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Wilsdruffer Tageblatt : 31.01.1933
- Erscheinungsdatum
- 1933-01-31
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-193301315
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19330131
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19330131
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1933
-
Monat
1933-01
- Tag 1933-01-31
-
Monat
1933-01
-
Jahr
1933
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 31.01.1933
- Autor
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es m ver nacht aus. Es wurde in das Krankenhaus ein geliefert, wo de; Tod seinen Schmerzen ein Ende machte Die eigene Frau ermordet. Unter einer Grabendrücke zwischen Haßloch (Pfalz) und Iggelheim fanden Passanten d e Leiche einer Frau. Eine bei der Toren gefundene Mutterstädter Zeitung veranlaßte die Untersuchungs behörde, die Nachforschungen in Mutterstadt fortzusetzen Hier konnte festgestellt werden, daß es sich bei der Toten um die 29 Jahre alte Ehefrau des 23jährigen Schmiedes Felix Geis aus Mutterstadt handelte. Der Ehemann wurde verhaftet und hat eingestanden, seine Frau ermordet zu haben. Die Zwillingsleichen im Koffer. Die Pariser Polizei verhaftete ein 27jähriges Dienstmädchen, das heimlich Zwillinge zur Welt gebracht und sie erstickt hatte. Tas Mädchen hatte seine Stellung in einem Hotel am Donners tag aufgegeben, und dem Hotelbesitzer erklärt, daß es im Laufe des Nachmittags die Koffer abholen werde. Als es bis Sonnabend nicht zurückgekehrt war, öffnete der Hotelbesitzer einen der Kofier und fand darin die Leichen Von heraüstürzendcm Gestein getötet In Meaux (Frankreich) wurden vier Arbeiter bei einem durch Frost hervorgerufenen Einsturz von Kalkgestein in einem Stein bruch verschüttet. Ein Arbeiter wurde getötet, drei schwer verletzt. Be» Roucn wurden ,rwei Arbeiter, die in einem Steinbruch beschäftigt waren, gleichfalls ourch hcrab- brechendes Kalkgestem verschütte; Neide fanden den Tod. Neue Bomüenfunde m Barcelona. In Barcelona wurden bei einer Haussuchung 390 Bomben 160 Tynamil- patronen, mehrere Gewehre und Revolver gefunden und beschlagnahmt Ein leit langem gesuchter Kommunist, der eines Anschlags verdächtig ist, würde unter dem Dach des Hauses verhaftet. 20 000 Drähte überbrücken den Rhein. Man darf es als ein Verdienst der Museen bezeichnen, daß sie nicht nur Lie aus grauer Vorzeit stammenden Kultur denkmale sammeln und hegen, sondern auch Andenken an technische Großtaten der Gegenwart in ihren Hallen aufstellen. In dieser Hinsicht bewährt sich besonders das Deutsche Museum, in dessen Geuppe „Brückenbau" jüngst ein Stück des Tragkabels der Köln-Mülheimer Nheinbrücke zur Aufstellung gelangte. Diese Brücke ist — was sicher nicht allzu vielen Deutschen bekannt sein bürste die neueste und größte Kabel brücke Europas. Sie wird von zwei Kabeln getragen, von denen jedes 550 Meter rang ist und ans 37 Seilen ver schlossener Bauart besteht. 