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Tagesspruch. Ich fuhr in alle Lande aus sind frug: Wo wohnt der Frieden? Ich fuhr durchs weite Erdenhaus Im Sonncnglanz und Winterbraus Und fand ihn nirgend hieniedcn. Jul. Wolff. * Gute Menschen sind wie Sonnen, Strahlen senden sie hinaus, Die bei andern Glück und Wonnen Ä den Herzen lösen aus. G. Zieschang. Notzeit und Volksgesundheit in Sachsen. Selbsthilfe durch hygienische Lebensführung. Auf Grund amtlichem Materials des Landesgesundheits amts wird soeben in den „Blättern für Wohlfahrtspflege" ein Ueberblick über die Gesundheitsverhältnisse in Sachsen 193'1 gegeben. Der Bericht unterscheidet Gesundheitszustand von Ernährungszustand. Während ein Rückgang des Ernährungs zustandes festgestellt wird, wird der Gesundheitszustand im Endergebnis als befriedigend bezeichnet, wenn sich auch hei ihm schon Einwirkungen der Notzeit geltend machten. Die Sterbeziffer 1931 war nach dem Bericht nur wenig höher als 1930, wo sie die niedrigste der überhaupt je in Sachsen festgestellten amtlichen Sterbeziffer war. Epidemien schwerer Art traten nicht auf. Alle anzeigepflichtigen Infek tionskrankheiten wie Diphterie, Genickstarre, Scharlach sind zurückgegangen; die spinale Kinderlähmung hatte 1931 bei 26 Erkrankungen nur 5 Todesfälle. An Lungen- und Kehlkopf- . tuberkulöse wurden über 6000 Fälle medizinalpolizeilich neu gemeldet und 3180 Todesfälle an Tuberkulose. Damit bleibt Sachsen mit der Sterblichkeitsziffer der Tuberkulose unter dem Reichsdurchschnitt. Eine Steigerung der Geisteskrankheiten wurde nicht be- - obachtet, wohl aber ein Nachlassen der seelischen Kräfte, eine Zunahme der Nervosität bezw. der Neurasthenie und auch der Selbstmorde, die ohnehin in Sachsen verhältnismäßig häufig sind. Ferner scheinen Herz- und Gefäsikrankheiten und die Zuckerkrankheit zuzunehmen. Statistisch wird dies mit auf die lleberalterung der Bevölkerung und auf die bessere Erfassung und häufigere Diagnosestellung zurückgeführt. Die Säuglingssterblichkeit mit 6,7 auf 10 000 Einwohner war 1931 in Sachsen die niedrigste seit Bestehen dieser Sta tistik überhaupt. Auch die Gesundheit der Schulkinder konnte für 1931 als befriedigend bezeichnet werden; es wurden aber häufiger als früher Blutarmut und Rachitis festgestellt. Besonders hervor zuheben ist die Zunahme der Kurzsichtigkeit. Bei den jüngeren Jugendlichen war Eesundheits- und Ernährungszustand günstig bezw. noch ausreichend. Während bei den älteren Jugendlichen Ernährungs- und Krästezustand bereits als schlechter bezeichnet werden. Von allgemeinen hygienischen Verhältnissen wird die Wohnungsnot als ebenso ungünstig wie im Vorjahr, teilweise als verschlimmert geschildert. Eine große Anzahl kinderreicher Familien war in ungesunden Notwohnungen untergebracht; die Verwendung 'von Gartenlauben, alten Eisenbahnwagen usw. als Dauerwohnungen wurde immer häufiger, Die per sönliche Sauberkeit und die Sauberkeit der Wohnungen war, so sehr sie durch enges Zusammenleben erschwert wurden, bei jüngeren Ehepaaren z. T. lobenswert. Wäschenot machte sich schon sehr fühlbar. Alles in allem wirkt der Bericht, wenn man sich die be reits trostlose wirtschaftliche Lage 1931 vergegenwärtigt, wie ein anerkennendes Zeugnis für die deutsche hygienische Lebensführung als erfolgreiche. Selbsthilfe gegen die Gesund- heitsgefahren einer aufs äußerste bedrängten Lebenshaltung. vir „MIantique"Kstaltrophe Todesopfer des Schiffsbrandes auf dem Kanal. Noch keine Klarheit über die Ursache des