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tausend Anhänger zu machen. Im Jahre 1922 zählte vte Partei schon 20 000 Mitglieder. Die Partei wuchs schließ lich zu einem politischen Machtfaktor heran. Es kam das schwere Jahr 1923, die Inflation mit allen ihren Folgen. In München führte die Entwicklung schließlich im November zu dem Putsch im B ü r g e r b r ä u k e l l c r und zu den blutigen Zwischenfällen vor der Münchener Residenz, als Hitler neben Ludendorff an der Spitze eines Demonstrationszuges in München einmarschierte. Der Putsch brach zusammen, Hitler wurde nach einigen Tagen verhaftet und vom Münchener Volksgericht wegen Hochverrat zu fünf Jahren Festung verurteilt. Nach einem Jahr wurde er mit Bewährungsfrist entlassen. Bei dem großen Prozeß hörte zum erstenmal die große Öffentlich keit die Gedanken des Nationalsozialismus aus Hitlers Mund. Als Hitler freigelassen wurde, hat ihm Bayern ein Redeverbot auferlegt, auch in verschiedenen anderen deutschen Staaten, so auch in Preußen, war ihm das Reden untersagt. Es schien in den Jahren nach feiner Entlassung, als ob es mit der nationalsozialistischen Bewegung aus wäre. Aber bald zeigte es sich, daß Hitler unermüdlich an der Entwicklung seiner Partei gearbeitet hatte. Als 1927 zuerst in Bayern, und 1928 auch in Preußen das Redeverbot für Hitler aufgehoben wurde, machte die Entwicklung der Partei schnelle Fortschritte. Hitler gewann baK starken Einfluß auf die Massen versammlungen. Seme Organisation der Sturm truppen führte ihm besonders die Jugend zu. Im Herbst 1929 setzte Hitler zum erstenmal seine Partei als Machtfaktor in der großen Politik ein, und kämpfte im Volksbegehren mit H u g e n b e r g zusammen gegen den verhängnisvollen Young-Plan. Nun folgten schnell parlamentarische Erfolge in verschiedenen deutschen Ländern, und bei den Reichstagswahlen im September 1930 wurde aller Welt klar, daß Hitler und die NSDAP, ein Machtfaktor in der deutschen Politik geworden waren. Mit 107 Abgeordneten zogen die Nationalsozialisten in den Reichstag ein. Von diesem Tage ab wurde die Nationalsozialistische Partei gewissermaßen zum Drehpunkt der inneren Politik und der Name Hitler wurde der meistumkämpfte Name. Das Wahljahr 1932, besonders die Präsidenten wahlen gaben Hitler Gelegenheit, seinen gewaltigen Ein fluß auf die Massen voll einzusetzen, und aus der einstigen 6-Männerpartei war nach kaum acht Jahren eine 12-Mil- lionenpartei geworden, eine Entwicklung die beispiellos ist. Dabei ist zu beachten, daß die ganze Bewegung auf den Namen Hitler eingestellt war und ist. * Or. Hugenberg. Dr. Alfred Hugenberg, der Führer der Deutsch nationalen Volkspartei, jetzt Reichswirtschafts- und Ernährungsmini st er, wurde am 19. Juni 1865 in Hannover als Sohn des kgl. hannov. Schatzrates Karl Hugenberg geboren. Er studierte Nationalökonomie und beschäftigte sich schon als Student mit den Fragen der Siedlung. 1891 trat er in den Verwaltungsdienst ein. 1900 wurde er Direktor der Raiffeisengenossen schaft und der damals neugegründeten Posenschen Landesgenossenschaftsbank. Hier arbeitete Hugenberg hin auf eine gesunde deutsche Ansiedlungspolitik im Osten. Als Vortragender Rat im Reichsfinanzministe rium erhielt er 1903 das Referat über die Ostpolitik. 1907 schied Hugenberg aus dem Staatsdienst aus, wurde zu nächst Direktor der Bergischen Metallbank und zwei Jahre später Vorsitzender des Direktoriums der Friedrich Krupp A.G. in Essen. Unter seiner Leitung erfolgte der Ausbau der Sozial- und Wohlfahrtseinrichtungen dieser Firma. Um sich ganz der Politik widmen zu können, schied Hugenberg 1919 aus der Firma Krupp aus. Im gleichen Jahre wurde er im Wahlkreis Posen Abgeordneter der neugegründeten DNVP. in der Nationalversammlung. In den Reichstag kam er als Abgeordneter des Wahlkreises Westfalen-Nord, dessen Spitzenkandidat er bis heute ge blieben ist. 1928 wurde Hugenberg zum Parteivor sitz e n d e n der DNVP. gewählt. * Michsinnenminister Or. Krick. Staatsminister a. D. Dr. Frick, der neue Reichs- Minister des Innern, vollendet in Kürze sein 56. Lebens jahr. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften war er in der bayerischen Justizverwaltung tätig und später Amtsanwalt in München. Viele Jahre war er dann Osteramtmann bei der dortigen Polizeidirektion. Nach dem Umsturz wurde er Anhänger der national sozialistischen Bewegung Adolf Hitlers und trat beim Münchener Hitler-Putsch im Jahre 1923 führend hervor. Er wurde damals zu Festungshaft verurteilt, später aber im Disziplinarverfahren freigesprochen. Seit 1924 gehört er der Reichstagsfraktion der NSDAP, an. Im Herbst 1929, als die NSDAP, bei den thüringischen Wahlen ein starkes Anwachsen verzeichnen konnte, wurde er dort Innenminister. Am 1. April 1931 mußte er von diesem Amt zurücktreten, da die Deutsche Volkspartei einen Mißtrauensantrag der Sozialdemokratie gegen Frick unterstützt hatte, weil die nationalsozialistische Presse schwere Angriffe gegen die Politik der Deutschen Volks partei gerichtet hatte. Nach dieser Zeit übernahm Frick die Führung der Reichstagsfraktion der NSDAP, und spielte bei allen entscheidenden Verhandlungen der Partei eine bedeutende Rolle. * Kranz Seidie. Der ueuernannte Reichsarbeitsminister Franz Seld te ist der Gründer und Erste Bundesführer des „Stahlhelm". Er steht im. Alter von 50 Fahren und entstammt einer alten Kaufmannsfamilie der Altmark. In Magdeburg geboren, besuchte "er dort das Gymnasium und widmete sich nach dreijähriger kaufmännischer Lehrzeit dem Studium der Chemie. Später trat er in die väterliche Fabrik ein. Im Kriege führte er eine Maschinen gewehrkompagnie und verlor in der Sommeschlacht feinen linken Arm. Er wurde dann in die militärische Abteilung des Auswärtigen Amtes berufen, von der er mit wichtigen Aufträgen in der Schweiz, Holland und den nordischen Staaten betraut wurde. Am 13. September 19l9 gründete er in Magdeburg den „Stahlhelm", — Bund der Front soldaten —, dessen Erster Bundesführer er seither ist. Zu sammen mit dem Zweiten Bundesführer, Oberstleutnant Duesterberg baute er den „Stahlhelm" zu der größten deutschen Frontkämpferorganisation auf. General von Schleicher nach feinem Rücktritt. General von Schleicher mit seiner Gatlin nach der letzten Unterredung beim Reichspräsidenten, in der die Gesamtdemission der Regierung angenommen wurde. Reichsminister Goring. Der neue Reichsminister und kommissarische preußische Innenminister Hermann Wilhelm Göring wurde anr 12. Januar 1893 in Rosenheim (Oberbayern) geboren.' 1912 wurde er Leutnant und nahm im Weltkrieg zuerst als Bataillonsadjutant an den Kämpfen in Frankreich teil. Nach längerer Tätigkeit als Beobachter und Jagd- flieger war Göring vom Mai 1917 ab Führer einer Jagd staffel und in den letzten Kriegsmonaten Kommandeur des Jagdgeschwaders von Richthofen. An Auszeichnungen erhielt er u. a. den Orden „Pour le merite", das Ritter kreuz des Hohenzollernordens mit Schwertern und das Eiserne Kreuz I. und II. Klasse. Als Hauptmann nahm Göring aus dem Heeresdienst seinen Abschied. Nach mehr jähriger Tätigkeit als Flugberater im dänischen und schwedischen Flugwesen studierte er in München und Rom die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Seit 1930 ist Göring politischer Beauftragter Hitlers in Berlin. Dem Reichstag gehörte er seit 1928 an. * Oer neue Reichswehrminister. Der ueuernannte Reichswehrminister Generalleutnant Freiherr Werner vonBlomberg steht im 55. Lebens jahr. Er ist gebürtiger Pommer. 