277 Stahldrähte fügen sich zu einem Seil zusammen, so oatz es also insgesamt mehr als 20 000 Drähte sind, welche die Brücke tragen. Die beiden Kabel besitzen eine Tragkraft von 14 000 Tonnen und ein Ge samtgewicht von 1500 Tonnen. -Insgesamt weisen die Seile eine Länge von 40 Kilometern aus Die neue Brücke wird als ein Meisterstück moderner Brückenbaukunst bezeichnet, und man rühmt ihr nach, daß sie sich dem Landschaftsbilde harmo nisch einfüge. Davon versucht das Gemälde eines rheinischen Malers, das im gleichen Mcheumsraum untergebracht wurde wie das Kabelstück, beredtes Zeugnis abzulegen. SteutrkMder sör Februar. IS. sretu/l e. vsllllommenneuervorauszayrung der Landwirte, soweit sie nicht durch die landwirt schaftliche Einheitssteuer abgegolien ist. Dazu 2. füns Prozent Zuschlag zur Einkommensteuer für Landwirte mit Einkommen über 8000 Mark sowie 3. Ledigensteuer für Landwirte, 4. Vorauszahlung auf die Vermögen steuer, eine Vierteljahresrate, 5. Vorauszahlung aus die Aufbringungsumlage 1932 (nur bei Betriebs vermögen über 500 000 Mark), 6. Einreichung der Lohnsteuerbelege für 1932, 7. (bis 28. Februar) Frist zur Abgabe der Einkommen-, Körperschaft- und Um satzsteuererklärungen für 1932. 17. Februar: Reich: Letzter Tag für Umsatzsteuervoran meldung und Umsatzsteuervorauszahlung der Monats zahler. 2V. Februar: Reich: 1. Ablieferung der für die Zeit vom 1. bis 15. Februar einbehaltenen Steuerabzüge vom Arbeitslohn im Markenverfahren; desgl. im Über weisungsverfahren, wenn die vom 1. bis 15. Februar einbehaltenen Lohnbeträge 200 Mark übersteigen. Dazu 2. Ledigensteuer, soweit sie im Steuerabzugsverfahren einzubehalten ist, 3. Abgabe für Arbeitslosenhilfe, so weit sie an die Finanzämter abzuführen ist (für nicht krankenversicherungs- und nicht arbeitslosenversiche rungspflichtige Arbeitnehmers, und 4. Bürgersteucr 1933 der Lohnsteuerpflichtigen, soweit sie in dem be treffenden Land oder der betreffenden Gemeinde für 19Ä erhoben wird, und zwar für die Lohnzahlungen vom 1 bis 15. Februar, wenn die einbehaltene Bürger steuer mehr als 200 Mark beträgt und die Abführung nicht an eine auswärtige Gemeinde zu erfolgen hat. 27. Februar: Reich: Zahlung der Salzsteuer für Januar 1933. 28. Februar: Reich: Letzter Tag für Abgabe der Ein kommensteuer-- Körperschaftsteuer- und Umsatzsteuer erklärung für 1932. 6».) 6. Februar: Reich: 1. Ablieferung der für die Zeit vom 16. bis 31. Januar einbeyalienen Steuerabzüge vom Arbeitslohn. Wenn im Überweisungsverfahren die bis 15. Januar einbehaltenen Beträge 200 Marl nicht überstiegen haben, Überweisung für die Zeit vom 1. his 31. Januar. Dazu 2. Ledigensteuer, soweit sic im Steuerabzugsverfahren einzubehalten ist, 3. Abgabe für die Arbeitslosenhilfe, soweit sie an die Finanz ämter abzuführen ist (für nicht krankenversicherungs- und «ichl arbeitslosenversicherungspflichtige Arbeit nehmer), und 4. Bürgersteucr 1933 der Lohnsteuer- pflichtigen, soweit sie in dem betreffenden Land oder der betreffenden Gemeinde für 1933 erhoben wird, und zwar für die Lohnzahlungen vom 16. bis 31. Januar; ferner für die Lohnzahlungen vom 1. bis 15 Januar, wenn die einzubehaltende Bürgersteuei weniger als 200 Mark beträgt, oder an auswärtige Gemeinden abzuführen ist. 5. Der Salzmengen, sm die Steuerschuld im Januar entstanden ist. 10. Februar: Reich: 1. Umsatzsteuervorauszahlung und Umsatzsteuervoranmeldung der Monatszahler (Schon- frift bis 17. Februar), L Börsenumsatzsteuer für Ja- nuar 1S3S, 3. Bürgersteuerrate 1933 der veranlagte« Bürgersteuerpstichtigen je »ach Steuerbescheid. Z« entrichten