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MsdmfferTageblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Das »Wilsdruffer Tageblatt" erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— RM. frei Haus, bei Postbestellung 1,86 NM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern 10 Npfg. Alle Postanstalten und Post boten, unsere Austrägern. ..... Geschäftsstelle, nehmen zu I-d-rZeitBestellung-ncnt- Wochenblatt für Wllsdruff u. Umgegend gegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg od. sonstiger . Betriebsstörungen besteht Kem Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Rückporto beiliegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Anzeigenpreis: die 8 gespaltene Raumzelle 20 Rpsg., die 4 gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reichs» psennige, die »gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile I RM. Nachweisungsgebühr 2V Aeichspsennige. Borge, schrieben- Etscheinungs- tage und Platzvorschristen werden nach Möglichkeit Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 berücksichtig,. Anzeige», annahme bis norm.lv Uhr. - » . . — -. Für die Richtigkeit der durch Fernrus übermittelten Anzeigen übern, wir keine Garantie. Jeder Rabattanspruch erlischt, wenn der Betrag dur^ Klage eingezogen werden muh oder Ler Auftraggeber in Konkurs gerät. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt Nr. 27 — 92. Jahrgang Telegr.-Adr.: „Amtsblatt- Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Mittwoch, den 1. Februar 1933 Me AuWen der ReWkMW. Am Beobachtungsstand. An einem Fenster des alten Reichskanzlerpalais', wo Hindenburg zur Zeit wohnt, hat der Reichspräsident am Abend deD Tages gestanden, an dessen Vormittag eine neue Regierung das Steuer des von schwersten Stürmen hin und her geworfenen Staatsschiffes in die Hand ge nommen hatte. An einem Fenster des neuen Flügels dieses Reichskanzlerpalais', das der neue Herr noch am gleichen Tage bezogen hatte, stand Hitler und neben ihm der Reichstagspräsident Göring. An ihnen vorbei, erst vor Hindenburg, dann vor Hitler, defilierten in langem fackelüberlodertem Zuge grüßend die Scharen der Stahlhelmer und der SA.-Mannschaften. Tausende und aber Tausende säumten den Rand der Wilhelmstraße. Dort, wo der historische Sitz der deutschen und der preußi schen Negierung ist. Eine Feier war es, ein Dank, der beiden Männern galt, denen jetzt Deutschlands dunkles Geschick anvertraut ist, — aber die Fackeln sind erloschen, die Nacht verschluckte alles im Dunkel. Und in diesem Dunkel krachten schon wieder die Pistolen politischer Gegner. * Es brauchte mit jenen Nevolverschüssen, mit anderen Zusammenstößen im Reich, mit scharfen Protesttelegram- mcn und -erklärungen nicht erst festgestellt zu werden, daß die politischen Spannungen vielfältiger Art durch die Er nennung des neuen Kabinetts nicht verschwunden sind. Aber schon die allerersten Erklärungen des neuen R c i ch s i n n en m i n i st e r s Dr. Frick waren geeignet, auch auf die Gegner der jetzigen politischen Konstellation beruhigend zu wirken. Zunächst einmal will das neue Kabinett versuchen, den für die Bemühungen Papens gegebenen Auftrag des Reichspräsidenten zu erfüllen, näm lich sich nicht ohne weiteres in einen Gegensatz zum Reichs tag zu stellen, sondern zum mindesten erst einmal zu ver hindern, daß dort eine tatsächliche Mehrheit der Reichs- rcgierung das Mißtrauen ausspricht. Fallen wird hier über die Entscheidung wahrscheinlich erst im Reichstag; jedenfalls wurde schon sehr bald die Absicht zum Ausdruck gebracht, daß die Reichsregierung dem Reichstag sagen wird, was sie will. Aus einer Andeutung des