigt, treten aber in den Wahlkreisen mit eigenen Kreiswahlvorschlägen auf. Diese behalten die für sie bereits vcLgesehenen Nummern 7, 8, 10 und 12. Die Deutsche Staatspartei, die ihre Rest stimmen an den Reichswahlvorschlag der Sozialdemo kratischen Partei Deutschlands abführen läßt, behält für ihre Kreiswahlvorschläge die Nummer 9. Diese Regelung entspricht den Anträgen der beteiligten Wäüleraruvven. Die politischen Zusammenstöße. Untersuchung der Eislebener Vorfälle. In Hamburg gaben Kommunisten auf ein Ver kehrslokal der Nationalsozialisten Revolverschüsse ab. Der Wirt erhielt einen Kopfstreifschuß, ein Nationalsozialist einen leichten Rückenprellschuß. Eine Kugel drang einer Frau durch ihre Kopfbedeckung. Die Täter entkamen trotz sofort aufgenommener Verfolgung im Schutze der Dunkel heit, doch sind einige erkannt worden. In Luckenwalde kam es bei einer Wahlversamm lung der SPD. zu einem Zusammenstoß zwischen Ver sammlungsbesuchern und einem Trupp von SA.-Leuten. Zwölf Personen wurden verletzt, vier von ihnen wurden mit Kopfverletzungen ins Krankenhaus gebracht. In Leipzig eröffneten Kommunisten eine Schießerei auf Nationalsozialisten. Eine Person wurde schwer, zwei wurden leicht verletzt. Die Parteizugehörig keit der Verletzten ist noch nicht festgestellt. Die Polizei nahm 26 Kommunisten und zwei Nationalsozialisten fest. Bei dem einen Nationalsozialisten wurde eine Scheintod pistole, bei dem anderen eins geladene Pistole gefunden. In Siegburg im Kreise Buer kam es in der Nähe des sozialdemokratischen Volkshauses zu einem Zu sammenstoß zwischen SS.-Leulen und Mitgliedern der Eisernen Front. Der SS.-Mann Müller aus Duisburg wurde durch Kopfschuß so schwer verletzt, daß er an den Folgen im Krankenhause kurz darauf starb. Zwei verletzte Eislebener Kommunisten gestorben. Wie die Staatsanwaltschaft Halle mitteilt, sind zwei der bei den Eislebener Vorgängen schwer verletzten Kom munisten gestorben. Inzwischen Hai die Untersuchung des getöteten Nationalsozialisten Paul Berk ergeben, daß er von zwei Schüssen getroffen worden ist; ein Brustschuß führte zur inneren Verblutung. Die gefundenen Kugeln haben ein anderes Kaliber als die von der Polizei ge brauchte Munition. Lop^rigllt bx d-lsrtio sseuebtwsnzer, UsIIs (8sale) säO Die Stimmung in der Umgegend des Schloßgutes hatte sich völlig zugunsten August Richters geändert. Man wußte, daß er ganz anders war als seine Eltern, und daß man sich freuen durfte, wenn er das Gut wieder in die Höhe brachte. Das Dorf Löbbau profitierte immer mehr von dem Bergwerk. Schon waren hier und da hübsche Arbeiter häuser entstanden: kleine, freundliche Siedlungen, die be trächtlich vergrößert werden sollten. Herr von Löwen hatte anläßlich der Verlobung seiner Tochter eine Summe für diese Siedlungsbauten gestiftet. Teutobert Fischer hatte sich auch nicht lumpen lassen, und die reichen Bauern der Umgegend taten es ihnen nach — und es herrschte eine emsige und ersprießliche Tätigkeit. Zwischendurch fuhr August immer wieder einmal nach Berlin, um etwas über Magdalene zu hören. Er hatte einen geschickten Detektiv mit den Nachforschungen beauf tragt, erkundigte sich auch immer wieder beim Polizei präsidium, ob sie sich nicht inzwischen dort gemeldet hatte. Es war, als ob sie vom Erdboden verschwunden war. August mußte immer wieder unverrichteter Sache nach Löbbau zurückkehren. Trotz alledem ließ er den Mut nicht sinken. Eine innere Gewißheit sagte ihm, daß er Magda lene finden, daß sie beide glücklich würden. Theobald und Lucie verlebten inzwischen einen wunsch los glücklichen Brautstand. Theobald war mit seinem Vater einig darüber, daß er noch einige Jahre in Löbbau blieb, um August zur Seite ru sieben und im Berawerksbeiriebe zu arbeiten. Teuto bert Fischer fühlte sich frisch genug, seine