sind: der volle Jahresbetrag bei einem Bür- gerstenersatz von 100 Prozent, der halbe Jahresbetrag bei einem Bürgersteuersatz von 150 und 200 Prozent, ein Drittel des Jahresbettages bei einem Bürger, stenersa- von 250 und 300 Prozent, ein Viertel des Jahresbetrages bei WrgerSeuersätzm über SVO Pro- Leut. — Tagungen in Sachsen Sängerbund „Saxonia". L'er Bäckermeister-Sängerbund „Saxonia" hielt in Wilkau in Gegenwart von etwa 350 Bundcsmitglie- dernIeine 22. Bundestagung unter Leitung des Vorsitzen den Schlimper (Chemnitz) ab. Nach Erstattung der Berichte des Schriftführers Böhme (Chemnitz) und des Schatz meisters Dachselt (Chemnitz) wurde auf Anregung des Bundesvorstandes beschlossen, auf dem Grabe des verstor benen Bundeschormeisters Theo Nestler in Chemnitz einen Denkstein zu errichten. Der Bundesvorstand wurde wwocr- gewählt. Zum ersten Bundeschormeister wählte man den bisherigen zweiten Bundeschormeister O. Lange (Leipzig) und zum zweiten Bundeschormeister Lehrer Helbig (Chemnitz). Die Durchführung des Bundessängerfestes 1933 wurde Chemnitz übertragen. In Verbindung mit dem Sängerfest soll das Grabmal Nestlers geweiht werden. WWW A W WUM WW Aus Sachsens Gerichtssalen. Der Mord an dem Wächter der Tierklinik. Leipzig. Fünf Tage lang verhandelte das Schwurgericht gegen den Kaufmann Pohl, der beschuldigt war, am 13 Januar letzten Jahres den Wächter der Universiiäistierklinik nieber- gcschossen und getötet zu haben In den ersten Morgenstunden des 13. Januar kam der Wächter auf seinem Nunvgange an die Kantine der Tierklinik und sah, daß etwas nicht in Ordnung war Er wurde dabei von einem Einbrecher niedergejchossen. Nach langer Zeit erst kam Pohl als Täter in Verdacht. Er leugnete jegliche Beteiligung an der Tat sogar dann noch, als einwandfrei seststand, daß der zur Ermordung des Wächters gebrauchte Revolver Pohls Eigentum war. Aber auch noch eine ganze Anzahl anderer Tatbestandsaufnahmen wiesen aus Pohl als Täler hin Das Schwurgericht hielt Pohl für überführt und verurteilte ihn wegen Totschlages im Sinne des 8 214 StGB. «Tötung, um sich die Flucht zu sichern, wenn man auf frischer Tat ergriffen wird) zu zehn Jahren und sechs Monaten Zuchthaus und zu süns Jahren Ehrenrechtsverlust. „Übereifer" eines Polizcibeamten. Dresden. Vor der Großen Strafkammer des Landgerichts hatte sich der Polizcioberwachtmeisier Naumann unter der An klage der Körperverletzung im Amte zu verantworten .Die An klage warf Naumann vor, daß er am 3. Oktober auf Merbitzer Flur einen Kartoffelstoppler grundlos geschlagen hatte. Der Angeklagte, der von der Dresdner Polizei zum Flurschntz ab- geordnci war und wegen verschiedener, den Kartoffelstopplern zur Last gelegten Krauldiebstähle bei diesem Nachschau hielt, mar auch am Abend des fraglichen Tages zu einer Gruppe von Stopplern getreten, um deren Säcke zu kontrollieren. Hier bei will er von dem Händler Wilthgen durch „Zwischensprechen" und schließlich auch tätlich bedroht worden fein, über die Art der angeblichen Bedrohung konnte er aber lediglich allgemeine Angaben machen. Ganz anders stellte sich aber der Vorfall N6H den Aussagen der Zeugen dar, sämtlich ruhigen, älteren Leuten, die auch beteuerten, keinerlei Feindseligkeiten gegen die Polizei zu hegen. Danach hat Wilthgen, der