Reichs innenministers Dr. Frick läßt sich entnehmen, daß es zur Auflösung des Reichstages nur dann kommen wird, wenn die Negierung von einem Mißtrauen unausweichlich bedroht ist, daß dann aber verfassungsgemäß Neuwahlen ausgeschrieben werden. Auch die anderen Erklärungen Dr.' Fricks waren durchaus geeignet, Beruhigung zu schaffen und ein wenig Sl auf die oft künstlich hoch- gepcitschtcn Wogen der politischen Erregung zu gießen. * Man fvllte also auch im Auslande vor einem End urteil erst abwarren, bis das neue Kabinett wenigstens gesagt hat, was es will, — auch wenn die Mehrheit der jetzigen Reichsregierung aus seit langem politisch be kannten Persönlichkeiten bzw. Parteisührern besteht, man ihre politischen Ansichten und Absichten also zu „kennen" glaubt. Um von außen her durch irgendwelche „Drohun gen" oder „Befürchtungen" noch auf den Gang der deut schen Krise „einwirken" zu wollen, fehlt es an Zeit; denn allzu überraschend für das Ausland erfolgte der Ausbruch der Krise und allzu schnell dafür war sie beendet. Sie war zu Ende, während die wenige Stunden vor der deutschen ausgebrochene französischeKabinettskrise trotz sehr viel einfacherer parlamentarischer und persönlicher Verhältnisse Herr Daladier lange genug nach einem Manne zu suchen gezwungen wurde, der das glühend heiße Eisen der Haushaltssanierung anfasscn mag. Daladier hat ver sucht, mit den sozialistischen Freunden zur Linken zu- sammcnzukommen, aber dort wurden 'hm derart weit gehende Forderungen !me z. L. die Verstaatlichung des Banken- unv Versicherungswesens daß er — wieder auf die Suche gehen mußte nach einem Finanzminister, was heute in Frankreich ein noch schwierigeres Tun zu sein scheint als vas des guten alten Diogenes, der mit seiner Laterne bewaffne. ia nur einen ^ensihen "nden wollte. Finammlnistcr müssen heutzutage überall Unmenschen sein' Keine WährungSeMrimente beabsichtigt Hausse an der Börse. Die Erklärungen der neuen Reichsregierung lösten in der Burgstraße Beruhigung aus. Die Tendenz war auf allen Gebieten sehr fest, da man nunmehr all- -emein erwartet, daß durch das Zustandekommen der neuen Regierung die politische Stabilität für die wuchte Zeit gewahrt ist und die Hoffnungen auf das Ar beitsbeschaffungsprogramm sich in stärkerem Maße als bisher erfüllen werden. Die Kurssteigerungen gingen auf einzelnen Gebieten bis zu 7 Prozent. Von zuständiger Stelle wird die vor der ausländischen Presse abgegebene Erklärung wiederholt, daß irgendwelche Experimente währuugs- und wirtschafts politischer Natur nicht in Frage kämen. Jedenfalls hätten die Besitzer von deutschen Anleihen keine Veranlassung, irgendwie beunruhigt zu sein. Aeue Sitzung des Rrichskabinetts. Personalpolitik — Arbeitslosigkeit — Reichstag. Das neue Neichskabinctt ist am Dienstag wieder z« einer Sitzung zusammcngetreten, in der zunächst einige personal-politische Fragen behandelt worden sind. Bei diesen Personalsragen handelt es sich vor allem um die Neubesetzung einiger Neichskommissa- riate in Preußen. Ms Leiter des preußischen Kultusministeriums, das gegenwärtig von Prosessor Kähler verwaltet wird, ist Studicnrat Rust, der nationalsozialistischer Gauleiter in Hannover ist, auserschcn. Weiter soll Landbundpräsidcnt Millikens ein führendes Amt im preußischen Landwirt schaftsministerium erhalten. Neben diesen Pcrsonalfragen stand weiter im Vorder grund der Beratungen die Festlegung des Arbeitsbeschassungs program ms. Hierbei gilt cs vor allen Dingen die Gegensätze zwischen Industrie und Landwirtschaft zu beseitigen, die in den letzten Neichskabinctten dauernd akut waren und eine fruchtbringende Arbeit der Regierungen hinderten. Oie