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Wilsdruffer Tageblatt 2. Blatt Nr. 26 — Dienstag, den 31. Januar 1933 Sinnspruch. Die reinen Frauen stehen im Leben Wie Rosen in dem dunklen Laub. Auf ihrem Wirken, ihrem Streben Liegt noch der feinste Blütenstaub. Jul. Rodenberg. August -er Starke. Zum 200. Todestag am 1. Februar. Am 1. Februar 1733 starb August der Starke. Seine weltgeschichtlich bedeutende Gestalt steht im Mittel punkt des kommenden Jubiläumsjahres, in dem Dresden das Andenken des Fürsten ehren wird. Die große Masse kennt August den Starken nicht. Jeder hat irgendeinmal gehört, daß er einige hundert Kinder gehabt haben soll, daß er ein Schürzenjäger war, ein Don Juan, daß er als notorischer Verschwender sein Land ausbeutete und nur Sinn hatte für galante Aben teuer, rauschende Feste usw., daß er aber im übrigen ein wenig sympathischer Selbstherrscher gewesen ist. Was man August dem Starken auch anhängen mag, er war trotz alledem eine schöpferische, geniale Persön lichkeit, die Werte schuf, Werte, die heute noch fort wirken, Werte, die wir heute noch auswerten. Einer der bedeutendsten Kenner der sächsischen Wirt schaftsgeschichte, Dr. Johannes März, schreibt zu diesem Thema: „Man hat August den Starken in historischen Schilderungen sehr häufig als einen Mann dargestellt, dem es nur auf äußeren Glanz und Ausbeutung des Volkes angekommen sei, und dem eine Förderung des Wohl standes des Landes ferngelegen habe. Nach neueren Unter suchungen verkennt diese Auffassung die Verhältnisse. Es steht vielmehr fest, daß er für die Förderung von Ge werbe und Industrie sehr viel getan hat. Er suchte durch gesetzgeberische Maßnahmen vorhandene Übel stände zu beseitigen, zog auswärtige Siedler zu gewerb licher Betätigung in Sachsen heran und förderte die Gründung von Fabriken für die Anfertigung gewerb licher Neuheiten. Neue Gewerbezweige, wie Flanellfabri kation, Kattunherstellung, Barchentweberei, Kanevas-, Musselin-, Flor- und Schleierherstellung, wurden ein geführt, oder, soweit sie schon vorhanden waren, ver bessert und technisch gefördert. Böhmische Exulanten wurden nach Sachsen gezogen, die in Klingenthal die Herstellung von Saiten- und Schlaginstrumenten ein führten. Der Export vergrößerte sich, gefördert besonders auch durch die Leipziger Messe, die ja nicht nur aus inländischem Absatz beruhte, und inEibenstock und Schneeberg war der Markt für Blechwaren aus be scheidenen Anfängen zum Großbetrieb umgewandelt mit Erportverbindungen nach einer Reihe europäischer Länder wie nach fremden Erdteilen. Auch die G-ld- und Silberarbeit, die Gürtlerei, Drahtzieherei, Bildweberei und Seidenwürmerzucht erfreuten sich der Förderung durch seine Regierung. Auch die vielen Feste, deren Veranstaltung man August dem Starken vielfach als Aus fluß seiner Verschwendungssucht vorwirft, waren Teile der Regierungspolitik zur Förderung der Volkswirtschaft und des Volkswohlstandes. Bekannt ist. daß August der Starke selbst an Manufakturen und an Fabriken beteiligt war. Eine dieser Unternehmungen wurde die Grundlage für die weltbekannte Porzellanmanufaktur in Meißen, die unter seiner Regierung gegründet worden ist." August stellte die Erzeugnisse seiner Manufakturen in Leipzig aus, dessen Stellung als Hattdels- und Messe platz er nach allen Richtungen zu fördern suchte. Ins besondere machte er sür die Messe großzügige Reklame, indem er sie kaufkräftigen Kreisen vorführte. 1709 sah die Leipziger Michaekismesse außer dem sächsischen Herrscher» paare den König Friedrich I. von Preußen und vierundvierzig Prinzen und Prinzessinnen, die einen Einblirk in die hohe Entwicklung Leipzigs als Handels stadt bekommen und auf der Messe einkaüfen sollten. Jedenfalls eins steht fest: August der Starke hat Sachsen in Reichtum und Wohlstand hinterlassen. Und Dresden? Dresden war eine Stadt mit hölzernen Budiken. Und was hinterließ er? Eine Stadt prachtvoller Bauten, herrlicher Kunstwerke! Das heutige Dresden, das schöne, weltberühmte Dresden, hat er gestaltet, er hat ihm das Gepräge gegeben. Schöpferische Geister sind nicht immer mit schäbiger Waage zu mesfen; sie sind eigenwillige Naturen. Sie mögen in ihrem Naturell viel