ebenfalls emen Kartoffelsack auf dem Wagen liegen hatte, nur zu einem Zeugen gesagt, er brauche ja den Sack gar nicht auszubinden, da man es ja von außen fühlen könne, ob sich Kraut oder Kartoffeln in dem Sack befinden. Hierauf habe der Beamte Wilthgen angeschnauzt und gleich darauf, ohne das Wilthgen den gering sten Anlaß gegeben hätte, diesem erst einen Faustschlag und dann noch einen Peitfchenhieb versetzt. Das Gericht verurteilte Naumann, der seiner Behörde und dem Gericht gegenüber unwahre Angaben über den Vorfall gemacht habe, und an gesichts der Schwere des Übergriffes zu zwei Monaten Ge fängnis, wobei es strafmildernd in Rechnung gestellt hatte, daß der Beamte durch seinen anstrengenden Dienst und schlechte Erfahrung mit anderen Leuten nervös geworden sei und in falschem Übereifer gehandelt habe. Bücherschau. „Die Brennessel", politisch-jatirische Kampfschrift, Haupt- schriftleiter Wilhelm Weitz, Zentralverlag der N.S.D.A.P. Frz. Eher Nachfolger G.m.b.H., München, Thierschstraße 11. Preis des Einzelheftes 30 Pfg. Bezugspreis monatlich RM. 1.— zuzüglich 6 Pfg. Postbestellgeld. Wenn wir die Folge 4 der Brennessel zur Hand nehmen, werden wir daran erinnert, daß es wieder Karneval ist. Näheres wollen wir hier nicht verraten, wir wünschen nur, daß jeder unserer Leser die Brennessel selbst anschaut, dann aber Obacht gibt, daß er nicht vor Lachen platzt. Führer durch das 1000jährige Bautzen. Bereits im Jahre 1914 erschien aus der Feder des verdienstvollen ersten Direk tors des Bautzner Stadtmuseums Dr. Wolfgang Roch: „Bautzen, ein Wegweiser zur Schönheit einer alten Stadt". Der Verfasser erlitt als Jägeroffizier in Mazedonien den Hel dentod; sein Werk erlebte nunmehr die vierte Auslage. Der Bearbeiter der dritten Auflage, Max Zeibig, fügte „Mini aturen" hinzu, um etwas vom Geist und der Musik der Stadt lebendig zu machen. Dr. Paul Arras bearbeitete die vierte Auflage, brachte nötig erscheinende Ergänzungen und führte den Wegweiser bis zur Jetztzeit fort. Im ersten Teil wird vom Schicksal und von der Schönheit der alten Stadt berichtet. Im zweiten Teil nimmt der Führer den Bejucher zu einem Rund gang durch die Stadt an der Hand. In verhältnismähig kur zer Zeit gelangt man zu allen wichtigen Punkten und durch schreitet die Hauptstrahen in der Richtung, die ihre besondere Schönheit enthüllt. Dann ersteht das Bautzen der Neuzeit, das von 13 WO Einwohnern im Jahre 1870 zu etwa 37000 im Jahre 1914 und rund 40 OLO gegenwärtig anstieg und zum Mittelpunkt des schaffenden und geistigen Lebens der Provinz wurde. Mit einem umfassenden Blick in die nähere und wei tere Umgebung und einem Anzeigenteil, der ebenfalls wert volle Hinweise und Anregungen gibt, schließt der Führer ab. Zahlreiche vorzügliche Abbildungen, ein Grundriß und zwei Pläne geben zum Wort das Bild und vervollständigen so den Führer, der von der Buchdruckerei der „Bautzner Nachrichten", der Firma E. M. Monse K R. Rasch in Bautzen auch druck- technisch in ein glänzendes Gewand gehüllt wurde. Das Schitt ärr „glücklichen Kinder". Lwffcven aen Konten üer rufMMrn Revolution. — wir aer rrae« von St. Petersburg leinen nscbwuryr rettrn wollt«. — Sin MSUchen Mier yria unü Spion. Von Harris Von den wenigsten der Unglücklichen, die am Dnjesterufer, der