Aufgaben des Neichsarbeitsministeriums. Im Zusammenhang mit dem Arbeitsbeschaffungs programm sind die Ausführungen von besonderem Inter esse, die Reichsarbeitsminister Seldte bei der Ein führung in sein neues Amt machte. Sein Wahlspruch für seine Amtsführung sei der alt preußische Grundsatz: Ich dien'. In seinem Amte gälten seine Hauptsorgen der Arbeitnehmerschaft, den Arbeitslosen und der Jugend. Deshalb werde in Zu kunft das Reichsarbeitsministerium von allen Aufgaben entlastet werden, die ihrem Wesen nach mehr zum Reichs wirtschaftsministerium gehörten. Das Neichskabinett werde demnächst über die organisatorischen Änderungen entscheiden. Wie der Stahlhelmpressedienst hierzu zu melden weiß, ist beabsichtigt, die rein wirtschaftlichen Fragen, die bisher vom Reichsarbeitsministerium bearbeitet wurden, ins besondere die Tariffragen, künftig dem Reichswirtschafts ministerium zuzuteilen. Das Schwergewicht im Reichs arbeitsministerium werde künftig bei der Frage des Frei willigen Arbeitsdienstes und der Jugendertüchtigung liegen, also bei Aufgaben, für die gerade der Stahlhelm auf Grund seiner bisherigen Leistungen als besonders befähigt gelten müsse. Reichsregierung und Reichstag. Gegenstand der Erörterungen der Neichsregierung war ferner dieFrage der Stellung des Neichskabinetts zum Reichstag. Reichskanzler Hitler beabsichtigt, in der ersten Neichstagssitzung das Programm der neuen Neichsregie rung zu entwickeln. Man rechnet damit, daß nach der Regierungserklärung der Reichstag sich um einen Tag ver tagen werde, um den Fraktionen Gelegenheit zu geben, zu den Darlegungen des neuen Kanzlers eingehend Stellung zu nehmen. Dann wird sich eine für mehrere Tage berech nete große politische Aussprache anschließen. Die Februar- tagüug des Reichstags soll etwa acht Tage in Anspruch nehmen. Die Ankündigung der Neichstagsrede Hillers hat einen ungeheuren Ansturm auf die Tri bünenplätze des Reichstagssitzungssaales zur Folge gehabt. Die Reichstagsfraktionen, oie über den größten Teil der Karten verfügen, und die Reichstag-Verwaltung werden mit Gesuchen um Gewährung von Äintr.itskarten aus allen Teilen des Reiches bestürmt. Die Folge davon ist, daß die Karten für die erste Sitzung und die folgenden bereits vollständig vergriffen sind. Bei der Frage Reichs tag wird die Reichsregierung auch zu prüfen haben, ob sie etwa vom Reichstag ein allgemein gehaltenes Ermäch tigungsgesetz fordern soll, das dem Kabinett Mög lichkeit geben soll, einige Monate lang in Ruhe seine Arbeiten durchzuführen. Jedenfalls wird die Regierung die Entwicklung des Verhältnisses zum Reichstag ruhig abwarten. Hitlers Verhandlungen mit dem Zentrum. Reichskanzler Hitler hat seine mit dem Zentrum in Aussicht genommenen Besprechungen am Dienstag aus genommen. Amtlich wird hierüber mitgeteilt: Der Reichs kanzler hatte mit dem Parteivorsitzenden des Zentrums, Prälat Dr. Kaas, und dem Vorsitzenden der Neichstags- fraktion des Zentrums, Dr. Perlitius, eine längere Be sprechung über die nach Bildung der neuen Regierung ge schaffene politische und parlamentarische Lage. Prälat Kaas stellte in Vertretung der Zentrumspartei eine Reihe von Fragen über den in Aussicht genommenen politischen Kurs der neuen Regierung. Die Beantwortung dieser Fragen, deren genaue Fixierung noch erfolgt, hat sich der Reichskanzler Vorbehalten. Im allgemeinen wird in parlamentarischen Kreisen angenommen, daß das Zentrum die neue Reichsregierung auf jeden Fall tolerieren wird. Die Zentrumsfraktion wird sich also bei den Abstimmungen über die gegen die Reichsregierung Hitler vorliegenden Mißtrauensvoten zumindest der Stimme enthalten, so daß