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MdmfferTageblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Das »Wilsdruffer Tageblatt- erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— RW. srei Haus, bei Postbeftellung l,80 RW. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern 10 Rpsg. Alle Postonstallen und Post- botemunsereAuströgeru. ,, ... .. Geschäftsstelle, nehmen zu jederZeitDestellungenent. Wochenblatt fUI WllsdrUff U. UMUegeNd gegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg od. sonstiger " Betriebsstörungen besteht »ein Anspruch aus Lieserung Ler Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. Rücksendung eingesandtcr Schriftstücke ersolgt nur, wenn Rückporto beiliegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Anzeigenpreis: die »gespaltene Raumzeile 20 Rpsg., die «gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen «0 Reichs» psennige, die »gespaltene Reklamezeilc im textlichen Teile I RM. Nachwcisungsgebühk 20 Reichspfennige. 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Man kommt nicht vom Fleck — „Neutralisierung" Österreichs. — Der Kampf um den Reichstag. »Die Dinge der Politik und der Diplomatie dürfen nicht mit dem Entfernungsmesser des täglichen Lebens ge messen werden", äußerte einmal vor Jahren auf den diplomatischen Zusammenkünften in Genf ein Politiker, der damals sogar Außenminister von Frankreich war. Ter Mann hat insofern entschieden recht, als man bisweilen auch nicht einmal mit dem schärfsten Entfernungsmesser ein Vorwärtskommen der Dinge in Politik und Diplo matie feststellen kann, hat aber sehr unrecht darin, wenn er behauptet, es „dürfte" eben auch gar nicht anders sein. Tie Japaner jedenfalls scheinen darüber ein bißchen un diplomatisch zu denken; um ihr politisches Vorwärtsdrän gen wahrzunehmen, bedarf es nicht eines Entfernungs messers. Und um die diplomatischen „Bedenken", den Völkerbund eingeschlossen, kümmern sie sich gar nicht, beute sowenig wie überhaupt in dem und seit dem Augen blick, da ein „zufälliges" Eisenbahnattentat in der Man dschurei die japanischen Truppen zum Eingreifen und An- grcifen „zwang". Tas ist immerhin doch schon andert halb Jahre her! Und selbst mit dem von Briand empfohlenen politisch-diplomatischen Entfernungsmesser — mag man ihn auch noch so genau einstellen und damit auch ?wch so scharf beobachten — ist nicht das geringste Fort schreiten in einer „dem Geist des Völkerbundes ent sprechenden" Behandlung des chinesisch-japanischen „Kon- Mts" zu erkennen. Man kommt in Genf nicht Am Fleck. Auf jeden Versuch, über Reden und Aus schüsse wenigstens zu eindeutigen Entschließungen zu ge igen, antwortet Japan mit verschärften Drohungen in Ans und mit stärkerem militärischen Druck im Fernen -Ken. England selbst wird solange keinen Finger rühren, "ls sich die Japaner nur in den „Außenbezirken" betätigen und noch nicht über das eigentliche China herfallen. So- Al ist den Engländern der japanische Freund und — Konkurrent immer noch wert. Amerika wieder würde auch Uvch eine gewisse Erleichterung verspüren, wenn der poli tische und vor allem wirtschaftliche Ausdehnnngsdrang und -druck Japans im Gebiet des Stillen Ozeans verlagert wird hinüber nach der Mandschurei und Nord ostchina. Und infolgedessen gibt es bei den Beratungen des l9er-Ausschusses in Genf nur ein Hin- und Hergezerre zwischen dem Völkerbunddiplomaten und den japanischen Politikern; jene wollen vermitteln, für diese aber gibt es Ar eine Politik, nämlich