Fabrik vorläufig noch allein zu führen — nun, da er wußte, daß sein Sohn sich auf dem rechten Wege befand. Ostern sollte Theobalds und Lucies Hochzeit sein * ... * Magdalene Winter wohnte noch immer bei den Calonnis in Genua. Sie war zu müde, um sich zu irgendeinem Entschluß aufzuraffen. Hier hatte sie wenigstens ein Zuhause: ein paar Menschen, die sich um sie kümmerten. In Deutschland hatte sie niemanden. Mutter Hahn wollte sie nicht Wiedersehen; sie schämte sich vor ihr, wollte nicht mit ganz leeren Händen dorthin zurückkehren, von wo sie reich und jubelnd ausgezogen war. Ein Stück nach dem anderen verschwand von den wenigen Habseligkeiten, die ihr geblieben waren. Die Calonnis waren selbst arm, er verdiente nur das nötigste; ihnen konnte sie nicht zur Last fallen. Man bekam nicht viel für die Schmucksachen; alle ihre kostbaren Kleider hatte sie verkauft: fünfhundert Lire hatte sie dafür bekommen, von einer Schauspielerin, die die eleganten Toiletten für ihre Salonrollen brauchen konnte. Lange würde es nicht mehr dauern, dann stand Magda lene dem völligen Nichts gegenüber. Sie wußte nicht, was dann werden sollte. Sie war glücklich, als Cesare Calonni eines Tages mit der Botschaft nach Hause kam, daß sie in seiner Fabrik eine Stelle als Makkaroniarbeiterin bekommen konnte. Sie bekam zwar einen Hungerlohn, kaum zehn Mark in der Woche; aber — sie konnte wenigstens den Calonnis ihren notdürftigen Unterhalt vergüten, wenn sie auch die ganze Woche schwer dafür arbeiten mußte. Magdalene war ein anderer Mensch geworden in diesen bitteren Wochen. Seelisch und körperlich. Körperlich fühtte sie sich gar nicht recht wohl. Die italienische Kost bekam ihr nicht sonderlich; es gab bei den Calonnis hauptsächlich von den Leiawaren. die Cekare mit aus der Fabrik brachte. I als Teil seines Gehalts. Wenig Gemüse und noch weniger Fleisch. Und alles wurde mit diesem penetranten Oel zu bereitet, das Magdalenes deutscher Magen so schlecht ver trug und das ihr jedes Gericht verleidete. Sie aß ganz wenig und war merklich abgemagert. Da sie auch auf ihre Frisur kein Gewicht mehr legen und ihren Körper nicht pflegen konnte, sah sie bald recht her untergekommen aus. Früher war sie hier und da einmal in den Straßen der Reichen spazierengegangen. Jetzt hatte sie das ganz aufgegeben; sie wollte nichts mehr davon wissen — sie ge hörte nicht mehr dazu, gehörte in das Armenviertel, war viel ärmer, als sie gewesen war, ehe sie das Große Los gewonnen hatte. Jetzt blieb ihr nichts mehr übrig, als sich zu verkriechen und dahinzuvegeneren, solange sie es eben aushielt. Ihr körperliches Mißbehagen war indes leicht zu er tragen gegenüber den seelischen Qualen, die sie den ganzen Tag nicht loslieben und die sie des Nachts so stark über fielen, daß sie stundenlang nicht schlafen konnte. Würde sie jemals August Richter Wiedersehen? Den Mann, den sie liebte und den sie zurückgestoßen hatte? Ob er sie wohl schon ganz vergessen hatte? Sie würde ihn nie, nie vergessen können, das wußte sie. Ihre Sehnsucht nach ihm wurde identisch mit der Sehnsucht nach Deutschland, nach der verlorenen Heimat. Diese Sehnsucht verstärkte sich, je mehr es aus Weih nachten zuging. Und dann, am Heiligabend, lag sie in ihrem Bett und weinte lautlos in sich hinein, die ganze Nacht. Seit diesem Weihnachtsabend verging nicht eine einzige Nacht, in der Magdalene nicht viele Stunden lang geweint hätte. Lange hielt sie das nicht mehr aus, das stand fest. Dazu kam noch, daß sie unter dem Klima litt, das regne risch und unerträglich lau war. Was hätte sie darum ge- -eben, einen einzigen richtigen Wintertag zu erleben, mit ^rost und viel, viel Schnee! Sie haßte diese ganze, üppige, Gliche Pracht: die Palmen und immergrünen Blätter, sie überall zu sehen waren, (Fortsetzung WIM