negative Seiten haben, aber sie sind doch Lichtgestalten. Sie hinterlassen Werte, sie hinterlassen Werke, Schöpfungen, die lange, lange noch den Erben zugutekommen. Wie ein Gestirn, das lange erloschen, noch Jahrtausende wetterleuchtet; und wie sein Licht weiter wirkt, so leuchtet auch die Gestalt A u g u st s des Starken immer noch hinein in unsere Zett, und sein Werk wirkt heute noch für uns. Vie men Minister Hitlers Lebensgang. Adolf Hitler wurde als Sohn eines Zollbeamten am 20. April 1889 in Braunau in Ober ö st erreich geboren. In seiner Vaterstadt besuchte er die Realschule und zeigte schon früh zeichnerisches Talent. Sein Wunsch als Schüler war es, Kunstmaler zu werden, aber der Vater hatte an dieser Neigung seines Sohnes keine Freude, er wollte ihn als Beamten sehen. Als Hitler dreizehn Jahre alt war, starb seinVater, bald darauf auch seine Mutter. Als Existenzmittel hatte der elternlos gewordene Junge nur eine kleine Waisenpension. Nach dem Tode seines Vaters versuchte er in Wien, sich als Maler auszubilden, fand aber in der Schule keine Auf nahme, weil den Lehrern seine malerischen Talente nicht genügten. Nun faßte er den Entschluß, Architekt zu werden. Um sich zunächst praktisch auszubilden, nahm er Arbeit auf einer Baustelle an. Dort kam Hitler zum erstenmal mit der praktischen Politik in Berührung, als ihn seine Kollegen drängten, der Sozialdemokratischen Partei beizutreten. Dies veranlaßte ihn, politische Schriften zu lesen und sich über die politischen Ideen seiner Zett zu unterrichten. -Den Wunsch seiner Kollegen erfüllte er nicht. Im Jahre 1912 ging er nach München, um sich weiterzubilden. Da kam derKrieg. Hitler meldete sich sofort als Freiwilliger und bat um Einstellung in ein bayerisches Regiment. Als Infanterist im 16. bayerischen Neserveregiment kam er im Oktober 1914 an die Westfront, wo er sich als Meldegänger das Eiserne Kreuz Er st er Klasse verdiente. Im Oktober 1918 wurde Hitler schwer verwundet, durch eine Gasvergiftung verlor er vorübergehend das Augen licht. Im Lazarett in Pasewalk erlebte er die Re volution. Damals soll er, so wird erzählt, geschworen haben, daß er nicht rasten und ruhen wolle, bis das Un recht, das er im Umsturz erblickte, wieder gutgemacht sei. Nach der Entlassung aus dem Lazarett im November 1918 wandte sich Adolf Hitler wieder nach München, und nahm dort im Frühjahr 1919 an den Kämpfen gegen die Räteregierung teil. Nach dem Sturz der roten Ge waltherrschaft in München wurde Hitler als sogenannter Bildungsoffizier einem Münchener Infanterie regiment zugeteilt mit der Aufgabe, vaterländische Auf klärungsvorträge zu halten. Aus der Bezeichnung Bildungsoffizier entstand dann der Irrtum, Hitler sei im Kriege Offizier geworden. Mit der Aufgabe, politische Aufklärungsvorträge zu halten, war Hitler gewissermaßen in die praktische Politik gestellt. Er wandte sich auch bald ganz der Politik zu und wurde zunächst Mitglied der Deutschen Arbeiterpartei, die damals nur aus ganzen sechs Mann bestand. Aber Hitler gelang es, durch sein rednerisches Geschick aus dem halben Dutzend rasch einige Eltz von Nübenach Göring Schwerin v. Krosigk Gercke Neurath f17 Man war um so angenehmer überrascht, als der junge Doktor Richter sich jetzt als loyaler, umgänglicher und für sorglicher Mann entpuppte, der sich viel im Dorfe sehen ließ und der für jeden etwas übrig hatte. Man konnte über alles mit ihm ein offenes Wort reden, und er ließ auch die Ansichten der anderen gelten. Er schien alles daranzusetzen, seine Scholle zu retten. Man war willens, ihm dabei so gut wie möglich zu helfen. Selbst in den umliegenden Dörfern gab man sich Mühe, August Richter nach Möglichkeit zu unterstützen. Es ließ sich nicht umgehen, einige der zum Gut ge hörenden Wiesen und Felder zu opfern; man brauchte sie zur Aufnahme der Halden. Trotzdem hatte das Dörfchen Löbbau nichts von seinem anmutigen Reiz eingebüßt. Seine schöne, waldige Um gebung war erhalten geblieben. Das eigentliche Kohlengebiet lag etwa sechs Kilometer Pon Löbbau entfernt. August Richter wollte unter keinen Umständen den ganzen Wald vernichten. Es tat ihm leid genug, wenn die schönen, stolzen Bäume unter den Aexten der Holz