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MdmfferÄMM Postscheck: Dresden 2640 Montan, den 30. Januar 1933 für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter s - rn „ r - ch - r: Amt Wilsdru» Rr. 6 KULL"L»N: Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, 1rei erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— NM. boten, unsereAustt" ^"^ *'80 NM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern 10 Npfg. Alle Postanstalten und Post- Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend dein Ansorucd öük c»; r" Betriebsstörungen besteht u; auf Lieferung der Zertung oder Kürzung des Bezugspreises. Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, menn Rückporto beiliegt. «rr«r ^varanne. teoer T-g-b,°tt ist d°, zur V°M.n,uq-ng der »°..-nn.m°»un«7d« ' --"G- und des S»°d,r°.- zu WU-druff, d-s F-rsIr°n.°m,- Tharaud, und d« FiLamf- ^ 92. Jahrgang Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" Wilsdruff-Dresden Der Mcktritt Schleichers. Politische Entwicklungen einscheidender Art hängen schon seit langem nichl mehr von den Äußerlichkeiten der Suaße, der Massenversammlung oder der Wahlurne, ab, sendem sichnämlich im Alltag der Politik, in der nüchtern grauen, ja schwarzen Praxis des staatlichen Lebens und L-irkens gezeigt hat, daß mit jenen sogenannten Willens- mcinungen den staatlichen sozial» und wirtschafts politischen Forderungen und Notwendigkeiten nicht mehr Genüge getan werden konnte. Trotzdem hatte der Mann, der jetzt vom Staatssteuer hat zurücktreten müssen, noch einmal den Versuch gemacht oder doch ein- leiien wollen, eine „breitere Basis" für sein politisches Tun zu schaffen, ein solches aus einzelnen Stücken bestehen des Gebilde künstlich zusammenzubauen. Weil sich die Bausteine aber nicht zusammenfügen ließen, so wie es theoretisch ausgerechnet war, ist der Versuch gescheitert. Ihn zum Erfolge zu führen, war aber gerade die Herrn von Schleicher gestellte Aufgabe gewesen, als er am 3 Tezember vorigen Jahres an die Stelle seines Vor gängers von Papen berufen.wurde. Hitler, als dem Fübrer der stärksten politischen Partei, zum Kanzler eines Kabinetts zu machen, das eine parlamentarische Mehrheit Himer sich haben sollte, ist damals an dem Widerspruch des nationalsozialistischen Führers gescheitert, diesen parlamentarisch festgelegten Weg zu gehen. Ihm aber die umfassenden Vollmachten eines Leiters der Präsidial regierung zu geben, lehnte der Reichspräsident damals ab, weil ihm damals noch das „überparteiliche" eines solchen Kabinetts nicht gewahrt zu sein schien. Die Regierung Schleichers war also, politisch gesehen, mehr eine Art Vcrlegenheitsbildung, wirtschaftlich auf die Aufgabe der Arbeitsbeschaffung eingestellt. Doch schon diese Einschrän kung ließ sich einfach nicht durchführen, weil auch andere wirtschaftliche Aufgaben geradezu brennend der Entschei dung harrten. Hier braucht ja nur an unsere Handels politik erinnert zu werden, bei der nur ein Verlegenheits ausweg zu suchen, nicht möglich war. Vor allem mißlang der Versuch Schleichers, seine Politische Hauptaufgabe zu bewältigen, nämlich im Volke und seiner Vertretung eine „b r e i t e r e B a s i s" auch für ein Präsidialkabinett zu schaffen. Dieser Versuch sollte und wollte sich keineswegs auf die sozusagen offi ziellen politischen Gruppierungen und Kräfte, also die Parteien, beschränken: die Probe aufs Exempel mußte dann allerdings doch im Reichstag gemacht werden, posi tiv oder negativ, also wie die Dinge nun einmal lagen, durch eine Selb st bescheidüng de Reichstages oder durch seine Auflösung. Als nun am vergangenen Freitag der Ältestenausschuß den Zusammentritt des Ple nums beschloß, war es schon ganz unzweideutig geworden, daß von einer Selbstbescheidung picht mehr länger die Rede sein sollte, unzweideutig aber auch, daß Schleicher nicht bloß die gesamte