man also dann damit rechnen kann, daß das Kabinett Hitler eine knappe Mehrheit im Reichstage erhält. Sollte Wider Erwarten diese Mehrheit nicht zustande» kommen, so dürfte der Reichskanzler vom Reichspräsident ten besondere Vollmachten erbitten, damit er in die Lags versetzt wird, das Wirtschaftsprogramm der Neichsregie rung eventuell ohne Reichstag durchzuführen. * Das Zentrum wartet Hitlers Anwort aßc Die Zentrumsfraktion des Reichstages nahm den Bericht ihres Parteiführers Kaas über seine Ver handlungen mit Reichskanzler Hitler entgegen. An dew Bericht schloß sich eine längere Aussprache an. Beschlüsse« wurden noch nicht gefaßt, da man die Antwort dev Reichsregierung auf die von Prälat Kaas bei seiner Unter redung mit Hitler gestellten Fragen abwarten will. Bei diesen Fragen des Zentrums handelt es sich ilw wesentlichen um folgende Punkte: Ob die Erklärung eines' Staatsnotstandes beabsichtigt sei; ferner ob iw Preußen die verfassungsmäßigen Grundlagen hergestellt werden würden; ob das SiedlungLwerkj mit. Nachdruck in Angriff genommen werde; ob dass Reichsarbeitsministerium abgebaut Werder« solle; weiter ob Maßnahmen gegen sozialpolitische, Härten vorgesehen seien und ob die Unabdingbarkeit» der Tarifverträge angetastet werden würde. Diese Fragen waren zu dem Zwecke gestellt, um die Bedenken gegen eine Ermächtigung an die Reichsregierung ausznränmen. Auch die Fraktion der Bayerischen Volks partei nahm nur den Bericht über die politische Lage entgegen, ohne Beschlüsse zu fassen. * Auf der 13. Vundcsausschußsitzung des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes in Berlin wurde, in der Aussprache einmütig betont, daß die Gewerk schaften im einzelnen Falle ihre Haltung zu der neuen Neichsregierung von ihren Taten abhängig machen würden. Wenn die Gewerkschaften zu der Regierung in Opposition ständen, so werde sie das jedoch nicht hindern» die Interessen der Arbeiterschaft auch dieser Regierung gegenüber zu vertreten. Organisation — nicht Demonstration, das sei die Parole der Stunde. * Reichslnnenmmlster Frick stellt sich dem Reichsrat von Hitler spricht am Donnerstag vor den Ländervertretern. , Im Reichsra 1 erschien zur Vollsitzung zum ersten mal der neue Reichsinnenminister Dr. F rick, der von dew Abgeordneten der Länder mit Handschlag und Glück wünschen begrüßt wurde. Wnister Dr. Fri ck übernahm den Vorsitz mit einer Ansprache, in der er u. a. betonte» Ich habe die erste Gelegenheit, die sich mir bot, wahr genommen, um mich Ihnen vorzustellen und Fühlung mit diesem überaus wichtigen Organ des Reiches aufzunehmen. Ich kann nur sagen, daß ich den größten Wert darauf lege, vertrauensvoll mit den Ländern zusammen zu arbeiten. Nach unserer politischen Einstellung wissen Sie, da« wir die Vertreter einerstarkenEinheitdes Reiches sind, daß wir wünschen, daß das Reich nach außen ein« Einheit darstellt und unerschütterlich ist, damit es sich den Angriffe von außen erwehren kann. Aber das schließt nicht aus, daß auch den einzelne« Gliedern des Reiches die nötigeMreiheit, insbe sondere auch in kultureller Beziehung, gegeben ist^ um die Aufgaben zu erfüllen, die hier den Ländern gestellt, sind. Ich möchte bemerken, daß der Reichskanzlei selbstamDonnerstagdie Gelegenheit Wahrnehmew wird, sich Ihnen persönlich vorzustellen. Unsere politisches Einstellung ist Ihnen ja aus unserer bisherigen Tätigkeit bekannt. Jedenfalls sind wir ehrlich bestrebt, haS Beste deN deutschen Volkes zu wollen. Gerade in dieser ungeheure« Notzeit ist es notwendiger denn je, daß eine stark? Regierung in Deutschland gebildet wird, und ich hoffe, daß wir Ansätze dazu in diesen Taaen gemacht Habens