hauer fallen mußten; aber dort, wo es nicht mehr un bedingt nötig war, mußten die Aexte haltmachen. Seine Gläubiger hatten mit einem Schlage eine andere Haltung eingenommen. Sie bedrängten ihn nicht mehr, hatten auf einmal viel Zeit, brauchten plötzlich das Geld nicht mehr so dringend. Es könne ruhig stehenbleiben, boten sie ihm an, es sei ja sicher genug. Bis versteckt und allmählich die Anfragen einliefen, ob man sich nicht an dem Unternehmen beteiligen könne. Theobald Fischer legte sofort einen Niegel vor. „Nicht einen einzigen Menschen nehmen wir mit auf, Gust!" bestimmte er. „Wir werden es allein schaffen — brauchen niemand anders. Pass' auf, es wird nicht einmal allzulange dauern, bis wir schuldenfrei dastehen und außerdem noch die Kassen voll Geld haben." Beide Freunde waren als Besitzer der Grube - ein getragen worden. August hatte darauf gedrungen, daß Theobald Mitinhaber wurde. Ihm allein verdankte er ja diesen Fund. Ohne Theobald wären ihm andere zuvor gekommen. Die beiden Junggesellen hausten einsam auf dem Schloßgut, und sie waren die ersten, die morgens den Tagebau betraten, und die letzten, die ihn abends ver ließen. Unermüdlich waren sie in ihrer Arbeit. Sie hatten Glück gehabt bei der Wahl ihrer Beamten und Arbeiter. Sie konnten sich ebenso auf den Berghaupt mann verlassen wie auf die Bergassessoren und Bau inspektoren. Der Berghauptmann, Direktor Blümler, war ein im Bergbau erfahrener Praktiker und dazu ein offener und ehrlicher Mensch. Es dauerte nicht lange, bis er mit ins Schloß zog. Er war auch unverheiratet und hatte bald mit Gustav Richter und Theobald Fischer gute Freund schaft geschlossen. Theobald Fischer erwies sich als glänzender Kauf mann; seine Rechnungs- und Verwaltungsbücher konnten sich sehen lassen. Sein Vater hätte seine reine Freude ge habt, wenn er seinen Sohn in dieser seiner neuen Be schäftigung hätte sehen können. Theobald selbst war keineswegs gut auf seinen Vater zu sprechen. Es ärgerte ihn außerordentlich, daß er sich nicht um ausgerissenen Sohn zu kümmern schien und kein Sterbenswörtchen von sich hören ließ. Dabei hatte August in Theobalds Auftrag dem Alten schreiben müssen, daß Theobald sich auf Löbbau befand. „Damit er sich keine unnützen Sorgen zu machen braucht", wie Theobald nebenbei äußerte. Es war eigentlich nicht zu begreifen, daß der Vater sich nicht meldete. Die Geschichte ging Theobald näher, als er sich anmerken ließ. Und wenn er nicht durch die enorme Arbeit abgelenkt worden wäre, würde er wahrscheinlich schon längst reumütig zurückgekehrt sein. Das alles überdachte er jetzt, als er auf seinem Rade in den lachenden Sonnentag hineinfuhr. Er hatte weiter nichts an als ein kurzärmeliges, weißes Hemd und eine Hose, der Hitze wegen, die sich seit einigen Tagen ein gestellt hatte. Er wollte in ein benachbartes Dorf, zu dem Ritter gutsbesitzer von Löwen. Er kam in Augusts Auftrag, der heute nicht abkömmlich.war. Löwen hatte viel Futter und Getreide zu verkaufen. Auf Löbbau war man auf den An kauf von Getreide angewiesen, seitdem ein Teil der Felder verschüttet war. Die Sonne brannte heute gehörig auf den Rücken; dabei war es erst kurz vor zehn Uhr. Auf dem Heimwege würde es erst recht unerträglich sein. Theobald war der Besuch, den er zu machen hatte, nicht sonderlich angenehm. Dieser Herr von Löwen sollte ein Sonderling sein, mit dem nicht leicht zu verhandeln war. Na, schließlich würde er schon mit ihm zu Rande kommen. Dort die große Mauer, die schien das Rittergüt abzu schließen. Theobald stieg vom Rad, schritt durch das Tor. Gackernde Hühner, schnatternde Gänse liefen durchein ander; ein Hund lag vor der Hundehütte und blinzelte faul und träge in die Sonne. Als er Theobald sah, hob er den Kopf, fing leise zu knurren an. Sonst tiefe Stille. Nirgends war ein Mensch zu sehen, weder in dem zweistöckigen Herrenhaus noch in irgend einem der Nebengebäude. Jetzt ging Theobald durch ein Gartentor, kam an die Hintere Front des Herrenhauses. Immer noch rührte sich nichts. Mein Gott! Schlief denn hier alles? Laut klingelte Theobald an seiner Radglocke — kein Laut! „Hallo! Wirtschaft!" Wie aus weiter Ferne vernahm er da eine Antwort. Mortsetzung^olM