die der Macht. Soweit ist die Diplomatie der Politik entgegengekommen, daß in dem vom Völkerbund vorgeschlagenen Schlichtungsausschuß Rußland und die Vereinigten Staaten — Japans Forde rung gemäß — nicht vertreten sein sollen. Weil sie nicht Mitglieder des Völkerbundes seien! Und die klugen Diplomaten in Genf merken gar nicht, daß damit die japa nische Politik das uralte römische „vivicko et impera!" -Entzweie deine Gegner und du wirst sie beherrschen!" wieder einmal verwirklicht: Auf der einen Seite Japan, nuf der anderen Seite die „Front" Völkerbund- Amerika-Rußland. So etwas könnte ja, wie Wippchen sagen würde, jene Hunde jammern, die das arme China als letztes Glied in der Reihe beißen werden. * „Divicks 6t imporak" „Entzweie deine Gegner und du wir st sie beherrschen!" — das war ja Ach seit Jahrhunderten die Methode der französischen Politik gegenüber allem, was deutsch ist. Gegen Frankreich "süßte vor 62 Jahren Deutschlands Einigung erkämpft werden, und nach dem Zusammenbruch mußten wir mit ^ut und Blut diese Einigung schwer genug verteidigen. -As Reich zersprengen zu können hat Frankreich nicht ver- nvcht; groß? Stücke vom Reich abzusprengen gelang ihm per. Wenn jetzt Gerüchte über gewisse Pläne auftauchen, uan betreibe von Paris aus eine „Neutralisie- ung« -Österreichs, das unter eine inter- y "klonale Garantie des Völkerbundes nach dem Auster der Schweiz gestellt werden soll, so ist dies ein AAv Umweg zum alten Ziel: Trennung des Volks der Deutschen; heute: Weitere Erhöhung und Verbreiterung Ar m Versailles und St. Germain errichteten, immer von wieder verstärkten Trennungsmauer zwischen Deutschland und Österreich. Man hat schon ^niger Zeit allerhand flüstern hören von solchen lanzostschen Plänen einer „Neutralisierung" üerreichs, die übrigens sich genau so wie bei der Schweiz -i A" Chon dahin auswirken würde, daß das „neutrali- i Auch keinerlei politische Verträge mit "Einem anderen Lande abschließen dürfte. wmn auch noch so heftig dementiert wird, — hier r». s""st übertriebene und übertreibende Sprichwort d-ch "Wo Rauch jst auch Feuer!" Denn derartige „AoAciüsch-Politische Hintertreppen zu benutzen ist ebenso tm-ö, "^nte sranzösische Methode wie es das dahinter auf- ein^mw Ziel ist. Doch sollte man in Paris dabei nicht s.Avgessen: Die Welt ist in letzter Zeit gerade von lebrlch^nnd dem Völkerbund darüber eindringlich be- Veri-X welch' relativen Wert die .Heiligkeit der ^rrrraüe" beulet. Jie WWW abermals vertagt. Reichstag am 31. Januar. Ser Beschluß des Ältestenrats: Reichsparlament tritt, am 31. Januar zusammen. Der Ältestenrat des Reichsrats beschloß den Wieder- zusammentritt des Rcichsparlaments für Dienstag, den 31. Januar. über den Verlauf der Sitzung des Ältestenrates, deren Beginn um eine Stunde verzögert wurde, werden noch folgende Einzelheiten bekannt: Abg. Dr. Frick (Nat.-Soz.) stellte den Antrag, den Reichstag zusammentreten zu lassen, wenn die Möglichkeit gegeben sei, gleichzeitig mit der ersten Lesung des neuen Haushaltsplanes für 1933 eine politische Aussprache zu verbinden. Es sei dann damit auch eine geeignete Grund lage für die Verhandlungen des Reichstages gegeben. Dr. Frick sprach für diesen Fall auch die Bitte aus, daß die Vorlegung des Haushalts beschleunigt erfolgen möge. Demgegenüber verwies der Kommunist Abg. Torgler auf die Erklärung des Reichsfinanzministers im Haus haltsansschuß, daß sich die Vorlegung des neuen Haus halts ziemlich nahe bis an das Ende des jetzigen Haus haltsjahres