1897 wurde er Leutnant im Infanterieregiment 73 in Hannover. Schon im Jahre 1911 trat er in den Generalstab ein. Während des Krieges war er zunächst Generalstabsoffizier der 19. Reserve division, kam 1916 zum 18. Reservekorps und im März 1917 zum Generalstab der 7. Armee. Nach Beendigung des Krieges wurde er in das neue Reichswehr mini st erium berufen. Im Mai 1920 wurde er Chef des Generalstabs der Brigade Döberitz und ein Jahr später Chef des Stabes der 5. Division in Stuttgart. Anfang 1925 kam er als Chef der Heeresbildungsabteilung ins Reichswehrministerium zurück. Am 1. April 1927 wurde er unter gleichzeitiger Beförderung zum General major zum Chef des Truppenamtes ernannt. Am 1. Oktober 1929 wurde von Blomberg Kommandeur der 1. Division und Befehlshaber im Wehrkreis I zu Königs berg. Außerdem wurde er zu diesem Zeitpunkt General- leutnannt. Im Oktober 1930 ging General von Blomberg in amtlichem Auftrag auf die Dauer von zwei Monaten zur Armee derVereinigtenStaaten,umdie nach dem Weltkriege angebahnten Beziehungen zwischen der amerikanischen Armee und unserer Reichswehr zu ver tiefen. In letzter Zeit war von Blomberg als Sach verständiger der deutschen Abordnung auf der Genfer Abrüstungskonferenz tätig. Sie gemeindlichen Wohlfahrt-lasten fieigen. weiter. 17,26 Millionen Mark im Dezember. Wider Erwarten ist trotz der Bestimmung, daß vom 28. November 1932 für den Rest des Winters Aussteue rungen in der Krisenfürsorge ausgeschlossen fein sollen, die Anzahl der Wohlfahrtserwerbslosen stärker gestiegen als im Vormonat. Es entfallen Ende Dezember 1932 auf 1000 Einwohner rund 62 Wohlfahrtserwerbslose in Sachsen. Im Reichsdurchschnitt entfallen 39 Wohlfahrts- erwcrbslose auf 1000 Einwohner/Entsprechend sind die Aufwendungen für die Wohlfahrtserwerbslosen gestiegen. Die Gemeinden und Bezirksverbände mußten im Dezem ber an Unterstützungen 15,89 Millionen Mark ausgcben. Infolge der oben erwähnten Bestimmung ist auch die Anzahl der Krisenunterstützten stark angestiegen. W - rend im Vormonat die Anzahl der Krifenunterstütz!>.n noch um 1 Prozent zurückgegangen ist, ist sie im Dezember in Sachsen und im Reiche um rund 13 Prozent gestiegen. Das bedeutet aber auch hinsichtlich des von den Gemein den aufzubringenden Krisenfünftels eine höhere Belastung der Gemeinden im Dezember, und zwar mit 1,37 Millionen Mark. Die für die gesamte Erwerbslosenfürsorge gemach ten Aufwendungen betrugen im Dezember 1932 17,26 Mill. Mark. Hierfür sind durch die Reichshilfe 12,23 Millionen Mark gedeckt worden. Mithin blieben rund 29 Prozent der Aufwendungen ungedeckt. Copyright bv küsrtw keucktvanger, klslls (Ssnle) s18 „Hier ist niemand zu Hausei" Suchend blickte Theobald zu den Fenstern empor. Da hörte er ein Kichern hinter seinem Rücken. Schnell fuhr er herum. Nirgends war ein Mensch zu sehen, so eifrig er auch umherspähte. „Hierl" rief es lockend; jäh hob Theobald den Kopf in die Höhe, woher er den leisen Ruf gehört hatte. Mitten in den Blättern eines alten Kirschbaumes saß da ein Mädchen und zeigte ihm lachend die schönen Zähne. Unter einem bunten Kopftuch schaute ein blühendes, junges Gesicht hervor, mit großen dunklen Augen. Zwei nackte Beine in ausgetretenen Halbschuhen baumelten aus den Zweigen herunter. Theobald Fischer wußte, was er zu tun hatte. Blitz schnell drehte er sich herum, lehnte sein Rad an das Haus und schickte sich an, auf den Baum zu klettern. „Hel Sie da untenI Was tun Sie da? Sie wollen doch nicht etwa zu mir heraufklettern?" „Natürlich, Kleine, will ich das! Sonst ist mir die Unterhaltung zu beschwerlich, wenn ich immer den Kopf in die Höhe recken soll." „Nein! Bleiben Sie nur unten! Da komme ich lieber herunter. Aber — sagen Sie mir erst — was wollen Sie eigentlich hier?" „Ja, mein liebes Kind, ich möchte gern Herrn von Löwen sprechen." So! — Herrn von Löwen!? In welcher Angelegen heit