Linksopposition, sondern auch die geschlossene Rechte gegen sich haben würde. Denn die vorwärtsdrängende Rechtsentwick lung parlamentarischer und außenparlamentarischer Art in der deutschen Politik hatte Schleicher nicht gewinnen können. Sie stand ihm schließlich ans besonderen Gründen sogar noch schroffer gegenüber als seinem Vor gänger. Ebenso hatte sich auf wirtschaftspoli- tischem Boden ein derartig scharfes Gegeneinander er geben — was natürlich sehr erheblich auch auf das Poli tische zurückwirken mußte —, daß das Endresultat auch hier eine noch größere Unruhe war als zuvor. Die Stützen, die sich Schleicher schassen wollte, erwiesen sich teils als brüchig, teils als nur theoretisch errechnet, in Wirklichkeit also gar nicht vorhanden. Auch wer über den vielleicht allzu lauten rednerischen Lärm hinweg die großen Schwie rigkeiten der Arbeitsbeschaffung in gegenwärtiger Zeit durchaus nicht verkannte, hat sehen müssen, daß hier nicht bloß äußere, sondern auch innere Hemmnisse sich der Erfüllung dringendster Forderungen entgegen stellen durften. Also: das politische und das wirtschaft liche „Mißtrauen" war zwar noch nicht ausdrücklich „votiert", war aber ebenso ausdrücklich da! Aus dieser Entwicklung, die schon Anfang Januar sichtbar wurde, erwuchs der Versuch, auf einem anderen Wege, der natürlich der politischen Gesamtentwicklung parallel laufen muß, zu einer „breiteren Basis" für ein neues Präsidialkabinctt zu gelangen. Denn selbst, wenn eine Regierung gefunden werden könnte, die im Reichstag über eine mehr oder minder zuverlässige Mehrheit verfügt, würde sie, um was zu leisten, obna hie parlamentarische BremsschLibe fahren müllen.' Adolf Hitler. Franz von Papen. Iss SM MM. Amtlich wird mitgeteilt: Der Reichspräsident hat Herrn Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt und aus dessen Vorschlag die Neichsrcgierung wie folgt neu gebildet: Reichskanzler a. D. von Papen zum Stellver treter des Reichskanzlers und Reichskommissar für das Land Preußen; Freiherr von Neurath zum Reichsminister des Auswärtigen; Staatsminister a. D., M. d. N. D r. Frick zum Reichsminister des Inneren; Generalleutnant Freiherr von Blomberg zum Reichswehrminister; Graf von Schwerin-Krosigk zum Reichs minister der Finanzen; Geheimer Finanzrat, M. d. R. Hugenberg zum Reichsminister der Wirtschaft und zum Reichs minister für Ernährung und Landwirtschaft; FranzSeldte zum Neichsarbeitsminister; Freiherr vonElz-Rübenach zum Neichspost- und Neichsverkehrsminister; Reichstagspräsident Göring zum Reichs minister ohne Geschäftsbereich und gleichzeitig zum Reichskommissar für den Luftverkehr. Reichstagspräsident Göring wird mit der Wahr nehmung der Geschäfte des preußischen Innen ministeriums betraut. Reichskommissar für Arbeitsbeschaffung Dr. Ge re I e wird in seinem Amt bestätigt. Die Besetzung des Neichsjustizministeriums -leibt Vorbehalten. Der Reichskanzler wird noch heute Verhandlun gen mit dem Zentrum und der Bayerischen Volks partei aufnehmcn. Heute nachmittag 17 Uhr findet die erste Kabinettssitzung statt. Schleicher sah drei Möglichkeiten. Zu der Unterredung zwischen Reichspräsident von Hindenburg und Reichskanzler von Schleicher werden noch folgende Einzelheiten bekannt: Reichskanzler v. Schleicher hat die Auffassung vertreten, daß drei Lösungsmöglich- ieitcn vorhanden seien: 1. Die Bildung einer parlamentarischen Mehrheits- rcgicrung, die wahrscheinlich nur unter Führung Hitlers möglich sei, 2. eine auf starke Bolksströmungcn gestützte Minder- heitsregierung, die sich bauvtläcklkü aut die Natianal- sozialisten, möglicherweise auch auf die übrigen Gruppen der Rechten stützen könnte, 3. ein über den Parteien stehendes Präsidialkabinctt ^?"