Brandes. Während man nach den ersten Nachrichten über den Brand des französischen Riesendampfers „Atlantique" an nehmen konnte, daß die furchtbare Schiffskatastrophe keine Opfer an Menschenleben gefordert habe, besagten spätere Meldungen, daß dem Brandunglück etwa dreißig Mann der Besatzung zum Opfer gefallen seien. Diese Nachricht wurde dann jedoch wieder berichtigt. Man kann jetzt jedoch annehmen, daß 18 oder 19 Matrosen ums Leben gekommen sind. Sie werden einstweilen als „vermißt" gemeldet, und man hofft noch, daß sie irgendwo an Land gekommen sein könnten; aber diese Hoffnung dürfte sich leider wohl als trügerisch erweisen. Der französische Minister der Handelsmarine erklärte jedoch, daß ein verbrecherischer Anschlag als ausgeschlossen gelten dürfe. Die geretteten Seeleute wußten über die Entstehung des Brandes auch nichts Be stimmtes zu sagen; sie gaben in ihren Aussagen haupt sächlich dramatische Einzelschilderungen. Alle Berichte stimmten darin überein, daß das Feuer sich mit auffallen der Geschwindigkeit verbreitet habe; irgendwelche Schlüsse sollen aber auch daraus nicht gezogen werden dürfen. Ein großer Teil der Geborgenen, unter denen sich übrigens auch drei Frauen vom Dienstpersonal befinden, ist von den Anstrengungen der LSscharbeiten und des Rettungswerkes sehr erschöpft. Einige Matrosen haben fast zwei Stunden im Wasser schwimmen müssen, ehe sie von Rettungsschiffen ausgenommen wurden. Das Schwimmen war ungemein schwer, weil auf dem Wasser dichte Rauchwolken lagen. „L'Attantique" in Flammen. Dieses Bildtelegramm des französischen Ozeanriesen wurde von einem Sonderflugzeug aus ausgenommen und zeigt, daß der Dampfer mit starker Schlagseite lichterloh brennend hilflos aus dem Kanal treibt. Die Versicherung des Schiffes. Die Last der Versicherung für die „L'Atlantique" ver teilt sich auf Londoner Gesellschaften. Das Schiff war für mehr als zwei Millionen Pfund versichert, wovon 1,2 Millionen Pfund bei Lloyds in London untergebracht sind. Die Verluste, die bei Lloyds in letzter Zeit aus Schiffsbränden entstanden, sind außerordentlich groß, so daß wahrscheinlich die neue Schiffskatastrophe zu einer Erhöhung der Versicherungssätze für Brandgefahr führen dürfte. Man überlegt, ob man nicht neben dem Begriff „Seetüchtigkeit" für die erste Versicherungsklasse einen neuen besonderen Begriff „Feuertüchtigkeit" einführen soll. Oie „Atlantique^ vor der englischen Küste. Die „Atlantiquc" nähert sich, von sechs Schleppern gezogen, langsam der englischen Küste. Man will versuchen, das Wrack nach Weymouth zu bringen. Die Taue konnten nur am Heck der „Atlantique" befestigt werden, da das vordere Schiff noch teilweise in Brand steht. Die drei Schiffsschlote und der Vordermast stehen noch. Die Schlagseite des Schiffes, das sich jetzt um bei nahe 20 Grad geneigt hat, ist noch größer geworden. Die „Atlantique" hat seit dem Augenblick, wo sie von der Besatzung verlassen worden war, eine Strecke von annähernd 100 Kilometer zurückgelegt. Die Bergung -er „Atlantique" vorläufig aufgegeben. Kurzschluß als Brandursache? Die Versuche zur Bergung der „Atlantique" wurden anscheinend vorläufig aufgegeben. Die „Atlantique" wurde, wie berichtet wird, etwa 25 Kilometer südlich der Needles bei der Insel Wight in westlicher Richtung treibend gesehen. Das neue Abtreiben des Dampfers wird auf den Flutwechsel zurückgeführt. Inzwischen wird in Cherbourg die Vernehmung der geretteten Besatzung fortgesetzt. Aus den Aussagen der Matrosen und vor allem des zweiten Kapitäns