heranzögern würde. Äbg. Dr. Oberfohren fTln.) wünschte eine bal dige Klärung der politischen Lage, meinte jedoch, wenn eine so große Fraktion wie die Nationalsozialisten den Wunsch äußert, den Reichstagszusammentritt noch zu ver schieben, müsse er sich diesen Wünschen anschließen. Daraufhin wurde vom Zentrumsabgeordneten Dr. Bell vermittelnd beantragt, den Reichstag zum 31. Januar einzuberufen und " am 27. d. M. den Ältestenrat zwecks Festsetzung der Tagesordnung zusammentreten zu lassen. Staatssekretär Dr. Planck wies darauf hin, daß eine so schnelle Vorlegung des neuen Haushaltsplanes der Regierung nicht. möglich sein werde. Die Reichs regierung halte es nach wie vor im Interesse der politi schen Beruhigung des Landes und seiner wirtschaftlichen Gesundung für dringend erforderlich, die politische Lage möglichst bald unzweideutig zu klären. Wenn der Reichstag noch eine Frist von einer Woche dazu be nutzen wolle, die Mehrheitsverhältnisse im Parlament ein wandfrei festzustellen, so vermöge sich die Reichsregierung dem nicht zu widersetzen. Sie selbst sei natürlich an der artigen Verhandlungen nicht interessiert. Auf die Frage von feiten des kommunistischen Abg. Torgler, ob die Reichsregieruug in einer länge ren Vertagung des Reichstags eine Tolerierung durch das Parlament sehen würde, erwiderte der Staats sekretär, auch bei einer Vertagung für längere Zeit halte die Negierung eine unzweideutige Klärung der politischen Lage für unbedingt erforderlich. Diese Erklärung legte der Abg. Löbe (Soz.) dahin aus, daß die Regierung in einer solchen Vertagung also ein Billigungsvotum sehen würde. Schließlich wurde der Zentrumsantrag mit den Stimmen der Antragsteller, der Nationalsozialisten, der Bayerischen Volkspartei und der Technischen Arbeits gemeinschaft angenommen. Ein Antrag der Nationalsozialisten, den Reichstagspräsidenten Göring zu ermächtigen, die nächste Sitzung selbst einzubernfen, sobald der Etat des Haushalts für 1933 dem Reichstag vorliegt, wur^e gegen die Antragsteller abgelehnt. Dagegen wurde der Ver mittlungsantrag des Abg. Bell, den Reichstag am 31. Januar zusammentreten zu lassen, angenommen. Vertagte (Entscheidung. Der Beschluß des Ältestenrats des Reichstages scbiebt die Entscheidung im innenpolitischen Kampf nochmals um acht Tage hinaus. Der Ältestenrat hat auch für die Sitzung am 31. Januar noch keine Taaesordnuna kest- Die Empfehlung des „Entzweie deine Gegner" ist im Kampf zwischen Reichsregierung und Reichstag insofern überflüssig, als die Entzweiung im Reichstag ja gar nicht mehr geschaffen zu werden braucht, sondern immer da ist, manchmal in größerem, selten in kleinerem Umfange. Eigentlich ist es doch ein recht grotesker Gegensatz: Die Ausschüsse des Reichstages sind heftig an dem, was man dort „Arbeit" nennt. Aber der Zusammentritt des Plenums, also der alles erst ent scheidenden Vollversammlungen, ist ein kritischer Punkt, an den man ungern herangeht. Man ist einem endgültigen Entschluß hierüber zweimal ausgewichen, und als am Freitag der Ältestenausschuß endlich zusammenkam. da gesetzt, er wird vielmehr zu diesem Zweck nochmals am 27. Januar zusammentreten. In dem Kampf zwischen Ncichsrcgicrung und Reichstag ist also nach wie vor alles offen gelassen, und man geht in der An nahme sicher nicht fehl, daß die neugewonnene Zeit eifrig dazu benutzt werden wird, um nach Möglichkeit ver mittelnd zwischen Negierung und Reichsparlament zu wirken. Wie bekannt wird, soll das Zentrum auch am Frei tag Versuche gemacht