^^llenwärtige als Sachwalter des gesamten Volles. Ein solches Kabinett müsse aber auch die nötigen Vollmachten gegenüber dem Reichstag haben. Gewarnt habe Reichskanzler von Schleicher vor einem Kabinett, das sich unter dem Namen eines Präsidialkabinctts nur aus eine Partei stütze und daher Angriffen aus der ge samten Öffentlichkeit ausgesetzt sein würde. Hindenburg und Schleicher. Sehr interessante Einzelheiten über den Bruch zwischen Hindenburg und -^.ier glaubt die D. A. Z. mit teilen zu können. Danach wird der eigentliche Grund des Bruches zwischen dem Reichspräsidenten und Reichskanzler v. Schleicher auf eine Erschütterung der Vertraucnsbasis zurückgeführt, deren Anfänge bereits ziemlich weit zurück- licgen. Es wird daran erinnert, daß Reichskanzler von Schleicher in seiner damaligen Eigenschaft als Reichswehr- Minister bereits vor der denkwürdigen Unterredung zwischen Reichspräsident von Hindenburg und Adolf Hitler am 13. August 1932 die Anregung gegeben hat, dem nationalsozialistischen Parteiführer die Negierung zu über tragen. Dieser Vorschlag, der damals besonders von den Deutschnationalen als Angriff Schleichers auf den damaligen Neichska n z ler v. Papen hin gestellt wurde, hat seinerzeit nickt die Billigung Hinde nburgs gefunden, und als gegen Ende des Jahres neue Verhandlungen mit Hitler einsctztcn, wurde die erneut gegebene Anregung Schleichers nur insoweit berücksichtigt, wie das bei den damals veröffentlichten Doku menten zutage trat: Hitler erhielt einen umgrenzten Auf trag, den er glaubte ablchncn zu müssen. Wenn der Reichspräsident trotz der Einstellung, die er gegenüber den Vorschlägen Schleichers in bezug auf die Einbeziehung der Nationalsozialistischen Partei in die Verantwortung ein nahm, den Reichswehrminister nach dem Rücktritt des Kabinetts Papen mit der Neubildung der Negierung be auftragte, so habe der Reichspräsident, wie heute erklärt wird, offenbar in einer gewissen Zwangslage gehandelt. Er habe schon damals die Negierung Schleicher nur als eine kurze Notlösung betrachtet, und auch der Reichskanzler habe mit seiner Ablösung durch eine andersgeartete Negierung gerechnet. Kurt von Schleicher. Der einer ursprünglich süddeutschen, später in Nieder sachsen ansässigen Familie entstammende Kurt v, Schleicher ist am 7. April 1882 in Brandenburg, der Garnison seines Vaters, gebären worden. 1900 wurde er Leutnant im 3. Garderegimcnt zn Fuß. Bei Kriegsausbruch als Haupt mann zur Dienstleistung beim Großen Generalstab kom mandiert, wurde er in den Stab des Generalquartier meisters versetzt. Er blieb - mit der Unterbrechung eines Generalstabskommandos bei der 237. Infanteriedivision, während dessen er sich an der Front durch großen Schneid und besonderes Verständnis für die Notwendigkeiten der Front auszeicknetc - t^i der Zentralstelle tätig, bis er im November 1919, als Mcftor, in das Neichswehrministerium versetzt wurde. Hier stieg er binnen «ehn Jahren zum Generalmajor auf und wurde dann am 1. Oktober 1931 Generalleutnant und Ches des Ministeramtes im Reichs wehrministerium. Nach dem Rücktritt Groeners ernannte ihn der Reichspräsident am L. Ium 1932 zum Reichswehr minister, der er auch blieb, als er nach dem Rücktritt von Papens am 3. Dezember 19L auf den Reichskanzlerposten berufen wurde. * Papens Verhandlungen mit den Partei führern. Zwischenbericht beim Reichspräsidenten er stattet. — Die Unterredungen mit Hugenbergs Hitler und Kaas. Der vom Reichspräsidenten mit der Führung der Ver- Handlungen über die innenpolitischen Möglichkeiten für eine Regierungsneubildung beauftragte frühere Reichs- kanzter von Papen hat mit den in Frage kommenden Per- sönlichleiten seine Besprechungen am Sonnabend und Sonntag geführt. Papen hat dann am Sonntag nach- mittag dem Reichspräsidenten einen Zwischenbericht über seine bisherigen Besprechungen erstattet. Zunächst hatte von Papen eine längere Unterredung mit dem deutschnationalen Führer Dr. Hugenberg. Danach.folgte eine LLspxechMtl »ist dem uatümaltatlau.