scheint hervorzugehen, daß man einen Kurzschluß als Feuer ursache für möglich hält. Handelsmarineminister Meyer scheint ebenfalls zu dieser Auffassung zu neigen. Er schaltet jedenfalls von vornherein jeden verbrecherischen Anschlaa aus. Frankreichs „Dank". Pressrhetze gegen Deutschland wegen des Brandes auf der „Atlantique". In derPariser Presse wird übereinstimmend eine scharfe Untersuchung des Brandes auf der „Atlantique" gefordert. Man hebt die eigentümliche Übereinstimmung hervor, die zwischen dem Brand der „Atlantique" und des „George Philippar" bestehe. Bei beiden Schiffen wurde das Feuer in den frühen Morgenstunden entdeckt und bei beiden brach es in einer unbesetzten Ka bine 1. Klasse aus. Weiter waren in beiden Fällen die F u n k st a t i o n e n fast von Beginn an unbrauchbar. Der bekannte französische Schriftsteller Claude Far- röre legt im „Jntranstgeant" dem französischen Handels- marineminister scharf formulierte Fragen über die Kata strophe vor. Die „Action Francaise", das Blatt der französischen Royalisten, schreibt im Zusammenhang mit dem Verlust der „Atlantique" und des „George Philippar", daß die französische Landesverteidigung zwei bedeutende Einheiten des allgemeinen Mobilmachungsplanes ver liere. Beide Schiffe seien so gebaut gewesen, daß sie im Kriegsfälle als Hilfskreuzer hätten dienen können, um den Truppentransport zwischen den Kolonien und dem Mutterlande zu ver sehen und Munition und Rohstoffe von Amerika nach Frankreich zu befördern. Die „Libcrtö" bestätigt diese kriegerische Nebenbestimmungen der beiden vernichteten französischen Niesendampfer und erklärt m diesem Zu sammenhang, daß die Spionageabwehr des einen oder anderen Staates Vorteil durch die Beseitigung dieser beiden Schiffe gehabt haben könne. Dieses wäre 5t« >g0§D/K0t. ät-SOoT dy ^sartin ttkMe lLssIe) l6 Irgendein Witzbold stülpte es auf den großen Silber- ftern, der vorn am Kühler leuchtete. Im Hundertkilometer tempo raste der Wagen über den Fernpaß, fuhr trotz hundert warnender Hände der Verkehrsschutzleute durch Imst und Telss seinem neuen Stall, der Landeshauptstadt Innsbruck zu. Kurz vor dem Ziel, wo der ehemalige Schratzenbauer, jetzt Besitzer des ersten Luxushotels, von dem livrierten Personal empfangen werden sollte, wollte es die Tücke des Schicksals, daß der Wagen nach Passieren einer Kurve ins Schleudern kam. Gleich darauf ein flug ähnlicher Ruck, ein Krach, ein Klirren — der Schratzen bauer flog. Er landete zwar nicht unter den Trümmern des Mercedes-Wagens. Dafür stand er aber mit einem wenig intelligenten Gesicht vom Boden der Schlafkammer auf, mit dem er soeben infolge des „Schleuderns" Be kanntschaft gemacht hatte. So kam es denn auch, daß der Schratzenbauer schon am frühen Morgen den Weg zu seinem Freunde, dem Bopfinger Naz, angetreten hatte. Im Morgenlicht des neuen Tages blitzten die frisch gedengelten Sensen der Knechte und Mägde, die im Gänsemarsch einen schmalen Weg zur Bergwiese hinan gingen. -Ist der Naz schon auf?" schrie der Schratzenbauer zu den Ehehalten des Bopfinger Hofes hinüber. , -Jawohl, der is schon auf", lachte der Tomatenkopf emer nudeldicken Walze, die auf kurzen, krummen Beinen montiert war. Der Bopfinger Bauer schlüpfte gerade in seinen sonnen- gebleichten blauen Janker, von dem die silbernen Frauen- talerknövfe vrotzia blitzten, und stelzte hinter einem Ge ¬ büsch entlang, bis dieses die Aussicht auf die Wiese freigab. „Halt a bißl, Naz, i hab a wichtiges Wörtl mit dir z' reden." „Hat ebba der Wirt von