denn?" „Meiner Treu, was geht Sie das an, was ich mit Herrn von Löwen zu besprechen habe? Hier scheint ja eine heillose Wirtschaft zu sein, wenn sich schon die Dienst leute in die herrschaftlichen Angelegenheiten mischen! Aber vielleicht steigen Sie jetzt wirtlich herunter von Ihrem luftigen Sitz und melden mich dem Herrn von Löwen. Man kann doch nicht stundenlang warten, ehe man jemand zu sprechen bekommt." „Von stundenlang kann gar nicht die Rede sein, mein Herr. Sie sind noch keine zehn Minuten hier. Ich habe ja gesehen, wie Sie in den Hof gekommen sind." „Schön, mein Kindl Sie mögen recht haben. Aber es dauert mir trotzdem lange genug, und ich ersuche Sie noch einmal, mich endlich zu melden." „Hat gar keinen Sinn, daß ich Sie melde. Herr von Löwen ist nicht zu Hause." „Was? Das hätten Sie mir wirklich schon früher sagen können." Die Kleine oben antwortete nicht. Sie hatte an gefangen, eine Schlagermelodie vor sich Hinzusummen, und pendelte dazu vergnügt mit den Beinen. Entrüstet sah Theobald Fischer in die Höhe. In diesem Augenblick traf ihn eine wohlgezielte Kirsche mitten auf die Stirn. „Getroffen! Fein!" rief es dazu von oben herunter. Wütend fuhr Theobald in die Höhe. Die Kleins oben lachte indes so fröhlich, sah so reizend dabei aus, daß Theobald nicht böse sein konnte. Wenn sie wenigstens unten gewesen wäre, da hätte er schon die rechte Strafe gefunden. Aber so... „Also, junger Herr, es ist niemand zu Hause. Da werden Sie schon ein anderes Mal kommen müssen." „Aber ich denke ja gar nicht daran. Ich werde warten, bis Herr von Löwen zurückkommt. Wo ist er eigentlich hingegangen?" „Hinausgeritten, auf die Felder. Und es kann sehr spät werden, bis er zurückkommt. Wenn es Ihnen nur nicht zu lange dauert." „Ach, ewig kann er ja nicht ausbleiben, denke ich." „Na, da werde ich doch langsam herunterkommen." „Ich hielte es auch für angebracht", antwortete Theo bald spöttisch. Er hatte sich über die kesse Art der Kleinen doch ein wenig geärgert. Sie mußte zum Dienstpersonal gehören, denn die Freunde hatten erfahren, daß Herr von Löwen ganz allein hauste, seit seine Tochter in einem Schweizer Pensionat untergebracht war. Man mußte es ihm gelegentlich nahelegen, seine Leute ein wenig besser zu erziehen. Jetzt sah er, wie die Kleine gewandt vom Baume her unterkletterte. Gerade hatte sich der Rock in einem Ast verfangen; zwei schlanke, in eng anliegenden Schlüpfern steckende Beine wurden sichtbar. Das Blut stieg Theobald zu Kopf; aber schon war er hinübrrgeeilt, der Kleinen zu helfen. Er kam gerade zu recht, sie in seinen Armen aufzufangen. „Ach, wie schade! Ich wollte doch herunterspringen." „Sie hätten sich sicher weh getan, auf dem. harten Boden." „Aber nein! Ich bin eine gute Turnerin! Und gerade Springen gehört zu meinen besonderen Künsten. Doch, jetzt müssen Sie mich endlich loslassen..." Eine kleine, verlegene Nöte stand aus ihrem Gesicht, während sie den hübschen Männerkopf so dicht vor sich hatte, der sie vom ersten Augenblick an heftig interessierte. „Damit Sie es übrigens wissen: ich bin niemand von den Dienstleuten — ich bin Lucie von Löwen!" „Entschuldigen Sie, gnädiges Fräulein, das habe ich natürlich nicht gewußt. Gestatten Sie — Theobald Fischer. Ich dachte, Sie seien in der Schweiz?" „Ja — woher wußten Sie überhaupt etwas von mir? Ich habe Ihren Namen nie gehört. Leben Sie in der Nach barschaft?" »Ja, gnädiges Fräulein! Ich wohne bei meinem Freund auf Löbbau." „Ach du lieber Gott! Sie sind also der Freund vom Gust Richter?! Soso?! Da muß ich Ihnen gleich sagen, daß mein Vater auf Sie ebenso schlecht zu sprechen ist wie auf Doktor Richter. Doktor Richter habe sich zu wenig um seinen Besitz gekümmert, meinte er, und sei selbst schuld daran, daß es so schlecht mit ihm stehe, (Forts, folgt^