heutigen Grenze zwischen Rußland und Rumänien, auf der Flucht aus der Sowjethölle starben, kennt man die Namen. An einige unter ihnen wird man sich aber länger erinnern, vielleicht auch an Olga Ulanowa, die erst vor kurzem mit 29 Jahren ihren Haß gegen die Unterdrücker des russischen Volkes mit dem Leben bezahlen mußte. Manches Geheimnis hat dieses Mädchen mit in sein schlichtes Grab am rumänischen User hinabgenommen. Was Olga Ulanowa in den letzten elf Jahren ihres Kampfes gegen die Bolschewisten geleistet hat, wissen Wohl nur ein paar Ein geweihte. Das was von ihr bekannt wurde, genügt, um ihr ein unvergängliches Ehrenmal zu sichern. Olgas Vater, der Graf Boris Kikoski, war russischer Oberst, als die Kerenski-Revolulion ausbrach. Er gehörte zu jenem Peterburger Adel, der in diesen unruhigen Tagen für die Sicherheit seiner Kinder bangte. Da tauchte irgendwo der Gedanke auf, den gefährdeten Nachwuchs der hauptstädtischen Aristokratie unter der Obhut einiger Erzieherinnen zu sammeln und nach dem fernen, sicheren Sibirien zu schicken. Tort sollten die Kinder bleiben, bis Ruhe und Ordnung wiederkehrten. Der Entschluß war der Auftakt zu einer der größten Kindertragödien aller Zeiten. 2500 Kinder, keines davon älter als fünfzehn Jahre, reisten nach Sibirien. Unter ihnen befand sich auch die vier zehnjährige Olga Ulanowa. Der Aufenthalt sollte höchstens ein paar Monate dauern. Im Herbst hofften die Eltern, mit ihren Kindern Wiedersehen feiern zu können. Doch im Herbst kam die bolschewistische Revolution, das Ende des alten Ruß lands, das selbst ein Kerenski hatte schonen wollen. An eine Rückkehr der Kinder war nicht mehr zu denken. Sie lebten unter der Obhut der Erzieherinnen in einigen Dörfern Ostsibiriens, und so sahen sie sich eines Tages von zwei gegnerischen Heeren eingeschlossen, den zurückweichenden Weißen Truppen unter Koltschak und der Roten Armee. Hier wurde der Name Olgas zuerst genannt. Als Junge verkleidet, stellte sie mehrfach die Verbindung zwischen Koltschak und dem amerikanischen Geschäftsträger in Archangelsk her. Sie mußte hierbei die feindlichen Linien kreuzen und zeigte mit ihren sechzehn Jahren mehr Mut, Umsicht und Ausdauer als mancher männliche Nachrichtenträger. Die Aristokratenkinder befanden sich inzwischen m einer eisernen Zange. Sie wurden von den Kriegsereignissen hin und her geworfen, litten Hunger, Epidemien brachen aus, die Rotgardisten zwangen die nur einigermaßen waffenfähigen Jungen zum Dienst in ihren Reihen, und die übrigen Kinder zerstoben in kleine Trupps, die hoffnungslos, ohne genügende Nahrung, ohne Kleidung, ohne Schuhwerk, ohne ärztliche Hilfe, ohne Ziel, ohne Führung durch Sibirien irrten. Vielleicht hatte man die Kinder vergessen. Auf jeden Fall unternahm das amerikanische Rote Kreuz erst dann etwas zur Rettung der Unglücklichen, als die Weißen Armeen hoffnungs los geschlagen waren und ihre Reste sich in Wladiwostok sammelten. Dorthin sollten auch die einzelnen Kindertrupps zusammen gezogen werden. Was sich nun da in Wladiwostok einfand, war der ver körperte Jammer. 2500 gcfunde Kinder halte man vor den Unbilden einer verhältnismäßig harmlosen Revolution schützen wollen. 