Bichlbach unsern Ochsen zruck- gehn lassen?" „Na, na, dös Gschäft is gmacht, übermorgn kriegn ma 's Geld. Ganz was anders. Du — fall net um, i sag dir was." „Na, raus mit der Sprach! Hat der Posthalker, von Ehrwald durch 'n Advokaten klagt." „Na — sitz man uns a wenig an d' Schattenseitn, droben bei der Sebastianikapelle — es braucht uns neamd dalurn" Während in den umliegenden Wiesen die blitzenden Schneiden der Sensen in das taunasse Gras rauschten, be rieten die beiden Bauern, mit den Rücken an die stock fleckige Mauer der Kapelle gelehnt, einen Plan, der dies mal nicht einen Handel mit einem Stück Vieh oder einem Pferd bedeutete. In dieser Morgenstunde wurde mit Kindern und Greisen, mit Männern und Frauen, mit Häusern, Wäldern und Feldern gehandelt. Der Schratzen bauer fuchtelte erregt mit seinen gichtknorpeligen, blau roten Händen in der Luft. Das stoppelbartige Kinn zuckte nervös auf und ab, die grünen Katzenaugen, die zwischen krankhaft geröteten Lidern schwammen, traten übermäßig heraus. Die Stimme überkugelte sich: „Du mußt als Mitglied des Gemeindeausschusses das Gewicht auf das Geld legen. A jeder fällt aufs Diridari nei." Dabei machte er mit den Fingern, deren Nägel stets und ständig eine halbe Prise Schnupftabak beherbergten, die bekannte Bewegung des Geldzählens. „A jeder kann sich um dös Geld, dös d' Ablösekommission zahlt, an neuen, säubern Hof bauen. Ueberhaupt" — dabei rückte er näher an den Naz heran, drehte am Kragen, sich überzeugend, daß keine Lauscher in die Nähe kamen — „ist mir heut nacht eine Idee kommen, Naz: Da Kramer Michl möcht schon längst sein Sachl verkaufen, da Heckenstaller Lenz hat ma vor zwei Wochen etliche Tagwerk Grund antragn — wia moanst, wenn man zupackn würde! Dö Gschichi muatz so schnell als möglich gehn; wenn dö was von der Ab lösung erfahrn, is die Gschicht nimmer so leicht." Die Äugen der beiden Bauern bekamen einen selt samen Glanz. In ihren Händen lag schon das Geld und der Gewinn, den sie durch den Handel aus leichte Weise bekommen konnten. Der Bopfinger Naz stemmte seinen Körper in die Hohe: „Toni, dös wär a Gschäft — koa Minuten is zu ver- liern, dös muatz sofort anpackt werdn. I schick dir d' Unterdirn zum Helfen, pack glei 's Motorrad! und schau, datz die Gschicht so schnell wie mögli zum Abschluß konimt." Der Schratzenbauer schlich wie ein Fuchs zum Kramer- Michl, der neben seinem Gütl mit etwa zehn Tagwerk ein kleines Geschäft mit Spezereiwaren betrieb. Er kaufte sich einige Zigarren und ließ so nebenbei heraus, daß er heute noch nach Reutte fahren müßte. „Herrgott, Toni, hast koan Platz für mi, i hätt a not- wendigS Gschäft in Reutte zu erledigen." „Warum denn net, i muatz aber schon in einer halben Stunde fahrn." „Derweil bin i fix und fertig." Als die Heiterwanger Bauern nach Stunden schwerer Mäh- und Heuarbeit unter den schattigen Kronen der Bäume an den Feldrainen bei der wohlverdienten Brot zeit saßen, staubte das Motorrad, das ob seines lauten Geknatters in der ganzen Gegend bekannt war, auf der Landstraße daher. Die Landleute streckten die Hälse. „Herrgott, der Schratzenbauer hat's schön; wir schwitzn schon seit der Fruah um fünfi, der Taugenichts fahrt a d' Stadt, macht sich a schöns Lebn beim Wirt und macht im Handumdrehn mit der Handelschaft sein Gschäft. Jessas na — dös is ja da Kramer-Michl — wie er drobn sitzt, wie a hingepappte Kreuzspinn... Da sieht ma's wieder, dö Herrn können spaziernfahrn; a Zentimeter Gschäft tragt mehr als a Meter Arbeit" (Fortsetzung folgt.)