haben, eine Mehrheits bildung im Reichstag zustandezubringen. Viel be achtet wurde auch eine Besprechung, die der Zentrums abgeordnete Dr. Brüning mit dem sozialdemokratischen Abgeordneten Dr. Hilferding hatte. Doch soll es sich bei dieser Aussprache nur um die Festlegung des taktischen Vorgehen der Fraktionsvcrtreter des Ältestenrates ge handelt haben. Mchregierung fordert endgültige Entscheidung. Die nach dem Vertagungsbeschluß des Ältesten rats entstandene Lage wird in Kreisen der Neichs- regierung mit Ruhe beurteilt. Gegen den achttägigen Vertagungsantrag anzugehen, so wird erklärt, habe kein Grund vorgelegen. Wenn die Regierung auch die baldige Klärung wünsche, so müsse sie doch darauf Rücksicht nehmen, daß die verfassungsmäßigen Möglich keiten erschöpft würden. Eines habe jedenfalls der Beschluß des Ältestenrats klar gezeigt, nämlich die Scheu der Parteien vor d e r Ä uf l ö s u n g. Das zeige vor allem der Antrag der Nationalsozialisten, den Reichstag auf unbestimmte Zeit zu vertagen. In acht Tagen werde aber die Regierung die Ent scheidungverlangen, ob man mit ihr arbeiten wolle oder nicht. Einer Fortsetzung dieses Ver tagungsspiels seien dadurch Grenzen gesetzt, daß der Reichspräsident auf Grund des Artikels 24 der Neichs- verfassung die Möglichkeit habe, den Reichstagspräsidcnten um E in b er uf u n g des Reichstages zu ersuchen. Dann könne der Reichstag zur Entscheidung gezwungen werden. Irr einem solchen Falle müßte sich allerdings der Reichstag selbst die Tagesordnung geben. Die Regie rung habe es aber i m mer in der Hand, sich zum Wort zu melden und ihre Erklärung abzugeben, es sei denn, daß von irgendeiner Seite die sofortige Abstim mung verlangt werden sollte. Würde dieses Letztere eintretcn, nämlich sofortige Abstimmung ohne vorherige Entgegennahme der Negierungserklärung, so würde das natürlich die sofortige Auflösung des Reichstages zur Folge haben. Wie weiter verlautet, hat der Reichskanzler seine Besprechungen mit den Parteiführern und Politikern endgültig abgeschlossen. Die Reichsregierung betrachtet sich daher an den Besprechungen, dis in den nächsten Tagen im Reichstag zur Klärung der Mehrheits verhältnisse geführt werden, als nicht interessiert. * Berliner BMtterstimmen zum Vertags- brschlutz Berlin, 21. Januar. Die Kreuzzeitung bezeich net den Beschluß des Aeltestenrates, den Zusammentritt des Reichstages um eine Woche zu vertagen, als einen Verlegen- heitsbeschluß. Der Kuhhandel gehe nun weiter. — Die Bör senzeitung hält es für durchaus denkbar, daß man am nächsten Freitag mittag vor derselben ungeklärten Lage stehe wie um die gleiche Stunde des Freitag. — Die Vossische Zeitung sagt, auf eine kürze Formel gebracht, bedeute der- Beschluß des Aeltestenrates die Rückkehr zum politischen Stand vom November vorigen Jahres. — Der Lokalanzeigcr konnte man immer noch mit dem russischen Worte sagen: „Äpfelchen, wohin rollst du?" Verhandlungen, Besprechun gen, Vermittlungsversuche hatte es ja in Heimlichkeit und in einer Fülle gegeben, von der aus allein schon man auf den Grad der schweren Verlegenheit schließen kann. Taktik ist ja ganz was schönes, der eine versteht davon ein bißchen mehr, der andere ein bißchen weniger, aber im Reichstag ist das schon mehr ein - Tiktak wie bei der Uhr oder — um Fritz Reuter zu zitieren „Hie gecht er hin, dor geiht er hin!" Eigentlich sollte der Neichstag am 24. zum goldbekuppelten Haus am Brandenburger Tor „hin- geih'n", nun geihi er aber erst am 31. ^.vorhin". Dr»Pr.