515 ausgemergelte, kranke, halbverhungerte Gestalten jchlichen naäi Wladiwostok, hinein. Der. Liest»IketnabL LIM. Brackett. war irgendwo verhungert, am Wegrand verkomme«, erfroren, an Krankheiten zugrunde gegangen. In diesem unsagbaren Elend erschien Olga Ulanowa als hilfreicher Engel. Sie wurde Führerin des unglückseligen Haufens, zeigte eine Tatkraft, eines starken Mannes würdig. Das Rote Kreuz versuchte, die Kinder mit der Transsibirischen Bahn in die Heimat zurückzubefördsrn. Die Bolschewisten lehnten das Ersuchen rundweg ab. Daraufhin charterte das amerikanische Rote Kreuz den japanischen Frachtdampfer „Nikka Maru", um auf dem zu diesem Transport völlig un- gee'gneten Schiff die überlebenden Kinder um die halbe Erde herum nach St. Petersburg zu schicken. Mit einem Kosten aufwand von Millionen wurden im Laderaum Kabinen ein gebaut, und im Frühjahr 1920 segelte der „Nikka Maru" mit 480 Kindern und Olga Ulanowa, der Siebzehnjährigen, als Führerin von Wladiwostok. Unterwegs zeigte es sich, daß dies Unternehmen ein Leicht sinn war. Das Schiff lag infolge der mangelhaften Belastung drei Meter über der Ladewasserlinie, und nur dem ruhigen Wetter war es zu verdanken, daß der „Nikka Maru" ohne Zwischenfall San Franzisko erreichte. Bei Sonnenaufgang, als der leuchtende Himmelskörper zwischen den Pfeilern des Goldenen Tors hochstieg wie die Verheißung eines besseren Tages, fuhr das Schiff in den Hafen ein. Die Kinder sahen die große Stadt vor sich liegen, Hunderte von Amerikanern kamen mit Bergen von Geschenken an Bord, und die Kinder wurden von einem Glückstaumel ergriffen: Ein neues Leben schien nach der Hölle vor ihnen zu liegen. Das Schiff der Glücklichen Kinder nannten deshalb die Leute von San Franzisko den Dampfer. Tas Schiff der Glücklichen Kinder! Der Name war wie ein Hohn. Denn anstatt mit Dank das Anerbieten Hunderter Von San Franziskoer Einwohnern anzunehmen, die alle Flüchtlinge adoptieren oder solange bei sich behalten wollten, bis Nachricht von den Eltern eintraf, erklärte das ameri kanische Rote Kreuz, es habe die Verpflichtung übernommen, die Kinder nach St. Petersburg zu bringen. Die Enttäuschung auf dem Dampfer war unsagbar, und nur Olgas Zuspruch vermochte die Verzweiflung einzudämmen. Dabei wußte das Mädchen wahrscheinlich selbst, daß die Fahrt nur ins Elend sührte. Das Schiff der Glücklichen Kinder erreichte St. Peters burg. Der „Nikka Maru" löschte seine Menschenfracht. Was dann aus den Unglücklichen wurde, wisfen vielleicht nur die Sowjetbehörden. Denn die Aristokratie war längst geflohen. Die Kinder hatten kein Heim, niemand, der für sie sorgte, und auch Olga Ulanowas Einfluß schwand. Sowjetrußland fraß die Unglücklichen wie ein Niesenmoloch, dem schon Zehn taufende von Kindern geopfert waren und dem noch Hundert lausende verfallen sollten. Nur Olga Ulanowa tauchte wieder auf. Sie halte ihr Leben dem Kampf gegen die bolschewistischen Verderber ihres Volkes gewidmet. Sie wurde eine der gewandtesten, un erschrockensten und am meisten gefürchteten Spioninnen gegen die kommunistischen Machthaber. Sie hat verschiedentlich die Grenze heimlich überschritten und der Leitung der russischen Emigranten wertvolle Dienste geleistet. Beim letzten Versuch, sich aus Rußland zu schleichen, fiel sie, von acht Kugeln getroffen.
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